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&Uuml;ber das gesamte Jahr verteilt publiziert die Redaktion der Nachrichten aus der Chemie Trendberichte &uuml;ber alle chemischen Disziplinen hinweg.

Trendberichte

Prof.Dr.

Trendbericht

Trendbericht: Makromolekulare Chemie

Das Jahr 2020 steht im Zeichen der Polymere, deren erste Beschreibung auf Hermann Staudinger zurückgeht. Dieser Trendbericht behandelt die Forschung des wissenschaftlichen Nachwuchses, also von Habilitanden, Juniorprofessoren, Postdoktoranden, Privatdozenten und Gruppenleitern. Es geht um Biopoly...

Dr.-Ing.

<h2>Einblick: Polymere und Medizin</h2><h2>Biobasierte und bioinspirierte Materialien</h2>Synthetische Polymere lassen sich mit Biopolymeren kombinieren und in biologische Systeme integrieren. Das liefert Materialien mit neuen Eigenschaften. Collins und Kollegen nutzten die Programmierbarkeit Crispr-assoziierter Nukleasen, um Hydrogele zu aktivieren, in denen DNA als Strukturelement oder als Anker für Seitengruppen dient.1) Diese Moleküle eignen sich unter anderem, um DNA-verankerte Verbindungen, Nanopartikel oder lebende Zellen aus Hydrogelen freizusetzen.Nukleinbasen sind hoch selektive Bausteine. Weil und Coautoren nutzten beispielsweise die Interaktion von Boronsäuren mit Katechinen, um Nukleobasen-Analoga herzustellen.2) Dies ermöglicht eine spezifische Sequenzerkennung, die sich im Gegensatz zu genetischem Material bereits bei pH 5 auflösen lässt. Damit lassen sich zudem Biomoleküle gezielt koppeln.Der Polymorphismus von Proteinen und die daraus resultierende Strukturvielfalt inspirierte chinesische Wissenschaftler um Guesong Chen.3) Sie konstruierten supramolekulare Proteinröhrchen aus einem tetramerischen Protein und spezifischen Liganden.<h2>Neue Polymersynthesen</h2>Polymerisationen laufen üblicherweise unter kontrollierten Bedingungen und erfordern häufig hochreine Ausgangsstoffe. Wie Bradley und Kollegen zeigten, ist eine Polymerisation aber auch in lebenden Zellen möglich.4) Sie stellten Vinylpolymere in Zellen durch radikalische Photopolymerisation her, obwohl die Zelle ein komplexes Reaktionsmedium ist. Durch diese In-Cellulo-Erzeugung von Makromolekülen lässt sich das Zellverhalten manipulieren, detektieren und kontrollieren – dies ebnet neue Wege für intrazelluläres Engineering.<h2>Polymeranalytik und künstliche Intelligenz</h2>In Wirkstoffformulierungen werden häufig amphiphile Blockcopolymere eingesetzt, die hydrophobe Wirkstoffe in ihrem Kern lösen und so deren Bioverfügbarkeit erhöhen. Bisher stand hierbei meist die Wirkstoffbeladung im Fokus; die interne Struktur der Mizellen dagegen wurde kaum untersucht. Luxenhofer und Mitarbeiter liefern nun einen neuen Ansatz:5) Sie entwickelten mit Festkörper-NMR-Spektroskopie und komplementären Techniken ein erstes, beladungsabhängiges Strukturmodell auf molekularer Ebene. Ihre Erkenntnisse können dazu beitragen, unser Verständnis von Blockcopolymeren in Wirkstoffformulierungen zu verbessern.Global zeigt sich ein Trend, Wirkstoffträgersysteme mit künstlicher Intelligenz (KI) weiterzuentwickeln. Neben ersten Übersichtsartikeln zu KI in der Entwicklung von Wirkstofftransportern beschäftigen sich Dahlman und Mitarbeiter6) mit Auswertung und Darstellung großer Datenmengen, die entscheidend für den Erkenntnisgewinn sind.Computergestützte Methoden helfen schon jetzt, die Beladung von Polymerpartikeln zu optimieren. Lendlein und Kollegen nutzten Polymere mit unterschiedlicher Affinität zum Entzündungshemmer Dexamethason.7) Die von Docking-Studien vorhergesagten Prioritäten wurden durch experimentelle Daten bestätigt.Auch die Löslichkeit und Kristallinität von Polymeren beeinflussen die Wirkstoffbeladung. Durch optimierte Simulationen verbesserten Schubert und Kollegen die Vorhersagen über die Löslichkeit von Polyesteramiden.8)<h2>Regenerative Medizin</h2>Groll und Gawlitta bildeten ein heterotypes Gerüst aus Polycaprolacton (PCL), das ermöglicht, Zellen zu organisieren, die Zelldifferenzierung zu kontrollieren und Morphologien zu bilden.9) Hierbei sind weder lösliche Faktoren noch eine Oberflächenbioaktivierung des Gerüsts erforderlich.<h2>Tumordiagnostik und -therapie</h2>Wie Stéen und Kollegen zeigen, lassen sich durch molekulare Bürstenpolymere solide Tumoren mit In-vivo-Klick-Chemie visualisieren.10) Durch eine optimierte Polymermikrostruktur steigerte die Arbeitsgruppe die Reaktionsgeschwindigkeit der hierfür genutzten Tetrazin-Transcycloocten-Ligation um zwei Größenordnungen (von 5 · 102 M–1 · s–1 auf 4,5 · 104 M–1 · s–1). Außer in der Diagnostik kann dieser Ansatz in der Radionuklidtherapie oder in der lokalen Wirkstofffreisetzung (Click-to-Release) vorteilhaft sein.Einen anderen Weg, um lokale Wirkungen zu erreichen, beschrieben die Gruppen um Chen, Kataoka und Ge.11) Sie erzeugten Nanoreaktoren aus Polymersomen, die mit Eisenoxidnanopartikeln und Glucoseoxidase beladen waren. Diese erzeugen erst durch den leicht sauren, intratumoralen pH-Wert Hydroxylradikale, die das über Thioketal kovalent gebundene Camptothecin sowie überschüssige Hydroxylradikale freisetzen. Somit wird der Wirkstoff lokal im Tumor freigesetzt, und im Mausmodell gehen selbst etablierte Adenokarzinome vollständig zurück.<h2>Immuntherapie</h2>Ziel der Tumorimmuntherapie ist die Aktivierung des körpereigenen Immunsystems, sodass dieses maligne Gewebe erkennt und die betreffenden Zellen selbstständig bekämpft. Dies umfasst zum Beispiel, intratumorale Immuntoleranz aufzuheben oder Impfstoffe gegen Tumoren zu entwickeln. Hier sind insbesondere mRNA-Vakzine zu erwähnen, wie sie momentan von Firmen wie Biontech, Curevac oder Moderna entwickelt werden und die derzeit auch als Impfstoffe gegen Covid-19 (Coronavirus Sars-Cov-2) diskutiert oder sogar geprüft werden. Dabei soll der Bauplan von Pathogenen wie Viren, Krebszellen oder Teilen davon in antigenpräsentierende Zellen eingebracht und dort effizient verarbeitet werden. Dies kann Erkennung und Bekämpfung dieser Strukturen induzieren. In solchen Impfstoffen sind neben immunmodulatorischen Lipiden auch Lipopolymere wichtig, da diese diese die Applikation der Impfstoffe erleichtern und Nebenwirkungen reduzieren.12)Darüber hinaus beschäftigten sich einige Gruppen damit, die Immuntoleranz in Tumoren gezielt aufzuheben. Hierzu reprogrammierte die Gruppe von Stephan tumorassoziierte Makrophagen (TAMs), die dazu beitragen, dass das Immunsystem in soliden Tumoren häufig deaktiviert ist.13) Die Gruppe nutzte Polyplexe auf Basis synthetischer, mit Dimannose funktionalisierter Polymere, modifizierter Polyglutaminsäure und mRNA, um Makrophagen durch Infusion in Tumoren einzubringen. Damit ist es nicht nur möglich, Makrophagen in vivo vom tolerogenen zum aktiven Phänotyp zu reprogrammieren, sondern es wurde sogar in Melanomen sowie Glioblastomen eine Tumorregression erreicht.
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1 M. A. English, L. R. Soenksen, R. V. Gayet et al., Science 2019, 365, 780</li><li>
2 M. Hebel, A. Riegger, M. M. Zegota et al., J. Am. Chem. Soc. 2019, 141, 14026–14031</li><li>
3 Z. Li, S. Chen, C. Gao et al., J. Am. Chem. Soc. 2019, 141, 19448–19457</li><li>
4 J. Geng, W. Li, Y. Zhang et al., Nat. Chem. 2019, 11, 578–586</li><li>
5 A.-C. Pöppler, M. M. Lübtow, J. Schlauersbach et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2019, 58, 18540–18546</li><li>
6 K. Paunovska, D. Loughrey, C. D. Sago, R. Langer, J. E. Dahlman, Adv. Mater. 2019, 31, 1902798</li><li>
7 N. Brunacci, A. T. Neffe, C. Wischke et al., J. Controlled Release 2019, 301, 146–156</li><li>
8 I. Muljajew, A. Erlebach, C. Weber et al., J. R. Buchheim, M. Sierka, U. S. Schubert, Polym. Chem. 2020, 11, 112–124</li><li>
9 T. Jungst, I. Pennings, M. Schmitz et al., A. J. W. P. Rosenberg, J. Groll, D. Gawlitta, Adv. Funct. Mater. 2019, 29, 1905987</li><li>
10 E. J. L. Stéen, J. T. Jørgensen, K. Johann et al., ACS Nano 2020, 14, 568–584</li><li>
11 W. Ke, J. Li, F. Mohammed et al., ACS Nano 2019, 13, 2357–2369</li><li>
12 L. Miao, L. Li, Y. Huang et al., Nat. Biotechnol. 2019, 37, 1174–1185</li><li>
13 F. Zhang, N. N. Parayath, C. I. Ene et al., Nat. Commun. 2019, 10, 3974</li></ul>

