Eine Schwangerschaft bedeutet für Chemikerinnen oft ein Arbeitsverbot im Labor. Einige Forschungseinrichtungen wollen nun auch werdenden Müttern ermöglichen, experimentell zu forschen.
Ein Kind zu bekommen bedeutet für F...
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
In Malerei, Literatur, Musik und den Naturwissenschaften wird nach Werken und der Beteiligung von Frauen gesucht; Ausstellungen werden kuratiert, Hörfunksendungen gestaltet. Dokumentarfilme wie im Jahr 2024 „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!“ beleuchten, wie sich Chancengleichheit entwickelt hat. Wie sieht das in der Chemie aus?
Heute ist es üblich, auf Diversität zu achten. So schaut die GDCh seit längerem darauf, wie sich Jahr um Jahr der Frauenanteil bei den Vorschlägen für Auszeichnungen entwickelt; regelmäßig werden Fachgruppen und Arbeitskreise erinnert, (mehr) Frauen für Auszeichnungen vorzuschlagen.
Für uns lag es deshalb nahe, im GDCh-Jahr für Chancengleichheit nachzuspüren und herauszufinden, wie sich die Vergabe von Preisen an Chemikerinnen seit der Gründung der Chemieorganisationen in Deutschland entwickelt hat. Und: Wer waren die ersten Ausgezeichneten, und wie bekannt sind sie heute noch?
Unsere Recherche startet im Jahr 1903, als die GDCh-Vorgängergesellschaften zum ersten Mal Preise vergaben: Die Deutsche Chemische Gesellschaft verlieh die August-Wilhelm-von-Hofmann-Denkmünze und der Verein Deutscher Chemiker die Liebig-Denkmünze. Da viele Mitglieder der Chemischen Gesellschaft der DDR (CG) nach dem Jahr 1990 in die GDCh eintraten, lag es auf der Hand, alle CG-Auszeichnungen zu sichten, genauso wie die Auszeichnungen der bei der GDCh angesiedelten Stiftungen. Preise, die erst im Jahr 2020 und später etabliert wurden, haben wir nicht berücksichtigt.
Insgesamt haben wir 41 Auszeichnungen der Jahre 1903 bis 2024 analysiert.1) Einige von ihnen werden heute nicht mehr vergeben, oder die vergebende Gesellschaft existiert nicht mehr.
Seit den 1950er Jahren – nach Gründung der Gesellschaft Deutscher Chemiker und der Chemischen Gesellschaft der DDR – sind deutlich mehr Auszeichnungen vergeben worden als zuvor (Abbildung S. 17, oben).
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Preisträgerinnen sind über den Gesamtzeitraum extrem unterrepräsentiert, nämlich insgesamt 96 Chemikerinnen in 121 Jahren. Das sind rund neun Prozent bezogen auf alle Ausgezeichneten (1071). Doch wie die Abbildung S. 17 unten zeigt, hat die Gesamtzahl der Preisträgerinnen besonders in den letzten 25 Jahren zugenommen.
Die erste Preisträgerin war Ida Noddack (geb. Tacke, 1896 – 1978), damals in Berlin tätig. Sie erhielt 1931, also fast 20 Jahre nach der ersten Preisverleihung, die vom Verein Deutscher Chemiker ausgelobte Liebig-Denkmünze. Sie hatte gemeinsam mit ihrem Mann Walter Noddack (1893 – 1960) und mit Otto Berg (1874 – 1939) die Existenz des Elements 75 nachgewiesen [Nachr. Chem. 2024, 72(7–8), 12]. Später äußerte sie die Vermutung, dass schwere Kerne beim Beschuss mit Neutronen in Bruchstücke zerfallen könnten. Dies fand nicht genügend Beachtung in der wissenschaftlichen Welt. Mehrfach wurde sie für den Chemienobelpreis vorgeschlagen, erhielt ihn allerdings nie. Doch ihr bleibt das Privileg, die erste Frau gewesen zu sein, die von einer deutschen chemischen Berufsvereinigung gewürdigt wurde.
