Wissenschaft & Forschung

Aus den Biowissenschaften<h2>Resistenzmechanismus von Bakterien geklärt</h2>Forscher zeigten den Resistenzmechanismus von Bakterien anhand von E. coli. Dazu isolierten sie aus diesem das Membranprotein Mdfa. Bakterien nehmen zwar zunächst den Wirkstoff von Antibiotika auf, Mdfa transportiert diesen aber wieder aus der Zelle. Somit wird das Antibiotikum unwirksam für die Bakterien. LS<ul><li>
1 Nat. Commun. 2018, 9, 4005</li></ul>
<h2>Wie Fische im Salzwasser überleben</h2>Eine Studie zeigt, wie sich Trimethyloxid (TMAO) und Harnstoff verbinden, um den osmotischen Druck von Fischen in Salzwasser aufrechtzuerhalten. Harnstoff destabilisiert, TMAO stabilisiert. Die beiden Moleküle verbinden sich, um intrazelluläre Proteine zu schützen. Bisher galt, dass das Sauerstoffatom des TMAO und das Wasserstoffatom des Harnstoffs Wasserstoffbrücken bilden. Nach den neuen Erkenntnissen wechselwirkt TMAO mit den Wasserstoffatomen von Wasser. Eine andere hydrophobe Stelle des TMAO verbindet sich mit Harnstoff. LS<ul><li>
2 Chem. 2018, 4, 2615 doi: 10.1016/j.chempr.2018.08.020</li></ul>
<h2>Feinstaub in Zürich krankheitserregender als in Peking</h2>Der Feinstaub in Zürich ist schädlicher als der in Peking, ergab ein Vergleich von Luftproben. Wie krankheitserregend Feinstaub in der Luft ist, hängt von der Konzentration ab und davon, aus welchen Stoffen er besteht. Die Partikel aus der Züricher Luftprobe hatten hohes oxidatives Potenzial, was Reaktionen der Immunabwehr auslöst. Die Luft aus Zürich ist hauptsächlich mit Eisenpartikeln von Bahnschienen und Bakterienprodukten von Bauernhöfen belastet, die aus China mit Arsen. TB<ul><li>
3 Environ. Sci. Technol. 2018, 52, 6816</li></ul>
<h2>Kohlenstoffspeicher in mitteleuropäischen Wäldern überschätzt</h2>Berechnungen mit veralteten Holzdichten überschätzen die Menge an Kohlenstoff, die in mitteleuropäischen Wäldern gespeichert sind, um zehn Mio. Tonnen pro Jahr. Durch die Klimaerwärmung hat seit dem Jahr 1900 die Holzdichte in Mitteleuropa um 8 bis 12 Prozent abgenommen, gleichzeitig ist das Volumen um 29 bis 100 Prozent gestiegen. Diese Veränderungen erklären Wissenschaftler der TU München mit längeren Vegetationszeiten. Stickstoffeinträge, zum Beispiel aus der Landwirtschaft, sind mitverantwortlich. TB<ul><li>
4 For. Ecol. Manag. 2018, 429, 589</li></ul>
<h2>Medikamente einnehmen nach der inneren Uhr</h2>Forscher der Universitätsmedizin Berlin fanden zwölf Gene, an denen sich bestimmen lässt, ob ein Patient zum Spät- oder Frühtyp gehört. Dies ist hilfreich, weil die Wirksamkeit einiger Medikamente von der inneren Uhr abhängt. So wirken Magensäurehemmer morgens am besten; nachmittags sind weniger Schmerzmittel nötig, da dann die Schmerzempfindlichkeit sinkt. TB<ul><li>
5 J. Clin. Invest. 2018, 128, 3826</li></ul>
<h2>Biokatalyse von Dreierringen</h2>Forscher der TU Graz haben ein En-Reduktase-Enzym hergestellt, das Dreierringe bildet, statt Doppelbindungen zu reduzieren. Solche Synthesebausteine sind nötig für Medikamente und Pflanzenschutzmittel. Die Wissenschaftler bestimmten die Chiralität der durch diese Biokatalyse hergestellten Moleküle, indem sie Substrate mit einem großen Rest wählten. TB<ul><li>
6 Angew. Chem. Int. Ed. 2018, 57, 7240</li></ul>
Lisa Süssmuth, Torid Bick, Frankfurt

