Bildung + Gesellschaft

Prof.Dr.

Die Covid-19-Pandemie hat dazu geführt, dass Schulen verstärkt digitale Medien nutzen. Im Chemieunterricht ist der Einsatz von Videoclips aber eine zweischneidige Sache.
Die Schulschließungen in den letzten Monaten haben im Fach Chemie sowohl das individuelle learning@home als auch das geleitete teaching@distance mit digitalen Medien aktiviert und intensiviert. Wenngleich bereits vor Corona viele und teils sehr gute digitale Medien für das Fach zur Verfügung standen, wurden sie aus unterschiedlichen Gründen weniger genutzt als möglich gewesen wäre. Der äußere Zwang der Coronapandemie hat das bisher herrschende Gleichgewicht zwischen Print- und Elektronikmedien zu Gunsten letzterer verschoben.Die Digitalisierung wird sich in Schule und Studium in unterschiedlichen technischen Arrangements und medialen Formaten durchsetzen. Der digitale Wandel geht mit tiefgreifenden, umwälzenden und dauerhaften, also revolutionären Veränderungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen und individuellen Lebens und daher auch Lernens einher.<h2>Die Rolle des Experiments</h2>Weil das Experiment in der Lehre in Chemie unentbehrlich ist, setzte nach Verhängung des Corona-Shutdowns an Universitäten Betriebsamkeit ein: Arbeitsgruppen produzierten Videos mit Versuchen für Vorlesungen und Praktika. Viele dieser Videos, insbesondere die aus fachdidaktischen Arbeitsgruppen, eignen sich auch für den Schulunterricht, weil sie vornehmlich Inhalte des Chemieunterrichts ansprechen.Damit ist allerdings Ambivalenz verbunden. Lehrkräfte, die schon immer ungern experimentiert haben, könnten sich ermutigt fühlen, im Unterricht nur noch Versuche auf Videoclips einzusetzen. Das geht schneller, ist – wenn ein Clip erst einmal vorliegt – weniger arbeitsaufwendig. Zudem verbrauchen Versuche auf Video keine Materialien und erzeugen keine Abfälle, die es zu entsorgen gilt, sie sind ohne Gefährdungsbeurteilung erlaubt und dennoch sicher. Und die Lernenden sehen im Video alles Wesentliche.Aber kann das in einem Fach, das von Experimenten lebt, alles sein? Selbst wenn es nicht immer knallen und stinken muss, sollten Experimente Ereignisse sein, die Lernende real erleben und sinnlich über mehrere Kanäle wahrnehmen. Dazu gehören eigene Beobachtungen und Tätigkeiten, Emotionen, soziale Umgangsformen und verbale Kommunikation. Dabei ist digitale Assistenz sinnvoll und hilfreich. Digitale Autonomie – der Einsatz ausschließlich digitaler Werkzeuge – kann sich als sinnwidrig und untauglich erweisen. Das gilt insbesondere für die forschend-entwickelnde Herangehensweise beim Lehren und Lernen von Chemie. Es wäre bedenklich, unzuverlässig und sogar fahrlässig, wenn in Chemieunterricht und Chemiestudium Realexperimente dauerhaft und vollständig durch Videos, Filme und andere digitale Medien ersetzt würden. Das mag zwar effizient sein, wenn Schüler und Studenten für Klausuren und Prüfungen große Mengen an Stoff auswendig lernen. Für nachhaltige Bildung durch fundiertes und vernetztes Wissen und Können ist es kontraproduktiv.Videoclips mit Experimenten sind also Chance und Risiko zugleich. Wie lassen sich Chancen nutzen und Risiken minimieren?<h2>Kombinationen als Lösung</h2>Videoclips Plus (Bezeichnung des Autors) sind Kombinationen, bei denen Filme von Experimenten durch Verknüpfung mit weiteren elektronischen Medien und Techniken didaktisch aufgewertet werden. Das können Vorträge, Vorlesungen oder Phasen des Chemieunterrichts sein, wenn die unterrichtende oder vortragende Person die Videoclips mit Experimenten selbst und live kommentiert.Alternativ lassen sich Videoclips von Experimenten didaktisch aufwerten, wenn sie mit anderen digitalen Medien oder didaktischem Material ergänzt werden, beispielsweise