Erst sieben Jahre später, 1938, wurde wieder einer Chemikerin eine Auszeichnung zuteil, erneut vom Verein Deutscher Chemiker: Elisabeth Dane (1903 – 1984, Kasten S. 18) von der Ludwig-Maximilians-Universität München bekam den Carl-Duisberg-Gedächtnispreis. Über sie gibt es einen dürftigen Wikipedia-Eintrag; vielleicht erinnern sich manche an das Lehrbuch Kleines chemisches Praktikum, das sie gemeinsam mit Franz Wille (1909 – 1986) für medizinische Studiengänge und weitere mit Chemie im Nebenfach verfasst hat und das Hartmut Laatsch, Göttingen, aktualisiert hat. Doch auf der GDCh-Seite mit Chemikerinnen-Biographien fehlt sie.
Im Jahr 1955 erhielt Lise Meitner (1878 – 1968) mit Heinrich Wieland (1877 – 1957) in Anerkennung der „einmalige[n] Verdienste um die Entwicklung der Chemie oder Physik in der reinen oder angewandten Forschung“ den Otto-Hahn-Preis von der Stadt Frankfurt am Main, der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und der Gesellschaft Deutscher Chemiker. Ihr wurden viele andere Ehrungen zuteil, doch kein Nobelpreis – weder für Chemie noch für Physik.
Die vierte ausgezeichnete Frau ist die Anorganikerin Margot Becke-Goehring in Heidelberg (1914 – 2009). Sie bekam im Jahr 1961 den Alfred-Stock-Gedächtnis-Preis (heute Marianne-Baudler-Preis). Fünf Jahre später war sie die erste Rektorin einer bundesdeutschen Hochschule und ab 1969 Max-Planck-Institut-Direktorin des Gmelin-Instituts für Anorganische Chemie und Grenzgebiete in Frankfurt.
100 Jahre nach Gründung der Deutschen Chemischen Gesellschaft und gute 70 Jahre nach Bildung des Vereins Deutscher Chemiker waren also erst vier Frauen geehrt worden.
Als fünfte Frau wurde Barbara Sandner (*1937) vom Institut für Polymerenchemie der Akademie der Wissenschaften Teltow-Seehof gewürdigt, und zwar mit dem Friedrich-Wöhler-Preis der Chemischen Gesellschaft der DDR. Sie brachte ihre wissenschaftliche Laufbahn in der Polymerchemie und ihre Familie unter einen Hut. Das war nicht immer einfach, denn in den 1950er und 1960er Jahren gab es in der DDR zu wenig Wohnraum und Krippenplätze. Wie sie ihren Weg gemeistert hat, dokumentiert der Kasten links.
Warum gibt es nur so wenige geehrte Chemikerinnen? Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt schlichtweg: Frauen hatten seltener als Männer die Möglichkeit, eine berufliche respektive wissenschaftliche Karriere zu starten. Das änderte sich erst spät, nämlich in der zweiten Hälfte jenes Jahrhunderts (Abbildung S. 17 unten). Die Preise der Chemischen Gesellschaft der DDR einzubeziehen ändert das Bild nicht signifikant. In der DDR war zwar die Zahl weiblicher und männlicher Chemiestudierender recht ausgewogen, auch in der Promotionsphase gab es noch keine Dominanz der Männer. Diese trat erst in der Phase der Promotion B auf, was der Habilitation entsprach.
Um dieses Ungleichgewicht zu überwinden, wurden Frauenförderpläne erstellt. Allerdings befreiten diese die Frauen meist nicht von ihrer Doppelrolle als Wissenschaftlerin und Mutter. So gab es nur wenige Chemikerinnen, die es auch zur Professur schafften und sich in der chemischen Gesellschaft einen Namen machten. In der Bundesrepublik hatte die Berufstätigkeit der Frau ohnehin eine geringere Bedeutung; Mütter, die arbeiteten, wurden oft als Rabenmütter bezeichnet, wie es einer von uns tatsächlich noch in den 1990er Jahren passierte.
Bis heute gibt es Preise, mit denen noch nie eine Frau bedacht wurde. Das gilt zum Beispiel für die lange etablierte August-Wilhelm-von-Hofmann-Denkmünze, aber auch für den im Jahr 1999 eingeführten Horst-Pracejus-Preis. Auch den Heinz-Schmidkunz-Preis hat bis einschließlich 2024 keine Frau in Empfang nehmen dürfen.
