Schlaglichtthema: Chemie in Europa

Bildung + Gesellschaft

Der europ&auml;ische Publikationsverbund Chemistry Europe zeichnet jedes Jahr engagierte Autoren, Gasteditoren und Gutachter als Fellows aus. Wir haben die Fellows Sonja Herres-Pawlis, Lutz Ackermann und Nuno Maulide gefragt, wie sie die Chemie in Europa einsch&auml;tzen.
<h2 type="main">Lutz Ackermann: &bdquo;Keine Alternative&ldquo;</h2>
Wenn einer Ihrer Absolventen einen Postdoc-Aufenthalt plant: Welches Land in Europa w&uuml;rde Sie ihm oder ihr empfehlen?
Die Schweiz, UK und Universit&auml;ten in Frankreich oder Spanien.
Wenn Sie 20 Jahre zur&uuml;ckblicken: Welches europ&auml;ische Land h&auml;tte damals anstelle der USA Ihre Wahl sein k&ouml;nnen?
Zu der Zeit gab es f&uuml;r mich keine wirkliche Alternative in Europa.
Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: R&uuml;cken die L&auml;nder Europas in der Forschung eher zusammen oder auseinander?
Die L&auml;nder Europas r&uuml;cken zusammen, unter anderem auch durch die vielen wertvollen Kooperationen der EU sowie die bilateralen Austauschprogramme.
Lutz Ackermann ist seit dem Jahr 2007 Professor f&uuml;r organische Chemie an der Universit&auml;t G&ouml;ttingen mit Schwerpunkt auf Elektrokatalyse und Bindungsaktivierung.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/ECYaomGQqGLP33QsXEz7" />
<h2 type="main">Nuno Maulide: &bdquo;Keine L&auml;nder, sondern Forschungsgruppen&ldquo;</h2>
Wenn einer Ihrer Absolventen einen Postdoc-Aufenthalt plant: Welches Land in Europa w&uuml;rde Sie ihm oder ihr empfehlen?
Normalerweise halte ich mich mit Empfehlungen zur&uuml;ck. Ich frage lieber, was ein Mitarbeiter lernen m&ouml;chte und was er sich von einem Postdoc-Aufenthalt verspricht. Naturwissenschaften sind heute international, es gibt nicht mehr das eine Land, in dem ein Chemiker geforscht haben muss.
Sie haben in Portugal, Frankreich und Belgien studiert, (neben den USA) in Deutschland geforscht und arbeiten nun in &Ouml;sterreich. Warum haben Sie sich f&uuml;r diese L&auml;nder entschieden?
In Portugal bin ich geboren, es lag nahe, dort zu studieren. Sobald mir klar wurde, dass ein Auslandsaufenthalt wertvoll sein w&uuml;rde, habe ich meine Professorin gefragt. Sie empfahl keine L&auml;nder, sondern Forschungsgruppen. So kam ich zu Istv&aacute;n E. Mark&oacute; nach Louvain. Immer wenn mir danach jemand riet, ich m&uuml;sse in die USA gehen und bei einem Nobelpreistr&auml;ger arbeiten, antwortete ich, ich k&ouml;nne mir nicht vorstellen, irgendwo so viel zu lernen wie bei Istv&aacute;n. Nach Paris ging ich, um das franz&ouml;sische Hochschuldiplom nachzuholen. In Deutschland hatte ich das Gl&uuml;ck, mit einem sp&auml;teren Nobelpreistr&auml;ger zusammenzuarbeiten: Benjamin List. Aus Wien erhielt ich 2013 ein unfassbar gro&szlig;z&uuml;giges Angebot. Als Weltb&uuml;rger bin ich davon &uuml;berzeugt: Der beste Ort ist der, wo ich die besten Bedingungen f&uuml;r Forschung vorfinde.
Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: R&uuml;cken die L&auml;nder Europas in der Forschung eher zusammen oder auseinander?
Die Verbindungen in Europa werden jetzt schon immer enger. Es wird mehr Solidarit&auml;t zwischen den L&auml;ndern geben, denn gemeinsame Werte und ambitionierte wissenschaftliche Ziele machen Europa als Gemeinschaft stark.
Nuno Maulide ist Professor f&uuml;r organische Chemie am Forschungszentrum f&uuml;r molekulare Medizin der Universit&auml;t Wien.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/Lyce0kCZQD2DoA06bVTr" />
<h2 type="main">Sonja Herres-Pawlis: &bdquo;Methodische Vielfalt&ldquo;</h2>
Wenn einer Ihrer Absolventen einen Postdoc-Aufenthalt plant: Welches Land in Europa w&uuml;rde Sie ihm oder ihr empfehlen?
Das h&auml;ngt vom Thema ab: Bei Biokunststoffen sind die englischen Universit&auml;ten sehr stark. F&uuml;r die bioanorganische Chemie w&uuml;rde ich meine Absolvent:innen eher nach Frankreich schicken, die methodische Vielfalt ist hier enorm.
Wenn Sie 15 Jahre zur&uuml;ckblicken: Welches europ&auml;ische Land h&auml;tte damals anstelle der USA Ihre Wahl sein k&ouml;nnen?
Frankreich.
Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: R&uuml;cken die L&auml;nder Europas in der Forschung eher zusammen oder auseinander?
Wir arbeiten jetzt schon eng mit vielen europ&auml;ischen Kolleg:innen zusammen, und das wird in den kommenden Jahren eher mehr werden, was ich sehr begr&uuml;&szlig;e. Dank der EU-F&ouml;rderung r&uuml;cken die L&auml;nder in der Forschung zusammen.
Sonja Herres-Pawlis ist seit dem Jahr 2015 Professorin f&uuml;r bioanorganische Chemie an der RWTH Aachen.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/JhQjPVikRoOdDfAvanvm" />