mit realen Experimenten, Lehrfilmen, Modellen, Animationen, e-books, Materialienpaketen, Unterrichtsbausteinen, Kontexten und Anwendungen zusammengeführt, verknüpft und auf Internetplattformen angeboten werden. Einen solche Plattform ist <a href="https://chemiemitlicht.uni-wuppertal.de" target="_blank">chemiemitlicht.uni-wuppertal.de</a>.Drei Beispiele zeigen mögliche Formate für Videoclips Plus:Videoclips mit Experimentieranleitungen, in denen eine oder mehrere Personen die Experimente über eine Tonspur kommentieren und erläutern, etwa beim Video „Photogalvanische Zweitopf-Zelle“ (Foto S. 18, abrufbar unter <a href="https://t1p.de/on2u" target="_blank">t1p.de/on2u</a>): Hier sind Versuchsaufbau und -durchführung erläutert und vorgeführt.Lehrfilme als Tutorials mit handelnden und sprechenden Personen sowie integrierten Clips von Experimenten: Damit können sich Lernende eigenständig Fachinhalte zu Kontexten aus Alltag, Forschung und Technik erschließen. Beispiel ist ein Tutorial zum Thema „AN und AUS mit Licht – ein photoaktiver molekularer Schalter“ (<a href="https://t1p.de/30ky" target="_blank">t1p.de/30ky</a>). Hier lässt sich ein naturwissenschaftlicher Laie als Moderator von einem Nachwuchsdidaktiker im Labor zeigen, wie sich photochrome Substanzen in einer Sonnenbrille und einer Folie färben und entfärben.Materialpakete aus Realexperimenten, Tutorials auf Video, interaktiven Modellanimationen und ausdruckbaren Arbeitsblättern: Damit können Lehrkräfte ganze Unterrichtssequenzen gestalten. Beispiel ist eine Unterrichtsreihe zum chemischen und thermodynamischen Gleichgewicht, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum photostationären Zustand einbezieht. Darin erläutert zunächst in einem Tutorial (<a href="https://t1p.de/ycvo" target="_blank">t1p.de/ycvo</a>) eine Nachwuchsdidaktikerin dem Moderator anhand von Experimenten die Unterschiede. Mit einer interaktiven Animation (Abbildung oben, <a href="https://t1p.de/4z2n" target="_blank">t1p.de/4z2n</a>) lassen sich die Gleichgewichtsreaktionen anhand von Modellen simulieren.<h2>Didaktischer Mehrwert</h2>Bei teaching@distance unter Bedingungen wie im ersten Halbjahr 2020 konnten Schüler und Studierende nicht selbst in der Schule oder Hochschule experimentieren. Lehrende können dennoch didaktischen Mehrwert mit Experimenten aus Videoclips erzeugen, etwa indem sie Lernende anleiten, die wenigen Präsenzstunden selbstständig vorzubereiten. Die als Videoclips Plus diskutierten Formate zeigen dafür eine Richtung.Die Lehrenden müssen die koordinierende Funktion behalten und die digitalen Medien auf die jeweilige Lerngruppe anpassen. So könnte forschend-entwickelndes Lernen auch in den Präsenzpraktika an der Uni und im regulären Chemieunterricht zusätzliche Impulse bekommen – auch in der Zeit nach der Pandemie.Michael W. Tausch war bis 2018 Professor für Chemie und ihre Didaktik an der Universität Wuppertal. Heute arbeitet er als Senior Professor an der Universität Wuppertal unter anderem am DFG-Projekt Photo-MINT (Photoprozesse in den Mint-Fächern). <a href="mailto:mtausch@uni-wuppertal.de">mtausch@uni-wuppertal.de</a><figure><img src="https://media.graphcms.com/3Rgw69vOSVeiOiNlUq3N"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Screenshot aus dem vertonten Video „Photogalvanische Zweitopf-Zelle“. Foto: Chemiedidaktik Wuppertal, Diana Zeller</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/7KdupEdXSXGsvn33peQh"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Interaktive Modellanimation „Ungleiche Gleichgewichte – thermodynamisches Gleichgewicht versus photostationärer Zustand“. Grafik: Nico Meuter</figcaption></figure>

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Videoclip oder Realexperiment?

