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Elektrosynthese mit Sonne und Wind
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Wie lassen sich molekulare Energiespeicher mit Strom aus erneuerbaren Quellen herstellen? Was beim Aufbau von Brennstoffzellen für den Hochstrombetrieb zu beachten ist, wie die CO2-Reduktion mit mehr als zwei Elektronen gelingt und ob elektrochemisch hergestellte Energieträger wettbewerbsfähig sind.
Wie viel Energie wir verbrauchen, hängt schon immer von Tages- und Jahreszeiten ab. Die Verfügbarkeit erneuerbarer Energie hängt zusätzlich stark vom Wetter ab – eine Schwierigkeit der Energiewende.
In den letzten 20 Jahren sind die Speicherkapazitäten von Batterien erheblich erweitert worden. Inzwischen scheint es machbar, elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen künftig für wenige Tage sowohl in ausreichender Menge als auch mit über 90 Prozent Energieeffizienz zu speichern, sodass beim Rückverstromen nur knapp 10 Prozent verloren gehen. Batterien eignen sich allerdings noch nicht, um wochenlange Wetterperioden mit wenig Wind und geringer Sonneneinstrahlung zu überbrücken. Denn die Batteriematerialien sind zu teuer und nicht in ausreichender Menge vorhanden.
Eine Alternative ist, chemische Energie molekular zu speichern, etwa in Wasserstoff, der sich durch Wasserelektrolyse herstellen und in Brennstoffzellen rückverstromen lässt. Der theoretisch maximal mögliche Energiewirkungsgrad über einen Elektrolyse- und Rückverstromungszyklus beträgt dabei etwa 53 Prozent, bei praktischen Betriebsbedingungen 30 bis 40 Prozent.1) Auch mit Solarstrom synthetisierte Treibstoffe wie Methan, Dimethylether, Methanol und andere Alkohole sowie Kerosin kommen als molekulare Energiespeicher in Frage.
In unseren letzten beiden Beiträgen [Nachr. Chem. 2024, 72(10), 28; 2025, 73(2), 30] haben wir diskutiert, wie sich Sonnen-, Wind- und chemische Energie effizient speichern lassen und wie die Systeme dafür aussehen müssen. Hier geht es darum, wie sich molekulare Energieträger elektrochemisch mit erneuerbarer Energie herstellen lassen.
Brennstoffzellen mit Hochstrom betreiben
Um die optimale Energieeffizienz in einer Brennstoffzelle zu erreichen, sind Widerstandsverluste zu minimieren. Diese sind durch das Ohm’sche Gesetz
ΔU = R ·I (1)
gegeben, wobei ΔU den Spannungsabfall, R den Widerstand und I die Stromstärke beschreibt. Der Leistungsverlust ΔP ist
ΔP = ΔU · I. (2)
Für die Hochstrom-Elektrokatalyse gilt also: Bei energieintensiven Prozessen müssen der Widerstand R und somit der Spannungsabfall ΔU für große Stromstärken I minimal sein, um den Leistungsverlust ΔP gering zu halten. Für parallele Elektroden ist der Widerstand R proportional zu deren Abstand (Abbildung oben). In Polymer-Elektrolytmembran-Brennstoffzellen und in Zellen für die Wasserelektrolyse beträgt dieser Abstand üblicherweise 100 µm oder weniger. Man nennt sie Zero-gap-Zellen (Abbildung links, Teil b). Der Abstand muss so klein sein, weil die Stromdichten im Bereich von 1 A · cm–2 vergleichsweise hoch sind. Größere Abstände würden den Widerstand und damit den Leistungsverlust erhöhen. Klassische elektrochemische Zellen für analytische Anwendungen (Daniell-Elemente, Abbildung links, Teil a) arbeiten nahezu stromlos. Deswegen genügen ihnen Elektrodenabstände von wenigen Zentimetern.