Artikel

Chemie in Europa

Seit November 2021 ist die Molekularbiologin Maria Leptin Pr&auml;sidentin des Europ&auml;ischen Forschungsrats, der bis zum Jahr 2027 &uuml;ber ein Budget von 16 Milliarden Euro aus dem EU- Programm Horizon Europe verf&uuml;gt. Mit den Nachrichten aus der Chemie sprach sie &uuml;ber den Nutzen von Grundlagenforschung, menschliche Neugier und die Reibungen mit der Politik.
Frau Leptin, die Position als Pr&auml;sidentin des Europ&auml;ischen Forschungsrats, ERC, ist eine ausgesprochen politische. Bisher waren Sie vor allem Wissenschaftlerin. Wie gro&szlig; war f&uuml;r Sie die Umstellung?
Politische Arbeit ist nicht neu f&uuml;r mich. Ich war zuvor zw&ouml;lf Jahre Direktorin der European Molecular Biology Organization, EMBO, das war eine &auml;hnliche Position, allerdings mit viel kleinerem Finanzrahmen, nur mit Lebenswissenschaften. Der ERC ist viel politischer, wir sind von der EU abh&auml;ngig, nicht von den einzelnen Mitgliedsstaaten. Insofern sind die Leute anders, mit denen ich rede. Aber das ist positiv, ich lerne viel: Es ist sch&ouml;n, nicht nur den Fokus auf Lebenswissenschaften oder Naturwissenschaften zu haben, sondern das ganze Spektrum der Forschung zu sehen.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/CTA0qgNgQ8ad8swc5ZZK" />
<figcaption><label>Abb.1: </label>Erfahren in politischer Arbeit: Maria Leptin, die Pr&auml;sidentin des Europ&auml;ischen Forschungsrats. Foto: Michael Wodak, Medizin Foto K&ouml;ln</figcaption>
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Sehen Sie es als eine Ihrer Aufgaben, die Forschungsf&ouml;rderung der EU auf eine finanziell sichere Basis zu stellen?
Ja. Aber es gibt auch die nationale Forschungsf&ouml;rderung. Ich selber kann nur f&uuml;r den ERC k&auml;mpfen &ndash; und f&uuml;r das Prinzip der freien Grundlagenforschung. Das ist sehr wichtig.
<h2 type="main">INFO: Der Europ&auml;ische Forschungsrat</h2>
Der Europ&auml;ische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ist die Institution der Europ&auml;ischen Union, die Grundlagenforschung f&ouml;rdert. Der ERC wurde im Jahr 2006 gegr&uuml;ndet, um die EU f&uuml;r Wissenschaftler:innen attraktiver zu machen. Seit dem Jahr 2007 gibt der ERC Gelder f&uuml;r Forschungsprojekte, zun&auml;chst stand pro Jahr eine Milliarde Euro zur Verf&uuml;gung, heute sind es mehr als drei Milliarden. Projektmittel erhalten nicht nur Forscher:innen in EU-Mitgliedsstaaten, sondern auch in assoziierten L&auml;ndern. Dazu z&auml;hlen Island, Israel, Norwegen, die T&uuml;rkei und bis einschlie&szlig;lich 2021 die Schweiz.
<a href="https://erc.europa.eu" target="_blank" rel="noopener">erc.europa.eu</a>
Was macht Grundlagenforschung aus Ihrer Sicht erfolgreich?
Nicht jedes Projekt in der Grundlagenforschung ist erfolgreich. Projekte von guten Leuten haben eine gr&ouml;&szlig;ere Chance, erfolgreich zu sein als andere. Die spannendere Frage ist: Was macht Grundlagenforschung wichtig? Ein Standpunkt dazu ist: Es gilt Probleme zu l&ouml;sen, und daf&uuml;r m&uuml;ssen wir Geld zur Verf&uuml;gung stellen. Was aber auch wichtig ist: Wir wissen gar nicht, welche Probleme wir n&auml;chstes Jahr, in f&uuml;nf, zehn oder f&uuml;nfzig Jahren l&ouml;sen m&uuml;ssen. Dazu m&uuml;ssen wir erkennen, wie die Welt funktioniert, und daf&uuml;r brauchen wir Grundlagenforschung. Nur dann k&ouml;nnen wir die Welt, wenn es sein muss, manipulieren, ohne dabei Schaden anzurichten. Das haben wir schon mehrfach gesehen. Die Gefahr durch den Klimawandel haben Grundlagenforscher entdeckt. Grundlagenforscher waren also schon da, bevor wir &uuml;berhaupt wussten, welche Probleme es zu l&ouml;sen gilt.
Also geht es bei erfolgreicher Grundlagenforschung um den Nutzen.
Erfolgreich ist etwas anderes als n&uuml;tzlich. Es gibt erfolgreiche Forschung, die nur die menschliche Neugier befriedigt. Wir finden es toll, wenn Kinder neugierig sind. Forscher sind auch neugierig, nur kostet es mehr Geld. Alle sind begeistert, wenn ein schwarzes Loch entdeckt wird oder wenn das James-Webb-Teleskop Bilder aus dem All sendet. Alle wollen wissen, wie ein Stern entsteht. Dieses Wissen ist streng genommen unn&uuml;tz. All das ist reine Neugier, die &ndash; unter anderem &ndash; der ERC finanziert.
Wie beurteilt der ERC, ob ein Forschungsprojekt erfolgreich war?
Es dauert Jahre, bis Forschung sichtbare Erfolge bringt. Zur Evaluierung greifen wir 250 Antr&auml;ge heraus, die eine unabh&auml;ngige Kommission begutachtet. Einige Mitglieder hatten schon mit dem ERC zu tun, sa&szlig;en zum Beispiel in den Auswahlgremien. Zudem ziehen wir bewusst Experten hinzu, die noch nie etwas mit dem ERC zu tun hatten, das ist wichtig f&uuml;r die Objektivit&auml;t. Diese Kommission beurteilt qualitativ, ob ein Projekt einen Durchbruch gebracht hat, einen gro&szlig;en Fortschritt, einen weniger wichtigen Fortschritt oder ob es gar keinen Erfolg gab. V&ouml;llig erfolglos sind wenige Prozent. Der gr&ouml;&szlig;te Teil sind tats&auml;chlich Durchbr&uuml;che oder signifikante Fortschritte.
Ist das nicht ein Zeichen, dass der ERC zu konventionell und nicht mutig genug f&ouml;rdert? Bei Hochrisikoforschung, wie sie der ERC finanziert, w&auml;re doch zu erwarten, dass mehr als die H&auml;lfte scheitert?
Nun ja, &bdquo;nichts herauskommen&ldquo; kann Unterschiedliches bedeuten: Man macht ein Experiment, und das geht schief, man kann eine Hypothese weder best&auml;tigen noch widerlegen. Dann hat man das Experiment falsch gemacht, oder es funktionierte nicht. Dann probiert man weiter. Dass an vielen Tagen in diesem Sinne &bdquo;nichts herauskommt&ldquo;, ist normal. Es ist aber etwas ganz anderes, nach f&uuml;nf Jahren nichts publiziert zu haben. Das passiert selten. Manchmal findet man etwas anderes als erwartet, oder es ist kein gro&szlig;er Durchbruch, sondern nur ein inkrementeller Fortschritt. Das betrifft etwa 40 Prozent der Projekte. Dennoch ist das Geld daf&uuml;r nicht verschwendet &ndash; im Gegenteil, ich halte diese Forschung f&uuml;r sehr wichtig. Dabei wurden Studierende in hervorragenden Laboren ausgebildet, Postdocs haben publiziert und sich einen Namen gemacht, Doktoranden haben ihre Promotion abgeschlossen &ndash; und es wurde Wissen erweitert.
Politiker stehen unter Druck, mit dem Steuergeld kurzfristig Erfolge zu produzieren. Wie schwer ist es, der Politik klarzumachen, dass auch Forschung, die nicht das Gew&uuml;nschte liefert, finanziert werden muss?
Wenn wir w&uuml;ssten, was bei Forschung herauskommt &ndash; das sage ich Politikern immer wieder &ndash;, dann sind die Ergebnisse keine Entdeckungen mehr. Entdecken hei&szlig;t, man kennt die Entdeckung vorher nicht. Neuland betreten hei&szlig;t, dass man im Sumpf untergehen kann.
