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Hochschulpraktika – Cholesterin aus Hirn
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Cholesterin hat es bis in den Alltagssprachgebrauch gebracht. Allein deshalb ist es für Praktika im Chemiestudium ein interessanter Vertreter der Steroide. Zudem ist es einfach zu gewinnen.
Der französischen Chemiker Eugène Chevreul entdeckte Cholesterin (Foto oben) in Gallensteinen (griechisch „cholé“: Galle, „stereós“: hart, fest), aus denen es lange isoliert wurde.1) Es kommt zudem in vielen anderen Naturstoffen vor: beispielsweise in Ölen, Butter und Ei, gewonnen wird es auch aus Wollfett. Im Gehirn kommt Cholesterin in größeren Mengen vor, es macht etwa zehn Prozent der Trockenmasse aus.
Ein so großer Gehalt an Cholesterin lässt einen Praktikumsversuch zur Extraktion interessant erscheinen. Doch dazu ist in der einschlägigen Literatur für Naturstoffextraktionen im Praktikum nichts zu finden.2,3) Allgemein sind Versuche zu Naturstoffen tierischen Ursprungs selten. Hämin aus Schweineblut,4) Pepsin aus Schweinemagen und Laktose aus Milch3) sind die bekanntesten.
Historische Versuchsvorschriften neu entdeckt
Wir stießen bei der Literaturrecherche4) auf eine einfache Vorschrift zur Cholesterinextraktion aus Hirn. Als Hauptprobleme erscheinen die Co-Extraktion von Fetten, Lecithin, Kephalin und anderen Bestandteilen sowie der erhebliche Wassergehalt des Gehirns. Rosenheim publizierte dafür bereits im Jahr 1906 eine Lösung: Er entwässerte den Hirnbrei mit Gips und extrahierte mit Aceton. Die Reinheit gab er mit „practically pure“ an.5)
Unser Interesse war geweckt, diese Vorschrift für Praktikumsbelange zu probieren und das so gewonnene Cholesterin mit klassischen und modernen Methoden zu untersuchen. Rosenheim hatte das Cholesterin aus Schafshirn extrahiert, wir ersetzten dieses durch Schweinehirn, weil es heute einfacher zu bekommen ist als Schafshirn. Die Kosten für den Versuch sind gering: 100 g Schweinehirn frisch vom Metzger kosten etwa 1 Euro, 1 kg Gips aus dem Bastelbadarf 1,20 Euro (Abbildung 1). Aceton kann nach dem Abdestillieren zu Reinigungszwecken dienen.
Da Rosenberg die Extraktionsmethode nicht näher beschrieben hatte, testeten wir zunächst eine klassische, kontinuierliche Kaltextraktion nach Friedrichs (siehe Zusatzmaterial). Allerdings liefert auch eine einfache, rührende Extraktion sehr gute Ergebnisse, wie sich dann zeigte. Das nach der Reinigung erhaltene Cholesterin wurde mit 1H- und 13C-NMR-Spektroskopie untersucht, sowohl am 60-MHz-Spektrometer (Magritek, typisches Praktikumsgerät) als auch am 300-MHz-Gerät (Bruker), die Spektren entsprechen denen in der Literatur.6) Allerdings zeigen die Spektren Ethanol, mit dem Cholesterin auskristallisiert.
Tests und Synthesen – Folgeversuche
Zur Charakterisierung eignen sich auch klassischere Analysemethoden: Neben dem Schmelzpunkt von 146 bis 149 °C bildet sich mit Benzanilid ein bei 122 °C, mit Phenacetin ein bei 133 °C schmelzendes Eutektikum.8) Schön zu beobachten ist das Farbenspiel der Kristalle unter dem Polarisationsmikroskop (Foto S. 30). Der Drehwert des Cholesterins liegt bei αD20 –32 ° (Chloroform, 20 cm, c = 0,05 g·mL–1).
Cholesterin lässt sich zudem klassischen nasschemischen Tests unterziehen. Besonders farbenfroh ist der Salkowski-Test (Abbildung 2 Mitte), also die Umsetzung in Chloroform mit Schwefelsäure, wobei vermutlich Bicholestadien und Sulfonierungsprodukten entstehen, die Literatur bleibt hier vage.9) Beim Liebermann-Burchard-Test10) wird Cholesterin in Chloroform mit Essigsäureanhydrid und Schwefelsäure umgesetzt und bildet die Farbfolge: Rosenrot,Violett, Blau, Dunkelgrün (Abbildung 3, S. 32).11) Für den Tschugaeff-Test wird Cholesterin mit Zinkchlorid und Acetylchlorid in Eisessig umgesetzt.12) Alle Anleitungen sind in den Zusatzinformationen beschrieben.