Elektrodenmaterialien
Die Zellen, mit denen sich molekulare Energieträger herstellen lassen, unterscheiden sich auch hinsichtlich der Natur der Elektrode von traditionellen Daniell-Elementen. Bei letztgenannten muss sich die Elektrodenoberfläche eignen, um im Kontakt mit einem Reaktandenmolekül ein bis drei Elektronen auszutauschen. Das geht mit Oberflächen aus Übergangsmetallen oder leitfähigem Graphit. Um CO2 zu Methanol, Ethanol oder Isopropanol zu reduzieren, sind allerdings 6, 12 beziehungsweise 18 Elektronen zu übertragen. Dies geschieht in Reaktionen mit mehreren Schritten, die jeweils einen katalytischen Adsorptionsplatz mit anderen Eigenschaften verlangen. Die Elektrodenoberfläche muss daher ein mehrfunktionaler Katalysator sein, an den Edukt und Zwischenstufen reaktiv adsorbieren. Beliebt sind Graphit-ähnliche Kohlenstoff-Stickstoff-Materialien variabler Zusammensetzung, da sie mehrere Adsorptionsplätze mit unterschiedlichen katalytischen Eigenschaften haben.
Auch nanostrukturiertes Indiumoxid oder ähnliche Oxide eignen sich als Elektrodenoberfläche. Obwohl diese als Bulk-Materialien isolieren, sind sie als Nanomaterialien elektrisch leitfähig: In der Nähe jeder Festkörperoberfläche ändert sich die Struktur, weil sich die atomaren Abstände in Richtung Oberfläche vergrößern. Dadurch ändern sich die lokale freie Energie sowie die Zustandsdichte und damit die elektrische Leitfähigkeit. Ähnliches bewirken Defekte im Nanomaterial. Die Oberfläche wird dadurch gleichzeitig variabel und katalytisch funktional.
Thermische heterogen-katalytische Prozesse benötigen oft Temperaturen von mehreren hundert Grad Celsius, um die Aktivierungsbarriere zu überwinden. Bei der Elektrokatalyse geschieht dies, indem eine Vorspannung an die Elektroden angelegt wird. Dadurch lassen sich stark endergonische Reaktionen wie die CO2-Reduktion direkt in Wasser durchführen, das gleichzeitig Reaktand ist; Wasserstoff vorher in einem separaten Prozess herzustellen ist unnötig. Allerdings müssen die Elektrodenmaterialien bei den notwendigen Zellspannungen von wenigen Volt stabil sein.
Den Erfolg der Elektrokatalyse beschreiben zwei Größen: Die Faraday-Effizienz FE gibt an, welcher Bruchteil der ausgetauschten Elektronen zu einem bestimmten Produkt geführt hat. Sie ist ein Maß für die Selektivität des Prozesses. Die Energieeffizienz ηE gibt für das betrachtete Produkt den Bruchteil der elektrisch genutzten freien Energie ΔG relativ zur eingesetzten Enthalpie ΔH an:
ΔG = –ν · F · ΔE, (3)
ΔH = –ν · F · ΔU, (4)
ηE = FE · ΔG · ΔH–1 = FE · ΔE · ΔU–1. (5)
Dabei entspricht ν der Anzahl der umgesetzten Elektronen, F der Faraday-Konstante, ΔE dem der Reaktionsgleichung entsprechenden Nernst’schen Elektrodenpotenzial und ΔU der bei der gewählten Stromstärke effektiv angelegten Zellspannung. Mit zunehmender Stromstärke sinkt die Energieeffizienz, da gemäß Gleichung (1) der Spannungsabfall ΔU größer wird. Dagegen steigt die Produktausbeute mit der Stromstärke, also der Zahl der pro Zeiteinheit ausgetauschten Elektronen. Das Verhältnis der freien Energie ΔG zur eingesetzten Enthalpie ΔH beschreibt das theoretische Effizienzmaximum. Während sich die Selektivität oder Faraday-Effizienz FE auch für thermische Reaktionen bestimmen lässt, ist die Energieeffizienz ηE für solche Reaktionen schwieriger zuverlässig zu ermitteln.
