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Trendbericht: Analytische Chemie 2016/2017

Miniaturisierung, Steigerung von Geschwindigkeit, Genauigkeit, Leistungsfähigkeit und Auflösung sowie die Verringerung von Nachweisgrenzen charakterisieren die Entwicklungen in der instrumentellen Analytik. Viele Methoden können inzwischen auf Probenvorbereitung verzichten und liefern gleichzeiti...

Die Tiefen der Ozeane bergen selbst für die moderne Wissenschaft noch viele Geheimnisse, die sie nur in kleinen Schritten enthüllt. Zu den neueren Entdeckungen gehören Zusammenhänge, die für das Verständnis von Stoffkreisläufen wichtig sind, und Mechanismen, die sich für nachhaltige Technologien eignen.
Vor knapp 20 Jahren wurde in einer exotisch anmutenden, aber weit verbreiteten Gruppe von Meeresbakterien die anaerobe Ammoniakoxidation (Anammox) entdeckt. Sie wandelt Ammoniak in elementaren Stickstoff und schließt damit den globalen Stickstoffkreislauf. Dieser Mechanismus dient inzwischen kombiniert mit Nitratreduktion in neu entwickelten Kläranlagen dazu, den Stickstoffgehalt der gereinigten Abwässer zu verringern.Die Anammoxbakterien haben ungewöhnliche Membranlipide, einen auf den Anammoxprozess spezialisierte Teil der Zelle (Organell), wachsen langsam und nutzen Hydrazin als Stoffwechselintermediat.Eine weitere Überraschung aus dem Meer, die wir uns gleich näher anschauen, verknüpft die biologische Oxidation von Nitriten mit der Fixierung anorganischen Kohlenstoffs und möglicherweise auch mit der Verwertung reduzierter Stickstoffverbindungen wie Harnstoff und Ammoniak.<h2>Die im Dunkeln sieht man nicht</h2>Ein Großteil des Volumens der Ozeane (rund 90 Prozent) befindet sich mehr als 200 Meter unter der Oberfläche und erhält kein Sonnenlicht. Für diesen Teil der Biosphäre gelten deshalb andere Regeln als für die Welt, die wir sehen. In der Tiefsee ist Biolumineszenz weit verbreitet und Photosynthese unbekannt. Manche Organismen ernähren sich von photosynthetisch erzeugten Nährstoffen, die aus den oberflächennahen Schichten herabrieseln, andere stellen sich ihre Nahrung selbst her und gewinnen ihre Energie allein aus chemischen Reaktionen, leben also chemoautotroph.Bei der Photosynthese absorbieren Pflanzen Kohlendioxid aus der Luft und setzen es zu Biomolekülen um. Ebenso verwerten chemoautotrophe Organismen im Ozean anorganischen Kohlenstoff und führen ihn in den Nährstoffkreislauf. Deshalb haben sie, ebenso wie Pflanzen, eine wichtige Funktion im biochemischen Kreislauf der Elemente, da sie die Biosphäre mit der anorganischen Chemie verbinden.Ein erst in den 1970ern entdecktes, aber inzwischen recht bekanntes Beispiel der Chemosynthese in der Tiefsee sind die Biotope in der Umgebung von Hydrothermalquellen am Meeresboden mit Röhrenwürmern und ihren symbiontischen Bakterien. Dort dient das Reduktionspotenzial der Sulfidmineralien, die mit der Hydrothermallauge aus tiefen Gesteinsschichten aufsteigen, als Energiequelle, die das Sonnenlicht ersetzt.Diese Chemosynthese beschränkt sich auf Quellen, die vor allem in vulkanisch aktiven Gegenden des Meeresbodens vorkommen. Eine soeben erst in ihrer Bedeutung erkannte Gruppe von Chemoautotrophen ist hingegen viel weiter verbreitet und trägt vermutlich umfassend zu den weltweiten Stoffkreisläufen bei.<h2>Nitrit-Oxidierer</h2>Die Arbeitsgruppe von Ramunas Stepanauskas am Bigelow Laboratory for Ocean Sciences in East Boothbay im US-Bundesstaat Maine und die von Gerhard Herndl an der Universität Wien haben aus 39 Wasserproben Genome und Stoffwechselaktivitäten tausender Mikroben analysiert, welche die Mehrheit der lichtlosen Tiefseegewässer repräsentieren.1) Beide Arbeitsgruppen interessierten sich besonders für die nitritoxidierenden Bakterien, eine Gruppe, die sich über verschiedene Familien im Stammbaum der Bakterien erstreckt und deren Bedeutung in der Ökologie der Ozeane bisher kaum erforscht war.Die Forscher identifizierten 98 Genome, die sie dem Stamm Nitrospinae (früher: Deltaproteobacteria) zuordneten, und 4 vom Stamm der Nitrospirae. Diese waren am stärksten in Tiefen zwischen 200 und 1000 Metern vertreten (4,6 Prozent der untersuchten Genome), mit sinkender Tendenz jenseits von 1000 bis 4000 Metern. In oberflächennahem Wasser waren sie hingegen nicht nachzuweisen.Die Nitrospinae-Genome sind in zwei