Bildung + Gesellschaft

Die Stiftung Bucerius, die zum Magazin Zeit gehört, hat eine Studie zu Zensurkultur und akademischer Redefreiheit an Universitäten in Deutschland finanziert. Dazu befragte das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung 54 690 Professor:innen, Postdocs und Promovierende, von denen 9083 (16,6 Prozent) die Befragung vollständig beantworteten. Einige Ergebnisse (gewichtete Analyse, um Abweichungen zwischen Stichprobe und Population zu korrigieren):Die Forschung ist weitgehend frei. Etwa 79 Prozent bewerten Forschungsfreiheit und Autonomie in der Wissenschaft als eher gut oder sehr gut – unabhängig von der Fächergruppe. 19 Prozent beurteilen die Wissenschaftsfreiheit als eher schlecht, 3 Prozent als sehr schlecht.Den Daten zufolge gibt es Freiheitsbeschränkungen in der Wissenschaft. Meist fühlen sich die Befragten wegen inhaltlicher Kritik eingeschränkt. Es ist unklar, ob dies zum wissenschaftlichen Arbeiten gehört oder einer Zensurkultur gleicht.Umgerechnet auf alle wissenschaftlich Beschäftigten sind es 6 477 Wissenschaftler:innen, die berichten, sie hätten in den letzten zwei Jahren berufliche Probleme gehabt, weil sie ihre Lehre frei nach eigenen Vorstellungen gestaltet haben. Aus Sorge vor negativen Konsequenzen oder wegen externen Drucks haben 9 Prozent der Befragten bestimmte Forschungsergebnisse nicht veröffentlicht. Etwa jede:r Zwanzigste hat Vorträge, Veranstaltungen oder ein geplantes Forschungsprojekt abgesagt oder abgebrochen.Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen erwarten und erfahren Einschränkungen nicht häufiger als Professor:innen. Entsprechende Erwartungen und Erfahrungen lassen sie aber häufiger ihre Forschungspraxis anpassen. ELZum Kurzbericht der Studie: <url href="https://t1p.de/1zero"><a href="https://t1p.de/1zero" target="_blank">t1p.de/1zero</a></url>

Studie

Wissenschaftsfreiheit in Deutschland

Kurioses, Erstaunliches, &Uuml;berraschendes &mdash; was vor 50 Jahren in den &bdquo;Nachrichten aus der Chemie&ldquo; stand, die damals noch &bdquo;Nachrichten aus Chemie und Technik&ldquo; hie&szlig;en.

Vor 50 Jahren

<h2 type="main">Mit Vinylchlorid arbeiten</h2>Wie die Nachrichten aus Chemie und Technik zuvor berichtet hatten, löse Vinylchlorid eine bestimmte Leberkrebsart aus, nämlich einen bösartigen Gefäßtumor namens Angiosarkom. Aufgefallen war dies, nachdem Anfang des Jahres 1974 die B. F. Goodrich Company in den USA vermeldet hatte, einige ihrer Mitarbeiter seien daran gestorben. Im ersten Novemberheft berichteten die Nachrichten: Das Department of Labor habe einen Dreistufenplan für die Sicherheitsbestimmungen bei der Vinylchloridfabrikation herausgegeben. Bis zum<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/JwrpOtB5SICQDZoW34GJ">Ab 1. Januar 1975 sollten alle Arbeiter mit Atemgeräten ausgestattet sein, sobald die 1-ppm-Grenze überschritten würde. Vinylchlorid ist heute als bekanntermaßen krebserregend eingestuft, der Arbeitsplatzgrenzwert liegt noch immer bei 1 ppm.Noch mehr Erstaunliches aus den Blauen Blättern von früher lesen Sie in der GDCh-App: <url href="http://gdch.app/category/vor-50-jahren"><a href="https://gdch.app/category/vor-50-jahren" target="_blank">gdch.app/category/vor-50-jahren</a></url>