Meldung

Aus den Biowissenschaften

Die Natur hat metallbasierte Katalysatoren hervorgebracht, die Reaktionen in einer Weise beeinflussen, von der Synthesechemiker nur träumen können. Um diese Verbindungen als Inspiration zu nutzen, müssen die Prozesse in der Natur verstanden sein.
<h2>Die drei Dauerbrenner der bioanorganischen Forschung</h2>Die Nitrogenase in stickstofffixierenden Bakterien katalysiert die Umwandlung von reaktionsträgem Stickstoff in Ammoniak – zwar mit hohem Energieaufwand (16 ATP), aber bei Raumtemperatur und Normaldruck. Das sind undenkbare Bedingungen für die Haber-Bosch-Synthese.1)Methanmonooxygenasen in methanabhängigen Bakterien katalysieren die Umsetzung von Methan und molekularem Sauerstoff zu Methanol. Ein solcher Prozess ist relevant für die Industrie, die Methanol derzeit aus Methan herstellt, und das bei hohen Energiekosten über Synthesegas. Eine direkte Oxidation ist schwierig und oft nicht selektiv, da die höheroxidierten Produkte stabiler sind als Methanol.2)[FeFe]-Hydrogenasen kommen unter anderem in Grünalgen und Bakterien vor. Sie sind die effizientesten bekannten biologischen Katalysatoren, um Wasserstoff herzustellen, was sie für erneuerbare Kraftstoffe und Katalyseforscher interessant macht.Um im Detail zu verstehen, wie Katalysatoren Stickstoff spalten oder aus Methan Methanol machen und wie Hydrogenasen Wasserstoff erzeugen, muss ihr Aufbau im Detail verstanden sein. Intermediate sind zu charakterisieren, und vor allem ist die elektronische Struktur der Metallzentren zu klären (Abbildung 1).<figure><img src="https://media.graphcms.com/UjNxqbc6QQCqXWH7wFJi"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Elektromagnetisches Spektrum und einige Spektroskopiemethoden, die in den letzten 50 Jahren erheblich zur Aufklärung bioanorganischer Fragen beigetragen haben. Die im Beitrag diskutierten Methoden sind hervorgehoben. a) Nuclear Resonance Vibrational Spectroscopy, b) X-Ray Emission Spectroscopy, c) High-Energy-Resolution Fluorescence Detected X-Ray Absorption Spectroscopy, d) Electron Spin Echo Envelope Modulation.</figcaption></figure>
<h2>Stickstoff fixieren bei Raumtemperatur und Normaldruck</h2>Bei der Erforschung der Nitrogenasen gab es in den letzten zehn Jahren große Fortschritte. Es sind mehrere Varianten dieses Enzyms bekannt, die im Cluster zusätzlich zu Eisen (FeFe-Cofaktor) Molybdän (FeMo) oder Vanadium (FeV) als Metall nutzen. Im Jahr 2011 identifizierten DeBeer und andere das Atom im Inneren der FeMo-Nitrogenase als Kohlenstoff, genauer C4–.3)Dass auch der FeV-Cofaktor solch einen Carbidoliganden enthält, zeigten DeBeer und Mitarbeiter im Jahr 2015.4) Um den Liganden im FeMo- und FeV-Cofaktor zu identifizieren, nutzten sie Röntgenemissionsspektroskopie (XES) [Nachr. Chem. 2016, 64, 325]. Dabei wird ein Loch in einer inneren – oft 1s – Schale, das durch Röntgenabsorption entstanden ist, von einem Elektron aus einer Valenzschale gefüllt, und das dabei abgestrahlte Röntgenphoton wird detektiert.5) Indem DeBeer und Mitarbeiter die Nitrogenase-Cluster-Eisen-K-Spektren zusammen mit Modellkomplexen und quantenchemischen Rechnungen analysierten, identifizierten sie einen Carbidoliganden im Zentrum der Nitrogenase.Einsle, Weber und Mitarbeiter wiederum nutzten zusätzlich zu einer Struktur mit besserer Auflösung (1,0 Å) 13C-markierte Nitrogenase und Electron-Spin-Echo-Envelope-Modulation(ESEEM)-Messungen für die FeMo-Nitrogenase.3b)Methoden wie ESEEM sind eng mit Kernresonanzspektroskopie verwandt. Hier liefern die Hyperfeinkopplungskonstanten Informationen über die Kerne, die das freie Elektron umgeben. Die 13C-markierte Nitrogenase lieferte ein Signal, das stark mit dem paramagnetischen FeMo-Cluster gekoppelt war und sich einem Carbidoliganden zuordnen ließ. Verschiedene Techniken liefern hier also das gleiche Ergebnis.Einsle und Mitarbeiter charakterisierten erstmals dieses Jahr röntgenkristallographisch ein Intermediat einer FeV-Nitrogenase.6) Dabei bindet ein leichtes Atom – wahrscheinlich Stickstoff – anstelle eines der µ-Sulfido-Liganden (Abbildung 2). Dass dieses Intermediat nun isoliert, seine Struktur charakterisiert und damit eine Bindungsstelle für Stickstoff in der FeV-Nitrogenase direkt beobachtet wurde, wird es erleichtern, den Mechanismus der Umwandlung von N2 zu NH3 zu klären.<figure><img src="https://media.graphcms.com/CLRlDZDUTZ6zIGTS7fb4"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Im Jahr 2018 isolierte Form des FeV-Cofaktors der Nitrogenase, in der sich erstmals ein leichtes Atom (wahrscheinlich O oder N, protoniert) zwischen zwei Eisenatomen und damit eine mögliche Bindungsstelle für N2 identifizieren ließ. Diese Beobachtung ist essenziell, um spektroskopische Daten der Nitrogenase zu interpretieren. (Proteindatenbankcode (PDB) 6FEA. N blau, S gelb, Fe orange, O rot, C beige, V grau). Den Carbidoliganden im Zentrum bestätigten frühere Studien.</figcaption></figure>
<h2>Biogene Wasserstoffquellen: Hydrogenasen</h2>Was die Wasserstoffbildung angeht, ist die [FeFe]-Form die effizienteste Hydrogenase.7) Schon in den 1990er Jahren wurden mit IR-Spektroskopie die für biologische Systeme eher ungewöhnlichen CO- und CN-Liganden nachgewiesen, inzwischen sind Struktur und Funktionsweise der [FeFe]-Hydrogenase besser verstanden.7,8) Vorteilhaft für spektroskopische Studien ist, dass der [FeFe]-Cofaktor der Hydrogenase getrennt vom Apoprotein synthetisiert und nachträglich in dieses eingesetzt werden kann. Das vereinfacht es, 57Fe für Mössbauer-Spektroskopie oder Nuclear Resonance Vibrational Spectroscopy (NRVS) anzureichern.7)NRVS kann man sich wie eine Kombination von Mössbauer- und Ramanspektroskopie vorstellen.9) Hierbei wird die inelastische Streuung von Synchrotronstrahlung in Resonanz mit einem nuklearen Übergang gemessen. Besonders für biologische Anwendungen ist diese Methode interessant, da sich ein einzelnes Atom an einem aktiven Zentrum eines komplexen Biomoleküls anregen lässt. Ein Vorteil von NRVS ist, dass sie im Gegensatz zu IR- oder Raman-Spektroskopie nur das Schwingungsspektrum der Liganden des betrachteten Mössbauer-Kerns liefert.Mit NRVS ließen sich Dynamik und elektronische Struktur der [FeFe]-Hydrogenase genauer ermitteln.7,10,11) Der terminale Hydridoligand, der für die FeFe-Hydrogenase postuliert wurde, ließ sich mit NRVS belegen. Dazu wurde die Fe-H-Schwingung in einer oxoverbrückten Variante beobachtet (Abbildung 3).12)<figure><img src="https://media.graphcms.com/GJbPLmKRK6st26rACMsP"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Ausschnitte aus den modifizierten Cofaktoren der [FeFe]-Hydrogenase; terminaler Hydridoligand des Hhyd-Zustands in grün. Durch Veränderung des Azadimethyldithiolat-Brückenliganden oder Mutation des Cystein169-Rests lässt sich dieser Zustand anreichern.</figcaption></figure>
Dass sich dieser Ligand auch mit NMR-Spektroskopie nachweisen lässt, zeigten dieses Jahr Lubitz und Rumpel.13) Dazu hatten sie die Bedingungen verändert: Sie reicherten den Zustand Hhyd durch eine Mutation (C169A) in der zweiten Koordinationssphäre an. Durch verschiedene Kombinationen aus deuteriertem oder undeuteriertem Lösungsmittel und Cofaktor ließ sich der Ligand dem NMR-Signal bei – 9,6 ppm zuordnen.Die gleiche C169A-Mutation nutzten auch Haumann, Winkler und Mitarbeiter, um verschiedene Zustände des aktiven Zentrums und die Desaktivierung durch O2 in der [FeFe]-Hydrogenase zu analysieren.10,14)<h2>Von Methan zu Methanol mit Methanmonooxygenasen</h2>Methanotrophe Bakterien oxidieren Methan entweder über eine kupferhaltige membrangebundene Methanmonooxygenase (pMMO mit p für particulate) oder bei Kupfermangel durch eine zweikernige, eisenhaltige, lösliche MMO (sMMO mit s für soluble). Der postulierte Mechanismus läuft vom Ausgangszustand MMOHred zu einem Dieisen-Peroxidintermediat MMOHp (Abbildung 4).15) Das Schlüsselintermediat MMOHQ, das die C-H-Bindung von Methan anzugreifen vermag, läuft über eine Dieisen(IV)-Spezies. Wie Mössbauer-Messungen zeigen, lassen sich Oxidations- und Spinzustand am besten durch zwei antiferromagnetisch gekoppelte Eisen(IV)-high-spin-Zentren beschreiben. Diskutiert wird jedoch, ob der Mechanismus über eine geschlossene bis-µ-oxo-verbrückte Struktur oder eine offene Form MMOHQ verläuft (diamond oder closed core beziehungsweise open core).<figure><img src="https://media.graphcms.com/g8EVpbK9TXeTWrw9FWtm"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Links: Schlüsselschritte des vereinfachten Mechanismus der Methanoxidation durch MMO und Ausschnitt des Ausgangszustands MMOHred; dessen Struktur ist gut charakterisiert (PDB: 1FYZ; N blau, Fe orange, O rot, C beige). Rechts: Demonstration der verbesserten Auflösung eines HERFD-Experiments verglichen mit XAS anhand eines MMO-Modellkomplexes.14)</figcaption></figure>
Licht ins Dunkel könnte eine Methode bringen, die zwar unter Physikern nicht neu ist, jedoch bisher nur wenig für bioanorganische Untersuchungen genutzt wurde: High-Energy-Resolution Fluoresence Detected X-Ray Absorption Spectroscopy (HERFD-XAS, siehe Lit.16)). Die indirekte Detektionsmethode liefert eine bessere Auflösung als konventionelle XAS [Nachr. Chem. 2015, 63, 771], und so lassen sich noch mehr Details der geometrischen und elektronischen Strukturen untersuchen (Abbildung 4).In einer letztes Jahr erschienenen Arbeit verglichen DeBeer und Mitarbeiter HERFD-XAS-Daten von MMOHQ mit denen verschiedener Modellkomplexe.15) Da der Spinzustand wichtig für die HERFD-Intensität ist und sich nicht adäquat durch die Modellkomplexe abbilden ließ, nutzten sie zudem TD-DFT-Rechnungen (zeitabhängige Dichtefunktionaltheorie) zu diesen und anderen Modellen. Die Daten lassen das Open-core-Modell wahrscheinlicher erscheinen; jedoch bleiben kombinierte quanten- und molekülmechanische (QM/MM) Rechnungen und ein erneuter Abgleich mit Daten aus der Röntgenabsorptionsspektroskopie für ein abschließendes Urteil abzuwarten.Blickpunkt Anorganik berichtet über neue präparative Techniken, den richtigen Umgang mit gefährlichen Stoffen, neue Analysetechniken, Reinigungsverfahren und mehr. Die Beiträge zur Serie verfasste dieses Jahr Lena Daumann.<h2>Die Autorinnen</h2>Lena Daumann, Jahrgang 1983, studierte in Heidelberg Chemie und promovierte von 2010 bis 2013 an der University of Queensland in Australien über pestizidabbauende Enzyme. Es folgte ein Postdocaufenthalt bei Ken Raymond an der University of California in Berkeley. Seit Mai 2016 ist sie W2-Professorin mit Tenure Track für bioanorganische Chemie an der LMU München. Ihre Gruppe beschäftigt sich unter anderem mit der essenziellen Rolle von Seltenerdelementen in biologischen Prozessen. Bei diesem Beitrag wurde sie unterstützt von ihrer Masterandin Kerstin Rickmeyer.<div><img src="https://media.graphcms.com/MCD9WlaTgiT2R57spOQE">

