Industrie + Technik

Pilzinfektionen behandeln | Benzohydroxamsäuren schwächen Pilzerkrankungen bei Weizen, Soja und Baumwolle, wie Forschende der Chinesischen Akademie der Agrarwissenschaften herausgefunden haben. Die Säuren hemmen das Enzym Chitin-Deacetylase. Dieses hilft den Pilzen, der Immunabwehr des pflanzlichen Wirts zu entkommen.Nat. Commun. doi: 10.1038/s41467–023–39562–7Lebensmittelanalytik | Ein neuer kolorimetrischer Sensor weist bioaktive Substanzen in Lebensmitteln nach. Entwickelt haben ihn Forschende der Chinesischen Universität für Wissenschaft und Technik.In einem Sensorarray oxidieren kupferorganische Nanozyme die Antioxidantien Resveratrol, Tee-Polyphenol, Chlorogensäure, Rutin und Vanillin. Mit 4-Aminoantipyrin entstehen Farbstoffmuster, über die sich mit dem Smartphone wenige Mikrogramm pro Milliliter der Inhaltsstoffe quantifizieren lassen.Biosens. Bioelectron. doi: 10.1016/j.bios.2024.116784Kerosin aus Kokosnüssen | Aus Kokosöl, das für den Verzehr ungeeignet ist, stellt ein japanisches Konsortium nachhaltiges Flugbenzin her. Die mittelkettigen Kokosfettsäuren ähneln in ihrer Kettenlänge denen herkömmlichen Kerosins. Durch katalytisches Hydrieren und Cracken lässt sich aus dem Kokosöl grünes Kerosin produzieren, das die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO bereits zertifiziert hat.Pressemitteilung (japanisch): <a href="https://t1p.de/nu4za" target="_blank">t1p.de/nu4za</a>Nachhaltigen Zement herstellen | Das japanische Unternehmen Sumitomo Osaka Cement fertigt zusammen mit der Baufirma Nippo Corporation Recyclingzement aus Kalkmörtel und CO2 aus Zementfabrikabgasen. In die Hohlräume von Asphalt gefüllt soll der Zement Straßen beständig machen. Der CO2-Ausstoß bei der Herstellung ist um 58 Prozent niedriger als bei ähnlichen Straßenbelägen.Pressemitteilung (japanisch): <a href="https://t1p.de/h64s6" target="_blank">t1p.de/h64s6</a>Rolf Schmid, <a href="https://www.bio4business.eu" target="_blank">www.bio4business.eu</a>

