Industrie & Technik

<h2>Linde-Praxair-Fusion fix</h2><p>Die US-Kartellbehörde hat die Fusion der Industriegasehersteller Linde und Praxair unter Auflagen genehmigt. Demnach müssen sich die beiden Konzerne aus neun Bereichen ihres Geschäfts zurückziehen. Linde will die Auflagen bis Januar umsetzen – bis zum Vollzug müssen die Unternehmen ihre Geschäfte getrennt führen. Derweil starteten sie die Vorbereitungen: So konnten die Aktionäre bis Ende Oktober ihre Aktien gegen die des fusionierten Unternehmens tauschen. Dieses beherrscht mit einem Umsatz von über 24 Mrd. Euro und etwa 80 000 Mitarbeitern ein Viertel des Weltmarkts für Industriegase. Es soll unter dem Namen Linde firmieren, aber von Praxair-Chef Steve Angel geführt werden; der neue Hauptsitz wird in Dublin sein. Linde-Chef Wolfgang Reitzle wird Aufsichtsratsvorsitzender des neuen Weltmarktführers.</p><p>Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) kritisiert weiterhin, dass sich der Zusammenschluss weder für die Beschäftigten noch für den Industriestandort Deutschland oder die Aktionäre rechne. CS</p><h2>Solvay-Polyamide: BASF macht Zugeständnisse</h2><p>BASF will das Polyamidgeschäft von Solvay übernehmen und hat der EU dafür nun angeboten, auf den Kauf bestimmter Teile der Sparte in Europa zu verzichten, darunter Innovationskompetenzen und Produktionen von Solvay bei Zwischenprodukten und technischen Kunststoffen. Die EU-Kommission will das Angebot prüfen und voraussichtlich Anfang 2019 über die Transaktion entscheiden. Die Unternehmen hatten die Übernahme im September 2017 vereinbart und damit das EU-Genehmigungsverfahren gestartet. CS</p><h2>Fresenius: kein Akorn-Kauf</h2><p>Der Gesundheitskonzern Fresenius muss den US-Arzneihersteller Akorn nicht kaufen. Das entschied das zuständige US-Gericht in Wilmington, Delaware. Bevor das Urteil rechtskräftig wird, wollen die Amerikaner allerdings in Berufung gehen. Im April hatte Fresenius verkündet, Akorn nicht wie geplant für 4 Mrd. US-Dollar übernehmen zu wollen. Einer der Gründe der Bad Homburger war, dass Akorn geschönte Daten von Medikamententests für die Neuzulassung bei der US-Medikamentenaufsicht FDA verwendet habe. CS</p><h2>Novartis erwirbt Endocyte</h2><p>Der Schweizer Pharmakonzern Novartis übernimmt für 2,1 Mrd. US-Dollar das auf Radiopharmazeutika spezialisierte US-Unternehmen Endocyte. Es bietet eine Radioligandentherapie etwa bei Prostatakrebs an. Gemeinsam mit der vor einem Jahr erworbenen und gleichfalls auf diesem Gebiet tätigen Advanced Accelerator Applications (AAA) soll Endocyte die Basis einer neuen Onkologieplattform bilden. CS</p>