Meldung

Mit Vinylchlorid arbeiten

David Baker, Nobelpreistr&auml;ger f&uuml;r Chemie 2024, hat mit seiner Gruppe zur Jahrtausendwende die Software Rosetta geschaffen. Sie findet Aminos&auml;uresequenzen, um Proteinstrukturen zu bauen. Wie das geht, was sich damit anfangen l&auml;sst und wie es war, beim Durchbruch dabei zu sein &ndash; das erz&auml;hlen ein ehemaliger Postdoktorand Bakers und eine Forscherin, die Proteindesign f&uuml;r ihre Forschung nutzt.
Let&rsquo;s go for a walk&rdquo;, waren David Bakers erste Worte, als ich in Seattle an der Universit&auml;t von Washington zum Interview eintraf. Ich hatte mich in seinem Labor als &bdquo;post-doctoral fellow&ldquo; beworben. Wir liefen zusammen durch die Union Bay Natural Area zur Schule seiner Kinder und diskutierten, wie man im Computer am schnellsten Konformations&auml;nderungen von Proteinen berechnet. Nachdem wir die Kinder abgeholt und nach Hause gebracht hatten, war meine Entscheidung f&uuml;r Seattle gefallen &ndash; ich hatte nicht nur mit einem vision&auml;ren Wissenschaftler gesprochen, sondern mit einem besonderen Menschen. Eines der Privilegien in der akademischen Forschung ist, dass wir uns aussuchen k&ouml;nnen, mit wem wir arbeiten m&ouml;chten. Ich wollte mit David arbeiten.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/Gtkj3AlTHkmzUTiPQucU">
<figcaption><label>Abb.1: </label>Eine H&auml;lfte des Nobelpreises f&uuml;r Chemie 2024 geht an David Baker. Der US-amerikanische Biochemiker, Jahrgang 1962, ist Professor f&uuml;r Biochemie an der Universit&auml;t Washington und zudem am Howard-Hughes-Medical-Institute t&auml;tig. Er ist Mitgr&uuml;nder von 21 Unternehmen und h&auml;lt &uuml;ber 100 Patente. Das Magazin Time z&auml;hlte ihn Anfang 2024 zu den 100 einflussreichsten Menschen im Bereich Gesundheit.</figcaption>
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<h2 type="main">Rosetta &uuml;bersetzt Sequenz in Struktur</h2>
Das Projekt Rosetta hatte mich nach Seattle gebracht. Benannt ist es nach dem Stein von Rosetta, der entscheidend war, um die &auml;gyptischen Hieroglyphen zu entschl&uuml;sseln. In Davids Gruppe ging es nicht um Hieroglyphen, sondern um eines der gr&ouml;&szlig;ten Geheimnisses der Biologie: Wie konstruiert die Natur aus der Reihenfolge von Aminos&auml;uren (Prim&auml;rstruktur) fast immer die korrekte dreidimensionale (Terti&auml;r-)Struktur eines Proteins? Das Proteinfaltungsproblem ist gel&ouml;st, wenn ein Computeralgorithmus f&uuml;r eine gegebene Sequenz immer die richtige Struktur vorhersagt.
Rosetta ist ein Monte-Carlo-Algorithmus, der Proteinfragmente (Peptide) im Raum zusammensetzt wie ein dreidimensionales Puzzle. Seit 1999 ist Rosetta Grundlage f&uuml;r viele Entwicklungen in der Strukturvorhersage.
Die Grundlagen, die Rosetta geschaffen hat, waren entscheidend f&uuml;r das Programm Alphafold, das aus einer Aminos&auml;uresequenz die Proteinstruktur berechnet. F&uuml;r die Proteinstrukturvorhersage erhielten John Jumper und Demis Hassabis eine H&auml;lfte des Nobelpreises. Hier hat David Bakers Team also entscheidend beigetragen. Baker selbst hat den Nobelpreis f&uuml;r computergest&uuml;tztes Proteindesign erhalten. Sein Team und er haben im Jahr 2003 erstmals ein Protein entworfen und hergestellt, das zuvor bekannten nicht &auml;hnelt (Abbildung oben). Einige der von ihm seitdem entworfenen Proteine lassen sich etwa als Wirk- oder Impfstoffe einsetzen. Beim Proteindesign entwerfen Forschende Proteine, die bestimmte Strukturen und Eigenschaften haben sollen, und der Algorithmus gibt die passende Aminos&auml;uresequenz aus.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/9iIOQhKLSoSsQA5XbgJe">
