Industrie & Technik

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Im Projekt Ecoscreen wurden Parameter für Kurzbilanzen entwickelt, die ermitteln, wie umweltgerecht es ist, ein bestimmtes Produkt auf bestimmte Art zu fertigen und dessen Abfall zu behandeln. Im Gegensatz zu bisherigen Methoden berücksichtigt diese nicht nur einzelne, sondern nahezu alle Umweltaspekte. Die Hochschulen Frankfurt und Darmstadt und das Darmstädter Beratungsunternehmen e-hoch-3 haben Ecoscreen gemeinsam durchgeführt.1–3)<h2>Der gesamte Lebenszyklus zählt</h2>Um zu erfahren, wie sehr ein Produkt die Umwelt beeinträchtigt, ist der gesamte Produktlebenslauf zu betrachten: von der Werkstoff- und Produktherstellung über die Nutzung bis zu Recyceln oder Entsorgen. Jede dieser Phasen enthält mehrere Prozesse für das Produkt und seine Komponenten. Jeder benötigt Energie und Materialien; zudem liefert er außer Rohstoffen, Halbzeugen oder Bauteilen Nebenprodukte wie Emissionen und Abfälle.Ekkehard Schiefer, Professor für Produktentwicklung, Konstruktionslehre und Ecodesign an der Hochschule Frankfurt, sieht Entwickler in der Pflicht. Sie bestimmen, wie ein Produkt auf die Umwelt wirkt. Denn sie legen Werkstoffe und Fertigung fest und somit Energiebedarf, Emissionen sowie Recycling- und Entsorgungsprozesse. Unternehmen müssen umweltrechtliche Vorgaben einhalten und können sich an meist freiwilligen Umweltkennzeichnungen orientieren. „Richten sie sich aber darüber hinaus auf die Entwicklung umweltgerechter Produkte aus, spricht man von Ecodesign“, sagt Schiefer.<h2>Weniger aufwendige Ökobilanz</h2>Das Portal des Umweltbundesamts, Probas, liefert prozessorientierte Basisdaten.4) Sie zeigen, welche Ressourcen etwa die Produktion eines Kilos Aceton braucht und welche Emissionen und Abfälle dabei entstehen. So sind etwa 1 mg Kupfer und 0,5 g Eisen nötig, und 1,8 kg CO2 gehen in die Luft. Unter den Abfällen sind 82 mg Kunststoffe und 9 g Holz.Oft sind umfassende Ökobilanzen aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich oder aus Zeit- und Kostengründen zu aufwendig. Probas etwa liefert für Aceton 74 Ressourcenwerte, 51 Stoffe, die in die Luft und 49, die ins Wasser gehen, sowie 20 Abfallsorten. Nach Iris Steinberg, Professorin für Umwelttechnik und Kreislaufwirtschaft an der Hochschule Darmstadt, umfasst die Ökobilanz eines Haushaltsstaubsaugers mehr als 300 Prozesse. In der Praxis seien kaum alle Daten dafür verfügbar, und die Auswertung der Ergebnisse erfordere Hintergrundwissen, um die Zusammenhänge zu beurteilen. Steinberg hält daher Kurzbilanzierungsmethoden für wichtig, mit denen sich „die zu erwartenden Umweltbeeinträchtigungen grob, aber richtungssicher“ schätzen lassen.Das Projekt Ecoscreen hat Bilanzierungsansätze auf Referenzprozesse übertragen, deren Umweltwirkungen berechnet und zu Kurzbilanzierungswerten zusammengefügt. Nach Steinberg und Schiefer liegen damit vollständige Sachbilanzdatensätze vor, um Umweltbeeinträchtigungen abzubilden. Sie enthalten alle In- und Outputs zu sämtlichen Teilprozessen der Verfahren. Es ist aber schwierig, genügend Messwerte aus der Praxis zu erhalten. Die Forschungen zu Kurzbilanzen laufen weiter.Maren Bulmahn ist Redakteurin der Nachrichten aus der Chemie.<figure><img src="https://media.graphcms.com/kPPEAIRLRuW6AJMNGEpd"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Spanende Zahnradbearbeitung. Eine Umweltbilanz des fertigen Produkts muss alles berücksichtigen, auch das eingesetzte Öl . <named-content>Foto: Kadmy, Fotolia</named-content></figcaption></figure>

<ul><h2>Internet</h2><li>
1 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.frankfurt-university.de/ecodesign" target="_blank">www.frankfurt-university.de/ecodesign</a></ext-link></li><li>
2 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.haw-hessen.de/aktivitaeten/" target="_blank">www.haw-hessen.de/aktivitaeten/</a> forschung-fuer-die-praxis.html</ext-link></li><li>
3 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://e-3.co/index.php/start/" target="_blank">http://e-3.co/index.php/start/</a></ext-link></li><li>
4 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.probas.umweltbundesamt.de/php/index.php" target="_blank">www.probas.umweltbundesamt.de/php/index.php</a></ext-link></li></ul>

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Vorausschauend entwickeln

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Bildung & Gesellschaft

Prof.Dr.