Das Geld der Steuerzahler geht auch nicht an Leute mit irgendeiner verr&uuml;ckten Idee, sondern an Leute, die nachgewiesen haben, dass sie ordentliche Forschung machen k&ouml;nnen. Die nachgewiesen haben, dass sie gut ausbilden und ein Labor leiten k&ouml;nnen. Also ist das Geld auf alle F&auml;lle gut angelegt.
Das Geld erhalten also diejenigen, von denen die Auswahlkommission denkt, dass sie auch k&uuml;nftig etwas Ordentliches leisten werden. Reproduziert der ERC damit nicht blo&szlig; die Forschergenerationen, die sich schon bew&auml;hrt haben? M&uuml;ssen Geldgeber nicht f&uuml;r mehr Vielfalt in der Forschercommunity sorgen, also neue Forscherschichten erschlie&szlig;en und denen mehr geben als den etablierten?
Der ERC gibt den jungen Forschern sehr viel mehr Geld als den etablierten. Vom F&ouml;rdergesamtvolumen gehen ungef&auml;hr zehn Prozent in die Synergy Grants und die Proof-of-Concept-F&ouml;rderlinien. Der Rest teilt sich auf in die Starting Grants, Consolidator Grants und Advanced Grants. Starting und Consolidator Grants f&ouml;rdern zusammen die zw&ouml;lf Jahre nach der Promotion. Durchschnittliche Forscherkarrieren nach dem PhD dauern 35 Jahre. Das hei&szlig;t, zwei Drittel des Geldes geht an den Nachwuchs.
Dass die Mittel bevorzugt an die Etablierten geht, stimmt also nicht. Aber geht es vielleicht vor allem an die, die damit angeben k&ouml;nnen, was sie schon alles gemacht haben?
Nein, auch das nicht. Der ERC vergibt die Mittel nicht danach, wer die meisten Paper publiziert hat. Der Antragsteller wird danach beurteilt, wie &uuml;berzeugend er oder sie ist. Wenn jemand noch nie etwas Ordentliches publiziert hat oder nicht &uuml;berzeugend darstellt, dass die beschriebenen Techniken im Labor funktionieren, dann ist das schlecht.
Ich habe in Panels gesessen, in denen wir Antr&auml;ge von Nobelpreistr&auml;gern beurteilt haben, von f&uuml;hrenden Forschern auf ihrem Gebiet. Dabei hie&szlig; es, wenn eine solche Person keinen ordentlichen Antrag schreibt, dann k&ouml;nnen wir den erst recht nicht bewilligen. Einem Anf&auml;nger, jemandem von einem finanzschwachen Institut oder aus einem schlechter aufgestellten Land wird eher nachgesehen, wenn der Antrag nicht perfekt formuliert ist.
Ist es auch eine Aufgabe des ERC, solche L&auml;nder &ndash; in der EU und assoziierte &ndash; zu f&ouml;rdern, die finanz- und forschungsschwach sind?
Nein. Es ist Aufgabe der L&auml;nder selbst, sich forschungsstark zu machen. Aber bei den einzelnen Forschern wird anerkannt, dass es in manchen Umgebungen schwieriger ist als in anderen, einen guten Antrag zu schreiben. Wir haben Instrumente, um diesen Forschern und Forscherinnen zu helfen: Mentoring Programme, eine Working Group on Widening Participation. Wir empfehlen, sich &uuml;ber die nationalen Kontaktstellen Rat zu holen, wir helfen bei der Antragstellung. Aber das Kriterium ist und bleibt alleine: Exzellenz.
Auf die Bev&ouml;lkerung umgerechnet gingen die meisten Starting Grants und Consolidator Grants in die Schweiz und nach Israel. Wie sehr schmerzt es Sie, dass die Verhandlungen mit der Schweiz &uuml;ber eine Fortsetzung der Forschungszusammenarbeit gescheitert sind?
Extrem. Die Forscher in der Schweiz wollen die Zusammenarbeit. Viele Politiker in der Schweiz m&ouml;chten die Verhandlungen wieder aufnehmen. Es ist ein Problem auf h&ouml;chster politischer Ebene, das nicht nur die Forschung betrifft. Aber es gibt Hoffnung auf eine L&ouml;sung.
Wie sieht es mit dem Vereinigten K&ouml;nigreich aus?
&Auml;hnlich, aber da h&auml;ngt nach dem Brexit im Moment alles in der Luft, nicht nur in der Forschung. Im Moment k&ouml;nnen wir nur abwarten.
Welche Haltung hat der ERC zur Forschungszusammenarbeit mit autorit&auml;ren Staaten?
Das ist schwierig. Den einzelnen Forschern in diesen L&auml;ndern m&ouml;chten wir helfen, ihre Unabh&auml;ngigkeit zu bewahren, gegen Repressionen zu k&auml;mpfen. Politisch kann der ERC nichts machen. Wir unterstehen der EU-Kommission, und es ist auch f&uuml;r Politiker in Europa und in den einzelnen L&auml;ndern nicht einfach zu entscheiden, wie sie mit diesen Situationen umgehen. Man m&ouml;chte den Kontakt halten. L&auml;nder, die autorit&auml;r regiert werden, von Forschungszusammenarbeit auszuschlie&szlig;en, hat m&ouml;glicherweise schlimmere Konsequenzen als zu versuchen, sie zu beeinflussen. Wenn Grant Agreements eingehalten sind, wenn die Rechte des Forschers respektiert werden, dann f&ouml;rdern wir.
Aber steht die Wissenschaft damit nicht vor dem gleichen Dilemma, das gerade die internationalen Handelsbeziehungen bestimmt? Die These vom Wandel durch Handel ist gescheitert. Ist es nicht zu einfach, von Wissenschaftsseite auf Entscheidungen aus der Politik zum Umgang mit Diktaturen zu warten? Muss nicht die Wissenschaft selbst L&ouml;sungen finden?
Das sehe ich auch so. Ich hatte F&auml;lle in meiner eigenen Arbeitsgruppe, dass Chinesen kein Stipendium von zuhause wollten, um ihre Unabh&auml;ngigkeit zu bewahren. Das habe ich respektiert und gesagt, dann finden wir eine andere Geldquelle. Jeder einzelne kann hier eine Rolle spielen.
Der ERC ist eine politische Institution und direkt von den Regierungen finanziert: Dennoch k&ouml;nnen wir in solchen Fragen unabh&auml;ngig agieren. Was die Grants betrifft, bestehen wir zum Beispiel darauf, dass ethische Regeln eingehalten werden. Forscher d&uuml;rfen keine Experimente in L&auml;ndern machen, die laschere Regeln haben als Europa, zum Beispiel in Embryonen- oder Stammzellenforschung. Wir als ERC k&ouml;nnen und wollen nicht sagen, wir finanzieren keine Projekte mehr, bei denen Chinesen oder Russen mitarbeiten. Aber mit Institutionen in Russland zum Beispiel hat die Kommission eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Das finde ich richtig.
Beim ERC werden Projekte in Life Sciences, in Physical Sciences and Engineering sowie in Social Sciences and Humanities eingeordnet. Die meisten Projekte in der Chemie laufen unter Physical and Engineering Sciences. Wird die Chemie dadurch zur Hilfswissenschaft degradiert?
Es gibt innerhalb der drei gro&szlig;en Bereiche jeweils sieben bis zehn Panels in spezifischen Bereichen. Der Bereich, der am homogensten ist, sind die Life Sciences. Was meinen Sie, was die Statistiker, Computer Scientists und die Mathematiker sagen? Ehrlich gesagt, Vertreter eines jeden Fachs klagen, ihr Fach k&auml;me am schlechtesten weg und werde zur Hilfswissenschaft degradiert. Jeder k&auml;mpft f&uuml;r seinen Bereich, das ist v&ouml;llig normal.
Mit Maria Leptin sprachen Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski und Chefredakteur Christian Remenyi.