<figcaption><label>Abb.2: </label>Die andere H&auml;lfte des Nobelpreises f&uuml;r Chemie 2024 geht an John M. Jumper (links) und Demosthenes &bdquo;Demis&ldquo; Hassabis. Hassabis wurde im Jahr 1976 in London geboren. Der begeisterte Schachspieler ist studierter Informatiker und promovierter Neurowissenschaftler, zudem KI-Forscher sowie Mitgr&uuml;nder von Deepmind Technologies, dem Unternehmen, das Alphafold herausgebracht hat. Jumper, geboren 1985, ist US-amerikanischer Chemiker und KI-Experte. Er arbeitete ein Jahr lang an seiner Promotion in Festk&ouml;rperphysik, bevor er beschloss, die Uni zu verlassen und sich Supercomputern und Proteinfaltung zu widmen. Er ist der j&uuml;ngste Nobelpreistr&auml;ger seit 1952 (Richard L. M. Synge).</figcaption>
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/4rk9nEYoT3KNNNxZOTZA">
<figcaption><label>Abb.3: </label>Ein am Computer entworfenes Protein (TOP7), das keine nat&uuml;rliche Vorlage hat und aus 93 Aminos&auml;uren besteht.</figcaption>
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<h2 type="main">Wie Faltung und Design zusammenh&auml;ngen</h2>
Warum gibt es einen gemeinsamen Nobelpreis f&uuml;r Proteinfaltung und Proteindesign? Beides ist wie Yin und Yang. Bei der Proteinfaltung ist die Aminos&auml;uresequenz gegeben, gesucht wird die Struktur. Beim Proteindesign steht die Struktur fest, und man fragt nach einer Sequenz, die sich zu dieser Struktur faltet (Abbildung links). Deshalb hei&szlig;t das Proteindesignproblem auch h&auml;ufig inverses Proteinfaltungsproblem.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/Z7x7ugIRRdCQLzv2oyea">
<figcaption><label>Abb.4: </label>Proteinfaltungsprogramme wie Alphafold schlie&szlig;en von der Abfolge von Aminos&auml;uren auf die dreidimensionale Struktur eines Proteins (Proteinfaltung). Computergest&uuml;tztes Proteindesign beginnt bei einer Wunschstruktur oder -funktion, aus welcher der Computer eine Aminos&auml;uresequenz vorschl&auml;gt.</figcaption>
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Die Suchfunktion der Software &auml;ndert die Konformation und beim Proteindesign auch die Sequenz des Proteins. Die Energiefunktion bewertet, ob die ge&auml;nderte L&ouml;sung energetisch g&uuml;nstig ist. Ein wohlgefaltetes Protein befindet sich oft im globalen Minimum, welches die Energiefunktion von weniger g&uuml;nstigen Zust&auml;nden unterscheidet. Durch entsprechende Programmierung gibt es eine gemeinsame Suchfunktion f&uuml;r den Konformationsraum und eine gemeinsame Energiefunktion &ndash; das Programm macht also beides: suchen und bewerten. Dieser Ansatz sollte die Algorithmen robust machen, also die Fehlerquote senken und auf viele Proteindesignprobleme anwendbar machen. Das war die revolution&auml;re Idee hinter Rosetta &ndash; eine schnelle Monte-Carlo-Suche im Konformationsraum gekoppelt mit einer robusten erfahrungsbasierten Energiefunktion.
<h2 type="main">Mehr M&ouml;glichkeiten als Atome im Universum</h2>
Was Proteinfaltung und -design kompliziert macht, sind die Milliarden von M&ouml;glichkeiten, Atome im Raum anzuordnen. Proteine bestehen aus tausenden Atomen. Es ist unm&ouml;glich, alle Anordnungen im Raum und Sequenzen beim Proteindesign zu durchsuchen. Die Zahl der M&ouml;glichkeiten &uuml;bersteigt die Zahl der Atome im Universum. Hier ist es wichtig, die Such- und Energiefunktion effizient zu koppeln.
<h2 type="main">Proteinen Leben einhauchen</h2>
Anfang der 2000er Jahre entwarf die Baker-Gruppe ein De-novo-Protein &ndash; also eines, das nicht direkt von der Natur inspiriert ist. F&uuml;r dieses Protein namens TOP7 fand Rosetta eine Aminos&auml;uresequenz. Diese wurde anschlie&szlig;end hergestellt, und wie die Forschenden feststellten, faltete sich das Protein so wie am Rechner geplant.
Eines meiner (JM) Projekte in Seattle war, diesen Proteinen eine Funktion zu geben: Ich passte Rosettas Proteindesignalgorithmus an und entwarf so nicht nur Proteine, sondern Enzyme.
<h2 type="main">Wie Proteindesign hilft</h2>
