Gesellschaft Deutscher Chemiker

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Salmonellentest in der Pipettenspitze

Nachrichten aus der Chemie, Januar 2025, S. 44-46, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Über einen roten Farbfleck zeigt ein neuer Biosensor an, wenn Lebensmittel eine gesundheitsgefährdende Konzentration des Bakteriums Salmonella typhimurium enthalten. Der Test lässt sich außerhalb eines Analytiklabors durchführen und liefert innerhalb einer Stunde Ergebnisse.

Salmonellen-Infektionen können zu schweren Erkrankungen bis hin zum Tod führen. Bei Salmonellosen aus Lebensmitteln ist meist die Art Salmonella typhimurium (ST) schuld: Sie verursacht zirka 155 000 Todesfälle pro Jahr weltweit. Allein für die USA rechnen die Centers for Disease Control (CDC) mit jährlich zirka 450 Toten und 23 000 Krankenhauseinlieferungen wegen ST – zudem mit 365 Millionen Dollar Behandlungskosten.

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Bild: sveta / Adobe Stock

Lebensmittelanalytiklabore weisen ST physikochemisch mit Massenspektrometrie oder Ramanspektroskopie nach sowie biochemisch mit Polymerase chain reaction (PCR) oder Enzyme-linked Immunosorbent Assay (Elisa).

Seit den 2010er-Jahren verwenden Molekularbiolog:innen fluorogene Ribonukleinsäure(RNA)-spaltende Desoxyribonukleinsäure-Enzyme (DNAzyme), um pathogene Bakterien nachzuweisen. Dazu gehören etwa Helicobacter pylori, das Magenschleimhautentzündungen auslöst, oder Clostridium difficile, das gerade in Krankenhäusern zu schlecht behandelbaren Sekundärinfektionen und Magen-Darm-Erkrankungen führt. Um eine ausreichende Sensitivität zu erreichen, sind die Signale zu verstärken. Das ist oft teuer, dauert lange und bindet Personal.

Eine kostengünstigere Alternative sind jetzt synthetische Biosensoren. Spezifisch und empfindlich detektieren sie ST enzymatisch und lassen sich auch außerhalb eines Labors einsetzen, etwa in der Lebensmittelproduktion oder in Arztpraxen und Krankenhäusern.

Nukleinsäuren als Sensoren

Ein solcher günstigerer und schnellerer Test kommt nun von einer Arbeitsgruppe an der McMaster-Universität in Hamilton, Kanada. Die Forschenden haben einen neuen Biosensor für Salmonellen entwickelt: eine DNA-Sequenz, die ein RNA-Nukleotid enthält. Diese Sequenz ist ein spezifisches Substrat für ein Enzym, das nur in ST vorkommt: die Ribonuklease H2 (STH2).

H2-Ribonukleasen reparieren DNA-Moleküle, bei denen während der Replikation ein einzelnes RNA-Nukleotid fehlerhaft eingebaut wurde. Mehr als acht solcher RNA-Nukleotide entfernt die Ribonuklease pro Minute aus dem betroffenen Einzelstrang, um die Erbinformation zu bewahren.

Ein Substrat mit hoher Affinität zur Ribonuklease STH2 entwickelten die Forschenden aus Hamilton aus einem fluorogenen DNA-RNA-Konstrukt, das bereits im Labor vorhanden war. Es besteht aus 29 DNA-Nukleotiden und einem RNA-Nukleotid. Dieses RNA-Nukleotid dient als Angriffspunkt für STH2 und befindet sich etwa in der Sequenzmitte an Position 14. Die direkt benachbarten DNA-Nukleotide – also die an den Positionen 13 und 15 – tragen einen Fluoreszenzlöscher beziehungsweise Fluoreszenzfarbstoff. Über ein elfstufiges Auswahlverfahren fanden die Forschenden einen DNA-Einzelstrang, der teils komplementär zum vorhandenen DNA-RNA-Strang ist. Durch Basenpaarung koppelten sie den DNA-Einzelstrang an den Abschnitt zwischen den Nukleotiden 15 und 30 des DNA-RNA-Strangs. Dieser neue Doppelstrang dient als Biosensor und heißt SSR1T4 (Abbildung 1).