Meldung

Übernahmen und mehr

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<p>Im Projekt Ecoscreen wurden Parameter für Kurzbilanzen entwickelt, die ermitteln, wie umweltgerecht es ist, ein bestimmtes Produkt auf bestimmte Art zu fertigen und dessen Abfall zu behandeln. Im Gegensatz zu bisherigen Methoden berücksichtigt diese nicht nur einzelne, sondern nahezu alle Umweltaspekte. Die Hochschulen Frankfurt und Darmstadt und das Darmstädter Beratungsunternehmen e-hoch-3 haben Ecoscreen gemeinsam durchgeführt.<sup>1–3)</sup></p><h2>Der gesamte Lebenszyklus zählt</h2><p>Um zu erfahren, wie sehr ein Produkt die Umwelt beeinträchtigt, ist der gesamte Produktlebenslauf zu betrachten: von der Werkstoff- und Produktherstellung über die Nutzung bis zu Recyceln oder Entsorgen. Jede dieser Phasen enthält mehrere Prozesse für das Produkt und seine Komponenten. Jeder benötigt Energie und Materialien; zudem liefert er außer Rohstoffen, Halbzeugen oder Bauteilen Nebenprodukte wie Emissionen und Abfälle.</p><p>Ekkehard Schiefer, Professor für Produktentwicklung, Konstruktionslehre und Ecodesign an der Hochschule Frankfurt, sieht Entwickler in der Pflicht. Sie bestimmen, wie ein Produkt auf die Umwelt wirkt. Denn sie legen Werkstoffe und Fertigung fest und somit Energiebedarf, Emissionen sowie Recycling- und Entsorgungsprozesse. Unternehmen müssen umweltrechtliche Vorgaben einhalten und können sich an meist freiwilligen Umweltkennzeichnungen orientieren. „Richten sie sich aber darüber hinaus auf die Entwicklung umweltgerechter Produkte aus, spricht man von Ecodesign“, sagt Schiefer.</p><h2>Weniger aufwendige Ökobilanz</h2><p>Das Portal des Umweltbundesamts, Probas, liefert prozessorientierte Basisdaten.<sup>4)</sup> Sie zeigen, welche Ressourcen etwa die Produktion eines Kilos Aceton braucht und welche Emissionen und Abfälle dabei entstehen. So sind etwa 1 mg Kupfer und 0,5 g Eisen nötig, und 1,8 kg CO<sub>2</sub> gehen in die Luft. Unter den Abfällen sind 82 mg Kunststoffe und 9 g Holz.</p><p>Oft sind umfassende Ökobilanzen aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich oder aus Zeit- und Kostengründen zu aufwendig. Probas etwa liefert für Aceton 74 Ressourcenwerte, 51 Stoffe, die in die Luft und 49, die ins Wasser gehen, sowie 20 Abfallsorten. Nach Iris Steinberg, Professorin für Umwelttechnik und Kreislaufwirtschaft an der Hochschule Darmstadt, umfasst die Ökobilanz eines Haushaltsstaubsaugers mehr als 300 Prozesse. In der Praxis seien kaum alle Daten dafür verfügbar, und die Auswertung der Ergebnisse erfordere Hintergrundwissen, um die Zusammenhänge zu beurteilen. Steinberg hält daher Kurzbilanzierungsmethoden für wichtig, mit denen sich „die zu erwartenden Umweltbeeinträchtigungen grob, aber richtungssicher“ schätzen lassen.</p><p>Das Projekt Ecoscreen hat Bilanzierungsansätze auf Referenzprozesse übertragen, deren Umweltwirkungen berechnet und zu Kurzbilanzierungswerten zusammengefügt. Nach Steinberg und Schiefer liegen damit vollständige Sachbilanzdatensätze vor, um Umweltbeeinträchtigungen abzubilden. Sie enthalten alle In- und Outputs zu sämtlichen Teilprozessen der Verfahren. Es ist aber schwierig, genügend Messwerte aus der Praxis zu erhalten. Die Forschungen zu Kurzbilanzen laufen weiter.</p><p>Maren Bulmahn ist Redakteurin der Nachrichten aus der Chemie.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/kPPEAIRLRuW6AJMNGEpd"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Spanende Zahnradbearbeitung. Eine Umweltbilanz des fertigen Produkts muss alles berücksichtigen, auch das eingesetzte Öl . <named-content>Foto: Kadmy, Fotolia</named-content></figcaption></figure>

<ul><h2>Internet</h2><li>
<sup>1 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.frankfurt-university.de/ecodesign" target="_blank">www.frankfurt-university.de/ecodesign</a></ext-link></li><li>
<sup>2 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.haw-hessen.de/aktivitaeten/" target="_blank">www.haw-hessen.de/aktivitaeten/</a> forschung-fuer-die-praxis.html</ext-link></li><li>
<sup>3 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://e-3.co/index.php/start/" target="_blank">http://e-3.co/index.php/start/</a></ext-link></li><li>
<sup>4 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.probas.umweltbundesamt.de/php/index.php" target="_blank">www.probas.umweltbundesamt.de/php/index.php</a></ext-link></li></ul>


Artikel

Vorausschauend entwickeln

Prof.Dr.