Die Covid-19-Pandemie hat dazu geführt, dass Schulen verstärkt digitale Medien nutzen. Im Chemieunterricht ist der Einsatz von Videoclips aber eine zweischneidige Sache. Die Schulschließungen in den letzten Monaten haben im Fach Chemie sowohl das individuelle learning@home als auch das geleitete...

Organisch-anorganische Hybrid-Perowskite gelten als Wundermaterial für die Photovoltaik und werden weltweit erforscht. Allerdings können die Materialien Blei freisetzen und eignen sich daher nicht für Experimente in der Schule. Eine Alternative ist eine perowskitähnliche Solarzelle auf Rudorffit-Basis, die verhältnismäßig preiswert und einfach selbst zu bauen ist.
Perowskite erreichen als Halbleiter in Bauteilen ähnlich hohe Effizienzwerte wie kristalline Halbleitermaterialien, etwa Silicium, lassen sich aber einfacher synthetisieren und verarbeiten. Daher sind sie als neues Absorbermaterial für Solarzellen attraktiv und seit ein paar Jahren Gegenstand der Forschung. Im Zusammenhang mit den Themen Energiewende und Energieversorgung sind Perowskit-Solarzellen auch ein Thema für den Chemieunterricht in der Mittel- wie in der Oberstufe.Problematisch sind nach wie vor die in den Bauteilen enthaltenen Bleiverbindungen sowie die geringe Langzeitstabilität dieser Materialien. Als bleifreie Alternative wurden Rudorffite untersucht, die aus Silber- und Bismutiodiden zusammengesetzt sind.Aus Rudorffit lässt sich eine bleifreie Solarzelle aufbauen (Abbildung 1) und auch eine Version für die Lehre in Schule und Hochschule, die einfach und ohne teures Equipment herstellbar ist. Dazu gibt es Lernmaterialien für eine digital gestützte Lehreinheit.<figure><img src="https://media.graphcms.com/7EaLRW9ISKekdXkPIBA2"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Vergleich der Kristallstrukturen ternärer Metalliodide. Oben links: klassische kubische Perowskitstruktur von CsPbI3 mit eckenverknüpften [PbI6]-Oktaedern; oben Mitte: verzerrte Struktur organisch-anorganischer Hybridperowskite (hier (CH3NH3)PbI3) mit fehlgeordneten organischen Methylammoniumionen; oben rechts: isolierte [Bi2I9]-Einheiten (formal: zwei flächenverknüpfte [BiI6]-Oktaeder) in Cs3Bi2I9; rechts: kantenverknüpfte [BiI6]-Oktaeder-Schichten in Ag3BiI6. Um die Strukturen einfacher vergleichen zu können, sind die A-Kationen (Cs+, Ag+) blau, die B-Kationen (Pb2+, Bi3+) magentafarben und die Halogenide (I–) grau dargestellt.</figcaption></figure>
<h2>Grundlagen: Solarzellen und ihre Wirkungsgrade</h2>Der Großteil der handelsüblichen Photovoltaikanlagen basiert auf Silicium. Siliciumsolarzellen erreichen Wirkungsgrade von bis zu 25 Prozent und funktionieren nach Herstellerangaben bis zu 25 Jahre. Für Siliciumsolarzellen mit so hohen Wirkungsgraden muss das Halbleitermaterial hochrein sein und ist nur mit erheblichem Energieaufwand zu gewinnen. Daher suchen Forschungsgruppen weltweit nach Alternativen.Organische Photovoltaikzellen (OPV) mit organischen Halbleitern als Absorber sind einfacher und kostengünstiger herzustellen als Siliciumsolarzellen, wobei der Wirkungsgrad bei maximal 17,35 Prozent liegt.2)Organische Solarzellen und LED gibt es bereits für Schulexperimente.3) In