Meldung

Blick nach Asien

Gr&uuml;nen Wasserstoff mit erneuerbaren Energien herzustellen, ist derzeit un&ouml;konomisch. Eine neue Methode, um Membran-Elektronen-Einheiten f&uuml;r die Wasserelektrolyse zu fertigen, k&ouml;nnte helfen.
Die geopolitische Energiekrise durch den Ukrainekrieg zeigt: Wir m&uuml;ssen unabh&auml;ngig werden von fossilen Brennstoffen. Zur Energiesouver&auml;nit&auml;t mit nachhaltigen Energiequellen beitragen wollen Gustav Sievers und Arne Birth. Sie entwickeln kosteng&uuml;nstige und umweltfreundliche Membran-Elektroden-Einheiten (MEA, membrane electrode assemblies), um Wasserstoff &uuml;ber Protonenaustauschmembran-Elektrolyse herzustellen (auch PEM-Elektrolyse, PEM = proton exchange membrane). Diese MEAs sind besonders kompakt und flexibel einsetzbar.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/ZH2F6NsETSeU00HDrTkF">
<figcaption><label>Abb.1: </label>Membran-Elektroden-Einheit (MEA, membrane electrode assembly) von Elementarhy. Foto: Elementarhy</figcaption>
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<h2 type="main">Elektrolyseure herstellen</h2>
Bei der PEM-Elektrolyse entstehen an der Anode aus Wasser Protonen, die durch eine Polymermembran zur Kathode diffundieren und dort zu Wasserstoff reduziert werden. Herzst&uuml;ck eines PEM-Elektrolyseurs ist die MEA. Typischerweise ist das derzeit eine 3-Lagen-MEA, eine beidseitig katalysatorbeschichtete Membran (catalyst coated membrane, CCM). Diese CCMs machen den Produktionsprozess teuer und ineffizient: Erstens dient als Katalysator h&auml;ufig das begrenzt verf&uuml;gbare und teure Edelmetall Iridium. Zweitens sind die MEAs auf Funktion und Defekte zu pr&uuml;fen. Dies geschieht erst, nachdem mehrere MEAs zu einem Stack gestapelt wurden, um die Leistung des Elektrolyseurs zu erh&ouml;hen. Vor dem Stacking werden die CCMs nur visuell gepr&uuml;ft. Fehler ihrer elektrochemischen Funktion werden so erst sp&auml;t im Produktionsprozess erkannt &ndash; die Herstellung wird teurer und dauert l&auml;nger.
Zudem enthalten alle herk&ouml;mmlichen MEAs Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), die als umwelt- und gesundheitssch&auml;dlich gelten. Im Jahr 2025 sollen PFAS europaweit regulatorisch eingeschr&auml;nkt werden &ndash; sp&auml;testens dann sind alternative Materialien f&uuml;r die protonendurchl&auml;ssigen Membranen zu nutzen.
Birth und Sievers haben Anfang 2024 das Start-up Elementarhy gegr&uuml;ndet (Kasten unten), um MEAs kosteng&uuml;nstiger, nachhaltig und weniger umweltsch&auml;dlich als derzeit genutzte MEAs zu produzieren: Dazu haben sie eine neue Plasmabeschichtungstechnik entwickelt und eine Methode, die MEAs fr&uuml;hzeitig im Produktionsprozess zu testen. Zudem verzichten sie auf PFAS und nutzen stattdessen selbsttragende Katalysatorschichten und kohlenwasserstoffbasierte Membranen. Im Vergleich zu herk&ouml;mmlichen Systemen entstehen dadurch Vorteile.
<h2 type="main">Kosten senken, Effizienz steigern</h2>
Mit der neuen Plasmabeschichtungstechnik lassen sich ultrad&uuml;nne gleichm&auml;&szlig;ige Katalysatorschichten auftragen. Statt weniger Mikrometer bei anderen Produkten ist diese nur wenige Nanometer dick. Durch Verwenden einer tr&auml;gerfreien Katalysatorschicht mit einem hohen Oberfl&auml;che-zu-Volumen-Verh&auml;ltnis sind so nur f&uuml;nf Prozent der Iridiummenge n&ouml;tig, die bei herk&ouml;mmlichen MEAs eingesetzt wird.1)
Die neue MEA von Elementarhy besteht aus f&uuml;nf Lagen: zwei gasdurchl&auml;ssige Elektroden, zwei Katalysatorschichten und eine Membran. Das macht die MEA mechanisch stabil und tr&auml;gt somit zu einer l&auml;ngeren Lebensdauer bei &ndash; in Tests derzeit bereits &uuml;ber 6000 Stunden. Zudem steigert die Lagenstruktur die Effizienz der Umwandlung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff.
Mit einer End-of-Line-Testmethode &ndash; also am Ende des Herstellungsprozesses &ndash; pr&uuml;ft Elementarhy die Qualit&auml;t und Leistung jeder einzelnen MEA, bevor diese in den Elektrolyseur-Stack eingebaut wird. Fehler und Defekte lassen sich so fr&uuml;hzeitig erkennen und beheben &ndash; das senkt die Produktionskosten bei den Elektrolyseurherstellern und erh&ouml;ht die Produktqualit&auml;t.2)