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Die Ribonuklease H2 (STH2) aus Salmonella typhimurium spaltet den RNA-haltigen Strang des DNA-RNA-Biosensors SSR1T4 (grüner Doppelstrang) an der Position 14 des RNA-Nukleotids (rot). Das trennt den nicht-komplementären Abschnitt mit dem Fluoreszenzlöscher (schwarz) an Position 13 des Doppelstrangs ab. Das Fluorochrom (grün) an Position 15 fluoresziert dadurch. Die Fluoreszenz zeigt Salmonellen in der Probe an. Quelle: modifiziert nach Angew. Chem. Int. Ed. 2023, doi: 10.1002/anie.202300828

Die Ribonuklease STH2 spaltet den RNA-haltigen Einzelstrang des Sensors am RNA-Nukleotid an Position 14. Das trennt den nicht komplementären Teil dieses Stranges zwischen Position 1 und 13 ab – inklusive des Fluoreszenzlöschers. Der Fluoreszenzfarbstoff verbleibt am anderen Teil des Biosensors, ein Fluoreszenzsignal entsteht.

Weil das Enzym so aktiv ist, lässt sich die Fluoreszenz ohne Verstärkung mit einem Fluorimeter detektieren. Aus der Fluoreszenzintensität lässt sich die ST-Keimzahl in Lebensmitteln bestimmen – in der Mikrobiologie quantifiziert als die Zahl koloniebildender Einheiten (CFU, colony forming units).

Keimzahlen fluorimetrisch ermitteln

Um ihr Verfahren so empfindlich wie möglich zu machen – also eine messbare Fluoreszenz bei möglichst kleiner Biosensorkonzentration zu erreichen –, optimierten die Forschenden die Konzentration des Sensors SSR1T4 in weiteren Versuchsreihen. Dafür nutzten sie die mittlere effektive Konzentration (EC50) der SHT2, die relevant ist, um die Pathogenität von ST zu bewerten. Die meisten ST-Stämme sind bei etwa 4 ·104 CFU pro Milliliter krankheitserregend. Der EC50-Wert ließ sich bei einer SSR1T4-Konzentration von 48 · 10–12 Mol pro Liter zuverlässig ermitteln. Je kleiner die benötigte SSR1T4-Konzentration, desto empfindlicher ist das Testverfahren. Andere Ribonukleasen H2 aus Bacillus subtilis und Listeria monocytogenes waren nahezu inaktiv gegenüber SSR1T4: Es waren mindestens 81-fache Konzentrationen nötig (3900 · 10–12 beziehungsweise 8800 · 10–12 Mol pro Liter).

Mit ihrem Biosensor erreichten die Forschenden aus Hamilton ein Detektionslimit (LOD) von 7,8 · 10–12 Mol STH2 pro Liter. Dann senkten sie die Nachweisgrenze noch um das 156-Fache auf 5 · 10–15 Mol pro Liter: Mit einer denaturierenden Polyacrylamid-Gelelektrophorese trennten sie das fluoreszente Spaltprodukt von ungeschnittenen SSR1T4-Molekülen, deren Rauschen das Signal stört.

Getestet wurde der Biosensor an Lebensmitteln, in denen sich Salmonellen häufig vermehren: Zerkleinertem Rind- und Hühnerfleisch, Milch und Eiern wurden dazu verschiedene STH2-Mengen zugefügt. Die Nachweisgrenze in Milch und Eiern lag bei jeweils 5 · 10–15 Mol pro Liter, in den beiden Fleischsorten bei 50 · 10–15 Mol pro Liter. Das liege, sagen die Forschenden, an einem höheren Hintergrundrauschen, verursacht durch andere Ribonukleasen aus dem Fleisch selbst oder aus anderen Mikroorganismen.

Um außer der STH2-Konzentration die ST-Keimzahl zu bestimmen, erprobten die Forschenden ihre Tests an Proben mit verschiedenen ST-Zellkonzentrationen. Die Nachweisgrenze für die ST-Keimzahl betrug 5 · 103 CFU pro Milliliter.

Bis hierher benötigte das ST-Testsystem noch bestimmte Geräte, etwa Gelelektrophoreseausstattung oder Fluorimeter. Damit auch Menschen mit wenig Fachkenntnissen auf Salmonellen testen können und das auch außerhalb eines Labors, optimierte das Team im nächsten Schritt das System.

Gold in der Pipettenspitze

Statt Fluoreszenzfarbstoffen erzeugen nun Goldkolloide ein kolorimetrisches Signal im Au-on-Au-Tip-Test.

Herzstück des neuen Designs ist eine Einwegpipettenspitze – leicht verfügbar und günstig.

Die Innenwand der Spitze trägt dabei eine Sandwich-Beschichtung: Goldnanopartikel haften an der Wand, über eine Sulfidgruppe binden sie eine DNA-Sequenz, die wiederum mit einem Ende des Biosensors SSR1T4 verknüpft ist. Der Biosensor ist an seinem anderen Ende über eine weitere DNA-Sequenz mit einem Goldnanopartikel verbunden (Abbildung 2).