den letzten Jahren hat die Farbstoffsolarzelle (Grätzel-Zelle) an Bedeutung gewonnen, die der Vorgänger von Perowskit-Solarzellen ist und die es ebenfalls als Version für den Schulunterricht gibt.4)Perowskit-Solarzellen enthielten ursprünglich die organisch-anorganischen Hybrid-Perowskite CH3NH3PbI3 (MAPbI3) und CH3NH3PbBr3 (MAPbBr3) als Halbleiter. Perowskit-Halbleiter haben hohe Absorptionskoeffizienten, einstellbare Bandlücken und hohe Ladungsträgermobilitäten. Angelehnt an die Farbstoffzelle dienten in den ersten Perowskit-Solarzellen ein flüssiger Elektrolyt und Titandioxid als Elektronenleiter, was einen Wirkungsgrad von fast 4 Prozent brachte.5) Durch Austausch des flüssigen Elektrolyten durch einen festen organischen Lochleiter mit einem Bispiro-Fluoren-Grundgerüst (Spiro-OMeTAD, N2,N2,N2′,N2′,N7,N7,N7′,N7′-octakis(4-methoxyphenyl)-9,9′-spirobi[9H-fluoren]-2,2′,7,7′-tetramin) stieg der Wirkungsgrad auf fast 10 Prozent, da so die Zersetzung des Perowskitabsorbers verhindert wird.7) Im Sommer 2019 publizierte eine Gruppe eine Effizienz von 25,2 Prozent.2) Damit wurden Halbleitermaterialien aus Perowskiten in der Photovoltaik zu einer Siliciumalternative.8)So vielversprechend die Perowskit-Solarzelle auch ist, so hat sie auch Schattenseiten. Denn die höchsten Effizienzwerte erreichen die Zellen aktuell nur mit bleihaltigen Perowskiten. Organisch-anorganische Perowskite sind hygroskopisch und hydrolyseempfindlich. Wenn sie sich zersetzen, wird Bleiiodid frei, das wasserlöslich und giftig ist, sich in Ökosystemen anreichert und die Umwelt belastet. Um Perowskit-Solarzellen marktfähig zu machen, müssen bleihaltige Perowskite stabilisiert oder Alternativen zu Blei gefunden werden.<h2>Bleifreie Alternativen: Rudorffite</h2>Stabilere bleifreie Absorbermaterialien lassen sich beispielsweise mit dem zu Pb2+ isoelektronischen Bi3+ oder seinem leichteren Homologen Sb3+ realisieren, die in verwandten Strukturtypen kristallisieren. Obwohl diese Verbindungen der Summenformel A3B2X9, zum Beispiel Cs3Bi2I9 oder (CH3NH3)3Bi2I9, sichtbares Licht absorbieren, zeigen sie nur geringe photovoltaische Effizienzen.9)Anorganische Strukturen der Zusammensetzung A3BX6 mit Schichtstrukturen aus kantenverknüpften [MI6]-Oktaedern (Abbildung 2) transportieren Ladungsträger besser. Aus einem solchen ausgedehnten Netzwerk bestehen die Bismut-basierten Rudorffite wie Ag3BiI6.9) Aufgrund ihrer rein anorganischen Zusammensetzung, die für die Langzeitstabilität von Vorteil ist, und den nur wenig toxischen Metallen sind Rudorffite Kandidaten für das Halbleitermaterial in Solarzellen. Solarzellen mit dem Rudorffit Ag3BiI6, TiO2 als Elektronenleiter und Poly(3-hexylthiophen-2,5-diyl) (P3HT) als Lochleiter erreichen einen Wirkungsgrad von 2,3 Prozent (unveröffentlichter Wert der Autoren).Rudorffit-Solarzellen sind wie Perowskit-Solarzellen aufgebaut (Abbildung 1, S. 20): Ein leitfähiges Oxid (TCO, transparent conductive oxide) wie fluordotiertes Zinnoxid (FTO, fluorine doped tin oxide) oder Indiumzinnoxid (ITO, indium tin oxide) fungiert als transparente Kontaktschicht und als Elektrode. In einem regulären Aufbau ist die ITO/FTO-Schicht die Anode. Eine Schicht aus dem n-Halbleiter TiO2 verhindert die Diffusion positiver Löcher zur ITO/FTO-Elektrode.Der Halbleiter Rudorffit bildet die aktive Schicht, die Photonen absorbiert, wodurch Elektron-Loch-Paare (Exzitonen) entstehen. Ein p-Halbleiter oder Lochleiter wie Spiro-OMeTAD verhindert den Elektronenfluss zur Kathode, sodass die Ladungsträger zu den gewünschten Elektroden fließen und ein Stromfluss entsteht.