Gruppen aufzuteilen: Eine entspricht der erst vor kurzem vorgeschlagenen Gattung Candidatus Nitromaritima; von der anderen waren bisher keine Vertreter bekannt.Genomstudien an den 4 Nitrospirae-Genomen und 30 Vertretern der Nitrospinae-Proben verglichen mit 240 anderen mikrobiellen Genomen zeigten: Nur Nitrospinae und Nitrospirae, aber keine der anderen in denselben Gewässern vertretenen Mikroorganismen haben die Nitritoxidoreduktasegene, die zur Oxidation von Nitriten dienen. Frühere Arbeiten mit kultivierten Meeresmikroben hatten diese Situation nicht korrekt abgebildet, da die wenigen Arten, die sich im Labor halten lassen, nicht repräsentativ für die Gesamtheit des Ökosystems sind.Die Genomanalysen zeigten zudem: Die Nitrospirae und Nitrospinae synthetisieren Enzyme, die anorganischen Kohlenstoff, etwa aus Kohlendioxid, durch den reduktiven Citratzyklus zu Biomolekülen umsetzen. Im Einklang mit einer chemoautotrophen Lebensweise scheinen die Bakterien keine Transporter zu haben, um Kohlenhydrate zu importieren. Diese Spezialisierung unterscheidet die Bakterien von vielen anderen marinen Mikroorganismen, die sowohl autotroph als auch heterotroph leben.Das genetische Umfeld der Nitritoxidoreduktasegene legt nahe, dass die Mikroben diese Reaktion als Energiequelle nutzen. Sie ist aber nicht ihre einzige Berührung mit dem Stickstoffkreislauf. Bei mehreren Arten fanden die Forscher auch Gene für den Abbau von Harnstoff und Cyanat zu Ammoniumionen und Kohlendioxid. Der Harnstoffabbau liegt als komplettes Genpaket vor, das auch Gene für Kanäle zum Import von Stickstoffquellen wie Harnstoff und Aminosäuren enthält. Auffallend ist, dass Nitrospinae dieses Paket von den Gammaproteobacteria erhalten haben, während das entsprechende genetische Programm bei Nitrospirae aus einer eukaryotischen Quelle stammt.Die Entdeckung des Harnstoffabbaus verleitete die Autoren zu der Spekulation, dass die Bakterien mit ammoniumoxidierenden Archäen wie Thaumarchaeota zusammenarbeiten könnten. In diesem hypothetischen Zusammenspiel würden die Bakterien den Archäen den Ammoniak aus dem Abbau von Harnstoff oder Cyanat liefern und im Gegenzug Nitrit erhalten, das sie wiederum zu Nitrat oxidieren.<h2>Weltweite Zyklen</h2>Die Zusammenarbeit von Archäen und Bakterien ist erst noch zu beweisen. Aber bereits die Häufigkeit und die nachgewiesenen Fähigkeiten der Nitrospirae und Nitrospinae zeigen, dass diese Mikroben eine nicht zu vernachlässigende Funktion im globalen Stickstoff- und Kohlenstoffkreislauf haben. Nach Hochrechnung fixieren diese beiden Gruppen allein eine Milliarde Tonnen Kohlenstoff pro Jahr – das entspricht früheren Schätzungen des Gesamtumsatzes in den dunklen Bereichen der Ozeane. Dieses Phänomen war bisher verborgen, möglicherweise weil die Nitritoxidierer so effizient im Abbau sind, dass Analysen des Nitritgehalts zu niedrigeren Schätzungen führen.Die Zyklen der Elemente Stickstoff, Kohlenstoff und Phosphor korrekt einzuschätzen, ist allerdings eine wichtige Voraussetzung, um die Folgen menschlicher Eingriffe bewerten zu können. Beim Stickstoff hat sich in den gut einhundert Jahren seit Einführung der Haber-Bosch-Synthese das Volumen des globalen Kreislaufs verdoppelt,2) und die Wissenschaft kann noch nicht absehen, welche Folgen das haben wird. Beim Kohlenstoff wissen wir, was das zusätzliche Kohlendioxid in der Atmosphäre anrichtet. Aber die Auswirkungen in den Ozeanen sind nicht ganz so einfach vorherzusagen.Michael Groß ist freier Wissenschaftsjournalist in Oxford, England. <a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a><h2>Quergelesen</h2>Tiefseemikroben der Stämme Nitrospirae und Nitrospinae oxidieren Nitrite und gewinnen damit Energie. Möglicherweise verwerten sie auch reduzierte Stickstoffverbindungen wie Harnstoff und Ammoniak.Zudem fixieren sie anorganischen Kohlenstoff – Hochrechnungen zufolge bis zu einer Milliarde Tonnen pro Jahr.Wie der anthropogene Kohlenstoffausstoß sich auf die Stoffkreisläufe in den Ozeanen auswirkt, ist im Gegensatz zu seinen Folgen in der Atmosphäre noch nicht abzusehen.
<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 M. G. Pachiadaki, E. Sintes, K. Bergauer et al., Science 2017, 358, 1046.</li><li>
2 M. Groß, Nachr. Chem. 2012, 60, 451.</li></ul>

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