Effiziente Methoden f&uuml;r Proteindesign sind so wichtig, da Proteine universelle Funktionsgeber der Biologie sind: Sie k&ouml;nnen chemische Reaktionen katalysieren, sie koppeln Ligandenbindung mit chemischen Reaktionen, sorgen damit f&uuml;r Signal&uuml;berleitung, und sie bewerkstelligen den Transport von Sauerstoff, Ionen oder Hormonen durch den K&ouml;rper. Dar&uuml;ber hinaus sind sie wichtige Werkstoffe, und indem wir sie modifizieren, werden wir neue funktionalisierte bioabbaubare Materialien erhalten. Ein gro&szlig;er Teil von David Bakers Erfolg ist, Proteindesign in die Anwendung gebracht zu haben. Aus seinen Forschungsarbeiten und aus seinem Institut f&uuml;r Proteindesign sind inzwischen &uuml;ber zwanzig Firmen ausgegr&uuml;ndet worden.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/i5RXVnUqQGui1TRgKz0F">
<figcaption><label>Abb.5: </label>&Uuml;berblick &uuml;ber Proteindesigns. a) TOP7, das erste mit Rosetta ohne Proteinvorlage entworfene Protein (De-novo-Design). b) Proteine lassen sich als Bausteine im Raum anordnen. c) Mit nichtkanonischen Aminos&auml;uren lassen sich Proteine so anordnen, wie es in der Natur nicht vorkommt. d) Proteine lassen sich so entwerfen, dass sie sich zu symmetrischen Proteinkomplexen zusammenlagern.</figcaption>
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Einer der wichtigsten Einsatzorte f&uuml;r Proteindesign ist die Arzneistoffforschung.
<h2 type="main">Zwei Entwicklungen f&uuml;r die Wirkstoffforschung</h2>
Selbstorganisierende Proteine bilden gro&szlig;e stabile Komplexe; sie k&ouml;nnen so DNA oder RNA umh&uuml;llen oder Proteine auf ihrer Oberfl&auml;che pr&auml;sentieren. In der Natur existieren sie zum Beispiel als Virush&uuml;llen. In Bakers Labor wurden nat&uuml;rliche Proteine, die keine Komplexe bilden, neu entworfen: Durch Rosetta wurden ihre Oberfl&auml;chen komplement&auml;r gemacht, sodass sie sich aneinander anlagern und global organisieren k&ouml;nnen. Diese Proteine wurden im Labor einzeln hergestellt und zusammengef&uuml;hrt, wo sie gr&ouml;&szlig;ere Partikel mit definierten Geometrien bildeten. Dabei formen diese Proteinkomplexe die platonischen K&ouml;rper, etwa Ikosaeder und Oktaeder &ndash; wie in der Natur. &Uuml;ber die n&auml;chsten Jahre entwickelten David Baker und sein Team diese Partikel weiter &ndash; De-novo-Proteine ersetzten die nat&uuml;rlichen Proteine, und die geometrischen Strukturen wurden komplizierter. Diese selbstorganisierenden Nanopartikel lassen sich mit viralen Glykoproteinen dekorieren und funktionieren so als Impfstoffe. Mit dieser Technik haben das Institut f&uuml;r Proteindesign und Baker den Corona-Impfstoff SKYCovione in S&uuml;dkorea auf den Markt gebracht.
Vielversprechend ist auch, De-novo-Proteine als Mini-Binder zu entwerfen &ndash; das sind Wirkstoffe mit Eigenschaften von monoklonalen Antik&ouml;rpern und Molek&uuml;len. Methoden der k&uuml;nstlichen Intelligenz haben dies erm&ouml;glicht. RoseTTAFold aus Bakers Labor oder Alphafold von den anderen beiden Nobelpreistr&auml;gern Demis Hassabis und John Jumper sagen nicht nur Strukturen vorher: Erh&auml;lt ein Diffusionsalgorithmus einige Punkte im Raum als Startkoordinaten, sagt das neuronale Netz die &uuml;brigen Koordinaten der Aminos&auml;urereste voraus. Das ist auch in Gegenwart eines anderen Proteins m&ouml;glich, sodass die Mini-Binder spezifisch an die gew&uuml;nschten Oberfl&auml;chen binden. Diese Mini-Binder k&ouml;nnen eine wertvolle Alternative f&uuml;r klassische Antik&ouml;rperwirkstoffe sein &ndash; anders als diese lassen sie sich allein basierend auf Strukturdaten darstellen.
Bei den ersten Versuchen war es noch n&ouml;tig, viele zehntausende Proteine im Computer zu designen, und nur die wenigstens lie&szlig;en sich experimentell herstellen. Methoden der k&uuml;nstlichen Intelligenz haben die Erfolgsraten im Labor jedoch gesteigert.