Am 28. Dezember 2018 würde Carl Remigius Fresenius 200 Jahre alt. Wie wurde Fresenius zum „Wegbereiter der analytischen Chemie“? Einblicke – hinter und vor den Kulissen – geben seine frühen Jahre.
Beim Stöbern in den Archiven der Familie und der Hochschule Fresenius anlässlich des 200. Geburtstags von Carl Remigius Fresenius (1818 – 1897)1) kamen bisher unbekannte, teils sehr persönliche Dokumente zu Tage. Sie zeigen, wie „Remi“, wie ihn seine Familie zeitlebens nannte, zu einem der wichtigsten Wissenschaftler der letzten 200 Jahre wurde.2)<h2>Von der Apotheke zur Uni</h2>Kosmos-Experimentierkästen gab es noch nicht, als Remi im Gartenhaus der Familie in Frankfurt-Bornheim experimentierte.3) Briefe aus seiner Schulzeit im Benderschen Institut in Weinheim an der Bergstraße berichten von einer anregenden Bildung mit vielen Exkursionen. Sein Zeugnisheft aus dem Jahr 1831 verrät: „Aufmerksamkeit nicht ganz, sonst gut.“ War da ein Begabter unterfordert?Das Bildungsangebot war außerordentlich breit: alte und neue Sprachen, Geografie, Geschichte – mehrere Mitschriften, darunter ein Heft zur „Naturlehre“, sind erhalten. Im Jahr 1836, nach dem Ende seiner Gymnasialzeit am Humanistischen Gymnasium Frankfurt, teilte er offenbar einem Lehrer mit, er werde eine Apothekerlehre beginnen. Der Kommentar des Pädagogen: „So, Sie wollen die Wissenschaft an den Nagel hängen, das ist auch besser so.“Die Lehre in der Stein‘schen Apotheke forderte den Jungen. Er beklagt in seinen frühen Gedichten nicht nur das, sondern auch den Tod der Rosenblätter beim Destillieren von Rosenwasser. Und doch findet er Zeit, Vorlesungen im Senckenberg‘schen Institut zu hören. Nach zweieinhalb Jahren schloss er die Ausbildung ab und arbeitete noch weitere eineinhalb Jahre in der Stein‘schen Apotheke.Im Jahr 1840 schreibt er sich an der Universität Bonn ein; er besucht Vorlesungen von Anthropologie über Geschichte der drei letzten Jahrhunderte bis zu Elektrizität und Magnetismus und insbesondere „Reine und angewandte Experimentalchemie“ bei Gustav Bischof.Ein Labor hatte die Universität nicht, aber im Privatlaboratorium des Apothekers Clamor Marquart kann Fresenius experimentieren. Seinem Vater, dem Advokaten Samuel Heinrich Fresenius, berichtet er in einem Brief über seine Collegien: „Ohne Zweifel die wichtigsten sind die bei Dr. Marquart, und da sie mir täglich die beste Zeit von 8 – 12 in Anspruch nehmen, so muß ich mir doppelte Mühe geben, auch den gehörigen Nutzen davon zu ziehen. Da sie aber hauptsächlich der Erwerbung positiver Kenntnisse, reellen Wissens gelten, so kann ich dir hierüber eigentlich Nichts sagen, als daß ich ganz damit zufrieden bin.“4)Zum Glück ist im Familienarchiv eine Praktikumskladde erhalten, die 110 Analysen dokumentiert, welche den „Identis“ der Pharmazeuten ähneln. Unter anderem untersucht Fresenius das Löslichkeitsverhalten organischer Säuren und ihrer Salze und entwickelt einen systematischen Unterscheidungsgang für sie. Seine Mitschriften und Versuche fasst er unter dem Titel „Anleitung zur qualitativen Analyse“ zusammen. Marquart ermutigt ihn, die 82 Seiten zu publizieren, und rät ihm, seine Ausbildung bei Justus Liebig in Gießen fortzusetzen.