<h2>Solarzelle selbst gebaut</h2>Das Konzept der Do-it-yourself-Rudorffit-Solarzelle (DIY-RSZ) für die Lehre folgt den Entwicklungsprinzipien low-cost, low-time, low-risk und low-tech,10) ist also ausgerichtet auf minimale Kosten, möglichst geringe Bauzeit, Ersatz von Gefahrstoffen sowie einfache Geräte, Materialien und Methoden.Ausgangspunkt für die Rudorffit-Solarzelle war die Konstruktionsanleitung für eine organische DIY-Photovoltaikzelle.3) Zunächst wurde untersucht, welche Leitungsschichten sich für eine DIY-Solarzelle eignen, und das Rudorffit Ag3BiI6 ausgesucht. Dann wurde das problematische Lösungsmittel Dimethylformamid durch Dimethylsulfoxid ersetzt, das für Schülerexperimente zugelassen ist. Der p-Halbleiter SpiroOMeTaD wurde durch das einfacher handhabbare Polymer Poly(triarylamin) (PTAA) ausgetauscht. Gold wurde aus Kostengründen gegen eine Kohlenstofftinte ersetzt (Carbon-Ink B).Teure und aufwendige Methoden wie Vakuumbeschichtung oder Arbeiten in der Glovebox sind nicht erforderlich. Eine Standard-Laborausstattung sowie ein Abzug sollten allerdings vorhanden sein.Das Ergebnis ist eine DMF- und bleifreie Solarzelle mit dem Aufbau FTO/TiO2/Ag3BiI6/PTAA/C-InkB, die Lernende innerhalb von 30 Minuten selbst herstellen können (Abbildung 3). Die Zelle erreicht eine Photospannung von zirka 380 mV und einen Photostrom von 2,4 mA bei Bestrahlung mit einer Taschenlampe mit 2000 Lumen.<figure><img src="https://media.graphcms.com/WFES8hyRrOmiAZwE4hQ4"><figcaption><label>Abb. 2: </label>DIY-Rudorffit-Solarzellen von oben. Der Schichtaufbau ist analog zu Abbildung 1 (S. 20), aber mit folgenden Materialien: FTO als Anode, n-Halbleiter TiO2,, absorbierender Halbleiter Ag3BiI6, p-Halbleiter PTAA sowie Carbon-Ink B als oberster Schicht. Die Kupferstreifen dienen als Kontaktpunkte, um Krokodilklemmen anzuschließen.</figcaption></figure>
Für eine Solarzelle wird ein etwa 1,5 × 1,5 cm großes FTO-Glas gereinigt und mit zwei Lagen Titandioxid über Spincoating und Sprühpyrolyse beschichtet. Für Letztgenannte eignet sich eine handelsübliche Airbrush-Pistole. Auf das so behandelte FTO-Glas wird per Spincoating die lichtabsorbierende Schicht aus Ag3BiI6 aufgetragen. Als Spincoater dient ein PC-Lüfter, auf den das Substrat mit doppelseitigem Klebeband befestigt wird. Auf die Ruddorffitschicht wird ebenfalls durch Spincoating der p-Halbleiter PTAA aufgetragen. Die Kohlenstofftinte als Gegenelektrode wird mit einem Spatel vorsichtig aufgestrichen und mit einem Föhn getrocknet. Zum Schluss wird das Bauteil mit einem Stück Schutzfolie für Handydisplays versiegelt, die mit einem Streifen Kupferfolie versehen wird. Eine ausführliche Anleitung mit Videos steht im Internet (Kasten „Didaktisches Material“).Die fertige Solarzelle verbinden die Schüler mit einem Multimeter und protokollieren Photospannungen und -ströme unter Lichteinstrahlung. Es wird noch daran gearbeitet, mit der Zelle einen Motor zu betreiben.