Karrierekolumne
Von klein nach groß
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
In einem Beratungsgespräch mit einer Doktorandin in der Bewerbungsphase besprechen wir Fragen, die im Vorstellungsgespräch kommen könnten: „Bei Ihrem Profil kann ich mir gut vorstellen, dass Sie gefragt werden, ob Sie sich vorstellen können, in einem anderen Bereich zu arbeiten.” Gewohnt schnörkellos antwortet sie: „Ich möchte an der Simulation von Katalysatoren arbeiten, idealerweise im Grenzbereich zwischen Hochschule und einer kleinen Firma.” Ich lasse eine Pause, und wir müssen beide lachen. „Ok, damit bekomme ich wohl Extrapunkte für ‚nicht flexibel‘”, resümiert sie schmunzelnd.
Mit Fragen wie dieser wollen Arbeitgeber sehen, dass Ihre Vorstellung von der eigenen beruflichen Zukunft nicht zu festgefahren ist – gleichzeitig aber auch, dass Sie wissen, was Sie wollen. Wenn Sie angeben, dass Sie für wirklich alles zu haben sind, nur um bei diesem Arbeitgeber einen Fuß in die Tür zu bekommen, dann nimmt er Sie als verzweifelt wahr.
Meine Gesprächspartnerin konzentriert sich und macht einen zweiten Versuch. „Am Anfang meiner Doktorarbeit habe ich im Labor gearbeitet, was mir Spaß gemacht hat. Ich finde es sehr wichtig, Kontakt mit den experimentell arbeitenden Kolleg:innen zu halten. Wir simulieren schließlich ihre Experimente.“ Neulich habe sie mal wieder im Labor vorbeigeschaut, um mit einem Kollegen zu sprechen, erzählt sie. „Er zeigte mir eine Übergangsmetalllegierung, die golden glänzte. Ich hatte eine silbrige Farbe erwartet und erfuhr im Gespräch, dass sich die Farbe durch relativistische Effekte erklären lässt.“ Eine entscheidende Info für sie: „Das war wichtig für meine Simulationen – werden diese Effekte weggelassen, dann stimmen meine Modelle nicht mehr. Ich könnte mir durchaus vorstellen, in Zukunft wieder näher ans Labor zu rücken.”
Ich bin baff. Diese Antwort ist in vielerlei Hinsicht besser als die erste: Die Doktorandin erklärt ihr Interesse an der Simulation und gibt im gleichen Atemzug an, in welche Richtungen sich ihr Interesse plausiblerweise in Zukunft entwickeln könnte. Das tut sie anhand eines realen und gut nachvollziehbaren Beispiels, das sie als interessierte und selbstkritische Wissenschaftlerin darstellt.
Wenn Sie etwas erklären möchten, dann ist es für die Zuhörenden verständlicher, wenn Sie mit einem konkreten Beispiel einsteigen. Darauf basierend können Sie dann die allgemeinen Schlussfolgerungen ableiten.
Der promovierte Chemiker Philipp Gramlich ist Mitgründer von Natural Science Careers, einem Unternehmen für Karriereberatung und Soft-Skill-Seminare für Naturwissenschaftler:innen. Für die Nachrichten aus der Chemie schreibt er über Beobachtungen aus seiner Beratungstätigkeit. p.gramlich@naturalscience.careers
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