Die kristalline Anordnung, Koordination und Aktivierungsenergien der Katalysatorschicht zwischen Membran und Elektrode wurden untersucht.3) Die Ergebnisse zeigen: Die Iridiumschicht hat ein hohes Oberfl&auml;che-zu-Volumen-Verh&auml;ltnis, und die einzelnen Atome haben im Vergleich zu herk&ouml;mmlichen MEAs einen gr&ouml;&szlig;eren Abstand voneinander, wodurch sich die elektronische Struktur &auml;ndert. Beides verbessert die katalytische Aktivit&auml;t gegen&uuml;ber derzeit verwendeten MEAs.
<h2 type="main">Wie geht es weiter?</h2>
Elementarhy plant, die Produktion der f&uuml;nflagigen MEAs auf ein industrielles Niveau zu bringen. So soll das wesentliche Bauteil der Wasserstoffproduktion kosteng&uuml;nstiger werden, und kritische Rohstoffe wie Iridium sollen zwanzigmal effizienter genutzt werden. In Partnerschaft mit Anlagenbauern und Kunden skaliert Elementarhy die derzeitige Kleinserien-MEA-Produktion. So kann diese stufenweise mit dem Wasserstoffmarkt wachsen, und individuelle Kundenanforderungen sind umsetzbar.
<h2 type="main">Die Autoren</h2>
Arne Birth (oben) und Gustav Sievers haben den Beitrag verfasst. Sie haben das Start-up Elementarhy im Jahr 2024 gegr&uuml;ndet. Birth ist Marketing- und Finanzdirektor und seit 15 Jahren im Energievertrieb t&auml;tig. Er arbeitete unter anderem bei den Konzernen BASF, Gazprom und Sefe. Der promovierte Elektrochemiker Sievers ist Gesch&auml;ftsf&uuml;hrer von Elementarhy, Forscher am Leibniz-Institut f&uuml;r Plasmaforschung und Technologie in Greifswald sowie Mitgr&uuml;nder des Unternehmens Etteliot.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/6fHSJJVTcSWy2jnCoJA3"><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/d6Pu0h81S3eqo7PZmW86">
<h2 type="main">Elementarhy: Kooperationen und Partnerschaften</h2>
Elementarhy hat die neue Technik zum Herstellen von Membran-Elektroden-Einheiten (MEAs) in Kooperationen mit f&uuml;hrenden Forschungsinstituten und industriellen Partnern entwickelt. Bereits seit dem Jahr 2013 wurde die Technik zum Herstellen von MEAs mit Volker Br&uuml;ser vom Leibniz-Institut f&uuml;r Plasmaforschung und Technologie sowie mit der Universit&auml;t Bern und mit Matthias Arenz von der Universit&auml;t Kopenhagen weiterentwickelt. In einem vom Bundesministerium f&uuml;r Bildung und Forschung (BMBF) gef&ouml;rderten Validierungsprojekt hat Elemtarhy das Deutsche Zentrum f&uuml;r Luft- und Raumfahrt (DLR) als Partner hinzugezogen, um die MEAs unter realen Bedingungen zu testen und zu validieren.4&ndash;6) Zudem wird das Unternehmen durch F&ouml;rderprogramme des Bundesministeriums f&uuml;r Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterst&uuml;tzt, um die Skalierung der neuen Produktionstechnik zu beschleunigen. Im Jahr 2024 erhielt Elementarhy den Leibniz-Gr&uuml;ndungspreis.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/B4NEVpdzQ2GMeMJRbRFv">Ein Elementarhy-Mitarbeiter testet die Membran-Elektroden-Einheiten (MEAs). Foto: Gustav Sievers / Elementarhy
<ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20244145713-bibl-0001">
<li xml:id="nadc20244145713-bib-0001">1 C. Minke, M. Suermann, B. Bensmann, R. Hanke-Rauschenbach, Int. J. Hydrogen Energy 2021, 46, 46, 23581&ndash;23590 doi: 10.1016/j.ijhydene.2021.04.174</li>
<li xml:id="nadc20244145713-bib-0002">2 T. Schmidtgen, Handelsblat 2024, 1, 26</li>
<li xml:id="nadc20244145713-bib-0003">3 G. W. Sievers et al., Nat. Mater. 2021, 20(2), 208, doi: 10.1038 s41563&ndash;020&ndash;0775&ndash;8</li>
<li xml:id="nadc20244145713-bib-0004">4 P. C. Jim&eacute;nez, G. K. H. Wiberg, G. W. Sievers, V. Br&uuml;ser, M. Arenz, J. Mater. Chem. A 2023, 11, 37, 20129 doi: 10.1039/d3ta04136k</li>
<li xml:id="nadc20244145713-bib-0005">5 P. Collantes Jim&eacute;nez, G. Sievers, A. Quade, V. Br&uuml;ser, R. K. Pittkowski, M. Arenz, J. Power Sources 2023, 569, 3 doi: 10.1016/j.jpowsour.2023.232990.</li>
<li xml:id="nadc20244145713-bib-0006">6 A. W. Jensen et al., J. Mater. Chem. A 2020, 8, 1066&ndash;1071, doi: 10.1039/c9ta12796h</li>
</ul>