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<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 F. Tuczek, Nachr. Chem. 2006, 54, 1190–1194</li><li>
2 M. J. da Silva, Fuel Process. Technol. 2016, 145, 42–61</li><li>
3 a) K. M. Lancaster, M. Roemelt, P. Ettenhuber et al., Science 2011, 334, 974–977; b) T. Spatzal, M. Aksoyoglu, L. Zhang et al., Science 2011, 334, 940–940</li><li>
4 J. A. Rees, R. Bjornsson, J. Schlesier et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2015, 54, 13249–13252</li><li>
5 J. Kowalska, S. DeBeer, BBA-Mol. Cell. Res. 2015, 1853, 1406–1415</li><li>
6 D. Sippel, M. Rohde, J. Netzer et al., Science 2018, 359, 1484–1489</li><li>
7 F. Wittkamp, M. Senger, S. T. Stripp, U. P. Apfel, Chem. Comm. 2018, 54, 5934–5942</li><li>
8 W. Lubitz, H. Ogata, O. Rüdiger, E. Reijerse, Chem. Rev. 2014, 114, 4081–4148</li><li>
9 W. R. Scheidt, S. M. Durbin, J. T. Sage, J. Inorg. Biochem. 2005, 99, 60–71</li><li>
10 S. Mebs, R. Kositzki, J. Duan et al., BBA Bioenergetics 2018, 1859, 28–41</li><li>
11 V. Pelmenschikov, J. A. Birrell, C. C. Pham et al., J. Am. Chem. Soc. 2017, 139, 16894–16902</li><li>
12 E. J. Reijerse, C. C. Pham, V. Pelmenschikov et al., J. Am. Chem. Soc. 2017, 139, 4306–4309</li><li>
13 S. Rumpel, C. Sommer, E. Reijerse, C. Farès, W. Lubitz, J. Am. Chem. Soc. 2018, 140, 3863–3866</li><li>
14 M. Winkler, M. Senger, J. Duan et al., Nat. Commun. 2017, 8, 16115</li><li>
15 R. G. Castillo, R. Banerjee, C. J. Allpress et al., J. Am. Chem. Soc. 2017, 139, 18024–18033</li><li>
16 M. Bauer, Phys. Chem. Chem. Phys. 2014, 16, 13827–13837</li></ul>

Artikel

Blickpunkt Anorganik ‐ Spektroskopie: Licht ins Dunkel der Metalloenzyme

Die EU hat festgelegt: Ab Ende des Jahres dürfen Landwirte drei Neonicotinoide nicht mehr im Freiland verwenden. Doch was kann diese ersetzen? Denn ein Produkt, das ehemals als aussichtsreicher Kandidat galt, gefährdet möglicherweise nicht nur Bienen, sondern auch Hummeln.
Vor 33 Jahren führte Bayer das Pflanzenschutzmittel Imidacloprid ein. Es war der erste Vertreter einer neuen Gruppe von systemischen Insektiziden, den Neonicotinoiden. Solche Insektengifte können zum Beispiel auf das Saatgut aufgebracht werden und breiten sich dann durch die Gewebe der Pflanze aus.Somit ließen sich, das war die Annahme, Kollateralschäden ausschließen, die beim großflächigen Versprühen von Pestiziden zu befürchten sind. Nur die Insekten würden vergiftet, die an den Blättern knabbern. Alle anderen Insekten, einschließlich der Bienen und Hummeln, die wir als Bestäuber brauchen, wären nicht betroffen.Vorbild war der natürliche Pflanzenschutz der Tabakpflanze. Wenn eine hungrige Raupe an den Blättern dieses Gewächses knabbert, stellen deren Wurzeln verstärkt das Neurotoxin Nikotin her, das sich durch die ganze Pflanze verteilt. Und ebenso wie Nikotin blockieren die Neonicotinoide den nicotinergen Acetylcholinrezeptor der Nervenzellen.<h2>Geplatzter Traum</h2>Der Traum vom grünen Pflanzenschutz ist allerdings geplatzt: Seit Mitte der Nullerjahre macht nicht nur das Bienensterben den Menschen Sorgen, sondern auch der Rückgang wilder Hummeln und anderer Nützlinge. Forscher nahmen die Neonicotinoide deshalb noch einmal unter die Lupe. Realistische Konzentrationen, wie sie in der Umwelt nach Einsatz in der Landwirtschaft auftreten, sind für Bienen und Hummeln zwar nicht tödlich. Sie können aber deren Gedächtnis und ihr komplexes Sozialverhalten beeinträchtigen. Das, so zeigte sich in Laborstudien, kann dazu führen, dass der Fortpflanzungserfolg einbricht und ganze Völker aussterben.<h2>Eine Art Sucht</h2>Hersteller und Landwirte argumentierten, dass die Insekten in der Natur – anders als in den Laborexperimenten – die Möglichkeit hätten, unbelastete Nahrungsquellen zu wählen. Das tun sie aber nicht. Wie die Arbeitsgruppe von Geraldine Wright an der Universität von Newcastle, England, bereits im Jahr 2015 zeigte1) und wie eine andere Gruppe jetzt bestätigte,2) bevorzugen die Insekten bei der Wahl zwischen ansonsten identischen Angeboten die mit Neonicotinoiden belastete Nahrung.Die Vorliebe für insektizidreiche Nahrung verstärkte sich im Laufe einer zehntägigen Beobachtung. Zwar ist damit noch nicht eindeutig nachgewiesen, dass es sich um eine Sucht handelt, doch die Analogie mit der menschlichen Nikotinsucht ist auffällig. Möglicherweise ist die Tabakpflanze doch nicht das ideale Vorbild für einen umweltverträglichen Pflanzenschutz – diese Pflanzengattung ist übrigens, anders als ein Großteil unserer Ernährung, nicht von Bienen abhängig.Feldversuche in mehreren europäischen Ländern3) und in Kanada4) brachten weiteres Beweismaterial für die Anklage. Selbst Honigproben, die rund um den Globus eingesammelt wurden, enthielten mehrheitlich Konzentrationen an Neonicotinoiden, die zwar nicht Menschen schaden, sehr wohl aber Bienen.5)Die Europäische Kommission hatte bereits mit Wirkung ab Ende 2013 ein Teilverbot erlassen, die drei für Bienen bedrohlichsten Neonicotinoide Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam einzusetzen. Im April 2018 entschied die Kommission nun, dass ab Ende des Jahres jegliche Freilandanwendung dieser drei Produkte verboten sein wird. Vier andere Neonicotinoide, die als weniger schädlich gelten, bleiben vorerst erlaubt. Und der Rest der Welt verwendet auch die in der EU verbotenen Insektizide weiter.<h2>Alternativen gesucht</h2>Was machen die Landwirte in der EU nun ohne diese Mittel? Eine Rückkehr zu den vorher üblichen Ackergiften kann sich niemand wünschen, und bessere Nachfolger gibt es noch nicht.Als gute Alternative galt einige Zeit die Substanzgruppe der Sulfoximine. Sie unterscheiden sich zwar chemisch von den Neonicotinoiden, binden aber denselben Rezeptor im Nervensystem. Deshalb stand der erste Vertreter dieser Gruppe, Sulfoxaflor (Handelsnamen: Transform und Closer), schon bald nach seiner ersten Zulassung in den USA im Jahr 2013 im Zentrum neuer Kontroversen.Gerichte in den USA und in Frankreich hoben im September 2015 beziehungsweise im November 2017 bereits erteilte Genehmigungen für Sulfoximine auf und bestanden darauf, dass Toxizitätsprüfungen auch subtile Verhaltenseinflüsse von der Art berücksichtigen müssen, wie sie den Bienen durch Neonicotinoide zum Verhängnis wurden.<h2>Einfluss auf andere Insekten</h2>Harry Siviter und Kollegen am Royal Holloway College in der Nähe von London untersuchten die Auswirkungen von Sulfoxaflor auf die dunkle Erdhummel (Bombus terrestris), die in Europa ein wichtiger wild lebender Bestäuber ist.6)Mit dem Sulfoximin Sulfoxaflor lässt sich zwar ebenso wie mit Neonicotinoide das Saatgut beschichten, derzeit wird es aber überwiegend auf die Pflanzen gesprüht. Deshalb orientierten die Forscher sich an dieser Methode und untersuchten die langfristige Wirkung von solchen Sulfoxaflorkonzentrationen, die in der Umgebung eines mit diesem Mittel gesprühten Felds vorkommen. Beim Sprühen sind die Insekten hauptsächlich einer starken Kurzbelastung ausgesetzt. Die aus der Saat in die Pflanze gelangten Insektizide belasten die Umwelt zwar weniger, haben aber unter Umständen chronische Wirkungen zur Folge.Sulfoxaflor scheint kurzfristig keine Gefahr für die Hummeln zu sein, beeinträchtigt über den Lebenszyklus der Kolonie aber stark ihren Fortpflanzungserfolg: Die untersuchten Kolonien produzierten bis zu zehn Prozent weniger Arbeiterinnen und überhaupt keine Königinnen für die nächste Generation. Bei Neonicotinoiden hatten Forscher bereits ähnliche Probleme gefunden und diese auf die schlechtere Nahrung der Larven zurückgeführt. Diesen Mechanismus konnten Siviter und Kollegen in diesem Fall allerdings ausschließen.Wie Sulfoxaflor die Fortpflanzung der Hummeln stört, ist noch zu klären. Ebenso muss noch geprüft werden, ob die Anwendung des Produkts als Saatgutbeschichtung die Situation verbessert.<h2>Weniger ist genauso gut</h2>Hoffnung auf einen Ausweg aus dem Pestiziddilemma bietet eine Studie der Arbeitsgruppen von Chris Bass an der Universitåt Exeter, England, und Ralf Nauen bei Bayer, Monheim. Sie gingen der Frage nach, warum Bienen die vier noch erlaubten Neonicotinoide besser vertragen als die drei jetzt EU-weit verbotenen Produkte.Wie ihre Ergebnisse zeigen, hängt die unterschiedliche Empfindlichkeit nicht mit dem Rezeptor der Nervenzellen zusammen, den die Moleküle ansteuern.7) Vielmehr haben die Bienen Enzyme aus der Cytochrom-P450-Familie,8) welche die vier noch erlaubten Neonicotinoide effizient abbauen, die drei verbotenen aber nicht. Wenn die Entwickler eine neue Klasse Insektizide ersinnen, werden sie solche Erwägungen von Anfang an einbeziehen müssen.Bis es soweit ist, haben Landwirte immerhin die Option, die Mittel sparsamer einzusetzen. Martin Lechenet von der Université Bourgogne Franche-Comté in Dijon, Frankreich, verglich den Pflanzenschutzmitteleinsatz von 946 Bauernhöfen. Sein Ergebnis: Die Gesamtmenge von Pflanzenschutzmitteln, also Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden, ließe sich ohne Produktivitätsverlust um 42 Prozent verringern.9) Für Insektizide betrug das Einsparpotenzial sogar 60 Prozent – mehr als der halbe Weg zur Rettung von Bienen und Hummeln.Michael Groß ist freier Wissenschaftsjournalist in Oxford, England. <a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a><h2>Quergelesen</h2>Die Konzentrationen an Neonicotinoiden, die durch die Landwirtschaft in der Umwelt auftreten, beeinflussen Bienen und Hummeln derart, dass diese sich nicht mehr fortpflanzen.Das Verhalten der Insekten ähnelt der menschlichen Sucht: Sie sammeln bevorzugt insektizidreiche Nahrung.Ob es – unabhängig vom Mittel – besser ist, Saatgut mit Insektiziden zu beschichten als diese zu versprühen, ist fraglich: Sprühen belastet kurze Zeit stark, Beschichten kann chronisch wirken.Egal welches Mittel, weniger ist mehr: Die Gesamtmenge von Pflanzenschutzmitteln ließe sich ohne Produktivitätsverlust um 42 Prozent senken.
<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 S. C. Kessler, E. J. Tiedeken, K. L. Simcock et al., Nature 2015, 521, 74–76</li><li>
2 A. N. Arce, A. Ramos Rodrigues, J. Yu et al., Proc. R. Soc. B 2018, 285, 20180655</li><li>
3 B. A. Woodcock, J. M. Bullock, R. F. Shore et al., Science 2017, 356, 1393–1395</li><li>
4 N. Tsvetkov, O. Samson-Robert, K. Sood et al., Science 2017, 356, 1395–1397</li><li>
5 E. A. D. Mitchell, B. Mulhauser, M. Mulot et al. Science 2017, 358, 109–111</li><li>
6 H. Siviter, M. J. F. Brown, E. Leadbeater, Nature 2018, 561, 109–112</li><li>
7 C. Manjon, B. J. Troczka, M. Zaworra et al., Curr. Biol. 2018, 28, 1137–1143</li><li>
8 M. Groß, Nachr. Chem. 2009, 57, 409–410</li><li>
9 M. Lechenet, F. Dessaint, G. Py, D. Makowski, N. Munier-Jolain, Nat. Plants 2017, 3, 17008</li></ul>