<h2>Als Macher bei Liebig</h2>Noch nicht ein Jahr nach dem Brief aus Bonn schreibt Fresenius im November 1841 seinem Vater über den Semesterbeginn in Gießen. Als Liebigs Privatassistent macht er seinem Spitznamen „System“ alle Ehre: Er ordnet und katalogisiert Chemikalien, denn „obgleich dieses streng nicht in den Bereich meiner Pflichten gehört“, will er doch „einem zu häufigen Redestehen wegen jedem Einzelnen“ vorbeugen.Wer jemals selbst Praktikumsassistent war, findet sich in der Beschreibung der ersten Tage mit den Studenten wieder – es kommen auf einmal 40 Menschen, „da fragte dann der Eine, was soll ich jetzt machen, der Andere, wo ist mein Platz, ein Dritter, wo finde ich denn Apparate zum Arbeiten und welche brauche ich etc“. Fresenius weiß sich zu helfen, indem er „immer von Zeit zu Zeit ein Plakat anschlug“ und so die häufigsten Fragen beantwortete. Jedenfalls ging nicht nur er, sondern auch Liebig umher und kümmerte sich um die Studenten.Fresenius freut sich des Eifers der Studenten und der Unterstützung seines Lehrers. In seinem ersten von zahlreichen Vorträgen auf einer Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im Jahr 1842 reflektiert der junge Wissenschaftler das „Thun und Treiben“ bei Liebig.5) Er vergleicht das Erlernen der Chemie mit dem Erlernen einer Sprache, die uns mit der Natur zu kommunizieren erlaubt. Es ist die Sprache der Experimente, „ihre Laute sind die Reactionen; zu ihrer Erlernung wird jetzt allgemein die qualitative Analyse als der beste und kürzeste Weg betrachtet.“ Dazu erhält der Praktikant eine unbekannte Substanz oder Mischung oder ein technisches Produkt, deren Zusammensetzung der Assistent genau kennt. Darauf folgt die quantitative Analyse – jeweils vom Leichteren zum Schwereren. Für diese „Vorschule der Chemie“ gelten vier Bedingungen: „1) Ordnung, Reinlichkeit und Geschick beim Arbeiten; 2) scharfe Beobachtung, genaue Erwägung der Umstände bei jeder Reaktion, richtige Berechnung der Folgen jedes Processes; 3) die Fähigkeit, sachgemässe und für den einzelnen Fall passende Methoden selbstständig zu entwerfen; und endlich 4) die Gewöhnung bei Erscheinungen, welche früheren Erscheinungen widersprechen, den Fehler stets zuerst an sich, d. h. an dem Mangel einer zum Eintreten der Erscheinung nothwendigen Bedingung zu suchen.“Im Jahr 1842 promoviert Fresenius und wird Staatsassistent. Im Sommer 1843 beantragt der 25 Jahre alte Liebig-Schüler die Venia legendi, für die er bei der Hochschulleitung selbstbewusst um ein vereinfachtes Verfahren bittet.6) Er beruft sich auf seine bisherigen Leistungen und die „Masse der mir obliegenden Geschäfte“. Die für die Vorbereitung auf das erforderliche Examen „unentbehrliche Muße“ könne er so nicht aufbringen. Unterstützt von Liebig und gewürzt mit der Anmerkung des Rektors, dies sei „ein Fall, der noch nicht vorgekommen“ sei, erhält er die Lehrbefugnis.7)<h2>Eine Disputation als Programm</h2>So ganz billig will Fresenius die akademischen Lorbeeren aber dann doch nicht erhalten und holt die Disputation am 27. Januar 1844 freiwillig nach. Dazu musste er offenbar zehn Thesen einreichen und drucken lassen. Dieser Druck zeigt ein breites Spektrum von allgemeinen bis zu sehr spezifischen Aussagen. Zum Glück ist ein Brief vom Folgetag an seinen Vater erhalten.8) In diesem Brief berichtet der Sohn selbstbewusst und begeistert, ja fast euphorisch über den Verlauf der Disputation. Er habe am Vorabend alles „bei einem Glase Wein noch einmal recht gründlich“ mit Freunden durchgesprochen und dadurch „eine solche Sicherheit erworben“, dass er „am Morgen darauf mit einer wahren Kampfeslust erwachte“.Das anregende Therapeutikum tat seine Wirkung: „Ich war bei bestem Humor und so frei von jeder Befangenheit, wie in einer Abendgesellschaft, dabei so beredt, als hätte ich ein Schöppchen Wein getrunken. Die Disputation nahm auf diese Weise einen sehr munteren und lässigen Charakter an.“ Sechs der zehn Thesen wurden angegriffen. „Ich wehrte mich wie ein Löwe und strebte überall strengste Consequenz, Glätte und Klarheit des Ausdrucks, wie endlich Sicherheit des Wissens an den Tag zu legen.