Artikel

Mehr Wasserstoff mit weniger Iridium

Ob es gerechtfertigt ist, Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) in der EU als gesamte Stoffgruppe zu verbieten, diskutieren Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Das Beispiel der Oxime zeigt, welche Folgen es hat, wenn Einzelstoffe anstelle einer gesamten Stoffgruppe bewertet und in der Nutzung beschränkt werden.Als die europäische Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung (Reach) von Chemikalien in Kraft trat, befürchtete die Industrie, dass durch diese Regulierung über eine Million Arbeitsplätze verloren gehen. Umweltschützer:innen waren dagegen zuversichtlich, dass Reach alle Gefahren durch Chemikalien beseitigt.Beides erwies sich als falsch. Aber Kompromisse aus den Diskussionen zwischen Chemieindustrie und Umweltschutz prägen die Reach-Verordnung: Wie viele Daten zur Risikobewertung eines Stoffes zu erheben sind, orientiert sich an der Produktionsmenge einzelner Hersteller. Produziert oder importiert ein Betrieb mindestens 1000 Tonnen eines Stoffs pro Jahr, muss er eine vollständige Risikoanalyse liefern. Wenn aber zehn Betriebe jeweils 900 Tonnen pro Jahr herstellen, sind weniger toxikologische Tests durchzuführen.Zeigen die Daten für einen Stoff, dass er gefährlich für Mensch und Umwelt ist, ersetzen ihn Hersteller:innen in ihren Produkten häufig durch Stoffe mit ähnlichen Eigenschaften oder Homologe. Oft sind die Alternativen allerdings ähnlich human- und ökotoxisch. Da diese Substitute bisher in niedrigen Tonnagen hergestellt wurden, sind unter Umständen die entsprechenden Daten noch nicht vorhanden, und die Verarbeiter:innen sind potenziell Gefahren ausgesetzt.<h2 type="main">PFAS als Stoffgruppe regulieren</h2>Für einige PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) ist nachgewiesen, dass sie gesundheitsschädlich sind, etwa das Hodenkrebsrisiko erhöhen oder die Fruchtbarkeit vermindern. Das ist besonders in Kombination mit ihrer Langlebigkeit bedenklich. 357 von mehreren Tausend PFAS sind nach Reach als besonders besorgniserregend für die menschliche Gesundheit klassifiziert. Für die überwiegende Mehrzahl der PFAS gibt es allerdings keine oder nur sehr wenige Daten.Regulierungen gibt es bisher in der EU nur für wenige PFAS. In Frankreich wurde im April 2024 ein PFAS-Teilverbot beschlossen. Auch in manchen US-Bundesstaaten, etwa Kalifornien, New York und Washington, sowie in Kanada und Australien gibt es PFAS-Beschränkungen.Im Jahr 2023 haben Dänemark, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Deutschland einen Antrag bei der europäischen Chemikalienagentur (Echa) eingereicht, der die gesamte Substanzgruppe der PFAS regulieren soll.Bis Ende September 2023 gab es ein Konsultationsverfahren zu diesem PFAS-Regulierungsvorschlag mit tausenden Beiträgen. Der Umweltschutz spricht sich für weitgehende Beschränkungen der Ewigkeitschemikalien aus. Vertreter:innen aus der Wirtschaft sorgen sich darum, dass es derzeit für die meisten Anwendungen keine Alternativen für PFAS gibt.Frühestens im Jahr 2025 verabschiedet die EU-Kommission das PFAS-Verbot. Dann gibt es eine generelle Übergangsfrist von 18 Monaten, für einige Anwendungen auch Übergangsfristen von fünf oder zwölf Jahren. Danach müssen Hersteller PFAS in ihren Produkten ersetzen oder nachweisen, dass sie unbedenklich für Mensch und Umwelt sind.