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Energiespeicher

Aluminium statt Lithium

Nachrichten aus der Chemie, Januar 2023, S. 38-41, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Lithiumfreie Systeme könnten helfen, den Bedarf an elektrochemischen Energiespeichern zu decken. Aluminium-Graphit-Batterien nutzen bieten eine hohe Leistungsdichte und sind langlebig. Sie sind allerdings noch in einer frühen Entwicklungsphase. Es fehlen etwa korrosionsfreie Elektrolyte.

Elektrochemische Energiespeicher sind mitentscheidend, um die Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie zu gewährleisten, wenn von fossilen Energieträgern auf erneuerbare umgestiegen werden soll. Etablierte Techniken wie Li-Ion, Pb-Säure und Nickelmetallhydrid werden den Speicherbedarf künftig nicht allein decken können. Vielmehr wird entsprechend der unterschiedlichen Anwendungsspezifik die Zahl verschiedener Batteriesysteme steigen.

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Korrosion stört auf Blechen wie in Batterien. Bild: Prill Mediendesign / Adobe Stock

Li-freie Speichersysteme müssen ähnliche elektrochemische Parameter, darunter Energie- und Leistungsdichte, erreichen wie etablierte Lithiumionenbatterien (LIB). Zudem sollen sie möglichst Vorteile hinsichtlich Kosten und Ressourceneffizienz bieten. Wirklich nachhaltig sind elektrochemische Speichersysteme nur dann, wenn sie energie- und ressourceneffizient hergestellt werden und ein geschlossener Stoffkreislauf durch Recyclingprozesse möglich wird. Dies wollen etliche Forschungsinitiativen erreichen. Dabei werden neben Metallionenbatterien – etwa auf Basis von Na, K, Mg, Ca, Zn oder Al – Redoxflussbatterien und weitere Systeme untersucht.1–3)

Zwei Chloroaluminatspezies

Aluminium-Graphit-Batterien haben im Labormaßstab eine hohe Leistungsdichte bis zu 9000 Watt pro Kilogramm. Das liegt an der hohen Strombelastbarkeit mit bis zu 20 Ampere pro Gramm Aktivmaterial; die Batterie kann also in 36 Sekunden geladen und entladen werden (100 vollständige Lade-/Entladezyklen pro Stunde, Laderate über 100 C). Typische Laborzellen erreichen eine Zyklenstabilität von mehr als 255 000 Zyklen, der Rekord liegt bei 500 000 Zyklen.4) Li-Ionen-Batterien erreichen mehrere tausend Zyklen und 4000 Watt pro Kilogramm Leistung.5)

Al-Graphit-Batterien bieten verglichen mit bekannten wiederaufladbaren Systemen Vorteile: Naturgraphit und preisgünstige Al-Folien eignen sich als Elektrodenmaterialien. Als Elektrolyte kommen ionische Flüssigkeiten (ionic liquids, IL) infrage oder stark eutektische Lösungsmittel (deep eutectic solvents, DES) auf Basis von AlCl3. Diese enthalten die elektroaktiven Al-Komplexe AlCl4 und Al2Cl7, die an der Auflösung (Entladen) und Abscheidung (Laden) von Aluminium an der Al-Elektrode beteiligt sind. An der Graphit-Elektrode (de-)interkaliert gleichzeitig AlCl4 zwischen die Graphitschichten (Schema rechts).6)

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Batterieprozesse in Al || AlCl3/Amid || Graphit-Zellen während des Ladevorgangs (L = Amid): An der Al-Elektrode erfolgt die Aluminiumabscheidung aus Al2Cl7, gleichzeitig werden in die Graphit-Elektrode AlCl4-Ionen interkaliert.9) Bildnachweis: Fraunhofer IISB / übernommen aus Lit. 10)

Da beide Chloroaluminatspezies direkt an den Zellreaktionen beteiligt sind, werden diese Batterien auch Aluminium-Graphit-Dual-Ionen-Batterien genannt – der Elektrolyt fungiert gleichzeitig als Anolyt. Außer graphitähnlichen Materialien lassen sich organische Kathoden in Aluminiumionenbatterien einsetzen. Metalloxide als Kathode haben im Gegensatz dazu bisher nur eine geringe Zyklenstabilität.7) Es wurden Zyklenstabilitäten bis zirka 100 Zyklen gezeigt. Zudem werden Metalloxide im IL-Elektrolyten oft zersetzt.8)