Bei den Nachwuchspreisen liegt der prozentuale Frauenanteil höher, etwa beim im Jahr 1993 erstmals verliehenen Bettina-Haupt-Förderpreis für Geschichte der Chemie oder dem seit 2007 vergebenen Wilhelm-Ostwald-Nachwuchs-Preis (Frauenanteil 41 % beziehungsweise 33 %). Somit erwarten wir, dass die Geschlechterverhältnisse sich in einigen Jahren auch bei den Preisverleihungen angleichen und Karrieren befördern. Ein Beispiel ist Katharina Landfester: Sie erhielt 2001 ein Hermann-Schnell-Stipendium, das der Förderung junger Wissenschaftler:innen in der makromolekularen Chemie dient; im Jahr 2024 wurde sie als dritte Chemikerin mit der Liebig-Denkmünze geehrt.
Einen recht hohen Anteil an geehrten Frauen hat der Ars-Legendi-Preis (31 % in der Chemie). Er wird für gute Lehre vergeben – etwas, das auch Elisabeth Dane wichtig war.
Nun feiern wir in diesem Jahr „25 Jahre Engagement für Chancengleichheit in der GDCh“. Wie die Abbildung unten und der Einschub auf S. 17 zeigen, sind seit dem Jahr 2000 deutlich mehr Chemikerinnen geehrt worden. Wie wir anfangs festgestellt hatten, gibt es bis heute nur rund 9 Prozent Preisträgerinnen, obwohl die GDCh rund 30 Prozent weibliche Mitglieder hat. Doch werden die Jahre 2020 bis 2024 statistisch getrennt ausgewertet, ergibt sich ein anderes Bild: In diesem Zeitraum beträgt der Frauenanteil bei den Auszeichnungen 29,5 Prozent.
Das Kapitel Chancengleichheit ist deswegen keinesfalls abgeschlossen: Es bleibt in der Chemie noch viel zu tun, um Frauen den Mut zu geben, aktiv zu sein, ihre Netzwerke zu bedienen, sich Karrieren zuzutrauen und nicht mit ihren Leistungen hinter dem Berg zu halten.
Diesen Text haben Gisela Boeck (oben) und Eva E. Wille verfasst. Boeck leitet die GDCh-Fachgruppe Geschichte der Chemie. Sie lernte die hier präsentierte Barbara Sandner flüchtig im Jahr 2022 kennen. Wille ist Vorsitzende der GDCh-Fachgruppe Seniorexperten Chemie. Sie hat die hier präsentierte Elisabeth Dane als Kind kennengelernt, da diese als Kollegin ihres Vaters im Hause Wille ein und aus ging.
Elisabeth Dane, geboren 1903 in Mayen, legte eine außergewöhnliche Karriere an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München hin: Promotion trotz verschiedener Studienorte im Alter von 26 Jahren, Habilitation und Venia Legendi mit 31, eigene Arbeitsgruppe, Publikationen in Angewandte Chemie, Vorlesungen und Mitarbeit in der Redaktion von Liebigs Annalen der Chemie. Heinrich Wieland (1877 – 1957), ihr Förderer seit dem 2. Verbandsexamen 1927, schrieb, als die Habilitation 1933 anstand: „Frl. Dane … gehört zu den begabtesten unter den Schülern, die ich bisher ausgebildet habe. Sie ist von einer Selbstständigkeit und Treffsicherheit des wissenschaftlichen Denkens, wie ich sie bei Frauen bisher nicht vorgefunden habe, … Ich bin an sich der Auffassung, dass Frauen nur in Sonderfällen zur akademischen Tätigkeit herangezogen werden sollten, aber ein derartiger Sonderfall liegt hier vor.”
Es folgten 35 Jahre als Privatdozentin, Professorin für Organische Chemie (1939 – 1968) an der der LMU, 30 Jahre lang verantwortete sie die Ausbildung der Mediziner in der Chemie. Sie war die erste Professorin für Chemie in München und eine der ersten der LMU. Elisabeth Dane hatte eine eigene Arbeitsgruppe, war die erste Bestseller-Autorin des GDCh-Verlags-Chemie, 1998 wurde in München eine Straße nach ihr benannt. Und doch kennt heute in der Chemie ihren Namen kaum jemand mehr.
Wie passiert so etwas? Ein Grund ist sicher, dass alle Autor:innen der bisher verfassten Chemikerinnen-Biographien (t1p.de/p9v0z) nicht an der LMU München studiert hatten, es gab schlicht keine persönlichen Bezüge.