<h2 type="main">Einzelne Oxime verboten</h2>Warum es problematisch sein kann, wenn nur einzelne Substanzen aus einer Stoffgruppe nach Reach bewertet und reguliert werden, zeigt das Beispiel der Oxime. Butanonoxim (Methylethylketoxim, Meko) verhindert in Lacken und Parkettsiegeln, dass sich in den Gebinden eine Haut bildet, und entweicht beim <link href="#nadc20244145565-fig-0001">Lackieren. Ebenso setzen neutrale Dichtstoffe für Fugen zwischen Fliesen oder an Glasduschwänden Meko frei, wenn sie aushärten. Der Stoff ist bereits seit dem Jahr 1997 als krebserzeugend im Tierversuch eingestuft. Europaweit folgte die Einstufung von Meko als karzinogen jedoch erst im Jahr 2020.<figure xml:id="nadc20244145565-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/NNgxjC2xQJaPI3Zwlssu"><figcaption><label>Abb.1: </label>Zum Lackieren, etwa von Fensterrahmen, werden oft oximhaltige Lacke eingesetzt. Foto: Reinhold Rühl</figcaption></figure></figure>Im Jahr 2011 haben Hersteller einen Expositionsgrenzwert von 3,3 Milligramm pro Kubikmeter für Meko festgelegt und einen oximfreien Ersatzstoff vorgeschlagen.1) 2013 hat der Ausschuss für Gefahrstoffe einen Arbeitsplatzgrenzwert von 1,0 Milligramm pro Kubikmeter festgesetzt.Der Arbeitsschutz beobachtet den 1000-Tonnen-Stoff bereits seit dem Jahr 2010: Sowohl <link href="#nadc20244145565-fig-0002">wenn lackiert (Tabelle 1) als auch wenn <link href="#nadc20244145565-fig-0003">abgedichtet wird (Abbildung 2), liegen die gemessenen Meko-Konzentrationen deutlich über den Grenzwerten – und zwar über Stunden oder Tage hinweg.2,3)<figure xml:id="nadc20244145565-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/bD1vvLRwSzG90LVYxwuR"><figcaption><label>Abb.2: </label>Statistik der Methylethylketoxim(Meko)-Expositionen (mg·m–3) bei Anstricharbeiten mit 18 Lacken, die mehr als 0,1 Prozent Meko enthalten; als Exposition gilt das 95-Perzentil (95 Prozent der Werte liegen darüber, 5 Prozent darunter).2)</figcaption></figure></figure><figure xml:id="nadc20244145565-fig-0003"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/POYNIKxoTs2dlo9F2lCy"><figcaption><label>Abb.3: </label>Während und nach Arbeiten mit einem Dichtstoff (rechts) liegen die Expositionswerte von Methylethylketoxim (Meko, unten) über dem Arbeitsplatzgrenzwert von 1 Milligramm pro Kubikmeter (blaue Linie unten). 3) Während des Abdichtens (violett unten) wurde die Meko-Exposition im Atembereich der arbeitenden Person (Person) und an einer gleichbleibenden Stelle im Raum (stationär) gemessen. Foto: Reinhold Rühl; Daten aus Literatur 3)</figcaption></figure></figure>Inzwischen sind viele Bautenlacke zwar Meko-, jedoch nicht oximfrei. Oxime, die Meko in ihrer Struktur und Funktion ähneln, sind aber wahrscheinlich auch ähnlich gefährlich, nur liegen die toxikologischen Daten noch nicht vor. Für Pentanonoxim und Acetonoxim hat die Echa beispielsweise im Jahr 2023 vorgeschlagen, sie als karzinogen zu bewerten. Für weitere <link href="#nadc20244145565-fig-0004">Oxime liegen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) zufolge Daten vor, die rechtfertigen, die Substanzen als toxisch einzustufen (Abbildung 3).4) Um Produzent:innen und Anwender:innen vor Schäden zu schützen, empfiehlt die Baua, all diese Oxime nach Reach als Gruppe zu regulieren – ähnlich wie die EU es für PFAS plant.