Interview

"Erfolgreich ist etwas anderes als nützlich"

Leitartikel

An ever-changing Europe. An old continent, but one that has been in a constant state of change throughout the centuries.
Chemistry. Experiments, theory, science, research, abstraction, food, health, explosives, energy, innovation, materials, batteries, detergents, climate change, quality of water, environment, wine, cosmetics, sustainability, circular economy, renewable energy &hellip;
The geopolitical situation across Europe has been important for European scientists for centuries, and chemists are no exception. Until recently, Europeans might have believed that their continent was a safe and peaceful place, with ample opportunities for creativity and collaboration across different disciplines. The Russian invasion of Ukraine proved such a belief wrong. The rich diversity in Europe has once again proven to be its biggest strength, yet also a weakness. Irrespective of geopolitical dynamics, chemistry continues to provide solutions to new societal challenges. Good solutions can only be developed by collaboration across disciplines as well as across Europe (and beyond). And how does the European Chemical Society (EuChemS) contribute to addressing the societal challenges?
Since 2011, the European Chemical Society has been expanding its activities from its headquarters in Brussels, following more than three decades of its predecessor, the Federation of European Chemical Societies (FECS). By now, it is a recognised stakeholder at the European level at the crossroad of science and policy. Since 2021, EuChemS has been a member of the expert group &ldquo;High Level Roundtable on the implementation of the Chemicals Strategy&rdquo; set up by the Directorate-General Environment of the European Commission, and it has recently joined the &ldquo;Zero pollution Stakeholder platform&rdquo;, set up jointly by the European Commission and the Committee of the Regions. Additionally, EuChemS organises policy workshops on various topics relevant for the society, proactively contributes to wider initiatives, such as the Global Women&lsquo;s Breakfast and Stick-to-Science, and has released a statement on the Ukraine invasion. We share updates on the science-policy activities of EuChemS on our website as well as on our social networks &ndash; Twitter, LinkedIn, Facebook, YouTube. We kindly invite you to follow us there or subscribe to our newsletters: monthly Brussels News Updates and quarterly Chemistry in Europe.
Furthermore, EuChemS, through its Professional Networks (Divisions, Working Parties), strengthens the chemistry community in Europe by organising scientific conferences in different subfields of chemistry and the flagship EuChemS Chemistry Congress. The 8th edition takes place in Lisbon in August and September this year, with a rich scientific programme, complemented with dedicated policy sessions and awards. In addition to the EuChemS awards, the Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) also presents one of its awards, as per tradition. This underlines the important role and committed contributions that the GDCh has to chemistry at the European level since the establishment of FECS in 1970.
Last but not least, one of EuChemS&rsquo; strengths is the European Young Chemists&rsquo; Network (EYCN) consisting of early-career chemists with different backgrounds. They bring in enthusiasm, engage with new generations of chemists and hence are a strong insurance for EuChemS to continue supporting the development of chemistry as a central science.
Nineta Hrastelj and Floris Rutjes, Secretary General and President of the European Chemical Society (EuChemS)<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/9X00YZeOSyGouW7UtDJd" /><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/J4jy58ogSraD9tbbKl78" />