Lebensmittelproben lassen sich direkt mit der Au-on-Au-Tip-Pipette testen: Enthält eine Probe ST-Keime und somit auch die Ribonuklease STH2, spaltet diese den mittleren Sandwichteil SSR1T4 am RNA-Nukleotid. Dadurch geht der Goldnanopartikel in die Probenlösung über. Auf eine Nylonmembran pipettiert zeigt die Lösung eine mit bloßem Auge sichtbare rote Farbe als positives ST-Testergebnis. Die Goldkolloide lösen diese Farbe aus.

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Pipettenspitzensensor: Die Innenwand einer Pipettenspitze ist mit Goldkolloiden (gelb) beschichtet, an die ein DNA-Einzelstrang (grau) geknüpft ist. Dieser bindet an den DNA-RNA-Einzelstrang (rosa) des SSR1T4-Biosensors aus Abbildung 1. An das andere Ende des DNA-RNA-Strangs (rosa) ist ein Goldnanopartikel (orangefarben) über einen weiteren DNA-Strang (blau) gekoppelt. Die Ribonuklease H2 (STH2) aus einer Probe mit Salmonella typhimurium spaltet den RNA-haltigen Strang des Biosensors (rosa) an Position 14 (RNA-Nukleotid, roter Pfeil). Das trennt die Goldnanopartikel von der Pipettenspitzenwand. Die Goldnanopartikelsuspension aus der Spitze zeigt auf eine Nylonmembran pipettiert eine rote Farbe, die Salmonellen in der Probe nachweist. Quelle: modifiziert nach Angew. Chem. Int. Ed. 2023, doi: 10.1002/anie.202300828

So lassen sich an Zellkulturproben im Labor ST-Keime in Konzentrationen von 3,2 · 103 CFU pro Milliliter und höher nachweisen. Der Pipettenspitzensensor ist damit zirka dreißigmal empfindlicher für ST als etablierte Elisa-Tests mit einem Detektionslimit von 105 CFU pro Milliliter. Gründe für das niedrige Nachweislimit sind dem Entwicklerteam zufolge die hohe Biosensor-Substratspezifität und die hohe Konzentration der Kolloide auf einer kleinen Nylonmembranfläche von etwa einem Quadratmillimeter.

In Proben aus gemahlenem Rind- oder Hühnerfleisch lag die ST-Nachweisgrenze bei 6,4 · 103 CFU pro Milliliter – ähnlich wie beim fluoreszenten Biosensor. Der Pipettenspitzensensor funktionierte auch dann noch, wenn er einen Monat bei Raumtemperatur aufbewahrt wurde. Und er ist mehrfach verwendbar: Erst nach fünfmaligem Einsetzen war die Spitze so abgenutzt, dass sie ST-Keime nur noch in höheren Konzentrationen nachwies.

Schneller zu Ergebnissen

Wie schneidet der Au-on-Au-Tip-Sensor verglichen mit etablierten Salmonellentests ab, die Elisa, PCR oder Bakterienkulturen nutzen? Mit einer Nachweisgrenze von einer CFU pro 25 Gramm Lebensmittelmatrix ist die Bakterienzellkultur am empfindlichsten für ST, allerdings dauert es fünf Tage bis zum Testergebnis. Schneller geht das mit Elisa und PCR: Nach etwa 18 Stunden Vorbereiten und drei Stunden Test sind ST-Kontaminationen in Lebensmitteln nachgewiesen. Am schnellsten ist der Pipettenspitzensensor, der zudem direkt vor Ort außerhalb eines Labors nutzbar ist: Er liefert nach etwas mehr als einer Stunde das Ergebnis. Dabei ist er etwa 30-mal sensitiver für ST als Elisa und fünfmal weniger sensitiv als die PCR.

AUF EINEN BLICK

Salmonellen lassen sich in Analyselabors nachweisen, allerdings dauert das mindestens 18 Stunden oder sogar mehrere Tage.

Ein neuer Test in Einwegpipettenspitzen erlaubt einen Salmonellennachweis in einer Stunde direkt vor Ort.

Er basiert auf einem DNA-RNA-Biosensor, der spezifisch für die Ribonuklease H2 aus Salmonellen ist.

Eine gesundheitsgefährdende Keimzahl lässt sich mit diesem Sensor fluorimetrisch oder kolorimetrisch mit Goldnanopartikeln detektieren.

Der Autor

Der promovierte Chemiker Christian Ehrensberger ist freier Mitarbeiter der Nachrichten aus der Chemie.

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