Bienenverträgliche Insektizide – eine Utopie?

Jun.-Prof.

Aufgrund ihrer Eigenschaften werden Nanopartikel inzwischen in Alltagsprodukten eingesetzt. Dabei ist etwa bei Metallnanopartikeln unklar, wie sie sich chemisch verhalten und wie sie abgebaut werden – und das nicht nur in komplexen Systemen wie Blut oder Oberflächengewässern, sondern auch in einfacher chloridhaltiger Lösung.
<h2>Die Krux der Charakterisierung auf der Nanoskala</h2>Silbernanopartikel, zum Beispiel in Sportkleidung, töten geruchsbildende Bakterien und wirken antistatisch. In Gesichts- und Augencremes sollen Partikel die Haut straffen, Falten vorbeugen und vor freien Radikalen schützen. Wie diese Nanopartikel jedoch in unserem Körper und in der Umwelt reagieren, ist weitgehend unklar.1)Auch die Reaktivität von Nanopartikeln in Laborexperimenten stellt die wissenschaftliche Gemeinschaft vor Fragen, und Studien liefern widersprüchliche Ergebnisse.2) Das liegt unter anderem daran, dass bei der Herstellung von Nanomaterialien ein Gemisch verschiedener Partikelgrößen entsteht. Schon kleine Größenunterschiede führen oft zu stark variierenden Eigenschaften.Übliche Charakterisierungsmethoden untersuchen eine Menge Partikel gleichzeitig und liefern Durchschnittswerte, die mit einer zweiten Probe mit anderer Größenverteilung nicht unbedingt reproduzierbar sind. Um die Reaktivität zu entschlüsseln, entwickeln wir deshalb Methoden, die einzelne Nanopartikel charakterisieren.Eine Schwierigkeit bei der Untersuchung von Nanopartikeln ist ihre typische Umgebung: In der Umwelt und im menschlichen Körper sind sie in wässriger Lösung. Da die Partikel so klein sind, werden sie jedoch meist mit Röntgenbeugung oder Elektronenmikroskopie im trockenen Zustand oder unter Hochvakuum charakterisiert. Die etablierten Flüssigphasenmethoden wie dynamische Lichtstreuung und UV/Vis-Spektroskopie liefern sehr aussagekräftige Ergebnisse für Partikel mit enger Größenverteilung; diese Voraussetzung erfüllen die meisten heute genutzten Partikel nicht.Um die Reaktionen einzelner Nanopartikel in einer wirklichkeitsnahen Mischung in wässriger Suspension zu erforschen, kombinieren wir Dunkelfeldmikroskopie und elektrochemische Methoden.3)<h2>Plasmonenresonanz</h2>Dunkelfeldmikroskopie (Abbildung 1) detektiert ausschließlich gestreutes Licht. Vorteilhaft für die Charakterisierung von Partikeln ist dabei, dass Licht, das durch die Interaktion mit Partikeln gestreut wird, Information über deren Zusammensetzung und Größe trägt. Plasmonenresonanz, also kollektive Schwingungen der freien Elektronen, führt bei Silbernanopartikeln dazu, dass ein Teil des sichtbaren Lichts absorbiert wird.4) In metallischen Nanopartikeln werden Plasmonen durch einfallendes Licht einer bestimmten Wellenlänge angeregt. Die Nanopartikel erscheinen daher als farbige Bildpunkte auf dem Detektor. Dabei umgeht die Methode Abbés Beugungsgrenze, die den beobachtbaren Mindestdurchmesser auf einen Wert beschränken würde, der von der Wellenlänge des einfallenden Lichts abhängt.<figure><img src="https://media.graphcms.com/y5UoxRx2RiuJnEHa2oa8"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Immersionsobjektiv eines Dunkelfeldmikroskops mit Objektträger, auf dem Kabel mit Mikroelektroden leitend verbunden sind. Der Öltropfen am Immersionsobjektiv ist gedehnt, sodass der Lichtstrahl zur Fotokamera gebrochen und seine hohe Intensität sichtbar wird.</figcaption></figure>
Plasmonenresonanz ist nicht nur charakteristisch für Partikelgröße und -zusammensetzung, sondern auch für die Partikelform und die Umgebung. Wird zum Beispiel ein Metall oxidiert, verändert sich die Plasmonenresonanz und damit die Wellenlänge der spezifisch absorbierten Strahlung. Die resultierenden Farbänderungen der reagierenden Partikel detektiert eine CCD-Kamera ortsaufgelöst (Abbildung 2).<figure><img src="https://media.graphcms.com/fV0g6bO7RRqYYcJ22ulS"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Aufbau eines Dunkelfeldmikroskops mit Hyperspektralanalyse. Im Zoom ist erkennbar, dass eingestrahltes Licht in einem Winkel einfällt, in dem es nicht zum Objektiv gelangt. Nur gestreutes Licht erreicht das Objektiv und wird dort von einer CCD- oder Hyperspektralkamera detektiert.</figcaption></figure>
Mit einer Hyperspektralkamera messen wir zusätzlich die Spektren einzelner Nanopartikel von 400 bis 1000 nm Wellenlänge, um neben der Veränderung der Streuintensität die Verschiebungen der Absorptionsbanden im Lichtspektrum zu identifizieren. Somit können wir im Gegensatz zu früheren Arbeiten unterscheiden, ob sich ein Partikel auflöst, sich chemisch verändert oder einfach aus dem Bildfokus verschwindet. Das Leistungsvermögen der Dunkelfeldmikroskopie kombinieren wir nun erstmals mit elektrochemischen Methoden zur Kontrolle und Untersuchung von Reaktionen.<h2>Elektrochemische Reaktion unter dem Mikroskop</h2>In der elektrochemischen Messzelle im hyperspektralen Dunkelfeldaufbau können wir Nanopartikel in wässrigem Medium kontrolliert zur Reaktion bringen. Dazu fixieren wir ein Dreielektrodensystem aus Mikroelektroden in dem Flüssigkeitsfilm zwischen Objektträger und Deckgläschen. Auf der Arbeitselektrode können wir dann einzelne Nanopartikel optisch und spektral beobachten, während sie durch elektrische Spannung oxidiert oder reduziert werden. Durch die In-situ-Kombination von Dunkelfeldmikroskopie und elektrochemischen Methoden wie Cyclovoltammetrie oder Chromoamperometrie können wir Reaktionen selbst dann sichtbar machen, wenn Nebenreaktionen die elektrochemische Stromantwort verdecken. Somit erkennen wir auch Strukturunterschiede von Katalysatorpartikeln während einer Reaktion.Die Ströme, die bei (elektro-)chemischen Reaktionen von Nanopartikeln fließen, sind sehr klein, wenige Pico- bis Nanoampere. Häufig werden sie von höheren Strömen begleitet, die von katalytischen Reaktionen des Lösungsmittels verursacht werden. So kann das detektierte Stromsignal von Wasserspaltung oder Protonenreduktion nicht nur an den Partikeln, sondern auch am Trägermaterial geprägt sein.Im Gegensatz zum Strom, der eine integrale Messgröße ist, liefert die Dunkelfeldmikroskopie ortsaufgelöste Informationen einzelner Nanopartikel (Abbildung 3, S. 1154). Gestreutes Licht ist deshalb ein Indikator für den Zustand der Silbernanopartikel (Abbildung 4).