Recherchiert man die Lebensläufe und Karrieren der Pionierinnen, kann man Muster erkennen. Für die erste Phase ist ein generisches, überdurchschnittliches Interesse für Naturwissenschaften wichtig und die Offenheit eines gebildeten Elternhauses. Dann kommen männliche (!) Mentoren und der Aufbau von internen und externen Netzwerken ins Spiel. In der zweiten Karriere-Phase ist es wichtig, in der Forschung weiter „mitzugehen“, neue Methoden und Theorien zusammen mit einer engagierten Arbeitsgruppe aufzugreifen. Als Einzelkämpferin mit vielen Aufgaben außerhalb der Forschung fällt man zurück. Für Elisabeth Dane läuft es zunächst sehr gut: Heinrich Wieland, Nobelpreis 1927, erkennt ihre Fähigkeiten, sie veröffentlicht zusammen mit ihm und alleine hervorragende Arbeiten zur Synthese und Strukturaufklärung komplexer Naturstoffe; er bezieht sie als Privatassistentin in viele Projekte ein, fördert die selbstständige Forschung und vertraut ihr die für das Institut sehr wichtige Ausbildung der Mediziner in der Chemie an.
Doch dann kam die bereits zweite Kriegszeit für Elisabeth Danes Mentor Heinrich Wieland. 1942 feiert man seinen 65. Geburtstag, Elisabeth Dane ist 39 Jahre alt, Junggesellin und die einzige Frau unter seiner großen Schülerschar. Über diese Zeit und insbesondere über Elisabeth Dane schreibt ihr sechs Jahre jüngerer Kollege Franz Wille (1909 – 1986), als er an seinem 70. Geburtstag zurückblickte:
…. Frl. Dane herrschte im Parterre. Sie war das Hörrohr des Chefs. Schwierige Institutsangelegenheiten waren stets, bevor sie dem Chef vorgetragen wurden, mit ihr zu besprechen. Wir Dozenten pflegten uns damals kaum zu besuchen. Aber einmal kam Frl. Dane doch, das werde ich nie vergessen. Es war morgens um 1/2 8; sie klingelte und kam sofort hereingestürmt „Wille, Sie brauchen gar nicht aufzustehen und ins Institut zu gehen. Das ist kaputt.“ Das war im Dezember 1944.
Das Institut war völlig zerstört, die Laboratorien wurden ausgelagert, die Forschung und Ausbildung notdürftig aufrechterhalten – alle fahren lange Stecken mit dem Fahrrad und mit den wenigen Zügen, um miteinander zu kommunizieren. Während alle männlichen Dozenten nach Kriegsende entlassen wurden, erhielt Elisabeth Dane, die kein NSDAP-Mitglied war, am 18. Dezember 1945 die Erlaubnis der Militärregierung „die Forschungsarbeiten auf dem Gebiet Vitamin A fortzusetzen“. Doch dafür blieb ihr kaum Zeit. Ihr gesundheitlich angeschlagener Mentor und Institutschef beauftragt Elisabeth Dane und seinen außerordentlich begabten, 17 Jahre jüngeren „Nachwuchsschüler“ Rolf Huisgen (1920 – 2020), die Schlüsselaufgaben des Instituts, das Medizinerpraktikum und den Wiederaufbau der organischen Chemie zu organisieren. Elisabeth Dane war in den Nachkriegsjahren die einzige Konstante für Heinrich Wieland, 1948 wurden die früheren Kollegen wieder eingestellt, und Rolf Huisgen wurde 1949 nach Tübingen berufen. Auch Elisabeth Dane bekam 1948/1949 einen Ruf – nach Rostock; doch sie lehnte ohne (!) fordernde Bleibeverhandlungen ab, da sie „ihre Mediziner und ihren Mentor und Kollegen Heinrich Wieland“ beim Wiederaufbau nicht allein lassen wollte. Es fand sich, auch wegen des komplett zerstörten Institutes, nicht schnell ein Nachfolger für Wieland. Mehrere seiner Schüler sagten ab, Elisabeth Dane traute man diese Funktion offensichtlich nicht zu, und so wurde 1952 schließlich Rolf Huisgen berufen. Elisabeth Dane war gerade 50 geworden.