“Remi schreibt schadenfroh, dass einer der Herausforderer zum Thema Wärmetheorie „mit seinem Stuhl in sich zusammenbrach“ und so „im eigentlichen Sinn des Wortes auf den Sand gesetzt wurde.“ Einen Prüfer, der bestritt, dass die Chemie eine Hilfswissenschaft der Medizin sei, brachte der Kandidat „durch einige äußerst einfache Querfragen, auf die der arme Philosoph nicht gefasst war“ so arg in Verlegenheit, „daß er zweimal minutenlang keine Silbe hervorzubringen vermochte, welche Pausen immer durch ein Halloh des Publikums ausgefüllt wurden.“Selbst wenn man den Übermut des jungen Fresenius gegenüber seinem Vater anrechnet, scheint die Disputation alles andere als langweilig gewesen zu sein. Der Sohn legt ein Manuskript des Vortrags bei, der offenbar der Disputation der Thesen vorausgegangen war.9)<h2>Umfassende Überlegungen</h2>Im Vortragsmanuskript steht kein Chemiker-Fachchinesisch, sondern eine Kombination aus naturphilosophisch-wissenschaftsgeschichtlicher Einführung und hochschulpolitischen sowie chemiedidaktischen Überlegungen. Es finden sich bereits die Leitmotive der künftigen Fresenius‘schen Lehre und Forschung: Erweiterung des Erfahrungs- und Erkenntnisraums durch wohlüberlegte Versuche, Herausarbeiten der Logik, die sich dabei ergibt, und strikte Vermeidung von, so würden wir es heute ausdrücken, Fachidiotentum zugunsten einer umfassenden Betrachtung. Fresenius hebt die Bedeutung der Chemie für die anderen Wissenschaften und das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben hervor – nicht ohne Agrikultur, Physiologie und Therapie zu erwähnen.Fresenius geht jedoch über den Nutzenaspekt hinaus und weist der Chemie neben der realen eine „formale Bedeutung“ zu: „Wie die Logik dem Denken Methoden gibt, die Mathematik den strengen Beweis lehrt und die Naturbeschreibung zur scharfen Beobachtung führt, so unterweist die Chemie in der Kunst des Experimentierens, in der Kunst des Beobachtens unter herbeigeführten Umständen, in der Kunst, aus beobachteten Erscheinungen richtige Schlüsse zu ziehen.“Der junge Wissenschaftler ist reif und hellsichtig genug, an seinem Fach auch eine „dunkle Seite“ zu sehen: „Die Einseitigkeit ist die Klippe, die dem jungen Chemiker droht.“ Diese „schwach verdeckte Klippe“ sei „leicht zu erkennen, schwieriger zu vermeiden ...“. Weil der Forscher in dieser Frühzeit der Chemie „fast auf jedem Schritte Neuem begegnet“, wird er motiviert, stets weiter zu forschen, wird aber auch leicht „gleichgültig gegen alles ferner Liegende und der Blick gewöhnt sich an die eine Richtung.“Das darf nicht sein, denn „die gesamte Wissenschaft weiß von keiner Absonderung, das Umfassen alles Erkennbaren ist ihr Ziel und darin sehe ich den hauptsächlichsten Nutzen der Universitäten, daß ihre Glieder der Zersplitterung vorbeugend gemeinsam nach diesem Ziele streben und das sonst Gesonderte und Zerstreute vereinigen zum harmonischen Ganzen.“<h2>Wie es weiterging</h2>Fresenius‘ Karriere führt ihn aus der Hochschule in die praktische Anwendung und die Lehre – zunächst im Landwirtschaftlichen Institut auf dem Geisberg in Wiesbaden, dann in sein eigenes Laboratorium, das er im Jahr 1848 gründete. Er folgt damit einem Rat seines Vaters, der dem Sohn bereits am 2. März 1842 zur Frage der Berufswahl geschrieben hatte,10) „daß hervorragende Geister, welche die Gränzen der Wissenschaft vorrücken u. ganz neue Bahnen brechen, selten sind und den Lohn ihrer Anstrengung hauptsächlich in sich selbst und in der Wissenschaft suchen u. finden müssen“. Beschreibt er damit nicht das, was heute Grundlagenforschung heißt? Nach des Vaters Beobachtung ergeht es anwendungsorientierten Wissenschaftlern besser, da sie „in der Regel eher auf ein emsiges, glückliches Leben und auf den Dank und Lohn der Mitwelt rechnen können. Es ist der Unterschied zwischen Genie und Talent; Kometen und Sonnen.