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<p>Die seit dem Jahr 2015 bestehende Gewissheit, in vielen großen Städten Deutschlands die NO<sub>X</sub>-Grenzwerte überschritten zu haben, gelangte durch den Dieselskandal wieder ins Bewusstsein. Die Öffentlichkeit kritisiert die Automobilindustrie, die Ohnmacht von Umweltbehörden, die Unsicherheit von Verwaltung und Justiz. Die Politik ist zurzeit nicht in der Lage, die Wirtschaft zu zwingen, ihre eigenen technischen Kenngrößen einzuhalten und gleichzeitig die Verbraucher zu schützen und in den öffentlichen Nahverkehr zu leiten. Sie will die Grenzwerte jedoch bis zum Jahr 2020 im Griff haben.</p><p>Das fünfte Photokatalyse-Kolloquium des Fachverbands Angewandte Photokatalyse (FAP) im Verband der Mineralfarbenindustrie in Frankfurt am Main zeigte Ende September das Bestreben von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Industrie, mit dem Zusammenspiel von Licht, Luftströmung und photokatalytisch aktiven Bauelementen die NO<sub>X</sub>-Gase in Großstädten abzubauen.</p><p>Typische Materialien dafür basieren auf dem Halbleiter Titandioxid. Der Abbaumechanismus für NO<sub>X</sub> und flüchtige organische Substanzen (VOC) beruht darauf, dass durch Licht aktiviertes Titandioxid mit Umgebungsluft Schadstoffe zumeist zu Kohlendioxid, Nitrat und Wasser oxidiert.<sup>1)</sup></p><h2>Der Mix</h2><p>Mit städtebaulichen Maßnahmen in Form von photokatalytisch aktiven Dachbedeckungen, Fassadenfarben und -beschichtungen oder Straßenbelägen ließen sich auch außerhalb der Emissionsquelle Automobil die Schadstoffe verringern.<sup>1)</sup> Dieser Abbau hängt jedoch von klimatischen und technischen Bedingungen ab und wurde in den letzten Jahren in Verbundprojekten untersucht und kritisch bewertet.<sup>2)</sup></p><p>Auf dem diesjährigen Kolloquium stellte Frank Neumann vom Fraunhofer-Institut IST Braunschweig mit dem Projekt Purebau Untersuchungen vor, die photokatalytische Baustoffe für die städtische Bebauung effizienter machen.</p><p>Ein Projekt der TPA Gesellschaft für Qualitätssicherung und Innovation zeigte einen speziellen Asphalt für Fahrbahnoberflächen als vielversprechenden Ansatz, um Schadstoffe auf Straßen zu reduzieren.</p><p>Am Beispiel eines Projekts in Bottrop zum klimagerechten Stadtumbau untersuchte Michael Bruse, Universität Mainz, mit Mikroklimasimulationen mit der Software Envi-met, wie photokatalytisch aktive Oberflächen Stickoxide verringern.</p><p>Auch wenn weiter daran geforscht wird, die Umwandlung der Schadstoffe und die Materialien dafür zu verbessern, hält der Fachverband FAP diese Ergebnisse für wichtig und mahnt: Fahrverbote können die Schadstoffspitzen an stark belasteten Orten mindern, aber kaum die zum Teil hohe Hintergrundbelastung.</p><p>Viele Maßnahmen mit kleinen Erfolgsaussichten, etwa Verkehrsberuhigung, E-Mobilität und im Städtebau, können in Summe die Schadstoffmenge drastisch senken – so ähnlich wie beim Energiemix und ganz ohne Verbote.</p><h2>Mehr zusammenarbeiten</h2><p>Chemiker, Ingenieure und Städteplaner sollten nun noch enger zusammen arbeiten, um die Anwendung solcher photokatalytisch aktiven Bauelemente voranzutreiben. Damit könnten diese Materialien zur Lösung eines vielschichtigen Problems beitragen (Abbildung S. 1163), das Ansehen der Wissenschaft erhöhen und es nicht erst der nächsten Generation überlassen, für bessere Luft zu sorgen. Zumal solche Materialien als leicht zu reinigende Oberflächen Synergieeffekte im Städtebau erzielen.<sup>3)</sup> Ein selbstreinigender Effekt würde aufwendige Reinigungen von Fassaden oder Dachflächen reduzieren und somit auch Wasser- und Stromverbrauch.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/HFY6otcTX2sJjzcj4ahh"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Um die Luft zu verbessern, verringern Städte Emissionen aus dem Verkehr. Diese machen den größten Anteil aller NO<sub>X</sub>-Emissionen in Deutschland aus. <named-content>Quelle: FAP</named-content></figcaption></figure>
<p>Anne Thüsing ist Referentin im Fachverband Angewandte Photokatalyse (FAP) im Verband der Mineralfarbenindustrie. Jens Hartmann ist Professor für Physikalische Chemie an der Hochschule Anhalt und Mitglied im Forschungsbeirat des FAP. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.angewandte-photokatalyse.de" target="_blank">www.angewandte-photokatalyse.de</a></ext-link></p>
<ul><h2>Literatur</h2><li>
<sup>1 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.angewandte-photokatalyse.de" target="_blank">www.angewandte-photokatalyse.de</a></ext-link>(26.10.2018)</li><li>
<sup>2 </sup>J. Kleffmann, H. Herrmann, C. George; Verbessert Photokatalyse die Luftqualität?, Nachr. Chem. 2016, 64, 613–616</li><li>
<sup>3 </sup>A. Fujishima, X. Zhang, D. A. Tryk; TiO<sub>2</sub> photocatalysis and related surface phenomena, Surf. Sci. Rep. 2008, 63, 515–582</li></ul>