Weiterhin kann Cholesterin als Ausgangstoff für typische Praktikumspräparate dienen, zum Beispiel Dibromcholesterin,13) Cholest-4-en-on und Cholestenon,14) oder zur Darstellung des tribolumineszenten Salicylsäurecholesterylesters.15)
Weniger Geruch als gedacht – Vorgehensweise
Für den Extraktionsversuch werden 100 g frisches Schweinehirn in einer Küchenmaschine zerkleinert und der Brei mit 300 g Gips (zuvor drei Stunden bei 160 °C getrocknet) manuell geknetet. Die krümelige Masse wird ausgebreitet und drei Stunden ruhen gelassen. Danach wird sie, falls nötig, zerkleinert und mit einem Liter Aceton (tech.) eine Stunde mit einem mechanischen Rührer kalt extrahiert, dann dekantiert und filtriert, und das Aceton wird am Rotationsverdampfer recycelt. Die Extraktion wird drei Mal wiederholt. Die zurückbleibende, fast farblose Masse wird zunächst bei 10 mbar getrocknet und anschließend aus wenig Ethanol-Aceton-Gemisch unter Aktivkohlezusatz umkristallisiert. Man erhält farblose, perlmutterglänzende Tafeln und Blätter, die ein Äquivalent Ethanol einschließen. Die Ausbeute liegt bei 1,1 g (1,1 % der Rohmasse); Schmelzpunkt nach dem Trocknen im Vakuum: 148 °C (korr). Für Dünnschichtchromatographie mit SiO2 auf Glas oder Alu diente Heptan:Diethylether:Eisessig (90:10:1) als Laufmittel, mit Molybdatophosphorsäure-Reagenz wurde gefärbt und das Chromatogramm dann auf der Heizplatte bei 105 °C entwickelt.16)
Der befürchtete Geruch hielt sich bei allen Schritten in Grenzen. Kontakt mit Stahl sollte allerdings vermieden werden, dabei intensiviert sich der Geruch. Sehr empfindliche Personen können die Glasgeräte nach dem Versuch mit Hypochloridlösung spülen.
Diesen Beitrag haben Eric Täuscher und Emma Freiberger verfasst. Täuscher betreut an der TU Ilmenau die Ausbildung in organischer Chemie im Studiengang Biotechnische Chemie und engagiert sich in der Lehrerfortbildung. Er ist seit dem Jahr 2012 Senior Researcher an der TU Ilmenau. Freiberger absolvierte zwischen 2014 und 2019 ihr Bachelor- und Masterstudium in Biotechnischer Chemie an der TU Ilmenau und promoviert dort über Fulleren-Funktionalisierung.
AUF EINEN BLICK
Schweinehirn enthält zehn Prozent Cholesterin bezogen auf seine Trockenmasse. Daher bietet sich die Extraktion als Praktikumsversuch an.
Die Extraktion gelingt nach einer historischen Vorschrift mit Gips und Aceton.
Das Cholesterin kann als Ausgangsmaterial für weitere Versuche dienen, etwa Charakterisierungsmethoden und Synthesen.
Zusatzmaterial mit weiteren Details zum Versuch und Spektren stehen unter gdch.link/8ljg
- 1 R. J. Daniel, W. Doran, Biochem. J. 1926, 20, 676, 1926
- 2 S. Berger, D. Sicker, Classics in Spectroscopy, Wiley-VCH, Weinheim 2009
- 3 D. M Sicker, K.-D. Zeller, H.-U. Siehl, S. Berger, Natural Products, Wiley-VCH, Weinheim 2019
- 4 L. Gattermann, T. Wieland, Die Praxis des organischen Chemikers, deGruyter, Berlin 1982
- 5 F. Hoppe-Seyler, H. Thierfelder, Handbuch der physiologisch- und pathologisch-chemischen Analyse, zehnte Auflage, Dritter Band/Zweiter Bandteil, Springer-Verlag, Berlin 1955
- 6 O. J. Rosenheim, Physiol., London 1906, 34, 104
- 7 magritek.com/spectra/cholesterol-80-mhz-t1/ (Stand 23.8.2022) Kopie davon in der Zusatz-Information mit freundlicher Genehmigung.
- 8 L. u. A. Kofler, Mikro-Methoden zur Kennzeichnung organischer Stoffe und Stoffgemische, Universitätsbibliothek Wagner, Innsbruck 1948
- 9 E. Salkowski, Hoppe-Seylers Zeitschrift für Physiologische Chemie, 1908, 57, 523
- 10 C. Liebermann, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1885, 18, 1803
- 11 X. Quanbo, K. W: William, P. Jihai, Lipids, 2007 doi: 10.1007/s11745–006–3013–5
- 12 L. Z. Tschugaeff, Angew. Chem. 1900, 13, 618, 1900
- 13 T. Eicher, L.. Tietze, Organisch-Chemisches Grundpraktikum, Thieme Verlag, Stuttgart 1993
- 14 B. S. Furniss, A. J. Hannaford, P. W. G. Smith, A. R. Tatchell, Vogel’s Textbook of Practical Organic Chemistry, 5. Edition, Pearson Verlag,London 2014
- 15 H. Brandl, E. Täuscher, D. Weiß, Chem. Unserer Zeit, 2017, 51, 112
- 16 E. Stahl, Chromatographische und mikroskopische Analyse von Drogen, Gustav-Fischer-Verlag, 1970
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