Chemistry in an ever‐changing Europe

Marta Garijo A&ntilde;orbe hat in Spanien Chemie studiert, in Dortmund promoviert und geforscht. Heute hat sie eine F&uuml;hrungsposition bei einem Hersteller f&uuml;r Temperierger&auml;te im fr&auml;nkischen Lauda und ist weltweit unterwegs.
Marta Garijo A&ntilde;orbe sagte ihrer Mutter in Spanien am Telefon: &bdquo;Ich mache hier meine Doktorarbeit.&ldquo; Was das bedeute, wollte diese wissen. &bdquo;Noch drei, vier Jahre in Deutschland&ldquo;, erwiderte Garijo A&ntilde;orbe. Das war im Jahr 2003. Geblieben ist sie bis heute.
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<figcaption><label>Abb.1: </label>Marta Garijo A&ntilde;orbe Foto: Besserer</figcaption>
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Die Chemikerin hat Karriere bei Lauda Dr. R. Wobser gemacht, einem mittelst&auml;ndischen Hersteller von Temperierger&auml;ten und -anlagen. Dort ist Garijo A&ntilde;orbe heute Gebietsleiterin im Vertrieb und verantwortet die Ums&auml;tze in Lateinamerika, den Nachfolgestaaten der Sowjetunion (GUS) und in Europa mit Ausnahme der deutschsprachigen L&auml;nder. Sie &uuml;bernimmt dabei auch die strategische F&uuml;hrung und Betreuung aller Lauda-Niederlassungen und -Vertretungen. Die Nachfrage und die Menge der Projekte nehmen zu, das Unternehmen w&auml;chst. Es gibt mehr Stellen zu besetzen, daher sucht die Chemikerin nach Unterst&uuml;tzung.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/BnBwve4QlC4sMwis14uQ" />
<figcaption><label>Abb.2: </label>Der Arbeitsplatz von Marta Garijo A&ntilde;orbe: die Zentrale des Ger&auml;teherstellers Lauda Dr. R. Wobser in Lauda-K&ouml;nigshofen. Hier arbeiten etwa 530 Angestellte. Foto: Behrendt und Rausch</figcaption>
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Sie ber&auml;t die Vertreter der ausl&auml;ndischen Tochterunternehmen und Niederlassungen dabei, f&uuml;r Kunden das richtige K&uuml;hl- oder Heizger&auml;t zu finden. Daf&uuml;r befasst sie sich mit den jeweiligen Anwendungen in Labor oder Produktion. Sie pr&uuml;ft, ob sich die gew&auml;hlte Temperierfl&uuml;ssigkeit f&uuml;r die gew&uuml;nschte und ben&ouml;tigte Temperieraufgabe eignet und wie ein Ger&auml;t ausgelegt sein muss, damit es beispielsweise eine bestimmte Menge Fl&uuml;ssigkeit innerhalb einer Zeitspanne auf 180 &deg;C erhitzt.
Die Kunden sind Chemie-, Pharma- und Biotechunternehmen, die ihre Reaktoren heizen, k&uuml;hlen oder genau auf einer Temperatur halten m&uuml;ssen, Universit&auml;tslabore, Hersteller von Halbleitern und Medizintechnik, Automobilzulieferer oder Flugzeughersteller. Garijo A&ntilde;orbe ist immer wieder &uuml;berrascht, wo &uuml;berall exakte Temperierung gebraucht wird, etwa am Tankstutzen einer Wasserstofftankstelle. &bdquo;Wenn ich bei einer Anwendung nicht weiterkomme, tausche ich mich mit Chemiker-Kollegen aus dem Produktmanagement aus.&ldquo;
<h2 type="main">Wissen weitergeben</h2>
Da die Vertriebsmitarbeiter in den Lauda-Niederlassungen immer &uuml;ber den Stand der Technik informiert sein m&uuml;ssen, geh&ouml;ren Produktschulungen zu Marta Garijo A&ntilde;orbes Aufgaben. Die Vertreter kommen jeweils f&uuml;r eine Woche in die Zentrale in Lauda-K&ouml;nigshofen, lernen dabei nicht nur die Theorie, sondern probieren die Umlaufk&uuml;hler oder Wasserb&auml;der auch im hauseigenen Labor aus. &bdquo;Es ist wichtig f&uuml;r mich, dass meine Kolleginnen und Kollegen immer auf dem neusten Stand sind&ldquo;, berichtet sie.
Es mache ihr Spa&szlig;, ihre Kenntnisse weiterzugeben: &bdquo;Wir stellen Aufgaben, etwa eine bestimmte Temperatur einzustellen oder eine Pumpe zu bedienen.&ldquo;
Zudem erstellt Garijo A&ntilde;orbe Umsatzprognosen und vertritt ihren Arbeitgeber auf Messen im In- und Ausland. Stehen gr&ouml;&szlig;ere Projekte an, etwa wenn ein Unternehmen mehr als zehn Prozessthermostate installieren lassen will, besucht sie zusammen mit den Vertriebsleuten vor Ort den Kunden. &bdquo;Ich liebe es zu reisen&ldquo;, sagt sie. Das war auch einer der Gr&uuml;nde daf&uuml;r, dass sie nach Deutschland kam.
<h2 type="main">Promotion statt Job</h2>
Marta Garijo A&ntilde;orbe hat an der Universit&auml;t von Saragossa f&uuml;nf Jahre Chemie studiert. Anders als in Deutschland ist in Spanien das Studium nicht in Semestern, sondern in Studienjahren organisiert. W&auml;hrend des zweij&auml;hrigen Masterstudiums spezialisierte sie sich auf analytische Chemie.
&bdquo;Mit 23 Jahren war ich mit dem Studium fertig und wollte Erfahrung im Ausland sammeln, bevor ich mir einen Job suche.&ldquo; Daher bewarb sie sich um ein Erasmus-Stipendium. &bdquo;Nach Deutschland wollten nicht so viele&ldquo;, erinnert sie sich, &bdquo;aber ich dachte: Warum nicht?&ldquo;
Mit dem Stipendium kam sie an die TU Dortmund in den Arbeitskreis von Bernhard Lippert, zun&auml;chst f&uuml;r ein halbes Jahr. Dann bot Lippert ihr eine Doktorandenstelle an. Dass Doktoranden in Deutschland Geld verdienen, findet sie gut. &bdquo;In Spanien gibt es das nicht, dort bekommst du ein Stipendium, oder du hast Pech.&ldquo;
Noch in Spanien begann sie, die deutsche Sprache zu erlernen. In Dortmund belegte sie zwar weiter Deutschkurse, aber &bdquo;es ging mir dabei zu langsam voran.&ldquo; Deutsch habe sie vor allem durch deutsche Freunde gelernt. Es sei ihr leicht gefallen, an der Uni Kontakte zu kn&uuml;pfen. &bdquo;Man kommt ja selbst in der Mensa ins Gespr&auml;ch.&ldquo;
<h2 type="main">Eine andere Aufgabe</h2>
Nach ihrer Promotion &uuml;ber cis-Platin wechselte sie als Postdoc ans Leibniz-Institut f&uuml;r Analytische Wissenschaften (Isas) in Dortmund und untersuchte dort Proteine mit ICP-MS. &bdquo;Ich h&auml;tte gerne weiter geforscht,&ldquo; erinnert sie sich. Aber die akademische Welt mit ihren befristeten Arbeitsvertr&auml;gen erschien ihr auf Dauer zu unsicher. Sie begann Bewerbungen zu schreiben und stellte ihren Lebenslauf auf ein Analytik-Portal im Internet.
Lauda wurde auf sie aufmerksam und lud sie ein, sich f&uuml;r eine Position als Produktmanagerin zu bewerben. Im Gespr&auml;ch wurde jedoch schnell klar, dass die Chemikerin mit ihren Kenntnissen in den technischen Vertrieb passen w&uuml;rde, und das Unternehmen bot ihr die Stelle an. Sie zog nach W&uuml;rzburg und fing im Jahr 2007 bei dem Unternehmen an.
&bdquo;Ich bin ambitioniert und will mich weiterentwickeln&ldquo;, sagt sie. Das habe sie von Anfang an klar gemacht. Ihr Arbeitgeber unterst&uuml;tzte sie dabei. Ihr Vorgesetzter &uuml;bernahm die Rolle als Mentor, und nach drei Jahren bekam sie Verantwortung f&uuml;r den Umsatz.
Inzwischen wohnt sie in Tauberbischofsheim, einer Nachbarstadt von Lauda-K&ouml;nigshofen. Sie brauche keine gro&szlig;e Stadt, sagt sie, sie stamme urspr&uuml;nglich aus einem Dorf, &bdquo;und f&uuml;r meine Kinder ist es hier toll.&ldquo;
Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski traf Marta Garijo A&ntilde;orbe auf der Ger&auml;temesse Analytica.