Photokatalyse: Für bessere Luft in der Stadt

<p>Das Stoffstrombild zur Kunststofferzeugung, -verarbeitung und -verwertung zeigt, wie Polymere im Jahr 2017 als neue Werkstoffe dienten.</p>
<p>In Deutschland produzierten Unternehmen im Jahr 2017 etwa 21,8 Mio. Tonnen Kunststoff, ungefähr 18 % mehr als im zuvor untersuchten Jahr 2015 (18,5 Mio. Tonnen).</p><p>Der Kunststoffverbrauch in Deutschland stieg von 10,1 Mio. Tonnen im Jahr 2015 auf 11,8 Mio. Tonnen im Jahr 2017 – etwa für Verpackungen mit einem Anteil von 27 %, den Bau (22 %), Fahrzeuge (9 %) sowie Elektro- und Elektronikanwendungen (8 %).</p><p>Die Kunststoffabfallmenge betrug 6 Mio. Tonnen. Wie zwei Jahre zuvor wurde gut die Hälfte davon verbrannt (energetische Verwertung). 2,8 Mio. Tonnen dienten einem neuen Produkt, wurden also werkstofflich verwertet. Diese Verwertung erreichte im Jahr 2017 ihren bisher höchsten Wert und liegt 125 % über dem Wert des Jahrs 1994. Etwa ein Prozent des Abfalls wurde wie zuvor zu neuem Rohstoff.</p><p>Im Jahr 2017 wurden etwa 1,9 Mio. Tonnen Rezyklat produziert, dies entspricht 30 % der Kunststoffabfallmenge. Aus 94 % des Rezyklats entstanden neue Produkte in Deutschland.</p><p>Für das „Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2017“ wurden mehr als 2000 Unternehmen aus Kunststofferzeugung, -verarbeitung und -verwertung befragt sowie Statistiken herangezogen. MB</p><ul><li>
<sup>1 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.plasticseurope.org" target="_blank">www.plasticseurope.org</a></ext-link></li></ul>