<figure><img src="https://media.graphcms.com/TtjrPWlRT9S0DBkpwwZe"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Dunkelfeldaufnahme: Silbernanopartikel auf einem Platinmikrodraht (Arbeitselektrode) erscheinen während der Oxidation als blau leuchtende Punkte. Die blaue Farbe ist ab einem Potenzial von +1,15 V gegen Ag/AgCl (0,05 mol·L–1) zu beobachten.</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/ObiD6LpyTzGeqiErV8QB"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Ergebnis der Kombination aus Cyclovoltammetrie und Dunkelfeldmikroskopie; blau: Potenzialverlauf an einer mit Silbernanopartikeln belegten Platinelektrode (Potenzialvorschub: 0,05 V·s–1); schwarz: Stromantwort. Zunächst sind oxidative (&gt; 0 µA), dann reduktive Ströme (&lt; 0 µA) für die elektrochemische Reaktion an Partikeln und Platinelektrode zu beobachten. Rot: relative Intensität aus den Streuungsspektren eines einzelnen Silbernanopartikels. Die Pfeile markieren Stellen, an denen in der Stromantwort kaum Reaktionen sichtbar sind, sich aber beim gestreuten Licht starke Unterschiede zeigen. An diesen Stellen wird Ag zu AgCl oxidiert, und bei höherem Potenzial entsteht Ag2O3/AgClO2 aus dem AgCl. Graduelle Änderungen in der Intensität des gestreuten Lichts entstehen durch Änderungen der dielektrischen Umgebung des Nanopartikels.</figcaption></figure>
<h2>Lösen sich Silber- nanopartikel auf?</h2>Mit der neuen spektroelektrochemischen Analysemethode aus Dunkelfeldmikroskopie und simultaner elektrochemischer Charakterisierung haben wir geklärt, welche Reaktionen an Silbernanopartikeln ablaufen. Dabei handelte es sich um Partikel, wie sie für antibakterielle Anwendungen genutzt werden, etwa in Funktionskleidung. Dabei interessierte uns die Reaktivität in biologisch und umweltrelevanten Medien wie wässrigen Chloridlösungen, die einfache Modelle für extrazelluläre Medien darstellen.Als Referenzelektrode diente eine Silber/Silberchlorid-Elektrode (Ag/AgCl (0,05 mol·L–1)). Diese hat unter den Messbedingungen ein stabiles Elektrodenpotenzial und ist selbst nicht an Prozessen beteiligt, bei denen Strom fließt.In einer Kaliumchloridlösung mit einer Konzentration von 0,05 mol·L–1 oxidieren Silbernanopartikel bei 0,10 V und bilden dabei Silberchlorid, das bei 0,00 V wieder zu elementarem Silber reduziert wird. Silberchlorid bleibt bei diesem Vorgang auf der Arbeitselektrode erhalten und wird weiterhin beobachtet. Bei einem Potenzial von 1,15 V oxidiert Silberchlorid weiter zu Silber(I,III)oxid (Ag2O3) oder Silberchlorit (AgClO2), während Wasser elektrochemisch gespalten wird.Die hohe Oxidationsstufe des Silbers bleibt erhalten, wenn man das Potenzial wieder zum Negativen hin ändert und die Wasserspaltung stoppt. Erst bei 0,00 V wird das Silber wieder reduziert (Abbildung 5).<figure><img src="https://media.graphcms.com/sgk3mNwdRaiyjYbaHDBg"><figcaption><label>Abb. 5: </label>Streuungsspektren, die während des in Abbildung 4 dargestellten Potenzialverlaufs aufgenommen wurden. Die relative Intensität aus Abbildung 4 findet sich in der Hyperspektralinformation wieder und zeigt den Verlauf der Reaktion.</figcaption></figure>
<h2>Verlängerte Verweildauer</h2>Chloridionen sind in Oberflächenwasser allgegenwärtig. Daher lässt sich Silber gut oxidieren, aber nur schwer auflösen. Auch Silbernanopartikel lösen sich nicht auf. Stattdessen bildet sich schwer lösliches Silberchlorid, obwohl nur Nanogramm oder weniger umgesetzt werden. Damit verlängert sich die Verweildauer von Silbernanopartikeln in wässrigen Systemen. Durch Chloridionen im Medium werden Silberionen Ag+(aq) über einen längeren Zeitraum, jedoch in geringerer Konzentration frei, als dies ohne Chlorid der Fall wäre. Silberionen sind für Menschen wie für Wasserorganismen giftig.Nach den Ergebnissen hängt es stark von der Zusammensetzung des jeweiligen wässrigen Systems ab, ob und wie Nanopartikel in der Umwelt abgebaut werden.Die vorgestellte spektroelektrochemische Methode ist leicht auf andere Nanopartikel und Lösungen übertragbar und kann so bisher nicht zugängliche Einblicke in die Reaktivität einzelner Nanopartikel und Partikelcluster liefern.<h2>Quergelesen</h2>Konventionelle Charakterisierungsmethoden für Nanopartikelensembles liefern aufgrund unterschiedlicher Größenverteilungen widersprüchliche Informationen; Einzelpartikelstudien schaffen Abhilfe.Mit der Kombination aus Dunkelfeldmikroskopie und Cyclovoltammetrie lassen sich einzelne Nanopartikel überwachen, während sie reagieren.Silbernanopartikel oxidieren bereits bei kleinen Chloridmengen im Wasser zu schwer löslichem AgCl, statt sich zu Ag+(aq) aufzulösen.<h2>Die Autoren</h2>Mathies V. Evers, Jahrgang 1989, studierte Chemie an der Universität Bochum und ist seit dem Jahr 2016 Doktorand in der Gruppe von Kristina Tschulik. Er beschäftigt sich mit der Synthese von Nanopartikeln und der Einzelpartikel-Elektroanalyse in wässrigen und nicht-wässrigen Medien.<div><img src="https://media.graphcms.com/CrERTqyqQ6qzGEd6IG2u">

</div>Kevin Wonner, Jahrgang 1995, studierte Chemie an der Universität Bochum und untersucht seit 2018 als Doktorand in der Arbeitsgruppe von Kristina Tschulik mit elektrochemischen Methoden Nanopartikel im Dunkelfeld.<div><img src="https://media.graphcms.com/vDAQtnTlSrOYWGuJ66Y6">

</div>Kristina Tschulik leitet seit diesem Jahr den Lehrstuhl für Analytische Chemie II an der Universität Bochum und entwickelt neue (spektro-)elektrochemische Methoden für die Nanopartikelcharakterisierung und magnetfeldgestützte Elektrochemie. Sie promovierte im Jahr 2012 an der TU Dresden und arbeitete als Postdoktorandin am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden sowie an der Universität Oxford.<div><img src="https://media.graphcms.com/dFmxav7pTiO2tmiypqGk">