<h2>Didaktisches Material: Videos, Skript, Animationen</h2>Eine ausführliche Bauanleitung für eine DIY-Rudorffit-Solarzelle mit Videotutorials findet sich im Internet unter: <a href="https://qrco.de/bbMm6E" target="_blank">qrco.de/bbMm6E</a> (QR-Code links)<div><img src="https://media.graphcms.com/niB0nbbLTCW0AItL1SR5">

</div>Das Laborskript steht als pdf-Datei hier: <a href="https://qrco.de/bbMd9g" target="_blank">qrco.de/bbMd9g</a> (QR-Code Mitte)<div><img src="https://media.graphcms.com/h1HJ34XOQSZpnAptDVr1">

</div>Aktuell erarbeiten die Autoren weitere didaktische Begleitmaterialien zur Rudorffit-Solarzelle, erproben sie mit Lernenden und stellen sie dann über Open-education-resources-Lizenzen (OER) Lehrenden kostenfrei zur Verfügung. Eine Animation zum photovoltaischen Effekt und dessen Elementarschritten (Abbildung rechts) ist als Videosequenz bereits abrufbar.<div>Screenshot aus der Animation zur Umwandlung von Lichtenergie in elektrische Energie am Beispiel Rudorffit-Solarzelle, abrufbar unter <a href="https://qrco.de/bbMlzA" target="_blank">qrco.de/bbMlzA</a> (rechter QR-Code). Die wesentlichen Elementarschritte sind hervorgehoben, die Fermi-Niveaus der Elektroden aus didaktischen Gründen vernachlässigt. <named-content>Grafik: Maurice Gangl</named-content><img src="https://media.graphcms.com/miTyrfBQ8uJQ67X8kDGu">

</div>Die Begleitmaterialien stehen zusammengefasst unter: <a href="https://qrco.de/DIY-SC" target="_blank">qrco.de/DIY-SC</a><div><img src="https://media.graphcms.com/k4cHV1FVR0y3Hyf7Nk6B">

</div><h2>Ausblick: Lehr-Lern-Box</h2>Die Entwicklung der DIY-Rudorffit-Solarzelle liefert den Grundstein, um ein forschungsnahes Thema in den Unterricht aufzunehmen. Die Autoren optimieren die DIY-Solarzelle und Versuche weiter mit dem Ziel, eine Lehr-Lern-Box zu erstellen oder die bereits etablierte OPE-Box (Organic Photoelectronics)11) um die Rudorffit-Solarzelle zu erweitern. Alternativ sind die Experimentiermaterialien direkt bei den Anbietern erhältlich, die Quellen stehen im Laborskript (Kasten „Didaktisches Material“).<h2>Rudorffit-Solarzellen und Lehrpläne</h2>Die folgenden Beispiele aus Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zeigen, wie sich die DIY-Rudorffit-Solarzelle an die Lehplänane anbinden lässt:In der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen passt die Beschäftigung mit einer perowskitähnlichen Solarzelle beispielsweise zu folgenden Themen des Lehrplans: Eigenschaften von Ionenverbindungen: Kristalle und Leitfähigkeit; grundlegender Aufbau und Funktionsweise von Energiequellen. In der Sekundarstufe II könnten das folgende Themen sein: Zusammenhänge zwischen Struktur und Farbigkeit (Struktur-Eigenschaft); Energiestufenmodell zur Lichtabsorption (Energie).In Brandenburg lieferte die Solarzelle in der Sekundarstufe I Beiträge zum Lehrplanthema Bau und Eigenschaften von Ionenkristallen und Kristallgittern. In der Sekundarstufe II passt es zu: Erklärung von Phänomenen der Stoff- und