„Ich will mich weiterentwickeln“

Industrie + Technik

Why chemists should know about their downstream users, and how legislation defines them. They are neither distributors nor consumers.
Chemistry has many branches, and chemicals are needed to make all materials, and products used by society. To make a product, chemicals must go through various steps.
In a highly simplistic description, chemical manufacturers produce chemical substances in the first step of the supply chain. These substances are then used by next actors in the supply chain to make products. They are combined to form chemical mixtures such as glues or paints. They are included into more solid articles, such as plastic packaging and metal pieces in cars. The entities acting in this middle ground of the supply chain are termed downstream users. Ultimately, an end user &ndash; a consumer, a professional, or a worker &ndash; uses the final product for the intended application.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/SwDhB8fSlTvCGudfJ1wg" />
<figcaption><label>Abb.1: </label>Three steps in the supply chain of chemicals. In the middle various downstream users form chemical mixtures and include them in more solid articles.</figcaption>
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The legal definition of the term downstream users, according to the Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals Regulation (EU-regulation Reach) is: &bdquo;any natural or legal person established within the community, other than the manufacturer or the importer, who uses a substance, either on its own or in a mixture, in the course of his industrial or professional activities. A distributor or a consumer is not a downstream user.&ldquo;
Legal definitions are important and relevant to chemists. Products on the European market need to comply with various regulatory requirements, and chemists wishing to use their skills to place products of any kind in the EU must be aware of the legal framework that these products need to follow.
Products such as cosmetics, detergents, aerosols, paints, inks, toners, pressroom chemicals, adhesives, sealants, construction chemicals, fragrances, lubricants, as well as the crop protection and chemical distribution industries, are affected by both horizontal and sectoral legislation. Horizontal legislation, such as the Reach regulation, is applicable to all chemical products. Meanwhile, examples of more sector-specific legislation are the Cosmetics Regulation and the Sustainable Use of Pesticides Directive.
<h2 type="main">Formulating downstream users</h2>
Cosmetics, detergents, aerosols, paints, inks, toners, adhesives and sealants, construction chemicals, fragrances, lubricants, crop protection, and chemical distribution. What do all of these industries have in common?
They are downstream users. They are formulating industries.
Formulation chemistry is a branch of chemicals manufacturing that deals with substances that typically don&rsquo;t react with each other but contribute to a final product in some way. For example, a paint may be made of pigment (to provide the desired colour), binder (to hold pigment particles together on the surface), a solvent (carrier, dissolver), etc. These don&rsquo;t react with each other, but all play a role in the final product.
A good analogy to formulation is baking, where ingredients are added in different ratios according to a recipe, however with considerable additional complexity. A formulation is likely to be made many more times than baked goods prepared by any amateur or even professional baker. Also, the level of precision in weighing, analysing, and recording observations will be much higher during industrial research. A formulation cannot have significant variability between batches. Customers expect paints, detergents, adhesives, and other formulations to always have consistent texture, pourability, and colour.
Companies cannot consider only the mixing step of the single product but also need to ensure other aspects, for example:
<list><listitem>The product must go through the pipes of the manufacturing plant.</listitem><listitem>It must remain in the container in such a way that it can be functionally used by an end user.</listitem><listitem>It&rsquo;s important to reduce the amount of product that remains as waste inside packaging.</listitem><listitem>You don&rsquo;t want your product to spoil.</listitem></list>
Even if no reaction chemistry takes place within such a complex product, formulators must ensure that all ingredients do not negatively affect the overall performance of the product (stability, miscibility, colour, odour, etc.).
The commonalities of these industry sectors, combined with their common interest in regulatory requirements that these sectors must consider to place safe, sustainable and compliant products on the market, led to the creation of the Downstream Users of Chemicals Co-ordination group (DUCC).
<h2 type="main">How does a European organisation help?</h2>
DUCCis a platform of eleven associations re-presenting downstream formulating industries. The objective of the group is to contribute, with a common voice, to the implementation of chemicals legislation.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/flJz5OMsSlOKKHdFTyFv" />
<figcaption><label>Abb.2: </label>Members of the Downstream Users of Chemicals Co-ordination Group (DUCC) and the impact of regulation.</figcaption>
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In 2021 DUCC celebrated its 20-year anniversary. For the past two decades the organisation has worked to support different industries in implementing important regulation. Key topics pursued by DUCC have included several aspects of communication and guidance:
With regard to supply chain communication, DUCC members have a long-standing history of engaging in dialogue with other stakeholders to find pragmatic solutions to improving the tools for communicating information on safe use of chemicals within the supply chain (i. e., safety data sheets and exposure scenarios). DUCC members have worked to ensure that these are better understood within industry and provide relevant information.
In addition, DUCC members are also engaged in improving communication on chemical products, especially to consumers, through simpler labels and by leveraging the potential of digitalisation.
DUCC has also acted to provide guidance to support companies. For instance, in collaboration with sector organisations representing retailers, DUCC is raising awareness of the regulatory obligations for the classification, labelling, and packaging. One noteworthy initiative is providing guidance for online sales, which aims to raise awareness of the legal requirements when selling products online.
<h2 type="main">Future plans for DUCC and EU chemists</h2>
Now, due to the European Commission&lsquo;s plans for the EU Green Deal, many pieces of legislation that affect the chemicals sector will go through revisions and updates, with subsequent crucial impacts on how products will be produced in the EU; it is even possible that some products will no longer be accessible in the future. Additional requirements will be imposed on companies to set a higher bar &ndash; and increase the requirements towards what is considered a safe and sustainable product. DUCC will continue to be engaged with the aim of successfully implementing EU legislation. In the context of this change, DUCC encourages European chemists to inform themselves about the upcoming changes. All products are made with chemicals and it is crucial that Europeans remain engaged in chemistry in the future. We must maintain and develop talent in Europe that can lead us to build opportunities towards safer and more sustainable products as well as a strong European industry.
<h2 type="main">Die Autorin</h2>
The article was written by Giulia Sebastio, Scientific and Regulatory Affairs Manager at Downstream Users of Chemicals Co-ordination Group (DUCC). Giulia has a background in chemistry and has worked as a chemist and regulatory affairs professional across different fields including chemicals, food products and pharmaceuticals. As a DUCC manager she aims to bring together the voices of all DUCC members towards cooperation and a unified voice. <a href="https://www.ducc.eu" target="_blank" rel="noopener">www.ducc.eu</a><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/UDc5b8I7SLedp5BXkqak" />