Diese Konzepte nutzen Forscher:innen auch in Deutschland. Das Institut f&uuml;r Wirkstoffentwicklung, das ich (JM) im Jahr 2020 an der Medizinischen Fakult&auml;t der Universit&auml;t Leipzig gegr&uuml;ndet habe, will computergest&uuml;tzte Wirkstoffentwicklung in die Anwendung bringen. Proteindesign ist ein wichtiger Teil davon. W&auml;hrend mein Labor Algorithmen entwickelt und testet (<a href="https://www.meilerlab.org" target="_blank" rel="noopener">www.meilerlab.org</a>), verwenden andere Arbeitsgruppen diese, um Wirkstoffe zu designen. Die Arbeitsgruppe von Clara Schoeder nutzt Proteindesign, um neue Impfstoffe sowie Gen- und Zelltherapeutika zu testen (<a href="https://www.schoederlab.org" target="_blank" rel="noopener">www.schoederlab.org</a>). Diese neuen Techniken stellen wir auch in der Lehre vor. Im Sinne von David Bakers wegweisender Arbeit verwenden unsere Mitarbeiter:innen computergest&uuml;tztes Proteindesign, um eine neue Generation an Wirkstoffen zu entwerfen und in Experimenten zu testen.
Den Beitrag haben Jens Meiler und Clara Schoeder von der Universit&auml;t Leipzig verfasst. Jens Meiler ist seit 2020 Leiter des neugegr&uuml;ndeten Instituts f&uuml;r Wirkstoffentwicklung. Er entwickelt computergest&uuml;tzte Verfahren zur Wirkstoffforschung, um Strukturen von Membranproteinen zu bestimmen und Proteintherapeutika zu entwickeln. Seit dem Jahr 2023 ist Clara Schoeder Juniorprofessorin f&uuml;r die Entwicklung neuer immunotherapeutischer Wirkstoffe. Sie nutzt computergest&uuml;tztes Proteindesign mit maschinellem Lernen und entwirft so Proteine mit neuen Funktionen.
<h2 type="main">Fragen an: Jens Meiler, Ex-Postdoktorand des Nobelpreistr&auml;gers</h2>
Sie waren Anfang der 2000er Jahre Postdoc bei David Baker. Wie war es, mit ihm zusammenzuarbeiten?
Die Zusammenarbeit mit David Baker war nicht nur professionell, sondern auch pers&ouml;nlich sofort eine positive Erfahrung &ndash; sehr auf Augenh&ouml;he. Wir waren damals vielleicht 15 Leute in seiner Arbeitsgruppe. Die H&auml;lfte davon hat die Rosetta-Software programmiert, die Proteindesign enth&auml;lt. David selbst hat gar nicht so viel programmiert, er kommt aus der Biochemie, hat aber die M&ouml;glichkeiten erkannt und die Richtung vorgegeben.
Hatten Sie schon damals das Gef&uuml;hl: Das k&ouml;nnte einen Nobelpreis geben?
Das Proteinfaltungsproblem, wof&uuml;r John Jumper und Demis Hassabis von Deepmind den Nobelpreis erhalten haben, war beschrieben als das gr&ouml;&szlig;te Problem in der computergest&uuml;tzten Biologie. Das zu l&ouml;sen ist nobelpreisw&uuml;rdig, das war eigentlich schon damals jedem klar.
Ich bin zu David gegangen, weil die ersten Resultate von Rosetta gerade bei der Proteinfaltung vielversprechend aussahen. Damals hatte ich mit k&uuml;nstlicher Intelligenz schon Schritte gemacht, und das haben wir zusammen in Rosetta eingebaut.
Steckt denn in der aktuellen Version von Rosetta noch Code von Ihnen?
Ja, gerade der Teil, der Proteinfaltung betrifft. Beim Proteindesign gab es fr&uuml;he Erfolge im Design von Enzymen &ndash; diese ersten Versionen habe ich geschrieben. Andererseits muss man ganz fair sagen: Damals waren wir acht Leute, die daran herumprogrammiert haben, und die Software ist jetzt riesengro&szlig;, inzwischen haben das bestimmt hundert Gruppen angefasst.
Baker sagte, er h&auml;tte gedacht, wenn er den Nobelpreis erh&auml;lt, dann mit Stephen Mayo und William DeGrado. Glauben Sie, die h&auml;tten das mehr verdient?
Das ist die Frage des Themas: Beide sind Pioniere des Proteindesigns. Wenn es nur einen Nobelpreis f&uuml;r Proteindesign gegeben h&auml;tte, dann w&auml;ren das neben David Baker sicherlich zwei Kandidaten gewesen.