Für die Forschung und um den Anschluss an die neue von der Theorie geprägte internationale Organische Chemie zu finden, blieb Elisabeth Dane zu wenig Zeit. Sie erforschte erfolgreich die noch junge Peptidchemie in der Pharmazeutischen Chemie, war vielleicht ihrer Zeit etwas voraus. Die Medizinerausbildung von 450 nicht besonders chemieaffinen Studenten mit 15 häufig wechselnden Assistenten samt dem damals üblichen mündlichen Examen zu organisieren war eine Herkulesarbeit. Elisabeth Dane wurde dafür BRD-weit bekannt, nicht zuletzt dank des 1960 erschienenen bis heute lieferbaren Buchs „Kleines chemisches Praktikum“, das sie mit Franz Wille verfasst hatte und regelmäßig aktualisierte; über 400 einfach zu reproduzierende Versuche verbunden mit kurzen Theorie-Texten machten das Werk und damit ihren Namen bekannt.
In den 1960er Jahren publizierte Elisabeth Dane wieder in der Angewandten und besuchte internationale Peptid-Kongresse in Oxford und Athen, die allerdings inzwischen primär aus biochemischen Instituten heraus bespielt wurden; Elisabeth Dane war aber im organischen Institut wegen der dort angesiedelten Medizinerausbildung geblieben. Das förderte nicht Elisabeth Danes wissenschaftliche Vernetzung. 1965 erzwang ein Herzinfarkt eine längere Auszeit und zügelte ihren Forschungselan, nicht jedoch ihre Zigarettenleidenschaft. Sie hätte gerne über das Pensionsalter hinaus am Institut weitergemacht, ihr Antrag wurde abgelehnt. So zog sie sich zurück in ihr selbst erbautes und gestaltetes Haus nach Gauting, weit außerhalb des Münchner Zentrums. Feiern zu runden Geburtstagen lehnte sie ab, beerdigt wurde sie auf eigenen Wunsch in aller Stille im März 1984 nach langer Krankheit und gepflegt von ihrer Schwester.
Wolfgang Beck schreibt in seinem 2023 erschienen Werk zur Geschichte der Chemischen Fakultät der LMU über Elisabeth Danes gleichaltrigen Kollegen: „Friedrich Klages (ebenfalls Wieland-Schüler) gehörte einer Generation an, die bei den Berufungen auf Lehrstühle infolge Kriegs- und Nachkriegswirren übersprungen wurden. Dies trifft auch für Elisabeth Dane, Hans Behringer, Rudolf Hüttl und Franz Wille zu.“
Vielleicht wäre eine Quote für ihre Karriere hilfreich gewesen. Ihr Weg zeigt, wie wichtig es ist, „dass die Chemie stimmt“ – und zwar immer wieder.
Barbara Sandner (geb. Meinke, *1937) stammt aus Stralsund. Dort besuchte sie bis zur 8. Klasse im Jahr 1952 die Grundschule und bis zum Abitur 1956 die Oberschule. Ab der 7. Klasse weckte die Chemielehrerin Barbaras Interesse an diesem Fach. Die Eltern mit kaufmännischen Berufen unterstützten das und kauften ihr ein Chemielehrbuch, das zur Ausbildung von Laboranten und Chemiefacharbeitern in Berufsschulen diente – Lehrbücher für Grund- und Oberschulen gab es in der Nachkriegszeit nicht.
Auf der Oberschule bot der Chemielehrer nachmittags eine Arbeitsgemeinschaft mit Versuchsmöglichkeiten an, an der sich Barbara beteiligte. Es verwundert daher nicht, dass sie sich – als einzige ihres Jahrgangs – für ein Chemiestudium bewarb, und zwar an der Humboldt-Universität Berlin. Sie wurde abgelehnt, weil ihre politische Einstellung mit 3er-Noten in Geschichte und Gegenwartskunde im Gegensatz zu den Einsen und Zweien in allen anderen Fächern Zweifel hervorrief.
Die zweite Bewerbung richtete sie an die am 1. September 1954 gegründete Technische Hochschule für Chemie Leuna-Merseburg. Zum Aufnahmegespräch kamen Vertreter der Hochschule nach Rostock, es verlief erfolgreich. Barbara begann ihr Studium in Merseburg im Oktober 1956.
Nach bestandenem Vordiplom und Abschluss des Grundstudiums richtete sich ihr Hauptinteresse auf die Polymerchemie. Dazu hörte sie eine Grundvorlesung und die Vorlesung „Chemiefaserstoffe“, letztgenannte gehalten von Hermann Klare (1909 – 2003). Er war stellvertretender Direktor des Instituts für Faserstoff-Forschung der Akademie der Wissenschaften in Teltow-Seehof. Betreut von Joachim Ulbricht (1924 – 2017) fertigte Barbara dort 1960/61 ihre Diplomarbeit an, nachdem sie nur Positives von anderen Studierenden gehört hatte.