Plastikproduktion

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<p>Existenzgründungen in der Chemie unterscheiden sich von Start-ups in anderen Branchen. Verglichen mit Jungunternehmen in der Informationstechnik (IT) oder dem Finanzsektor, die mit einem Laptop loslegen, brauchen die meisten Chemie-Start-ups ein Labor und daher mehr Startkapital. Erschwerend kommt hinzu, dass Geldgeber die Ideen von Chemie-Start-ups oft nicht nachvollziehen können – und dann lieber in die Entwicklung einer App oder eines Krebsmedikaments investieren. Um das Verständnis für die Chemie sei es heute aber schon besser bestellt als vor zehn Jahren, als sich Investoren vor allem für Biotech und IT interessierten, sagte Wolfram Stichert, Geschäftsführer von hte aus Heidelberg, im September auf einer Konferenz in Düsseldorf, dem European Chemistry Partnering (ECP) Summer Summit.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/VFESjCvQj6Z3BRUk9Hg4"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Beim Partnering kommen sich Start-ups, Mittelständler und Großunternehmen näher. <named-content>Foto: ECP</named-content></figcaption></figure>
<p>Das im Jahr 1999 gegründete Unternehmen hte, dessen Kürzel für high throughput experimentation steht und das sich auf Hochdurchsatzverfahren für die Entwicklung von Katalysatoren spezialisiert hat, gehört seit dem Jahr 2008 zu BASF. Stichert hob hervor, dass hte dennoch eigenständig agiere. Zu den Kunden zählen neben dem Mutterkonzern Unternehmen wie Shell, Total und das französische Petrochemieunternehmen Arkema. Heute beschäftigt hte mehr als 320 Mitarbeiter.</p><p>Chemie-Start-ups profitieren von einer Großindustrie, die Kunde, Partner und Investor zugleich ist – und die verstärkt die Nähe zu kleineren Unternehmen sucht. Ein Beleg für die Kooperationsbereitschaft der Konzerne ist, dass das ECP Summer Summit auf Anregung des Konsumgüterherstellers Henkel an dessen Hauptsitz in Düsseldorf ausgerichtet wurde. Der Organisator der Veranstaltung, BCNP Consultants aus Frankfurt am Main, hatte das Branchentreffen ursprünglich als jährliches Event konzipiert, das jeweils im Februar in Frankfurt stattfindet.</p><h2>Ausreichend Startkapital</h2><p>Die Zahl an Existenzgründungen in der Chemie habe in den vergangenen Jahren zwar stark zugenommen, sei aber noch nicht ausreichend, erklärte Michael Brandkamp, Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds, in Düsseldorf. Chemiker hätten viele gute Ideen, aber oft noch nicht den Mut zur Umsetzung.</p><p>An finanzieller Starthilfe mangelt es nicht. „Die großen Unternehmen und auf frühe Unternehmensphasen spezialisierte Fonds stellen den Chemie-Start-ups Geld zur Verfügung, etwa als Risikokapital. Zudem gibt es viel Unterstützung von Business Angels“, bemerkte Brandkamp, fügte aber an, dass spätere Stufen schwieriger zu bewältigen seien: „Wer von Pilot- auf Demoanlagen und dann von der Demoanlage auf den Industriestandard skalieren möchte, braucht ordentlich Kapital.“</p><p>Für den Weg aus dem Labor in die industrielle Produktion müssen Start-ups mehrere Millionen Euro investieren. Bei der Überbrückung dieses viel beschworenen „Tals des Todes“ [diese Nachrichten, S. 1165] hilft die Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen. Das ECP-Format erleichtert die Suche nach Partnern. In Düsseldorf fanden über 600 vorab online vereinbarte Partnering-Gespräche statt. Jungunternehmer trafen sich nicht nur mit potenziellen Investoren und Kunden, sondern auch mit Dienstleistern, die Pilotanlagen zur Verfügung stellen, oder mit Auftragsherstellern, die neue Substanzen im Kilogramm- bis Tonnenmaßstab synthetisieren.</p><h2>Freiheit als Erfolgsfaktor</h2><p>Die Ansiedlung in einem Chemiepark, der Infrastruktur und Fachkompetenz auch für die Genehmigung von Anlagen bietet, ist eine Überlegung wert. „Es ist praktisch, wenn die Pilotanlage nicht weit von der späteren Produktion entfernt liegt“, sagte Max Fuhr, der im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen die Abteilung für Beteiligungsmanagement leitet und zugleich Geschäftsführer des dortigen Technologie- und Gründerzentrums ist. Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen sei verglichen mit Industrieparks, die von einem Hauptnutzer dominiert werden, ein loser Verbund ohne All-inclusive-Pakete: „Mittelständlern und allen, die es werden wollen, bieten wir die Freiheit, das zu gestalten, was sie für richtig halten.“</p><p>Das sind gute Voraussetzungen, denn in einem Klima der unternehmerischen Freiheit gedeihen Innovationen am besten. Das ECP in Düsseldorf vermittelte den Eindruck, dass Europas Chemiebranche das bereits verinnerlicht hat. Start-ups, Mittelständler und Großunternehmen, Investoren, Industrieparkbetreiber und Clustermanager begegneten sich auf Augenhöhe, wohlwissend, dass die europäische Chemieindustrie ihre Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung, Klima- und Rohstoffwandel nur behaupten kann, wenn alle Akteure gemeinsam neue Wege gehen.</p><p>Das nächste ECP findet am 26. Februar in Frankfurt am Main statt.</p><p>Uta Neubauer ist freie Wissenschaftsjournalistin. Die promovierte Chemikerin arbeitet als Autorin und Redakteurin in Bad Soden am Taunus.</p>