European Platform

Formulating Industry

Als die russische Armee Ende Februar die Ukraine &uuml;berfiel, nahm die Universit&auml;t Gie&szlig;en 18 Chemiestudentinnen auf. Zwei von ihnen sind Viktoria Kuzminska und Yuliia Kurtash.
Viktoria Kuzminska w&uuml;rde nichts lieber tun, als in die Ukraine zur&uuml;ckzukehren. &bdquo;Das ist meine Heimat, dort waren meine Freunde, dort sind mein Freund und meine Familie, das alles ist verloren.&ldquo;
Bis zum 24. Februar haben Yuliia Kurtash und Viktoria Kuzminska Chemie an der Nationalen Technischen Universit&auml;t, Polytechnisches Institut, in Kyjiw studiert. Kuzminska hatte ihr Bachelorstudium fast beendet, Kurtash war im dritten Studienjahr, als Russland den Krieg gegen die Ukraine begann und die Universit&auml;ten den Lehrbetrieb aussetzten.
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<figcaption><label>Abb.1: </label>In Gie&szlig;en statt in Kyjiw: Viktoria Kuzminska (links) und Yuliia Kurtash. Foto: Frauke Zbikowski</figcaption>
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Viktoria Kuzminska wollte eigentlich in Kyjiw bleiben und abwarten, bis sich die Lage beruhigt. Ihre Mutter wurde nerv&ouml;s und beschwor sie, nach Hause zu kommen. Als die Studentin schlie&szlig;lich die ukrainische Hauptstadt verlie&szlig;, waren &bdquo;die Stra&szlig;en voller Soldaten, Sirenen heulten, Hubschrauber kreisten &uuml;ber der Stadt, Menschen gerieten in Panik.&ldquo;
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<figcaption><label>Abb.2: </label>Sands&auml;cke verbarrikadieren in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw die Eing&auml;nge der U-Bahnstation Universit&auml;t (Foto vom 25. Juli 2022). dpa picture alliance, Christophe Gateau</figcaption>
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<h2 type="main">Eine Perspektive</h2>
Zu Hause, in einer Kleinstadt in der N&auml;he von Dnipro in der Zentralukraine, musste Kuzminska einsehen, dass es f&uuml;r sie dort keine Perspektive gab: keine Ausbildung, keine Arbeit. Die Universit&auml;ten in der Ukraine haben aus Sicherheitsgr&uuml;nden auf Distanzunterricht umgestellt, Experimentalausbildung im Labor ist zu gef&auml;hrlich.
&bdquo;Ich sehe mich aber als Chemikerin und m&ouml;chte weiter lernen&ldquo;, sagt Kuzminska. Au&szlig;erdem sei es in der Ukraine nirgendwo sicher, denn die russische Armee bombardiert zivile Ziele. &bdquo;Ihre Raketen kommen &uuml;berall hin.&ldquo; In der Ukraine waren bereits Anfang April an die 400 Bildungseinrichtungen durch Bombenangriffe oder Artilleriebeschuss besch&auml;digt oder zerst&ouml;rt, vor allem in Kyjiw, Tschernihiw, Sumy, Charkiw, Saporischschja, Cherson, Donetzk, Lugansk und Odesa.
&Uuml;ber eine Freundin, die bereits den Master abgeschlossen hatte, erfuhr Kuzminska, dass die Universit&auml;t Gie&szlig;en inzwischen nicht mehr nur Absolventen, sondern auch Studierenden aus der Ukraine Pl&auml;tze anbietet. Sie bewarb sich und hatte innerhalb weniger Tage die Zusage, als Austauschstudentin ans Institut f&uuml;r Physikalische Chemie zu gehen, in die Arbeitsgruppe von Bernd Smarsly. Seit Anfang Juni arbeitet sie in einem seiner Labore f&uuml;r einen Doktoranden, der Polymere erforscht, und bereitet sich auf ihr Masterstudium vor.
<h2 type="main">Nur f&uuml;r ein paar Monate</h2>
Die Laborpl&auml;tze f&uuml;r die Chemiestudentinnen aus der Ukraine haben Peter Schreiner und Richard G&ouml;ttlich organisiert, beide Professoren am Institut f&uuml;r Organische Chemie. So k&ouml;nnen die Gefl&uuml;chteten bei Forschungsprojekten mitarbeiten, die zu ihrem fachlichen Profil passen. Die Kooperation zwischen der Chemie an der Universit&auml;t Gie&szlig;en und dem Kyjiwer Polytechnischen Institut besteht, seit Schreiner im Jahr 2002 nach Gie&szlig;en berufen wurde. Ein Austauschabkommen existiert seit dem Jahr 2009.
Fachlich ist Yuliia Kurtash der Einstieg in die Laborarbeit in Gie&szlig;en leicht gefallen. Sie befasst sich mit Biokatalyse in der organischen Synthese, ihr Laborplatz ist bei der ukrainischen Gastwissenschaftlerin Tetiana Zhuk in der Arbeitsgruppe von Holger Zorn, Institut f&uuml;r Lebensmittelchemie. In den Forschungsgruppen mit ihren internationalen Mitgliedern und Englisch als Arbeitssprache sei es einfach, sich zu verst&auml;ndigen. Schwieriger war es f&uuml;r Kurtash, sich in Deutschland zurecht zu finden, auch wenn sie bereits Laborplatz und Wohnheimzimmer hatte. Der Kriegsausbruch hatte sie verst&ouml;rt. &bdquo;Ich war deprimiert und f&uuml;hlte mich alleine&ldquo;, sagt sie. Sprache und Mentalit&auml;t der Deutschen waren ihr fremd. &bdquo;Wenn Du Hilfe brauchst, darfst Du nicht sch&uuml;chtern sein.&ldquo;