Energieumwandlung bei chemischen Reaktionen auf Basis von Teilchen- und Bindungsmodellen (Energie und chemische Reaktionen); Zusammenhänge zwischen chemischer Struktur und Farbigkeit (Farben in Natur und Technik); Diskussion von unterschiedlichen Energiekonzepten und nachhaltiger Energieversorgung (Energie und chemische Reaktionen).Die Autoren bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die im Rahmen des Schwerpunktprogramms SPP 2196 – „Perovskite semiconductors: From fundamental properties to devices“ bereitgestellten Mittel.<figure><img src="https://media.graphcms.com/GBineRq7Sk2T1ifeahrH"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Querschnitt einer Solarzelle mit Rudorffit als absorbierendem Halbleiter (aufgenomen mit einem Rasterelektronenmikroskop) sowie Funktionsprinzip: Absorption eines Lichtquants (schwarzer Pfeil) erzeugt im Halbleiter ein Elektron-Loch-Paar, das getrennt und anschließend zu den Elektroden abgeführt wird.</figcaption></figure>
<h2>Die Autoren</h2>Diesen Beitrag haben Maurice Gangl (Foto oben), Feray Ünlü (Foto unten), Thomas Fischer, Sanjay Mathur und Amitabh Banerji verfasst. Die DIY-Rudorffit-Solarzelle entstand aus der Kooperation zwischen Banerji, Didaktik der Chemie, Universität Potsdam, und Mathur, anorganische Chemie, Universität Köln. Gangl hat in Köln Chemie und Geschichte für das Lehramt studiert und im Mai sein Referendariat am städtischen Gymnasium in Hennef begonnen. Die Rudorffit-Solarzelle für die Schule hat er mit Ünlü für seine Masterarbeit entwickelt. Ünlü ist Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Mathur und forscht an Perowskit-Solarzellen. Fischer ist wissenschaftlicher Rat in der Arbeitsgruppe von Mathur und arbeitet an Materialien für die Energiegewinnung.<div><img src="https://media.graphcms.com/Eywv2FOdQtGodPVimyug">

</div><div><img src="https://media.graphcms.com/gC05dDvTAaQNX0AmUsAg">

</div><h2>AUF EINEN BLICK</h2>Struktur und Aufbau von Rudorffit-Solarzellen ähneln denen von Perowskit-Solarzellen.Lernende können Rudorffit-Solarzellen mit ungiftigen Substanzen und preiswerten Bauteilen in der Schule selbst bauen.Experimente mit solchen DIY-Solarzellen vermitteln Schülern, wie sich mit Solarenergie Strom erzeugen lässt, und bringen ihnen ein aktuelles Forschungsthema nahe.
<ul><li>
1 I. Turkevych, S. Kazaoui, E. Ito, ChemSusChem 2017, 10, 3754</li><li>
2 <a href="https://www.nrel.gov/pv/cell-efficiency.html" target="_blank">www.nrel.gov/pv/cell-efficiency.html</a>.</li><li>
3 A. Banerji, Nachr. Chem. 2017, 65, 807</li><li>
4 D. Zeller, C. Bohrmann-Linde, Nachr. Chem. 2017, 65, 1236</li><li>
5 A. Kojima, K. Teshima, Y. Shirai, T. Miyasaka, J. Am. Chem. Soc. 2009, 131, 6050</li><li>
6 V. M. Goldschmidt, Naturwissenschaften 1926, 14, 477</li><li>
7 H.-S. Kim, Sci. Rep. 2012, 2, 591</li><li>
8 A. K. Jena, A. Kulkarni, T. Miyasaka, Chem. Rev. 2019, 119, 3036</li><li>
9 S. Öz, Sol. Energy Mater. Sol. Cells 2017, 1</li><li>
10 A. Banerji, A.-K. Schönbein, J. Wolff, CHEMKON 2017, 24, 251</li><li>
11 J. Dörschelln, A. Banerji, M. Zepp, M. W. Tausch, PdN-ChiS 2016, 65, 28</li></ul>

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