<figure xml:id="nadc20244145565-fig-0004"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/3kHJF8RwOUHKfFN2B8AC"><figcaption><label>Abb.4: </label>Von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) im Jahr 2021 beurteilte Oxime.4)</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Kommentar</h2>Seit dem Jahr 2011 ist bekannt, dass sich Personen hohen Konzentrationen an Meko aussetzen, wenn sie mit Lacken oder Dichtstoffen arbeiten; seit 2013, dass Meko karzinogen ist. Seitdem hätten Hersteller oximfreie Alternativen verwenden sollen – wie schon im Jahr 2011 vom Lackverband empfohlen.1)Weil nicht die ganze Stoffgruppe der Oxime durch Reach reguliert wurde, werden außer in Parkettsiegeln weiterhin Oxime eingesetzt, deren Wirkungen auf den Menschen kaum untersucht sind. Ähnliches muss bei den PFAS vermieden werden.Es ist daher gerechtfertigt, PFAS als gesamte Stoffgruppe zu regulieren. Denn von den mehr als 10 000 PFAS sind weniger als zehn vollständig toxikologisch bewertet.5) Es ist unklar, ob Hersteller:innen und Anwender:innen die Arbeitsschutzvorschriften einhalten, wenn sie mit PFAS arbeiten. Doch das sollten sie – denn bei Stoffen, deren Eigenschaften unbekannt sind, ist § 6 Abs. 14 der Gefahrstoffverordnung zufolge präventiv anzunehmen, dass sie gefährlich sind.PFAS verunreinigen Böden und Gewässer – mit finanziellen Folgen. Einer nordischen Studie zufolge kostet es 17 Milliarden Euro, die kontaminierten Orte in Europa zu sanieren.6) Die jährlichen Kosten, die PFAS in Europa und den USA für das Gesundheitssystem verursachen, werden auf 40 bis 80 Milliarden Euro geschätzt.7)Wirtschaft und Industrie argumentieren, PFAS seien für viele Anwendungen unverzichtbar. Jörg Mayer, Geschäftsführer des Deutschen Industrieverbands für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik Spectaris, sagte im Jahr 2023: „Die breite Regulierung ganzer Stoffgruppen – unabhängig von deren nachgewiesenem Risiko – würde Europa, seinen Bürgern und seiner Industrie irreparable Schäden zufügen.“8) Im Mai 2024 schrieb Thomas Schöttle in den Nachrichten aus der Chemie zum PFAS-Verbot: „Eine Folge wäre zum Beispiel, dass wir alle in Zukunft auf unsere Smartphones und Laptops verzichten müssten.“9)Ähnliche Argumente werden auch im Arbeitsschutz immer wieder vorgebracht, etwa bei der Diskussion um Asbest oder dichlormethanhaltige Abbeizer.Diese vor allem wirtschaftlichen Argumente zeigen kein großes Vertrauen in die Fähigkeiten von Chemiker:innen, für PFAS Alternativen zu finden. Zudem muss hinterfragt werden, wer die Kosten trägt, die durch PFAS-Kontaminationen entstehen – Hersteller:innen oder Gesellschaft. Die EU-Kommunalabwasserrichtlinie geht hier einen neuen Weg und gibt vor, dass Hersteller:innen bestimmter Arzneimittel und Körperpflegeprodukte mindestens 80 Prozent der vollen Investitions- und Betriebskosten von entsprechenden Reinigungsstufen in Kläranlagen übernehmen müssen, die nötig sind, um die Grenzwerte zu erreichen.In der GDCh-Stellungnahme zur geplanten PFAS-Regulierung wird gefordert: „Regulatorische Anforderungen dürfen nicht isoliert von wissenschaftlicher Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu PFAS und PFAS-Substituten für relevante Arbeitsfelder formuliert werden.