Nach Annahme der Arbeit und bestandener Diplomprüfung erhielt sie im Institut in Teltow-Seehof eine Doktorandenstelle als wissenschaftliche Assistentin. In Ulbrichts Arbeitsgruppe fertigte sie ihre Dissertation „Der Einfluss von Verunreinigungen auf die Lösungspolymerisation des Acrylnitrils unter besonderer Berücksichtigung ungesättigter Verbindungen“ an. Diese reichte sie 1965 an der TH Merseburg ein und verteidigte sie dort Ende 1965.
Während der Promotionsphase hatte sie ihren Mann, auch Chemiker, kennengelernt und geheiratet. Ihre Tochter kam 1964 zur Welt. Weil es in den 1960er-Jahren nicht genug Krippen- und Kindergartenplätze gab, kam die Großmutter nach Teltow, um das Baby zu betreuen. Eine dafür benötigte größere Wohnung erhielten Sandners nicht, die Großmutter bekam keine Aufenthaltsgenehmigung in Teltow.
Das Wohnungsproblem löste im Jahr 1965 ein Angebot des Chemiefaserwerks (CFW) Premnitz. Barbara Sandners Ehemann hatte bereits im August 1965 eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im CFW angenommen. Im Dezember 1965 konnte die Familie einschließlich Großmutter eine Wohnung in Premnitz beziehen.
Barbara Sandner wirkte ab 1966 erst als wissenschaftliche Mitarbeiterin, dann als Abschnittsleiterin der wissenschaftlich-technischen Information (WTI) im Bereich Forschung und Entwicklung (F+E). Ende 1967 übernahm sie die Leitung der Hauptabteilung Zentrallabor und WTI und war ab Mai 1970 Stellvertreterin der Direktors F+E. 1969 erhielt sie einen Kindergartenplatz für die Tochter.
Es folgten Schicksalsschläge: Ihr Mann starb 1970 bei einem Autounfall, Großmutter und Schwiegermutter verstarben 1971. Im Jahr darauf kehrte Barbara Sandner als wissenschaftliche Mitarbeiterin in das nunmehr Institut für Polymerenchemie der Akademie der Wissenschaften Teltow-Seehof zurück. Sie untersuchte Komplexbildungs- und Medieneinflüsse auf die Copolymerisation von Acrylnitril und Styrol. Ihre Ergebnisse waren so außergewöhnlich, dass sie den Friedrich-Wöhler-Preis erhielt. Das war ein Wissenschaftspreis für herausragende Leistungen junger Nachwuchswissenschaftler. Nur zwei Frauen wurden von 1960 bis 1991 damit ausgezeichnet. Die Forschungsergebnisse wurden 1979 für die Promotion B zum Dr. sc. nat. vorgelegt und verteidigt. Die Facultas docendi erhielt Barbara Sandner 1980 von der TU Dresden.
1983 wurde sie als Hochschuldozentin an die TH Merseburg berufen. Ihre Arbeitsgebiete erweiterte sie um medizinische Kompositmaterialien und Polymerfestelektrolyte. 1988 erhielt sie zusammen mit Zahnmedizinern der Medizinischen Akademie Erfurt den Rudolph-Virchow-Preis für ein Dentalkomposit, das sie zusammen entwickelt und erprobt hatten.
Im September 1989 wurde sie in Merseburg zur außerordentlichen Professorin berufen. Doch das erste Hochschulstrukturgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 1992 legte fest, die TH müsse zum 31. März 1993 juristisch aufgehoben werden. Die drei leistungsstärksten Bereiche, darunter die Chemie, waren bereits mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vereinigt worden. Die wissenschaftlichen Leistungen der parteilosen Barbara Sandner wurden in vollem Umfang anerkannt, die Promotion B in die Habilitation umgewandelt, und Sandner wurde als Professorin für Makromolekulare Chemie an die Universität Halle-Wittenberg übernommen.
Nach ihrer Pensionierung im Jahr 2002 betreute Barbara Sandner noch freischaffend bei einem Forschungsprojekt einen Doktoranden und eine wissenschaftliche Mitarbeiterin bis 2004.
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