“Carl Remigius Fresenius wärmt als analytische „Sonne“ jedenfalls fast 50 Jahre lang die Scientific Community mit seinen Beiträgen zur Methodenentwicklung, seinen lösungsorientierten, ideenreichen Dienstleistungsarbeiten zu einem breiten Fragenspektrum, seiner Lehre mit über 2 000 Schülern zu seinen Lebzeiten – darunter viele Gründerpersönlichkeiten der chemischen und pharmazeutischen Industrie weit über seine Heimat hinaus – und ab 1862 mit der Zeitschrift für analytische Chemie. Sie erscheint heute in ununterbrochener Folge als europäische Fachzeitschrift Analytical and Bioanalytical Chemistry. Das SGS-Institut Fresenius mit 650 Mitarbeitern am Standort Taunusstein, heute Teil der weltweit agierenden Société Générale de Surveillance (SGS), ist Erbe des Dienstleisters Carl Remigius Fresenius. Seine Lehrtradition ist 200 Jahre nach seiner Geburt Teil der Hochschule Fresenius, mit Sitz in Idstein, die deutschlandweit fast 13 000 Studierenden an 9 Standorten in etwa 100 Bachelor- und Master-Studiengängen von den Therapieberufen über Design bis zu Wirtschaft und Medien ganz im Sinn des Gründers Räume zu einer soliden, praxistauglichen und zur Selbstständigkeit anleitenden Bildung bieten will. Ihr Kern bleiben die Mint-Fächer: Biologie, Chemie und demnächst Informatik. Ein besonderer Umfang in Lehre und Forschung kommt der Analytik zu, mit der Fresenius einst seine wissenschaftliche Laufbahn begonnen hatte.Leo Gros studierte Chemie in Mainz und promovierte bei Helmut Ringsdorf. Er lehrte von 1981 bis 2016 an der Hochschule Fresenius. Er war von 1997 bis 2013 ihr Vizepräsident und ist jetzt Mitglied des Hochschulrats. In Zusammenarbeit mit dem Museum Wiesbaden kuratierte er eine Ausstellung zu Leben und Werk des Gründers (Kasten unten).<figure><img src="https://media.graphcms.com/QFtlvGhhRGSA6516ur38"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Carl Remigius Fresenius Gemälde von Ludwig Knaus, 1849</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/Nc5P1uDLQYaw3zDjrBRe"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Doktoranden in Liebigs Labor in Gießen Anfang der 1840er Jahre. <named-content>Illustration von Wilhelm Trautschold aus „Bibliothek des allgemeinen und praktischen Wissens“, Band 3, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co., Berlin, 1912</named-content></figcaption></figure>
<h2>Fresenius-Ausstellung in Wiesbaden</h2>Anlässlich des 200. Geburtstags von Carl Remigius Fresenius am 28. Dezember 2018 zeigen die Naturhistorischen Sammlungen des Museums Wiesbaden eine Kabinettausstellung. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Fresenius stellt das Museum Aspekte des Lebens von Fresenius und seine bedeutendsten Errungenschaften vor. Die Ausstellung ist noch bis zum 20. Januar 2019 zu sehen.<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.museum-wiesbaden.de/carl-remigius-fresenius" target="_blank">www.museum-wiesbaden.de/carl-remigius-fresenius</a></ext-link><figure><img src="https://media.graphcms.com/OxNKm0TcThq1lI44EZf7"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Ausstellungsansicht im Museum Wiesbaden <named-content>Foto: Bernd Fickert</named-content></figcaption></figure>