Das Problem war: Wenn das Nobelpreiskomitee Proteinfaltung auszeichnet, kann es Baker nicht &uuml;bergehen, weil er mit Rosetta vor 25 Jahren die Grundlagen geschaffen hat. Das Komitee hat nicht unendlich viele Preise zu vergeben, und computergest&uuml;tzte Biologie hatte vor ein paar Jahren schon einen Nobelpreis. Ich vermute, deshalb hat das Komitee sich entschieden, Design und Faltung mit einem gemeinsamen Preis zu w&uuml;rdigen &ndash; da h&auml;tte ich John Jumper und David Baker auf der Liste gehabt. Bei aller Hochachtung vor Steve Mayo und Bill DeGrado sticht David nochmal heraus.
Kooperieren Sie aktuell mit David Baker in Projekten?
Im Moment haben wir keine gemeinsamen Anwendungsprojekte. Die meisten Dinge, die David kann, machen wir auch und umgekehrt. Unsere Kollaboration l&auml;uft &uuml;ber Rosetta Commons: Unsere Studenten tauschen t&auml;glich Computercode aus, sie sind auf einem gemeinsamen Slackkanal [Chat- und Projektsoftware], der Code wird jede Nacht getestet, und wir haben gemeinsame Konferenzen und Workshops, bei denen die Studenten lernen, wie sie in Rosetta programmieren. Die meisten der hundert Labore haben ihre eigenen Anwendungsprojekte. Ich kollaboriere dann zum Beispiel mit Leuten, die die Impfstoffe herstellen und testen.
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<figcaption><label>Abb.6: </label>April 2005: Jens Meilers (ganz rechts) Abschied von der Gruppe um David Baker (Mitte, mit Brille) in Seattle. Rechts au&szlig;en steht der Computer, auf dem Meiler einen Teil von Rosetta programmierte. Foto: privat</figcaption>
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LB
<h2 type="main">Die Nobelpreise f&uuml;r Physik und Medizin</h2>
Der Physiknobelpreis 2024 geht an John J. Hopfield und Geoffrey E. Hinton. Sie wurden f&uuml;r ihre herausragenden Beitr&auml;ge zur Entwicklung k&uuml;nstlicher neuronaler Netze ausgezeichnet, welche die Grundlage des heutigen maschinellen Lernens und der k&uuml;nstlichen Intelligenz bilden.
John Hopfield, Professor an der Princeton University, entwickelte das nach ihm benannte Netz. Dieses zeigt, wie Erinnerungen gespeichert und rekonstruiert werden k&ouml;nnen. Hopfield nutzte dabei physikalische Prinzipien, etwa Energieminimierung, um Verbindungen zwischen Neuronen in einem Netzwerk zu modellieren. Geoffrey Hinton, Professor an der University of Toronto, entwickelte das Boltzmann-Maschinenmodell, das auf Hopfields Arbeit aufbaut. Es erm&ouml;glicht Maschinen, Muster in Daten zu erkennen &ndash; eine Schl&uuml;sselkomponente moderner KI-Techniken.
Ihre Arbeiten, die in den 1980er Jahren begannen, wirkten sich weitreichend auf viele Wissenschaftsbereiche aus und zunehmend auch auf das Alltagsleben der Menschen. Die von den beiden Preistr&auml;gern entwickelten neuronalen Netze bilden die Basis f&uuml;r viele der heute eingesetzten maschinellen Lernverfahren, beispielsweise in der Bild- und Spracherkennung.
Die Nobelpreistr&auml;ger f&uuml;r Physiologie oder Medizin 2024 sind Victor Ambros und Gary Ruvkun. Sie wurden f&uuml;r ihre bahnbrechende Entdeckung der microRNA ausgezeichnet, einer Klasse winziger RNA-Molek&uuml;le, die wichtig f&uuml;r die Genregulation sind. MicroRNAs schalten Gene ein und aus und steuern damit, welche Proteine in den Zellen produziert werden. Diese Mechanismen sind nicht nur grundlegend f&uuml;r die Entwicklung und Funktion von Lebewesen, sondern auch von gro&szlig;er Bedeutung, um etwa Krebs, Herzkrankheiten oder neurologische Erkrankungen zu erforschen und zu behandeln. CR
Illustration: Johan Jarnestad / The Royal Swedish Academy of Sciences
<h2 type="main">AUF EINEN BLICK</h2>
Das Programm Rosetta entwirft Proteine &ndash; es findet f&uuml;r eine erdachte Proteinstruktur eine Aminos&auml;uresequenz.
Das f&uuml;hrte im Jahr 2003 zu TOP7, dem ersten Protein ohne nat&uuml;rliche Vorlage.
Inzwischen steckt diese Forschung zum Beispiel in einem Impfstoff gegen das Coronavirus.