Stationär und mobil

Al-Graphit-Batterien eignen sich als Hochleistungsspeicher für dynamische Anwendungen oder als Pufferspeicher, um Spitzenlasten abzudecken. Sie sind damit perspektivisch sowohl für stationäre als auch mobile hybride Anwendungen von Interesse. Bereits untersucht wird beispielsweise ihr Einsatz zur Netzstabilisierung.9) Denkbar sind zudem stationäre Speicher oder hybride Antriebe für schwere mobile Anwendungen wie Fähren, Krananlagen oder Stapler. Hier könnten Al-Graphitbatterien Brennstoffzellen ergänzen, um Lastspitzen abzudecken.

Allerdings befindet sich dieser Batterietyp noch am Anfang der Entwicklung (technischer Reifegrad, technology readiness level, TRL 3). Im Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) Albatros werden daher verschiedene Batteriekomponenten daraufhin untersucht, wie sich Energie- und Leistungsdichte kostengünstig steigern und Zellkonfigurationen anwendungsrelevant umsetzen lassen. Die Batterieeigenschaften sollen durch ein vertieftes Grundlagenverständnis verbessert werden.

Kostengünstige Elektrolyte

Bei Elektrolyten haben ionische Flüssigkeiten wie AlCl3/[EMIm]Cl ([EMIm]Cl = Ethylmethylimidazoliumchlorid) bisher die höchsten spezifischen Kapazitäten und Coulomb-Effizienzen (90 mAh·g–1, > 98 % für 100 mA·g–1), sind aber teuer und korrosiv. Letztgenanntes erfordert ein spezielles Gehäusedesign aus korrosionsfesten Materialien. Die für LIBs üblichen Pouchzell-Folien sind ungeeignet für die Al-Graphit-Zellchemie.

Als Alternative werden weniger korrosive amidbasierte DES-Elektrolytsysteme wie AlCl3/Harnstoff oder AlCl3/Acetamid untersucht. Den etwas geringeren Kapazitäten und Effizienzen steht dabei ein Preisvorteil gegenüber: Der Preis für AlCl3/Harnstoff beträgt für mittlere Ansätze von 100 Kilogramm etwa 70 Euro pro Kilogramm und damit zirka 53 Prozent der Herstellkosten für AlCl3/ [EMIm]Cl (etwa 130 Euro pro Kilogramm). Für großtechnische Ansätze im 1-Tonnen-Maßstab gilt: zirka 19 Euro pro Kilogramm für AlCl3/Harnstoff und etwa 65 Euro pro Kilogramm für AlCl3/ [EMIm]Cl.

In diesen AlCl3/Amid-Elektrolyten stehen die elektroaktiven Chloroaluminationen im Gleichgewicht mit neutralen und positiv geladenen Al-Komplexen. Dieses Gleichgewicht beeinflusst die Batteriekenndaten, darunter die spezifische Kapazität. Quantitative Raman- und 27Al-NMR-spektroskopische Analysen helfen, diese Korrelation aufzuklären und Elektrolytmischungen zu optimieren. Damit lässt sich die Chloroaluminat-Konzentration abhängig vom Amid und AlCl3/Amid-Mischungsverhältnis schätzen (Abbildung S. 39 a, b).10)

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Analyse der Elektrolyte mit Raman-, NMR- und UV/Vis-NIR-Spektroskopie. Chloroaluminatkonzentration in Abhängigkeit vom Amid und AlCl3/Amid-Mischungsverhältnis: a) Ramanspektren, b) 27Al-NMR-Spektren,10) c) UV/Vis-NIR-Spektren eines AlCl3/Harnstoff-Elektrolyten vor und nach Entfernen von Eisenverunreinigungen durch Zementation (Reduktion mit Aluminiumpulver). Bildnachweise: a, b) Fraunhofer IISB in Anlehnung an Lit. 10); c) TU Freiberg

Neben der Aluminiumspeziation beeinflussen Verunreinigungen im Elektrolyten die Leistungsparameter der Batterie. So enthält der Ausgangsstoff AlCl3 oft eine geringe, aber für die Redoxchemie der Batterie relevante Konzentration an Eisenionen. Diese lassen sich im UV/Vis-Spektrum nachweisen und durch Reduktion mit Aluminiumpulver entfernen (Zementation, Abbildung c, S. 39 unten). Wie Raman- und NMR-Spektren zeigen, beeinflusst dies kaum das Gleichgewicht der Al-Spezies.