<figure><img src="https://media.graphcms.com/R25KXfAHQCyDkoskbhlV"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Oben links: Nutzung von Crispr-Cas für responsive Hydrogele;1) oben rechts: Protein und spezifische Liganden bilden Proteinröhrchen;3) unten: In-Cellulo-Polymerisation.4)</figcaption></figure>
<h2>Die Autoren</h2>Matthias Barz ist seit dem Frühjahr 2020 ordentlicher Professor am Leiden Academic Center for Drug Research der Universität Leiden. Er studierte Chemie an den Universitäten Mainz und Seoul National in Südkorea. Von 2013 bis Ende 2016 habilitierte er sich in Mainz am Institut für Organische Chemie.<div><img src="https://media.graphcms.com/GnepMHt5R2mtl8LPCkCq">

</div>Anja Träger, habilitiert unter Betreuung von Ulrich S. Schubert an der Universität Jena. Vorher studierte sie Biochemie an den Universitäten Bayreuth und York und promovierte in Bayreuth in der Biotechnologie. Sie erforscht polymerbasierten Gen- und Wirkstofftransfer.<div><img src="https://media.graphcms.com/QXmSvmyTKu1U22LejZPV">

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Trendbericht: Makromolekulare Chemie

Biopolymere und Polymere in der Biomedizin

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