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Spannung im Dunkelfeld

Mit Beryllium arbeiten ist Tod auf Raten, so die landläufige Meinung von Chemikern. Aber das stimmt nicht: Selbst, wer Berylliumstäube inhaliert, erkrankt nicht zwangsläufig an Berylliose. Ausschlaggebend ist das jeweilige Immunsystem. Derzeit wird erforscht, was genau im Körper mit Berylliumverbindungen passiert.
Beryllium ist ein relativ seltenes und teures Leichtmetall, das in erster Linie für Spezialanwendungen benötigt wird,1,2) etwa als nichtmagnetische, nichtfunkenreißende Beryllium-Kupferlegierungen in der chemischen Industrie sowie für die Öl- und Erdgasförderung. Aufgrund der hohen Zähigkeit und des geringen Gewichts von Beryllium-Aluminiumlegierungen sind diese wichtig für die Luft- und Raumfahrt. Berylliumoxidkeramiken sind wegen der hohen thermischen Leitfähigkeit und ihrer hervorragenden elektrischen Isolationseigenschaften unersetzlich in der Hochfrequenz- und Hochspannungstechnik. Das Berylliumatom moderiert und streut Neutronen, weshalb das Element häufig in der Nukleartechnik verwendet wird. Zudem absorbiert es aufgrund der geringen Ordnungszahl praktisch keine Röntgenstrahlung und ist daher in Austrittsfenstern von Röntgenröhren verbaut.3)Dass Beryllium keine Röntgenstrahlung absorbiert, ist auch eine der beiden Eigenschaften, welche die meisten Chemiker mit diesem Element verbinden. Die zweite ist, dass Beryllium das „giftigste nicht radioaktive Element“ ist, dessen Toxizität direkt nach der des Plutoniums verortet wird.4) Diese Annahme gründet sich vermutlich darauf, dass berylliumassoziierte Krankheiten Mitte des letzten Jahrhunderts erstmals auftraten und zwar bevorzugt bei Arbeitern in Hochtechnologiebranchen wie dem US-amerikanischen Atomwaffenprogramm.5) Tatsächlich ist diese Einordnung von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht haltbar.6)<h2>Berylliumassoziierte Krankheiten</h2>Um das Jahr 1930 traten bei Beschäftigten eines Werks für berylliumhaltige Leuchtstoffröhren in Salem, Massachusetts, der Sarkoidose ähnelnde Erkrankungen auf. Die Sarkoidose äußert sich durch Gewebeknötchen (Granulome) in der Lunge, was zur Narbenbildung führt. Der Körper nimmt dadurch weniger Sauerstoff auf.Etwa zur selben Zeit entzündeten sich die Lungen von Arbeitern einer Berylliumraffinerie in Ohio, was teilweise tödlich endete.Nach den Orten des ersten Auftretens sind daher auch die chronische Berylliose (Typ Massachusetts) und die akute Berylliose (Typ Ohio) benannt. Bereits wenn einmalig Luft mit einer Berylliumkonzentration von mehr als 2 μg · m–³ eingeatmet wird, kann eine chronische Berylliose auftreten. Bei Be-Konzentrationen größer 100 μg · m–³ tritt eine akute Berylliose auf.5) Jedoch erkranken nur zirka fünf Prozent der Exponierten an einer Berylliose, wobei sich bei allen Betroffenen solche T-Zellen entwickeln, die auf Be-Verbindungen sensibilisiert sind.7)Alle Erkrankten weisen einen bestimmten Subtyp des humanen Leukozytenantigen-System-Rezeptors (HLA-DP) auf.8) Dieser sitzt auf der Oberfläche antigenpräsentierender Zellen, etwa Fresszellen, die damit Proteine binden und diese T-Zellen präsentieren. Dadurch erkennt der Körper, ob es sich um körpereigene oder körperfremde Proteine handelt und löst dementsprechend eine Immunantwort aus. Wie biochemische Studien zeigen, bindet das Be2+-Ion im Inneren des Rezeptors, wodurch körpereigene Proteine für körperfremde gehalten werden (Abbildung 1, S. 1137). Dies führt dann zu einer Immunantwort gegen den eigenen Körper.<figure><img src="https://media.graphcms.com/THI3ANW7QyONxoC1uNNB"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Erkennung a) körperfremder und b) körpereigener Peptide durch den humanen Leukozytenantigen-System-Rezeptor(HLA-DP)-Komplex; c) vermutlicher Mechanismus einer berylliuminduzierten Autoimmunreaktion.</figcaption></figure>
Beryllium und dessen Verbindungen sind also nicht als toxisch einzustufen. Vielmehr muss die Berylliose in die Grauzone zwischen Autoimmunerkrankung und Hypersensibilisierung eingeordnet werden.9) Hierbei ist jedoch weder bekannt, welche Berylliumspezies vorliegt, noch wo im Rezeptor diese gebunden wird. Es werden daher diverse Bindungsstellen10,11) und Berylliumspezies diskutiert,12,13) und bisher fehlten vergleichbare niedermolekulare Koordinationsverbindungen, um die postulierten Bindungsmodi zu prüfen.<h2>Wässrige Koordinationschemie</h2>Ein Grund für den Mangel an niedermolekularen Vergleichsverbindungen sind die chemischen Eigenschaften von Berylliumverbindungen in wässrigen Systemen. Wie Aluminium verhält sich Beryllium amphoter; zwischen pH 5,8 und 9 liegt es als praktisch unlösliches Be(OH)2 vor. Aufgrund der hohen Oxophilie können nur wenige Liganden wie Fluorid, Citrat und Salicylat Wassermoleküle aus der ersten Koordinationssphäre des Berylliumions verdrängen.14)Im sehr sauren wässrigen Milieu, also bei pH-Werten zwischen 0 und 2, liegt praktisch ausschließlich das Tetraaquaberyllium(II)-Kation (1) vor.15) Bei Erhöhung des pH-Werts setzen Kondensationsreaktionen ein, die zu hydroxidoverbrückten, mehrkernigen Komplexionen (2) führen (Abbildung 2).16,17) Berylliumhydroxid löst sich oberhalb eines pH-Werts von 9 wieder auf, wobei mehrkernige Hydroxidoberyllate wie die Verbindungen (3)18) und (4)19) entstehen. In sehr basischen wässrigen Lösungen, also bei pH-Werten größer 12, liegt vermutlich zum größten Teil das Tetrahydroxidoberyllatanion (5) vor.20)Obwohl die wässrige Chemie des Berylliums relativ gut untersucht ist, sind dennoch einfache Ligandenaustauschreaktionen noch nicht verstanden und Thema aktueller Forschung.21,22)Durch das amphotere Verhalten sind Untersuchungen mit biologisch relevanten Liganden in Wasser in der Regel auf sehr saure oder sehr basische Bedingungen beschränkt. Bisher konnten nur chelatisierende Liganden Wassermoleküle vom Be2+-Ion verdrängen. Dabei sind sechsgliedrige Ringsysteme bevorzugt wie bei Komplex (6) (Abbildung 3, S. 1138).23) Hier werden aber auch höhere Aggregate wie das dreikernige Komplexanion (7) gefunden,24) wobei die prominentesten Vertreter basische Carboxylate (8) sind.25,26) Diese waren bis vor kurzem die einzigen bekannten Berylliumcarboxylate. Jedoch eignen sich alle diese Verbindungen nur eingeschränkt als Modelle für die Komplexierung des Berylliumions im Körper; und sie liefern keine Trends hinsichtlich der Bindungsaffinität zu funktionellen Gruppen auf Peptiden.<figure><img src="https://media.graphcms.com/7BlwXqv8Q4a54HmWdLpV"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Heteroleptische Carbonsäureverbindungen des Berylliums.</figcaption></figure>
<h2>Bioanorganische Berylliumchemie in nichtwässrigen Medien</h2>Reaktionen unter vollständigem Wasserausschluss haben den Vorteil, dass sich funktionelle Gruppen und deren relative Bindungsaffinität an das Berylliumion untersuchen lassen, ohne dass Rücksicht auf Ligandgeometrien genommen werden muss oder Gleichgewichte mit dem Lösungsmittel stören. Auf diese Weise synthetisierten und charakterisierten wir das erste homoleptische Berylliumcarboxylat ([Be(O(O)CPh)2]12) (9), das einen dodecanuklearen Makrocyclus bildet (Abbildung 4, links). Das grundlegende Strukturmotiv – zwei Berylliumatome sind über drei Carboxylatgruppen verbrückt –, fand sich auch in einem binuklearen Komplexkation (10) (Abbildung 4, rechts, S. 1139), was auf eine hohe Stabilität dieser Untereinheit hinweist.27)<figure><img src="https://media.graphcms.com/wfcakUQNRQSFA3E1Ryaf"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Struktur des nicht basischen Berylliumbenzoats (links) und eines zweikernigen Komplexkations mit verwandtem Bindungsmotiv (rechts).</figcaption></figure>
Addukte aus BeCl2 und monodentaten Alkoholen (11), Aldehyden (12) und Carbonsäureestern (13)27,28) eignen sich als Modellsysteme für Aminosäureseitenketten in Proteinen, die ihre Position ändern, wenn Be-Ionen zugegen sind. Die Lageänderungen lassen sich so mit Berylliumbindungsstellen korrelieren.9)Die relativen Bindungsaffinitäten nehmen von Carboxylaten über Alkohole und Aldehyde zu Estern hin ab (Abbildung 5), wie wir durch Verfolgen von Konkurrenzreaktionen der Liganden mit In-situ-9Be-NMR-Spektroskopie ermittelten. Eigentlich wäre von den Donoreigenschaften der Liganden her, ebenfalls über 9Be-NMR-Spektroskopie bestimmt, ein inverser Trend hinsichtlich Aldehyden und Estern zu erwarten. Also ist vermutlich der sterische Anspruch der Estergruppe ausschlaggebend für deren schlechtere Bindungseigenschaften. Berylliumkationen scheinen also in erster Linie deshalb an Aminosäureseitenketten zu binden, weil die Carbonsäureamidgruppen im Peptidrückgrat sterisch noch anspruchsvoller sind.27)<figure><img src="https://media.graphcms.com/lOLrm0GVScujPAVH69j1"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Von links nach rechts abnehmende Komplexstabilität und damit verbundene sinkende Bindungsaffinität der untersuchten funktionellen Gruppen. Von links nach rechts: [Be(O(O)CPh)2]12 (9), [BeCl2(PhCH2OH)2] (11), [BeCl2(PhC(O)H)2] (12) und [BeCl2(PhC(O)OEt)2] (13).</figcaption></figure>
Derzeit untersuchen wir, wie elektronische und sterische Eigenschaften dieser Ligandklassen Struktur und Stabilität der Berylliumverbindungen beeinflussen. Zudem laufen Untersuchungen mit verwandten zweizähnigen Ligandsystemen und zum Hydrolyseverhalten bei Zufügen stöchiometrischer Mengen Wasser. Davon erhoffen wir uns, die Metabolisierung von Berylliumverbindungen besser zu verstehen.<figure><img src="https://media.graphcms.com/VM6IpwpbRqCQnD8eU3Qg"><figcaption><label>Abb. 5: </label>pH-abhängige Berylliumspezies, die in wässrigem Medium vorliegen.</figcaption></figure>
<h2>Quergelesen</h2>Be und seine Verbindungen sind nicht toxisch.Die Lungenerkrankung Berylliose ist eine Mischung aus Autoimmunerkrankung und Hypersensibilisierung.Welche Be-Spezies und Bindungsstellen für Berylliose verantwortlich sind, ist unklar. Aufklären sollen kleine Komplexe, anhand derer Bindungsmodi geprüft werden.Da Be amphoter ist, sind Reaktionen in Wasser auf sehr saure oder sehr basische Lösungen beschränkt. Nur in wasserfreien Medien lassen sich funktionelle Gruppen und ihre Bindungsaffinität an Be untersuchen.Die relativen Bindungsaffinitäten sinken von Carboxylaten über Alkohole und Aldehyde zu Estern.<h2>Der Autor</h2>Magnus Buchner, Jahrgang 1982, leitet seit 2015 eine Nachwuchsgruppe an der Universität Marburg mit dem Schwerpunkt Berylliumchemie. Er studierte Chemie an der Technischen Universität München, wo er im Jahr 2011 unter Klaus Ruhland promovierte. Anschließend absolvierte er ein Postdoktorat an der University of York in der Gruppe von Robin Perutz mit Zwischenaufenthalten an der Universität Erlangen-Nürnberg und in der Patentabteilung der Fraunhofer-Gesellschaft.<div><img src="https://media.graphcms.com/SAn5ODgrShizpxkCtcap">

