Bildung + Gesellschaft

<h2>Woodward, Eschenmoser, Vitamin B<sub>12</sub> und die organische Chemie</h2><p>Im zweiten Aprilheft des Jahres 1972 erschien in den Nachrichten aus Chemie und Technik ein vierseitiges Interview mit Robert Burns Woodward und Albert Eschenmoser. Beiden war es kurz vorher gelungen, Cyanocobalamin zu synthetisieren, eine biologisch inaktive Form des Vitamins B<sub>12</sub>. Die Struktur hatte Dorothy Hodgkin im Jahr 1955 aufgeklärt. Eschenmoser begann 1960, Woodward ein Jahr später mit der Totalsynthese des Moleküls mit der Summenformel C<sub>63</sub>H<sub>88</sub>CoN<sub>14</sub>O<sub>14</sub>P.</p><div><img src="https://media.graphcms.com/YbRC53haSoKQrwaS6rRw">

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Vor 50 Jahren in den Blauen Blättern

Woodward, Eschenmoser und Vitamin B12

Woodward, Eschenmoser, Vitamin B12 und die organische ChemieIm zweiten Aprilheft des Jahres 1972 erschien in den Nachrichten aus Chemie und Technik ein vierseitiges Interview mit Robert Burns Woodward und Albert Eschenmoser. Beiden war es kurz vorher gelungen, Cyanocobalamin zu synthetisieren, ei...

<p>Nach dem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine bleibt den Chemikern dort nur noch der Versuch, ihre Laborger&auml;te und Materialien zu erhalten.</p>
<p>Niemals h&auml;tte sich Galyna Ushakova, Professorin f&uuml;r Neurochemie, vorstellen k&ouml;nnen, dass es in der Ukraine Krieg geben k&ouml;nnte. Auch nicht nach der Besetzung der Krim im Jahr 2014 und den K&auml;mpfen im Donbass: &bdquo;Der Angriff der russischen Armee war ein Schock f&uuml;r uns. Wir sind doch ein friedliches Land&ldquo;, sagt sie. Ushakova leitet das Department Physiologie und Biochemie der Nationalen Oles-Hontschar-Universit&auml;t, einer der acht Universit&auml;ten in der s&uuml;dostukrainischen Stadt Dnipro.</p>
<p>Ihre Experimente haben Ushakova und ihre Kollegen eingestellt, auch wenn k&auml;mpfende Truppen noch mehr als 150 km von der Millionenstadt entfernt sind. &bdquo;Gestern habe ich zwei Stunden im <xref rid="nadc20224125365-fig-0001" ref-type="fig">Luftschutzraum</xref> verbracht. Morgen bringen wir unsere Versuchstiere in den Keller&ldquo;, berichtet sie. An Forschung sei nicht zu denken.</p>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/U16pYUKnTBWEKKi9mTIM" />
<figcaption><label>Abb. 1: </label>Luftschutzkeller in Dnipro am 1. M&auml;rz. Die R&auml;ume geh&ouml;ren zu einer Schule aus der Zeit der Sowjetunion. Foto: picture alliance/AA, Andrea Carrubba</figcaption>
</figure>
<p>&bdquo;Ich kann mich kaum auf meine Arbeit konzentrieren&ldquo;, sagt auch Vitalii Palchykov, Professor an der Fakult&auml;t f&uuml;r Chemie der Universit&auml;t. In Friedenszeiten hat er Heterocyclen f&uuml;r Medikamentenwirkstoffe synthetisiert. Seit Kriegsbeginn versucht er, Ger&auml;te und die Laborausstattung vor der Zerst&ouml;rung zu sichern. &bdquo;Weil wir jederzeit mit Bombenangriffen rechnen m&uuml;ssen, ist es viel zu gef&auml;hrlich, im Labor zu arbeiten.&ldquo;</p>
<h2>Zuspruch statt Wissen</h2>
<p>Studierende sind zurzeit nicht an der Universit&auml;t. Nach langer Zeit im Distanzunterricht wegen der Covid-19-Pandemie, die auch in der Ukraine noch nicht vorbei ist, wollten die Dozenten zum normalen Lehrbetrieb zur&uuml;ckkehren. &bdquo;Nun haben wir wieder eine Plattform f&uuml;r Distanzlernen aufgesetzt&ldquo;, berichtet Palchykov.</p>
<p>Wichtiger als das Fachliche sei im Moment die psychologische Unterst&uuml;tzung, meint Ushakova, &bdquo;die Studierenden sind sehr angespannt.&ldquo; Olena Dobvan betont: &bdquo;Es ist wichtig f&uuml;r uns, ermutigt zu werden, dass wir wissen, dass wir nicht vergessen sind.&ldquo; Sobald die Nachwuchswissenschaftlerin ihren Laptop aufklappt, prasseln die Nachrichten &uuml;ber Tod und Zerst&ouml;rung auf sie ein, von Freunden, Kollegen und Verwandten.</p>
<p>Auch Dobvans Arbeit geht nicht weiter. Die Neurochemikerin hat bei Galyna Ushakova ihre Doktorarbeit &uuml;ber die Blut-Hirn-Schranke abgeschlossen und braucht nun Blutproben aus dem Krankenhaus, um ihre Forschung fortzusetzen. Sie bekommt aber keine mehr. Stattdessen engagierte sie sich ehrenamtlich, sortiert in einer Kirche Hilfsg&uuml;ter f&uuml;r Menschen, die innerhalb der Ukraine vor der Gewalt geflohen sind.</p>
<h2>Kein Entkommen</h2>
<p>Nur wenige Studierende und Forscher haben bisher das Land verlassen. F&uuml;r die meisten Wissenschaftler, berichtet Dobvan, sei Flucht keine Option: Aus Kiew oder Charkiw gibt es keine sicheren Fluchtwege. M&auml;nner zwischen 18 und 60 d&uuml;rfen die Ukraine nicht verlassen, Wissenschaftlerinnen wollen ihre Ehepartner nicht zur&uuml;cklassen, oder Professoren f&uuml;hlen sich zu alt f&uuml;r eine Flucht. Einige wenige Doktoranden haben sich einer lokalen Verteidigungseinheit angeschlossen; eine milit&auml;rische Ausbildung haben sie nicht.</p>
<p>Kontakte zu Kollegen und Kooperationspartnern in Russland seien abgerissen. &bdquo;Sie haben nicht begriffen, was hier passiert&ldquo;, mutma&szlig;t Palchykov. Dobvan widerspricht: Eine fr&uuml;here Studienkollegin von ihr demonstrierte in Moskau gegen den Krieg und landete f&uuml;r zwei Tage in Polizeigewahrsam. Ushakova, deren Bruder in Russland lebt, hat eine Erkl&auml;rung f&uuml;r die Funkstille der Wissenschaftler: &bdquo;Sie haben Angst.&ldquo;</p>
<p>Frauke Zbikowski sprach am 8. M&auml;rz via Zoom mit den ukrainischen Wissenschaftler:innen.</p>

Vor 50 Jahren in den Blauen Blättern

Woodward, Eschenmoser und Vitamin B12

Woodward, Eschenmoser, Vitamin B₁₂ und die organische Chemie

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