Partner auf Augenhöhe

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<p>Das produzierende Gewerbe unterteilt seit mehr als einem Jahrhundert Arbeitsschritte und lässt sie von Fachkräften durchführen. Damit begann das Outsourcing an spezialisierte Dienstleister, was in manchen Branchen zu einer Zulieferindustrie führte. Dies gilt noch nicht für Forschung und Entwicklung (F+E). Geistiges Eigentum wollen Unternehmer um jeden Preis schützen.</p><p>Doch Patente, die Unternehmen über Produktgenerationen hinweg ein gutes Einkommen sichern, gibt es kaum mehr. Die Folge: Über die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens entscheidet heute seine Innovationsfähigkeit. Dies hat in vielen Branchen dazu geführt, dass Unternehmen bereit sind, Ideen extern einzukaufen. Es sind gute Zeiten für kluge Köpfe, denn gute Ideen werden gut bezahlt.</p><h2>Die Translation</h2><p>Die Pharmaindustrie sucht ständig nach den Medikamenten von morgen. Neben der eigenen F+E hat sie den akademischen Bereich als Quelle neuer Kandidaten für ihre Wirkstoffpipelines erkannt. Das Sourcing an Universitäten birgt jedoch für Pharmaunternehmen Risiken, denn die Überführung von Wirkstoffkandidaten aus der Universität in die Industrie, die Translation, erfordert viel: Ergebnisse aus universitären Laboren müssen validiert werden; rechtliche, organisatorische und administrative Fragen sind zu klären. All das bindet Mitarbeiter – und Kapital.</p><p>Die Translation stellt auf der anderen Seite Forscher an der Universität vor eine große Aufgabe, auf die sie selten angemessen vorbereitet sind. Entscheiden sie sich, ihre Wirkstoffe außerhalb der Universität weiterzuentwickeln, benötigen sie eine wissenschaftliche Infrastruktur, Mitarbeiter und vor allem Geld. Diese Finanzierungslücke wird in der Branche häufig „Tal des Todes“ (valley of death) genannt, weil dadurch so viele Projekte auf der Strecke bleiben.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/fqMeyjIqREq0dnkYsroV"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Inkubatorfonds überbrücken die Finanzierungslücke. <named-content>Nach Butler, Declan: Crossing the valley of death, in: Nature 2008, 453, 840–842</named-content></figcaption></figure>
<h2>Ausgründung – der beste Weg?</h2><p>Zeit ist ein kritischer Faktor: Eine Million Euro aus privaten Quellen einzuwerben, dauert bis zu 18 Monate, sofern es überhaupt gelingt. Diese Zeit geht für die Entwicklung verloren. Zudem stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die Gründung eines Biotech-Start-ups der sinnvollste Schritt für eine effiziente Weiterentwicklung ist. Aus der Universität heraus lässt sich diese Entscheidung nur selten treffen, weil es zu wenige Daten gibt. Ein Start-up wird sich früher oder später Industriepartner suchen müssen, um den langen Weg bis zur Zulassung durchzustehen. Spätestens dann bedarf es einer erneuten Validierung der Projektdaten, die zusätzliche Zeit in Anspruch nimmt.