CO2 elektrochemisch reduzieren
Ein Beispiel für den Wettbewerb mehrerer Reaktionen in der Elektrochemie ist die Reduktion von CO2 auf einer Kupferelektrode (Diagramm S. 37). Bei kleinen Spannungen oberhalb von –0,8 V bildet sich mit einer Faraday-Effizienz von 90 Prozent Wasserstoff.3) Dies ist allerdings unerwünscht, da die Reaktion kein CO2 umsetzt. Erst unterhalb von –0,5 V entstehen gleichzeitig Kohlenstoffmonoxid und Ameisensäure, die beide je zwei Elektronen benötigen und bei –0,85 V mit 20 beziehungsweise 30 Prozent ihre maximale Faraday-Effizienz erreichen. Bei weniger als –0,9 V entstehen Ethen und Methan, die jeweils acht Elektronen brauchen; je vier davon, um Wasser mit den beiden Sauerstoffatomen von CO2 zu bilden. Kupfer war lange der einzige Katalysator, der in wesentlichem Umfang dazu führt, dass C–C-Bindungen geknüpft und höhermolekulare Produkte gebildet werden.
Quantenchemischen Berechnungen zufolge ist ein Potenzial von –0,41 V (40 kJ · mol–1) nötig, damit das erste Intermediat entsteht – auf Kupfer adsorbiertes HOCO.4) Alle darauffolgenden Reduktionsstufen sind exergonisch. Im Experiment entstehen reduzierte Produkte aber erst bei –0,85 V. Die elektrochemische Reaktion ist also kinetisch um rund 40 kJ · mol–1 aktiviert. Ziel bleibt es daher, katalytische Oberflächen mit möglichst kleiner Aktivierungsenergie zu finden.
Wirtschaftlichkeit
Fossile Treibstoffe werden üblicherweise verbrannt, wobei CO2 und Wasser in die Umgebung entweichen. Um Kraftstoffe zu recyceln, soll künftig CO2 aus der Atmosphäre genutzt werden, indem dieses eingesammelt (Direct Air Capture, DAC) und mit erneuerbarer Energie umgesetzt wird. Sonnenlicht und Wind sind zwar kostenlos. Um daraus elektrische Energie zu erzeugen, ist allerdings Technik nötig, die Geld kostet. In Deutschland rechnen wir ortsabhängig mit Photovoltaikkosten von 0,05 bis 0,08 Euro pro Kilowattstunde Strom.5,6) Am Beispiel Oktan schätzen wir ab, ob das wirtschaftlich ist (Tabelle). An der Zapfsäule ist ein Liter derzeit für 1,70 Euro zu haben. 41,5 Prozent davon (0,71 Euro) entstehen durch Energiekosten und Verkaufsgewinn. Die übrigen 58,5 Prozent (0,99 Euro) kommen durch die Energiesteuer, die Mehrwertsteuer und die CO2-Abgabe zustande.
Nehmen wir eine Energieeffizienz von 100 Prozent an, um CO2 für einen Liter Oktan zu recyceln, ergeben sich für die verlustfreien Energiekosten 0,47 bis 0,75 Euro – kompetitiv mit den 0,71 Euro an der Zapfsäule. Werden jedoch realistische Werte für die Produktselektivität und von 41 bis 65 statt 100 Prozent für die Energieeffizienz eingesetzt, steigen die Energiekosten auf 0,97 bis 2,36 Euro pro Liter. Insgesamt ergäben sich Kosten von 1,85 bis 3,24 Euro pro Liter Kraftstoff. Die energetischen Verluste sind also noch deutlich zu reduzieren, um das CO2-Recycling auf ein Kostenniveau zu bringen, das auch für die Industrie ökonomisch ist.