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Beryllium – so giftig wie gedacht?

Prof.Dr.

Oligo- und Polythiophene sind selbstorganisierende Moleküle und eignen sich je nach Substituenten, Strukturänderungen etwa in DNA sichtbar zu machen. Sie sind ein Beispiel dafür, wie sich der Weg maßgeschneiderter Reportermoleküle in Zellen verfolgen lässt.
Damit sich synthetische Einheiten selbst organisieren, müssen Chemiker entsprechende Molekülstrukturen erzeugen. Bisher haben sich die Wissenschaftler hauptsächlich darauf konzentriert, die Bauprinzipien der Natur in synthetische Strukturen zu übersetzen und in synthetischer, also nichtbiologischer Umgebung zu untersuchen, etwa in organischer Lösung. Die Anwendung synthetischer, selbstorganisierter Strukturen in Zellmodellen – also echten Zellen wie bei Tiermodellen – wird erst seit Kurzem untersucht. Von solchen nanoskaligen Einheiten erhoffen sich Biomediziner großes therapeutisches und diagnostisches Potenzial.2)Die Attraktivität selbstorganisierender Moleküle sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie in der Regel für nichtwässrige, definierte Umgebungen konzipiert sind. Für den Einsatz in biologischen Medien sind die Wechselwirkungen mit Peptiden, Proteinen, Lipiden, Salzen und so weiter zu bedenken. Deshalb sind für die synthetischen Strukturen zwischenmolekulare Kräfte zu nutzen, die orthogonal zu den vorherrschenden Wechselwirkungen in den biologischen Medien sind. Da Wasserstoffbrücken einen Großteil dieser Wechselwirkungen ausmachen, bieten sich π-π-Wechselwirkungen für die synthetischen supramolekularen Einheiten an, die meist kaum mit Wasserstoffbrückendonoren oder -akzeptoren interagieren. Darüber hinaus sind konjugierte π-Systeme leicht elektronisch anregbar, sodass sich ihr Absorptions- und Emissionsverhalten im sichtbaren Bereich des Lichts eignet, um den Selbstorganisationsprozess zu verfolgen.<h2>Thiophene</h2>Oligo- und Polythiophene sind chemisch stabil und leicht herzustellen. Ihre Struktur lässt sich durch unterschiedliche Substituenten variieren, wodurch sich auch die elektronischen Eigenschaften ändern.3) So lassen sie sich auf die jeweilige Anwendung anpassen. Über Imidazoliumgruppen kationisch geladenes Polythiophen etwa eignet sich als Sensor für die Hybridisierung von DNA, also die Anordnung der komplementären Basenpaare von zwei DNA-Einzelsträngen. Eine sichtbare bathochrome Farbverschiebung geht darauf zurück, dass sich die Konformation beim Binden des Polymers an einen DNA-Einzelstrang ändert. Auch Fehlfaltungen bei Proteinen lösen eine solche Farbverschiebung aus.4)Die Entstehung hybrider Mikrofasern aus zellgängigen, nichttoxischen Molekülen mit Dithienothiophen-S,S-dioxid-Einheiten und Kollagen lässt sich an menschlichen Zelltypen zeitaufgelöst beobachten, etwa an Knochenmarkfibroblasten oder Epithelzelllinien wie HeLa, und zwar intrazellulär über die charakteristische Lumineszenz der Oligothiophene (Abbildung 1).5) Wie Dichtefunktionalrechnungen zeigen, sind Wasserstoffbrücken zwischen der O-S-O-Einheit und Hydroxyprolin in Typ-I-Kollagen verantwortlich, wie sich Protein und synthetisches Oligomer anordnen.6)<figure><img src="https://media.graphcms.com/IUBoVAG5TL6Q6TQiZRdc"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Strukturen eines imidazoliumfunktionalisierten Polythiophens (oben links) und eines Dithienothiophen-S,S-dioxids (oben rechts); zeitabhängige Entstehung von Mikrofasern aus Kollagen und dem oben gezeigten Dithienothiophen-Derivat in Knochenmarkszellen (links).5)</figcaption></figure>
<h2>Selbstorganisation</h2>Oligothiophene ohne gerichtete Wechselwirkungen mit Wasserstoffbrücken stehen seit einiger Zeit im Mittelpunkt unserer Forschung. Wir haben die Alkylendgruppen an Oligomeren systematisch variiert und sie UV/Vis- sowie fluoreszenzspektroskopisch untersucht. In unpolaren Lösungsmitteln neigen die Oligomere stark zum Aggregieren.8) Dies ist auf ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen π-π- und Van-der-Waals-Wechselwirkungen sowie Ausschlussvolumeneffekte zurückzuführen. Die Löslichkeit der langen α,ω-substituierten Oligothiophene war allerdings zu gering, um sie in Zellen zu testen. Deshalb haben wir entsprechende kürzere, einfach substituierte Oligomere synthetisiert und ihre Löslichkeit in polaren Medien erhöht, indem wir eine weitere Pyridin- oder Pyridiniumendgruppe eingeführt haben (Abbildung 2).9) Als Vergleich haben wir ein entsprechendes Quaterthiophen synthetisiert und untersucht (Abbildung 2).<figure><img src="https://media.graphcms.com/rexAblq7RHOaGpi43lQe"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Oben: Struktur von Quaterthiophen und -analoga mit Pyridin- oder Pyridiniumendgruppe und ihre Emissionsspektren in reinem THF (Mitte) und in wässrigen THF-Lösungen (unten).9)</figcaption></figure>
Die Pyridinendgruppe erhöht zwar die Polarität der Verbindung gegenüber den reinen Oligothiophenen, aber erwartungsgemäß aggregiert das Oligothiophen in Lösung mit zunehmender Polarität, also wenn Wasser zu einer Lösung des Oligomers in THF gegeben wird. Überraschenderweise kehrt sich bei der Pyridiniumverbindung das Verhalten um, sodass in der reinen THF-Lösung ausschließlich Aggregate vorliegen und zugefügtes Wasser diese auflöst. Dieses gegensätzliche Verhalten zeigt sich an der Farbverschiebung der Emissionsbanden im Fluoreszenzspektrum: Aggregate sorgen für eine rote, nichtaggregierte Moleküle für eine blaue Färbung (Abbildung 2).<h2>Mit Zellen</h2>Um die Löslichkeit der Oligomere in Wasser weiter zu erhöhen und sie in Experimenten mit menschlichen Lungenkrebszelllinien (A549-Zellen) verwenden zu können, wurden sie als Komplexe mit menschlichem Serumalbumin (HSA) eingesetzt. Vermutlich wechselwirken die langen Alkylketten der Oligothiophenendgruppen so ähnlich mit dem Protein wie mit Fettsäuren, die das HSA im Blut transportiert. Die Komplexierung der Oligothiophene mit HSA reduziert deren Zelltoxizität, und die Oligothiophene wirken dadurch auch im Zellinneren weniger toxisch, obwohl die Zellen das Protein erwartungsgemäß nicht aufnehmen.Aufgrund des Emissionsverhaltens der Oligomere lässt sich mit Fluoreszenzmikroskopie verfolgen, wie sie in das Zellinnere gelangen und intrazellulär transportiert werden. Die molekulare Spezies der Oligomere ist an einem grünen und die aggregierte Form an einem roten Fluoreszenzsignal erkennbar (Abbildung 3, S. 1148). Dabei liegt das neutrale pyridinhaltige Oligomer molekular als Vesikel vor und in Zellkernnähe hauptsächlich in aggregierter Form. Dies legt den Schluss nahe, dass sich endosomale Vesikel am intrazellulären Transport beteiligen. Bei der Pyridiniumform sind die grünen Strukturen weniger ausgeprägt, aber die Aufnahme durch die Zellen ist effektiv, wie die Farbintensität zeigt.