</p><h2>Effiziente Translationsbrücken</h2><p>Nur wenn die drei Rollen Ideenstifter, Geldgeber und wissenschaftlicher Partner verlässlich besetzt sind, kann sich ein Projekt erfolgreich weiterentwickeln. Translation ist, so gesehen, vor allem eine Koordination und ein Interessensausgleich. Evotecs Bridge-Modell (EVT Bridge) ist ein Geschäftsmodell, das die Interessen dieser drei Parteien zueinander kompatibel macht. Wissenschaftler bewerben sich mit ihren Projekten zentral bei der Bridge, und nach einer Validierung der Daten entscheiden die Partner, ob sie das Projekt gemeinsam entwickeln wollen.</p><h2>Hand in Hand statt Auge um Auge</h2><p>Bei einer Bridge-Kooperation teilen sich die Partner Risiko sowie Erträge einer Entwicklung und treffen die Projektentscheidungen gemeinsam. Dabei stehen die Daten an erster Stelle. Kritische Entwicklungsschritte werden vorgezogen, und das Investment wird auf die Daten abgestimmt. Damit sind Bridge-Partnerschaften planbar und flexibel, wo es bisher nur schwer kalkulierbare Risiken gab. Es gibt zurzeit vier EVT Bridges: LAB282 in Oxford, LAB150 in Toronto, LAB591 in Seattle und LAB031 in Toulouse.</p><p>Der Vorteil für die wissenschaftlichen Partner ist, dass sofort eine professionelle Infrastruktur vorhanden ist. Alle Entwicklungsschritte finden auf der gleichen Plattform statt, auf der Evotec auch im Auftrag großer Pharmakonzerne Wirkstoffe entwickelt. So lassen sich Projekte direkt aus der Universität heraus vorantreiben, und die Entscheidung darüber, wie es weitergehen soll, lässt sich zurückstellen, bis genug Datenmaterial vorliegt.</p><p>Auf der Grundlage gesicherter Daten lässt sich entscheiden, ob die Ausgründung ein gangbarer Weg ist oder ob ein Pharmaunternehmen die Wirkstoffkandidaten einlizenziert, also in seine Entwicklungsverantwortung übernimmt.</p><h2>Gemeinsam effizienter sein</h2><p>Die kapitalintensive Wirkstoffentwicklung bietet Potenzial, um effizienter zu werden. Der Aufwand, die benötigten Techniken und die damit verbundenen Fixkosten machen Medikamentenentwicklung im Alleingang zu einer Mammutaufgabe – sogar für Milliardenkonzerne. Die Pharmaindustrie wird neue, effizientere Wege gehen müssen, um weiterhin profitabel arbeiten zu können. Viel spricht deshalb dafür, dass sich effizientere Partnering-Ansätze wie Bridges in der medizinischen F+E durchsetzen werden.</p><h2>Quergelesen</h2><p>Pharmazeutische Wirkstoffentwicklung der Zukunft funktioniert nur mit effizienter Translation aus universitärer Forschung.</p><p>Aus der Universität heraus lässt sich nur selten entscheiden, was die effizienteste Form einer Projektentwicklung ist.</p><p>Bridge-Modelle können den frühen Projekttod verhindern und das Projekt bis zur (Aus-)Gründung oder Einlizenzierung der Wirkstoffkandidaten effizient voranbringen.</p><h2>Der Autor</h2><p>Werner Lanthaler ist seit März 2009 Vorstandsvorsitzender von Evotec. Er promovierte in Betriebswirtschaft an der Universität Wien. Während seiner Amtszeit wandelte sich das Hamburger Unternehmen von einem Wirkstoffentwickler zu einem Forschungs- und Entwicklungsdienstleister mit mehr als 2500 Mitarbeitern an 14 Standorten weltweit. <a href="https://www.evotec.com" target="_blank">www.evotec.com</a></p><div><img src="https://media.graphcms.com/2VXNWtNMSm3pg1gvW8WC">

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