Bekannte thermische Prozesse, um Treibstoff aus CO2 herzustellen, wie die Fischer-Tropsch-Synthese, sind dem elektrochemischen Weg derzeit noch überlegen, allerdings für durchhydrierte Kohlenwasserstoffe aufgrund des notwendigen hohen Energieeinsatzes ebenso wenig ökonomisch.3)
Für die beiden Grundstufen des Recyclings, also die Wasserelektrolyse und die Reduktion von CO2 zu Ameisensäure, gibt es bisher nur fossile Alternativen zur Elektrochemie. Bei einer Stromdichte von 300 mA · cm–2 entstehen aus CO2 fallweise Kohlenstoffmonoxid und Ameisensäure mit einer Faraday-Effizienz von jeweils 80 Prozent und Energieeffizienz von jeweils etwa 50 Prozent.10) Der Energiebeitrag, der für die Wasserelektrolyse nötig ist, dominiert in jedem Fall gegenüber dem für die CO2-Reduktion. Deshalb sollten bevorzugt teilhydrierte und noch sauerstoffhaltige organische Säuren, Aldehyde und Alkohole das Ziel elektrochemischer Synthesen aus CO2 sein. Weil es für petrochemische Unternehmen aufwendig ist, Sauerstoff in Moleküle einzuführen, erhöht mehr Sauerstoff häufig den Marktpreis des Produkts.
AUF EINEN BLICK
Molekulare Energieträger wie Aldehyde, Alkohole und Alkane lassen sich mit erneuerbarer Energie elektrochemisch durch CO2-Reduktion herstellen.
Dafür sind spezielle Brennstoffzellen mit Elektrodenabständen unter 100 µm nötig.
Die Elektrodenoberflächen sollten katalytisch aktiv und adsorbierbar für verschiedene Edukte und Intermediate sein und möglichst wenig Aktivierungsenergie benötigen.
Treibstoff lässt sich auf diese Weise bisher nicht ökonomisch aus CO2 produzieren.
Die Autoren
Den Beitrag verfasst haben Emil Roduner (Foto), Thomas Osterland und Wolfgang Hübinger. Roduner ist Professor für physikalische Chemie an der Universität Stuttgart sowie außerordentlicher Professor der Universität Pretoria (im Ruhestand). Osterland ist seit 2015 Professor für chemische Technologie an der Hochschule Augsburg in der Fakultät Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Hübinger arbeitet beim Unternehmen BASF in Ludwigshafen an Langfriststrategien, abgeleitet aus Technologieentwicklung, Forschungssteuerung und Scouting.
- 1 A.J. Headley, S. Schoenung, Hydrogen Energy Storage: t1p.de/qwztu (abgerufen am 2.5.2025)
- 2 E. Roduner, Catalysis Today 2018, 309, 263–268
- 3 Y. Hori, A. Murata, R. Takahashi, J. Chem. Soc. Faraday Trans. 1989, 85, 2309–2326
- 4 A. A. Peterson, F. Abild-Pedersen, F. Studt, J. Rossmeisl, J. K. Nørskov, Energ. Environ. Sci. 2010, 3, 1311–1315
- 5 C. Kost, P. Müller, J. Sepúlva-Schweiger, V. Fluri, J. Thomsen, Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, 2024: t1p.de/hpips (abgerufen am 28.12.2024)
- 6 G. Bogdanov et al., Nature Commun. 2019, 10, 1077
- 7 K. Sievert, T.S. Schmidt, B. Steffen, Joule 2024, 8, 979–999
- 8 X. Li et al., Energy Fuels 2016, 30, 5980–5989
- 9 E-Fuels Today-Beitrag: Wie wichtig ist der Wirkungsgrad von E-Fuels, t1p.de/kfetk (abgerufen am 10.1.2025).
- 10 GIGKarasek-Beitrag: CO2-electrolysis: technical-economic analysis of the technology and marketable CO2-products, t1p.de/nx0l3 (abgerufen am 10.1.2025)
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