Yuliia Kurtash verlie&szlig; Kyjiw am Tag des Kriegsausbruchs. Sie stand 20 Stunden im Stau, bis sie in ihrem Heimatort in der N&auml;he der ungarischen Grenze ankam. Einer ihrer Dozenten informierte sie &uuml;ber das Angebot, als Austauschstudentin nach Gie&szlig;en zu gehen. Sie &uuml;berlegte nicht lange, sondern dachte, &bdquo;ich gehe f&uuml;r ein paar Monate nach Deutschland und kehre dann in die Ukraine zur&uuml;ck&ldquo; &ndash; in der Annahme, der Krieg w&auml;re schnell vorbei. &bdquo;Wir glauben alle, dass der Krieg bald vorbei ist&ldquo;, sagt Viktoria Kuzminska, &bdquo;anders halten wir es nicht aus.&ldquo;
<h2 type="main">Ein fernes Ziel</h2>
Yuliia Kurtash w&uuml;rde am liebsten bis zum Bachelorabschluss in Deutschland bleiben und hofft, dass sie die Chance bekommt, das Studium in Gie&szlig;en und Kyjiw parallel zu absolvieren. Dem stehen im Moment ihre fehlenden Deutschkenntnisse entgegen, die f&uuml;r das Bachelorstudium in Gie&szlig;en zwingend sind. Jeden Abend nach der Uni besucht sie f&uuml;r mehrere Stunden einen Deutsch-Intensivkurs, ebenso wie Viktoria Kuzminska. Sie hat es geschafft, von Gie&szlig;en aus alle Formalit&auml;ten zu erledigen, und h&auml;lt nun ihr Bachelorzeugnis in den H&auml;nden. Dabei geholfen haben ihr Freunde, die noch in Kyjiw geblieben waren. &bdquo;Zuverl&auml;ssige Helfer zu finden, war ein Problem&ldquo;, berichtet sie. Durch die Ausgangssperren sei es kaum zu schaffen, sich neben der Arbeit um die Dinge des t&auml;glichen Bedarfs zu k&uuml;mmern, von Beh&ouml;rdeng&auml;ngen ganz zu schweigen.
Das Masterstudium k&ouml;nnte Kuzminska auf Englisch absolvieren. Aber um das Studium zu finanzieren, m&uuml;sste sie arbeiten, und daf&uuml;r brauche sie Deutsch.
<h2 type="main">Brain Drain</h2>
An der Justus-Liebig-Universit&auml;t waren im Sommersemester insgesamt etwa 270 Studierende aus der Ukraine eingeschrieben, ein Teil von ihnen, vor allem M&auml;nner, ist digital zugeschaltet.
Genaue Zahlen, wie viele Studierende und wie viele Wissenschaftler:innen geflohen sind, existieren laut Jevhenija Polischtschuk vom Young Scientist&lsquo;s Council im Ministerium f&uuml;r Bildung und Wissenschaft der Ukraine nicht. Sie sch&auml;tzt, dass etwa 20 Prozent der Nachwuchswissenschaftler:innen die Ukraine verlassen haben -- fast ausschlie&szlig;lich Frauen, da junge M&auml;nner ja nur dann ausreisen d&uuml;rfen, wenn sie behindert oder zu krank sind, um der Landesverteidigung zu dienen. Viele Wissenschaftler versuchen, an Forschungseinrichtungen im Westen der Ukraine weiterzuarbeiten, was diese Polischtschuks Einsch&auml;tzung nach stark unter Druck setzt. Zudem haben Bildung und Forschung in der Ukraine im Moment keine Priorit&auml;t. &bdquo;Wenn der Krieg vorbei ist,&ldquo; sagt Polischtschuk, &bdquo;brauchen wir aber all die Wissenschaftler.&ldquo;
Viktoria Kuzminska geht davon aus, dass 80 Prozent ihrer Mitstudentinnen das Land verlassen haben. Ihre m&auml;nnlichen Kommilitonen versuchten zu arbeiten, engagierten sich freiwillig in der humanit&auml;ren Hilfe oder in der Landesverteidigung. Von Yuliias Kurtashs Freundinnen lebt zurzeit keine mehr in der Ukraine. &bdquo;Sie sind in Ungarn, in der Slowakei, in Israel, in &Ouml;sterreich, meine Schwester ist in Gro&szlig;britannien.&ldquo; Sie kennt zwei Studentinnen, die in Polen ihr Studium fortsetzen. Die meisten lebten allerdings als Fl&uuml;chtlinge. An einer Universit&auml;t aufgenommen zu werden, sei au&szlig;ergew&ouml;hnlich.
Orts- und Eigennamen stehen hier in der Umschrift aus dem Ukrainischen. Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski traf die beiden Chemiestudentinnen in Gie&szlig;en. Das Gespr&auml;ch vermittelte Boryslav Tkachenko, der selbst aus der Ukraine stammt. Er kam nach seiner Promotion in Kyjiw im Jahr 2003 an die Universit&auml;t Gie&szlig;en und forscht dort an Diamantoiden.

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