Perspektivisch erlauben die Erkenntnisse aus den Analysen, die Al-Spezies im Elektrolyten anzupassen, um Energie- und Leistungsdichte zu erhöhen. Wie IL-Elektrolyte auf Imidazoliumbasis zeigen die getesteten DES die für Al-Graphit-Batterien typische Langzeitstabilität (Abbildung oben, a, b).

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Zyklisierung von Al || AlCl3/Amid || Graphit-Labortestzellen mit Elektrolyten: a) spezifische Kapazitäten und Coulombeffizienzen für Elektrolyt AlCl3/[EMIm]Cl; b) spezifische Kapazitäten und Coulombeffizienzen für Elektrolyt AlCl3/Harnstoff;9) c) Lade-Entladekurven für Elektrolyt AlCl3/TEA. Die Angaben beziehen sich jeweils auf ein Gramm Graphit als Aktivmasse. Bildnachweise: a) Fraunhofer IISB, b) Fraunhofer IISB in Anlehnung an Lit. 10); c) Dechema

Außer DES eignen sich für diese Batterie kostengünstige ionische Flüssigkeiten wie AlCl3/TEA (TEA = Triethylammoniumchlorid). Sie erreichen bei einer geringeren Korrosivität ähnliche Kapazitäten und Effizienzen wie Imidazolium-ILs (Abbildung oben c).

Um die Elektrolyte praktisch anwendbar zu machen, sind angepasste, skalierbare Syntheserouten zu entwickeln. Die Restfeuchtigkeit der Ausgangsstoffe ist hierbei entscheidend, auch wenn DES-Elektrolyte weniger feuchtigkeitsempfindlich sind als imidazoliumbasierte ILs.

Elektrodenmaterialien

Für die Elektroden gilt es ebenso, einen guten Kompromiss zwischen elektrochemischen Batterieeigenschaften und Herstellungskosten zu finden. Statt hochreiner Aluminiumfolie lassen sich preisgünstigere Legierungen nutzen. Um das Zusammenspiel von Anodenmaterialien und Elektrolyten besser zu verstehen, werden die kinetischen Parameter der Al-Auflösung und -Abscheidung über Chronoamperometrie untersucht.

Für die Herstellung der Kathoden lassen sich Naturgraphitpartikel nutzen, die keine aufwendige Prozessierung voraussetzen, insbesondere keine Hochtemperaturbehandlung. Diese kostengünstigen Graphitmaterialien weisen ein für die Interkalation notwendiges Mindestmaß an Kristallinität auf. Jedoch ist eine Abtrennung größerer Flakes (> 150 µm) sinnvoll, da sich kleinere Partikel aufgrund der kürzeren Diffusionswege besser zur reversiblen Interkalation eignen.

Eine genauere Untersuchung der Interkalationsvorgänge abhängig von eingesetzten Materialien ermöglicht die Operando-Ramanspektroskopie. Damit lässt sich prüfen, inwieweit modifizierte Kohlenstoffmaterialien die Interkalationsprozesse verbessern und damit Kapazitäten und Leistungsdichten.

Technische Hürden

Für den Markteintritt von Aluminium-Graphit-Batteriezellen müssen technische Hürden genommen werden. Bisher publizierte Arbeiten beschreiben nur kleine Zellen mit geringer Graphitbeladung (< 5 mg·cm²). Ein Upscaling ist deshalb notwendig.