Nobelpreis für Chemie 2024

Proteine falten und entwerfen

Durchschnittlich 36 500 Euro haben Hochschulträger im Jahr 2022 Hochschulen für ein Bachelorstudium zur Verfügung gestellt. Der Betrag bezieht sich auf eine durchschnittliche Fachstudiendauer von 4,1 Jahren; Lehramtsbachelor sind nicht eingerechnet. Die Ausgaben unterscheiden sich je nach Fach: Überdurchschnittlich waren Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften; Mathematik und Naturwissenschaften sowie Kunst und Kunstwissenschaft (55,5; 55,1 bzw. 51,4 Tsd. Euro, Grafik). Die geringsten Ausgaben gab es bei Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (19,7 Tsd. Euro). Durchschnittlich betrugen die laufenden Ausgaben (Grundmittel) für ein Bachelorstudium im Jahr 2022 an Universitäten 47 700 Euro, an Fachhochschulen 18 700 Euro.Zum Statistischen Bundesamt: <url href="https://t1p.de/lwxjz"><a href="https://t1p.de/lwxjz" target="_blank">t1p.de/lwxjz</a></url>

So viel kostete ein Bachelorstudium 2022

Das britische Magazin Times Higher Education (THE) hat die weltweit besten Universitäten 2025 gekürt. Auf den ersten drei Plätzen sind die Universität Oxford (Großbritannien), das Massachusetts Institute of Technology und Harvard (beide USA). Die erste deutsche Universität im Ranking ist die TU München auf Platz 26, es folgen die LMU München (38) und die Universität Heidelberg (47).Für das Ranking untersuchte das THE mehr als 2000 Institutionen in über 115 Ländern und Hoheitsgebieten.Zum Ranking: <url href="https://t1p.de/ebbep"><a href="https://t1p.de/ebbep" target="_blank">t1p.de/ebbep</a></url>Eliza Leusmann

Universitätsranking

Einer Studie auf Chemrxiv zufolge stellten 1619 Kanäle auf Youtube im Jahr 2023 englischsprachige Inhalte zu Chemie bereit. 84 % der Inhalte seien von unabhängigen Schöpfer:innen, also von solchen, die nicht zu einer Institution, einem Unternehmen oder ähnlichem gehören. 71 % der Videos richteten sich an Studierende, und 71 % fokussierten sich auf Chemietheorie oder Klausurkorrekturen. USA, Indien und UK waren die Hauptproduzenten englischsprachiger Videos (19, 11 beziehungsweise 5 %). Einen starken Anstieg der Videomenge im Jahr 2020 korrelieren die Autor:innen mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie.Zur Studie: <url href="https://t1p.de/rqxni"><a href="https://t1p.de/rqxni" target="_blank">t1p.de/rqxni</a></url>

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