“10) Damit wird behauptet, der Vorschlag zur Regulierung der PFAS sei ohne wissenschaftliche Grundlage erarbeitet worden. Es sollte selbstverständlich sein, dass in einer GDCh-Stellungnahme nicht einem Teil der GDCh-Mitglieder Unwissenheit oder mangelnde Sorgfalt unterstellt wird.Es gibt viele Beispiele, bei denen gefährliche Stoffe ersetzt wurden – auch wenn das zunächst unmöglich schien. Im Jahr 2012 wurden etwa universelle dichlormethanhaltige Abbeizmittel europaweit verboten. Seitdem gibt es eben nicht mehr den Universalabbeizer, sondern verschiedene Abbeizer für verschiedene Oberflächen und Beschichtungen.Wenn die EU-Kommission die Regulierung von PFAS beschließt, wird es Übergangszeiten von bis zu zwölf Jahren geben für Anwendungen, bei denen PFAS noch nicht durch andere weniger persistente Stoffe ersetzbar sind. Das ist genug Zeit, um Substitute zu testen oder nachzuweisen, dass bestimmte PFAS ungefährlich und abbaubar sind. Wer daran nicht glaubt, hat zu wenige Ressourcen in den Entwicklungsabteilungen oder während seines Chemiestudiums nicht richtig aufgepasst.<h2 type="main">AUF EINEN BLICK</h2>Um das Risiko eines Stoffes zu bewerten, fordert die Reach-Verordnung mehr toxikologische Daten, je höher die jährliche Produktionsmenge in einem Betrieb ist.Alternativen für nach Reach regulierte Stoffe mit ähnlicher Struktur werden meist in kleineren Mengen hergestellt.Dadurch bleiben gesundheitsschädliche Chemikalien im Einsatz, so auch langlebige per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS).Die geplante Regulierung der PFAS als Gruppe ist daher sinnvoll und sollte auch für andere Stoffe kommen, etwa Oxime.Clemens Magerkurth (oben) und Reinhold Rühl haben jahrelange Erfahrung im Arbeitsschutz. Rühl war Leiter des Bereichs Gefahrstoffe der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft und lange Vorsitzender der GDCh-Fachgruppe Chemiker im öffentlichen Dienst. Magerkurth ist Chemiker für Arbeitsschutz und Chemikaliensicherheit im Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr sowie Beisitzer im Vorstand der GDCh-Fachgruppe Chemiker im öffentlichen Dienst. Den Beitrag verfasst haben sie in enger Abstimmung mit der GDCh-Fachgruppe Chemiker im öffentlichen Dienst.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/yEpH0niSSXqrk9Gp4wBh"><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/77dF1aocQJ6PbqWwaNPL">Fotos: privat<ul class="references" cited="no" style="numbered" xml:id="nadc20244145565-bibl-0001"><li xml:id="nadc20244145565-bib-0001">1 Handlungshilfe zur Minimierung der Lösemittelbelastung bei der Lackherstellung des Verbands der Lackindustrie, 2011: <a href="https://t1p.de/6f9cb" target="_blank">t1p.de/6f9cb</a></li><li xml:id="nadc20244145565-bib-0002">2 R. Dörr, R. Rühl, A. Jänecke, Fliesen und Platten 2016, 10, 30–33</li><li xml:id="nadc20244145565-bib-0003">3 R. Dörr, T. Reinecke, K. Kersting, R. Rühl, Gefahrstoffe Reinhaltung der Luft 2017, 77, 3, 63–68</li><li xml:id="nadc20244145565-bib-0004">4 BAuA: Risk Management Option Analysis Conclusion Document; Group Name: MEKO, its oxime alternatives and the respective oxime-releasing silanes in paints, coatings and sealants. 15.7.2021</li><li xml:id="nadc20244145565-bib-0005">5 H. E. Brunn, G. Arnold, W. Korner, G. Rippen, K. G. Steinhauser, I. Valentin, Environmental Sciences Europe 2023, 35, 1, 20</li><li xml:id="nadc20244145565-bib-0006">6 Analyse des Nordic Council of Ministers, 2019: <a href="https://t1p.de/7wc6l" target="_blank">t1p.de/7wc6l</a></li><li xml:id="nadc20244145565-bib-0007">7 H. E. Brunn, GIT Labor-Fachzeitschrift 2023, 5–6, 6–8</li><li xml:id="nadc20244145565-bib-0008">8 Spectaris-Pressemeldung vom 22.5.2023: <a href="https://t1p.de/53dui" target="_blank">t1p.de/53dui</a></li><li xml:id="nadc20244145565-bib-0009">9 T. Schöttle, Nachr. Chem. 2024, 5, 78</li><li xml:id="nadc20244145565-bib-0010">10 GDCh-Stellungnahme zur PFAS-Regulierung, Kurzlink: <a href="https://t1p.de/47ktb" target="_blank">t1p.de/47ktb</a></li></ul>