<h2>Die Royal Society sucht den Super-Prof</h2>Die beiden englischen Apotheker und Chemiker John Lloyd Bullock und John Gardner sollten im Auftrag der Royal Society of Chemistry einen Kandidaten für eine Professur in London aussuchen. Sie konnten sich nicht entscheiden und schickten Fotos. Heinrich Will erhielt daraufhin einen Brief mit der Berufung, in dem ein verschlossener Umschlag mit einem Brief an Hofmann lag. Den sollte Will, falls er selbst die Berufung nicht annähme, Hofmann übergeben. Der öffnete den Brief mit der Anfrage an ihn, die Professur zu übernehmen, und fand darin einen weiteren Umschlag, den er im Fall seiner Ablehnung Fresenius übergeben sollte.11) Der Rest ist Geschichte: Hofmann nahm die Londoner Professur an; Will wurde später Nachfolger von Liebig in Gießen, Fresenius ging nach Wiesbaden.<figure><img src="https://media.graphcms.com/9GbMn1d8SlOAkWRehH3R"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Fresenius (links) im Kreis seiner Gießener Mitstudenten Heinrich Will (2. von links) und August Wilhelm Hofmann (rechts) sowie zweier englischer Besucher: John Lloyd Bullock (Mitte) und John Gardner (2. von rechts). <named-content>Daguerrotypie, 1843</named-content></figcaption></figure>

<ul><h2>Literatur und Anmerkungen</h2><li>
1 Grundlegende Arbeiten zu Carl Remigius Fresenius: a) S. Poth, Carl Remigius Fresenius (1818–1897). Wegbereiter der analytischen Chemie, Heidelberger Schriften zur Pharmazie- und Naturwissenschaftsgeschichte. Stuttgart 2007; b) W. Czysz, 140 Jahre Chemisches Laboratorium Fresenius Wiesbaden. 1. Teil: 1848–1945; Jb. Nass. Ver. Naturk. 1988, 110, 35–110; c) L. Gros, B. Köhler (Red.), Carl Remigius Fresenius und das Chemische Laboratorium Fresenius, Festschrift zur Historischen Stätte der Chemie, Wiesbaden 18. Juli 2013, Gesellschaft Deutscher Chemiker, Frankfurt am Main 2013; d) L. Gros, Mit fünf Studenten fing er an. Carl Remigius Fresenius – Vater der analytischen Chemie, Katalog zur Ausstellung C. R. Fresenius, Hrsg. vom Museum Wiesbaden und der Hochschule Fresenius, 2018</li><li>
2 Y. Zolotov, J. Anal. Chem. 2001, 56, 301</li><li>
3 Neben den im Familienarchiv erhaltenen, zum Teil in der Dissertation von Poth in Form von Regesten bearbeiteten Briefen informieren Biographien und Gedenkschriften über C. R. Fresenius, etwa: a) T. W. Fresenius, Zur Erinnerung an Remigius Fresenius. Erinnerungen aus meines Vaters jungen Jahren, Privatdruck ohne Datierung; b) R. Fresenius, Karl Remigius Fresenius 1818 bis 1898, in: Nassauische Lebensbilder Band I. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau X,1 [Hrsg.: R. Vaupel], Wiesbaden 1940, S. 191–208</li><li>
4 Brief von C.R. Fresenius an den Vater – Bonn, 4.12.1840. Familienarchiv Fresenius</li><li>
5 C. R. Fresenius, Über das Thun und Treiben im chemischen Laboratorium zu Giessen, mit besonderer Berücksichtigung der Ergebnisse des letzten Jahres. In: Amtlicher Bericht der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte 1842 (1843), 92–110</li><li>
6 siehe dazu Poth, Lit. 1), S. 23</li><li>
7 Im Sommer 1844 wurden Fresenius‘ Kollegen Heinrich Will, später Nachfolger Liebigs in Gießen, ebenfalls Habilitationsleistungen wegen erwiesener Lehrbefähigung erlassen, nicht jedoch die Disputation. Siehe dazu A. W. von Hofmann, Heinrich Will. Ein Gedenkblatt. Ber. Deutsch. Chem. Ges. 1890, 23, 857</li><li>
8 Brief von C. R. Fresenius an den Vater aus Gießen vom 28.1.1844. Familienarchiv Fresenius</li><li>
9 Manuskript o. Datum. Die Einordnung als Text zum Habilitationsvortrag ergibt sich durch Vergleich mit dem Brief vom 28.1.1844, dem Druck der Thesen und der Anrede und dem Schlusswort. Familienarchiv Fresenius</li><li>
10 Brief des Vaters aus Frankfurt. Familienarchiv Fresenius</li><li>
11 Die Darstellung folgt der von C. R. Fresenius‘ Enkelin Margarethe Fresenius geschriebenen Familiengeschichte „Heilende Wasser“, S. 143 f. Hingegen berichtet der Sohn von Heinrich Will in einem Vortrag 1918, dass zunächst Will und Fresenius vorgeschlagen worden seien und ablehnten, worauf Hofmann berufen wurde: W. Will, Chem. Ber. 1918, 51, 1697</li></ul>

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