<figure><img src="https://media.graphcms.com/A9znQZxDQdigAEsYfyYN"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Beispiele konfokaler Fluoreszenzmikroskopie von A549-Zellen nach Behandlung mit Oligothiophen 1P3T (oben) und Me1P3T. Detektiert wurden die molekulare Form (grün, erste Spalte), die aggregierte Form (rot, zweite Spalte), der Phasenkontrast (dritte Spalte) und die Überlagerung von molekularer und aggregierter Form (vierte Spalte). Die Überlagerung von grünen und roten Signalen ergibt die Gelbfärbung, was auf eine Colokalisation der beiden Formen in den Zellen hinweist.9)</figcaption></figure>
<h2>Endosomaler Transport</h2>Um zu überprüfen, ob endosomale Vesikel am intrazellulären Transport beteiligt sind, wurden pharmakologische Studien mit spezifischen zellgängigen Inhibitoren durchgeführt. Bafilomycin A1 etwa hemmt die vesikuläre Protonenpumpe, die wiederum die Ansäuerung des Endosomenlumens während der Reifung dieser Vesikel hemmt. Wird Bafilomycin A1 zugefügt, bleibt die neutrale Form der Oligothiophene im Lumen der Endosomen, während das Pyridiniumsalz hauptsächlich an oder in Mitochondrien gefunden wird. Obwohl die chemischen Umgebungen in Endosomen der in einer organischen Lösung kaum gleicht, führt eine auf 4 °C erniedrigte Temperatur in den Zellen wie in der chemischen Lösung dazu, dass die grüne molekulare Form in die aggregierte rote Spezies übergeht. Die Temperatur ist hier so gewählt, dass die Zellen noch leben, die Prozesse darin aber auf ein Minimum reduziert sind.Das Moleküldesign erlaubt, intrazelluläre Transportwege für diese Substanzen aufzuklären. Diese Wege spiegeln nicht nur den Einfluss der Molekülstruktur, sondern durch sie lässt sich auch eindeutig zwischen den supramolekularen Spezies unterscheiden. Eine schematische Zusammenfassung der zellulären Aufnahme und des intrazellulären Transports der Oligomere zeigt Abbildung 4.<figure><img src="https://media.graphcms.com/rpV18kAwRJurzLEooNzt"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Verschiedene Transportwege der Oligomere in den A549-Zellen. Römische Ziffern: HSA-Komplexe 4T (I), 1P3T (II) und Me1P3T (III).9)</figcaption></figure>
Aus diesen Studien erhoffen wir uns genauere Aussagen darüber, wo sich die Oligothiophene etwa in den Mitochondrien aufhalten. Dies könnte im Zusammenhang mit bestimmten neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson wichtig sein. Hier könnte unsere Forschung dazu beitragen, krankhafte Prozesse aufzuklären und neue Therapien zu etablieren. Ein Ziel ist hierbei, Medikamente zu entwickeln, die selektiv von bestimmten Zelltypen aufgenommen werden und in diesen Zellen dann krankhafte Prozesse spezifisch stoppen.<h2>Quergelesen</h2>Damit Moleküle auch in Zellen als Reporter funktionieren, müssen sie der hydrophilen Umgebung standhalten, aber auch lipophil sein.Dies lässt sich bei Oligo- und Polythiophenen über ihre Bestandteile und ihre Wechselwirkungen untereinander erreichen.Die Thiophene machen Strukturänderungen sichtbar, indem sie etwa über π-π-Wechselwirkungen interagieren. Die nötigen Wechselwirkungen müssen orthogonal zu den üblicherweise in Zellen vorhandenen sein.Oligothiophene helfen, intrazelluläre Transportwege zu klären. Sie könnten so dazu beitragen, krankhafte Prozesse zu verstehen und Therapien zu entwickeln.<h2>Die Autoren</h2>Ulrich Ziener, Jahrgang 1965, ist Akademischer Oberrat und wurde im Jahr 2012 an der Universität Ulm zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Er studierte in Tübingen Chemie und promovierte über Phthalocyaninatometallkomplexe als leitfähige organische Materialien. Daran schlossen sich Postdoktorate am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz, an der Université Louis Pasteur in Straßburg und am Institut für Neue Materialien in Saarbrücken an. Im Jahr 2000 ging er er an die Universität Ulm, wo er 2008 in makromolekularer Chemie habilitierte. Seine Gruppe beschäftigt sich mit selbstorganisierenden molekularen und kolloidalen Materialien.<div><img src="https://media.graphcms.com/3Q1D2SSLCIY4X2oCXAyw">

</div>Holger Barth, Jahrgang 1965, ist Professor am Ulmer Institut für Pharmakologie und Toxikologie, wo er an bakteriellen Proteintoxinen forscht. Er studierte an der TH Darmstadt Biologie und promovierte im Jahr 1994 mit Arbeiten am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Im Jahr 2002 habilitierte er in Freiburg über das binäre C2-Toxin von Clostridium botulinum. Zwei Jahre später folgte er einem Ruf (C3) an das Universitätsklinikum Ulm. Derzeit ist er Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Toxikologie und war 2017 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie (DGPT).<div><img src="https://media.graphcms.com/xAGLn5WS1e4X5sppYEAi">

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<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 J.-M. Lehn, Angew. Chem. Int. Ed. 1990, 29, 1304–1319</li><li>
2 D. Y. Ng, Y. Wu, S. L. Kuan, T. Weil, Acc. Chem. Res. 2014, 47, 3471–3480</li><li>
3 A. Mishra, C.-Q. Ma, P. Bäuerle, Chem. Rev. 2009, 109, 1141–1276</li><li>
4 A. Aslund, K. P. Nilsson, P. Konradsson, J. Chem. Biol. 2009, 2, 161–175</li><li>
5 I. Viola, I. E. Palama, A. M. Coluccia et al., Integr. Biol. 2013, 5, 1057–1066</li><li>
6 G. Barbarella, F. Di Maria, Acc. Chem. Res. 2015, 48, 2230−2241</li><li>
7 A. K. Shaytan, E. K. Schillinger, E. Mena-Osteritz et al., Beilstein J. Nanotechnol. 2011, 2, 525–544</li><li>
8 A. Kreyes, M. Amirkhani, I. Lieberwirth et al., Chem. Mater. 2010, 22, 6453–6458</li><li>
9 D. Y. W. Ng, R. Vill, Y. Wu et al., Nat. Commun. 2017, 8, 1850</li></ul>

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