Einzelstoffe oder Gruppen regulieren

Als ich die etwa 10 000 Bände der wissenschaftlichen Privatbibliothek meines Vaters durchsehe, fällt mir ein kleiner Tagungsband der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft aus dem Jahr 1950 in die Hände: Vom Geist der Deutschen Wissenschaft. Im Schlusswort der Tagung sprach Heisenberg von drei traditionell starken Verbindungen: der Verbindung von Forschung und Wirtschaft, der von Forschung und Lehre sowie der der Wissenschaften untereinander. Als besonders bedeutend hob er hervor, dass in Optik und Chemie Forschung und Wirtschaft stark verknüpft sind.Die wichtigste Verbindung zwischen Forschung und Chemiewirtschaft sind heute die vielen Promovierten, die in der chemischen Industrie arbeiten. Eine kleine Gruppe dieser Promovierten unterstützt aus der Wirtschaft heraus die Hochschullehre. Für uns Lehrbeauftragte und Honorarprofessoren hat das Semester gerade wieder begonnen.Manchmal, in guten Zeiten, wird Lehrtätigkeit in den Unternehmen als Teil der Corporate Social Responsibility (CSR) – deren gesellschaftlicher Verantwortung – gesehen und ist Teil des Jobs. Meist ist die Lehre aber eine Nebentätigkeit. Nach Zugriff des Fiskus bleibt von der Vergütung pro Stunde etwa so viel übrig wie bei meinem studierenden Sohn an der Tankstelle. Was ist also die Motivation? Ist es der Titel, der Wunsch, ein „Erbe für die eigenen Fragen“ zu finden, wie Bundespräsident Heuss es im Büchlein aus dem Jahr 1950 formulierte? Oder ist es einfach die Erkenntnis, dass die jungen Menschen im Beruf schneller erfolgreich sind, wenn sie bestimmte Dinge schon einmal gehört haben – besonders an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, da hier bei den Studierenden häufig auf den Abschluss direkt der Berufseinstieg folgt.Können wir aus der Wirtschaft Wissen überhaupt gut vermitteln? Es handelt sich in den meisten Fällen um Lehre in knapp bemessener Freizeit. Die vielfältigen Angebote der Hochschulen, Lehre zu lernen, können wir aus Zeitmangel oft nicht nutzen. Es müsste Angebote speziell für Lehrende aus der Wirtschaft geben. Ob die Zielgruppe wohl groß genug ist, um es auf die Tagesordnung der Fortbildungskommission der GDCh zu schaffen?Menschen mit Lehraufträgen – ob haupt- oder nebenamtlich – beeinflussen junge Menschen. Sollten Honorarkräfte aufgrund ihrer Erfahrung nicht auch beim Curriculum an den Hochschulen mitreden, an denen sie lehren? Gibt es irgendwo regelmäßig einen strukturierten Austausch zwischen hauptberuflichen und Honorarlehrkräften an den Hochschulen? Über Antworten würde ich mich freuen!Rolf Albach leitet F+E-Projekte für Kreislaufwirtschaft, Automobilinnenraum und Flammschutz. Zudem lehrt er mit einem Master of Business Administration an der Fachhochschule Aachen. Der Vorsitzende der GDCh-Vereinigung Chemie und Wirtschaft führt uns mit dieser Kolumne im Wechsel mit Hannes Utikal und Stephan von Delft durch die Welt der Wirtschaftschemie.

Der Wirtschaftschemiker

Wirtschaftschemie als Wissenschaft

Chemiearbeitgeber und Gewerkschaft wollen Cannabis am Arbeitsplatz nicht tolerieren. Die neue Rechtslage sei vor allem für die Arbeitssicherheit problematisch. Bei Arbeit und Bildung gelte nun „null Alkohol und null Cannabis und null Rausch“. Dies solle Beschäftigte, Verbraucher:innen und Umwelt vor den Risiken drogenbedingten Fehlverhaltens schützen. Seit April dürfen Erwachsene Cannabis für den Eigenkonsum besitzen und anbauen. Bild: <a href="https://Tsareva.pro" target="_blank">Tsareva.pro</a> / Adobe Stock<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/9L2oLJ5mRuGUwl5t5Ns0">

Kein Cannabis am Arbeitsplatz

Die Unternehmen der deutschen chemisch-pharmazeutischen Industrie beurteilen die Wirtschaftslage pessimistisch. Der Inlandsumsatz lag dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) zufolge von Januar bis August insgesamt um 4,3 % unter dem Vorjahresniveau; das Chemiegeschäft sank im gleichen Zeitraum um 5,7 %. Der Auslandsumsatz ging verglichen mit dem Vorjahr um 1 % zurück. Die Grafik zeigt den Inlands- und Auslandsumsatz von Januar bis August nach Regionen verglichen mit dem Vorjahr.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/RW7ARMccQpuZZniZCVHb">

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