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Wie sich Recyclingprodukte schützen lassen
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Neu und erfinderisch müssen Produkte oder Techniken sein, die patentiert werden sollen – bei Recyclingmaterialien oder -prozessen ist das oft schwierig nachzuweisen. Es kann helfen, Patentschutz-Kategorien zu kennen und diese kreativ sowie mit fachkundiger Beratung zu nutzen.
Wissenschaft und produzierende Industrie streben nachhaltige, ressourcenschonende Produkte, Prozesse und Produktionsverfahren an. Das spiegelt sich auch im gewerblichen Rechtsschutz.
Unternehmen in der EU sind Vorreiter: Mehr als 22 Prozent aller sauberen und nachhaltigen Techniken weltweit werden hier entwickelt, wie ein im April 2024 von der Europäischen Investmentbank (Eib) und dem Europäischen Patentamt (Epa) veröffentlichter Bericht zeigt.1)
Ob in der Energieversorgung, etwa der Batterietechnik, in der Landwirtschaft oder bei alltäglichen Konsumgütern: Das Potenzial, grüne Materialien oder Prozesse zu integrieren, ist enorm. Unseren Alltag prägen bereits Photovoltaik oder Elektromobilität. Das europäische Ziel der Klimaneutralität – verfolgt im European Green Deal – ist allerdings noch lange nicht erreicht.2) Grüne Entwicklungen voranzutreiben ist teuer: Forschende und Entwickler:innen müssen Versuche durchführen, Produktion und Anlagen sind umzustellen, Produkte sind auf den Markt zu bringen. Erwirken Unternehmen Exklusivrechte für neue Techniken, können sie die Investitionskosten absichern oder zumindest teilweise kompensieren. Patente können daher entscheidend sein, um nachhaltige Techniken und Verfahren beim Recycling und in der Kreislaufwirtschaft zu schützen.
Damit eine Entwicklung patentfähig ist, muss sie neu und erfinderisch sein. Eine solche Entwicklung heißt im Patentwesen Erfindung; sie muss zudem einen technischen Hintergrund haben sowie gewerblich anwendbar sein. In der Chemie oder Verfahrenstechnik sind diese Voraussetzungen für die meisten Entwicklungen gegeben. Für Reuse-, Reduce- und Recycle-Entwicklungen – also Nachhaltigkeitskonzepte, die auf einer Kreislaufwirtschaft basieren – können aber die Neuheit und erfinderische Tätigkeit zur Hürde werden, etwa bei der Frage, wie sich recycelte von nicht recycelten Produkten unterscheiden. Stand Reuse, Reduce, Recycle früher vornehmlich für Abfallvermeidung, so ist der Ausdruck heute relevant für moderne Nachhaltigkeitskonzepte, die insbesondere auf einer Kreislaufwirtschaft basieren.
Wann recycelt auch neu ist
Wie neu eine Erfindung ist, lässt sich daran messen, ob diese der Öffentlichkeit vor dem Tag der Patentanmeldung bekannt war. Ein neu entwickeltes Produkt, das aus recycelten Materialien besteht, sonst aber zuvor bekannten Produkten gleicht, lässt sich gemessen an dieser Definition nicht durch ein Patent schützen.
Damit etwa eine Plastikverpackung aus Recyclingmaterial als neues Produkt gilt, muss sie sich mess- und nachweisbar von bekannten Plastikverpackungen aus nicht recyceltem Material unterscheiden. Unterschiede können beispielsweise physikalische Parameter sein, wie Opazität, Abbauraten von makromolekularen Bestandteilen oder Fremdstoffgehalt. Weist ein Recyclingprodukt mindestens einen Unterschied auf, der auf den Recyclingcharakter zurückgeht, lässt sich die Neuheit etablieren.
Was erfinderisch bedeutet
Auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht eine Entwicklung, die sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Diese Einschätzung ist in der Regel formeller Natur. Das meint, dass Patentprüfer:innen und der oder die Anmelder:in oder deren Patentanwält:in aus der Sicht einer imaginären Fachperson diskutieren und bewerten, ob eine Entwicklung naheliegend ist. Die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist immer eine Einzelfallentscheidung. Ausschlaggebend ist, inwieweit der Unterschied zwischen Recycling- und Nichtrecyclingprodukten über bloße Selbstverständlichkeiten hinausgeht und deswegen naheliegend war – oder eben nicht.
Wann ist eine Tätigkeit erfinderisch? Schwierig nachzuweisen ist dies, wenn eine Plastikverpackung aus einem käuflichen recycelten Kunststoff besteht, von dem bekannt ist, dass er sich für Verpackungen eignet. Es wäre selbst dann schwierig, wenn sich die Materialzusammensetzung der Recycelverpackung von der bisheriger Plastikverpackungen unterscheidet.
Anders kann es aussehen, wenn Recyclingprodukte aus einem bestimmten Recyclingmaterial technisch schwierig herstellbar sind. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Stabilisatoren, Härter oder Weichmacher in neuer Kombination genutzt werden müssen oder spezielle, unerwartete Produkteigenschaften erzielt werden. Solche Faktoren können dazu beitragen, eine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen.
Der Patentschutz von Recyclingprodukten erfordert also eine gewisse Kreativität und idealerweise fachkundige Unterstützung.