Schwierig bei der Umsetzung in anwendungsrelevante Zellkonzepte ist die Materialkorrosion aufgrund der aggressiven Elektrolyte. Bisher übliche Gehäusematerialien wie Edelstahl korrodieren, sodass sich keine handelsüblichen Zellgehäuse verwenden lassen. Daher ist zunächst eine Materialbewertung erforderlich, die künftig eine korrosionsfeste Zellkonfiguration in zylindrischen Zellen oder Pouchzellen ermöglicht.

Auch für den Stromsammler sind spezielle Materialien nötig. Molybdän ist zwar chemisch stabil und in Laborzellen gut handhabbar, aber aufgrund hoher Preise und hohen Gewichts (große Dichte) für eine kommerzielle Anwendung ungeeignet. Da die Elektrolyte und der Mo-Stromsammler einen Großteil der Materialkosten ausmachen, sind Materialien zu substituieren und Synthesewege zu vereinfachen.

Als Separator dient bisher ein über 300 µm dickes und poröses Glasfasermaterial, das die volumetrische Energiedichte der Zelle einschränkt und das Dendritenwachstum begünstigt. Hier wären dünnere, weniger poröse, gut benetzbare und chemisch stabile Separatormaterialien wichtig, die es zu entwickeln gilt.

Bis zur Verfügbarkeit eines anwendungsrelevanten Prototyps dieses neuartigen elektrochemischen Speichers sind noch Hürden zu nehmen. Dennoch bietet sich aufgrund der hohen Leistungsdichte und der kostengünstigen Elektrodenmaterialien ein großes Einsatzpotenzial für Al-Graphit-Batterien.

Die Autor:innen

Diesen Artikel haben Franziska Jach (Foto), Felix Fuhrmann und Jean-François Drillet verfasst, unterstützt von Gero Frisch, Charan Mukundan, Martin Eckert, Peter von Czarnecki und Ulrike Wunderwald. Jach ist Postdoc am Fraunhofer IISB und forscht dort in der Gruppe von Wunderwald. Fuhrmann ist Postdoc in Frischs Gruppe Salz- und Mineralchemie an der TU Bergakademie Freiberg. Mukundan und Eckert promovieren zu Al-Ionen-Batterien am Dechema-Forschungsinstitut in Frankfurt am Main in Drillets Gruppe. Czarnecki ist Produktionsleiter bei Iolitec Heilbronn. Zusammen entwickeln sie im BMBF-Projekt Albatros (FKZ-03XP0392A) Aluminiumionenbatterien.https://media.graphassets.com/4LYsuCVQKKTM0vtolAaa

AUF EINEN BLICK

Aluminium-Graphit-Batterien können eine Alternative zu Lithiumionenbatterien sein.

Sie haben eine hohe Leistungsdichte und lassen sich aus kostengünstigen Elektrodenmaterialien bauen.

Dafür sind nicht korrosive Elektrolyte oder korrosionsresistente Zellmaterialien zu entwickeln.

Das Scale-up von der Laborzelle bis zum Prototyp steht noch aus.

  • 1 A. Morag, M. Yu, J. Mater. Chem. A 2021, 9, 19317
  • 2 H. Wang, S. Chen, C. Fu et al., ACS Mater. Lett. 2021, 3, 956
  • 3 P. Arévalo-Cid, P. Dias, A. Mendes, J. Azevedo, Sustainable Energy Fuels 2021, 5, 5366
  • 4 G. A. Elia, N. A. Kyeremateng, K. Marquardt, R. Hahn, Batteries Supercaps 2019, 2, 83
  • 5 P. Haidl, A. Buchroithner, B. Schweighofer, M. Bader, H. Wegleiter, Sustainability 2019, 11, 6731
  • 6 M-C. Lin, M. Gong, B. Lu et al., Nature 2015, 520, 325
  • 7 G. A. Elia, K. V. Kravchyk, M. V. Kovalenko et al., J. Power Sources 2021, 481, 228870
  • 8 T. Han, Y. Wang, H. Bai, H. Zhang, J. Liu, Chem. Commun. 2022, 58, 7172
  • 9 BMBF-Projekt Gridbatt, battnutzung-cluster.de/de/projekte/gridbatt/
  • 10 F. Jach, M. Wassner, M. Bamberg et al., ChemElectroChem 2021, 8, 1988.

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