Verfahren statt Produkte patentieren
Über den Produktschutz hinaus gibt es weitere Patentierungsmöglichkeiten für Reuse-, Reduce- und Recycle-Entwicklungen. Verfahrenspatente sichern Herstellprozesse, einschließlich derer Produkte, sowie das Nutzen bestimmter Materialien, Anlagen oder deren Produktkomponenten auf besondere Weise (Betriebsverfahren) rechtlich ab. Der Herstellprozess ist dabei anders als bisher zu durchlaufen. So lässt sich also ein indirekter Patentschutz für Produkte erreichen. Dieses Vorgehen ist attraktiv, wenn ein neuer Herstellprozess ein an sich bekanntes und somit nicht patentfähiges Produkt liefert – beispielsweise die Plastikverpackung aus Recyclingmaterial, die sich nicht nachweisbar von herkömmlichen Verpackungen unterscheidet.
Die Kriterien Neuheit und erfinderische Tätigkeit müssen auch beim Verfahrenspatent erfüllt sein. Der Beurteilungsmaßstab ist jedoch ein anderer als für Erzeugnispatente. Im Mittelpunkt steht der Herstellprozess: Aspekte, die ihn von bekannten Prozessen unterscheiden, müssen sich nicht notwendigerweise im Endprodukt spiegeln. Solche Aspekte können Temperaturbereiche oder Durchmischungsraten beim Erwärmen des Recyclingmaterials sein, Prozessparameter wie Druck oder Durchflussrate in der Produktion, der Einsatz spezieller Maschinen oder der Ablauf einzelner Verfahrensschritte.
Gehen die von herkömmlichen Prozessen abweichenden Aspekte zudem über das hinaus, was prozesstechnisch üblicherweise variiert oder erprobt worden wäre, kann eine erfinderische Tätigkeit gegeben sein.
Materialien kreativ verwenden
Interessant im Recycling ist auch der Verwendungsschutz: Das Verwenden eines bestimmten Materials, etwa eines Recyclingmaterialgranulats, für eine bestimmte Anwendung lässt sich patentieren. Die Kriterien Neuheit und erfinderische Tätigkeit bestehen weiterhin, richten sich aber auf die Verwendung und nicht das Material als solches oder den Gegenstand als solchen. Wird ein Ausgangsstoff anders und in nicht naheliegender Weise verwendet, lässt sich selbst für bekannte Recyclingmaterialien sowie daraus erzeugte Produkte Patentschutz erreichen.
Denkbar wäre beispielsweise ein Schutz der Verwendung eines recycelten Kunststoffes zum Herstellen von Textilfasern oder textilen Stoffen.
Patente im Recycling finanzieren
Der Eib und dem Epa zufolge bestehen in der EU Finanzierungslücken für ressourcenerhaltende Techniken – trotz wachsender Nachfrage.1) Die Politik hat erkannt, dass Patente für grüne Entwicklungen relevant sind. Für eine europäische Patentanmeldung fallen ab dem Einreichen der Anmeldung beim Europäischen Patentamt Gebühren an, die sich bis zur Erteilung des Patents auf etwa 6000 bis 8000 Euro belaufen können. Wird ein:e Patentanwält:in beauftragt, ist diese:r zusätzlich zu vergüten. Diese Kosten können durch Fördermittel zumindest teilweise gedeckt werden.
Viele Förderprogramme, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), unterstützen daher das Entwickeln und Patentieren neuer nachhaltiger Techniken.3) Unabhängig vom Nachhaltigkeitsaspekt fördern das Sichern des geistigen Eigentums deutschlandweite Programme wie Wipano4) sowie EU-weite Finanzhilfen, etwa der KMU-Fonds Ideas Powered for Business.5)
AUF EINEN BLICK
Voraussetzung für eine Patentanmeldung sind Neuheit und erfinderische Tätigkeit – bei Recyclingprodukten teils schwer nachweisbar.
Interessant ist daher für grüne Entwicklungen, dass sich neben den Produkten selbst auch Verfahren und Verwendungen patentieren lassen.
Patentanmelder:innen sollten frühzeitig überlegen, welchen Kniff ihrer Idee sie schützen können.
Die Autorinnen
Alexandra Bettermann (oben) und Miriam Marsch von der Patentanwaltskanzlei von rohr haben den Beitrag verfasst. Alexandra Bettermann, promoviert in medizinischer Chemie, ist deutsche und europäische Patentanwältin. Sie berät Unternehmen im gewerblichen Rechtsschutz, besonders in der Chemie und Verfahrenstechnik. Miriam Marsch hat einen Bachelorabschluss in Physik und Masterabschluss in Energiesystemtechnik. Sie ist European Patent Attorney und unterstützt Unternehmen dabei, ihre Schutzrechtsportfolios aufzubauen und durchzusetzen, einschließlich Marken, Designs und Patenten.
- 1 Studie von Epa und Eib: t1p.de/yrlw4
- 2 European Green Deal: t1p.de/4jrnd
- 3 Förderung KMU-innovativ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF): t1p.de/cn7nk
- 4 Wipano: t1p.de/9ikqq
- 5 KMU-Fonds: t1p.de/l8x2c
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