Gesellschaft Deutscher Chemiker

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Planet der Dinosaurier

Nachrichten aus der Chemie, Januar 2024, Seite 98, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Leben auf fernen Planeten hat bisher vor allem Science-Fiction-Autor:innen beschäftigt – und in hypothetischer Form die junge Wissenschaftsdisziplin der Astrobiologie. Diese untersucht das Leben auf der Erde, um aus seinen Parametern abzuleiten, wo sonst im Weltraum noch etwas kreuchen und fleuchen könnte – und wie wir es finden könnten. In diesem Sinn ist die Geburtsstunde der Astrobiologie der Moment, als Carl Sagan (1934 – 1996) die Nasa überredete, die Instrumente der Raumsonde Galileo auf die Erde zu richten. Sie sollten erforschen, ob es auf diesem Planeten Leben gibt. Es wird Sie beruhigen zu erfahren, dass die Ergebnisse der Studie positiv ausfielen.

Zu der Zeit befand sich Galileo im Vorbeiflug in der Nähe unseres Planeten. Ob sich Leben auf der Erde auch aus größerer Entfernung entdecken lässt, ist eine andere Frage, die erst in neuerer Zeit bedeutsam wurde. Im Prinzip wollen Astrobiolog:innen mit den neuesten Gerätschaften im Weltraum – insbesondere mit dem James Webb Space Telescope (JWST) – mit spektroskopischen Methoden chemische Ungleichgewichte in den Atmosphären ferner Planeten nachweisen, die auf stoffwechselaktive Lebewesen hindeuten. In unserer Atmosphäre ist zum Beispiel Sauerstoff neben Methan verdächtig, was sich dadurch erklärt, dass Pflanzen beziehungsweise Kühe diese Moleküle ausscheiden.

Wie hat sich die Sichtbarkeit des Lebens auf der Erde in den letzten 540 Millionen Jahren verändert, also seit es komplexe Pflanzen und Tiere gibt? Dieser Frage gingen Rebecca Payne und Lisa Kaltenegger vom Carl Sagan Institute an der Cornell University nach.1) Ihre Modellrechnungen lieferten folgendes Ergebnis: Unser Planet sandte die stärksten Lebenssignale nicht etwa in neuerer Zeit aus, sondern zur Zeit der Dinosaurier, vor 100 bis 300 Millionen Jahren. Damals war die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre höher als heute und somit auch das chemische Ungleichgewicht, das Astrobiolog:innen auf anderen Planeten eventuell auffallen könnte.

Es ist wahrscheinlich eine gute Nachricht, dass wir heute nicht mehr ganz so auffällig sind. Schließlich wollen wir nicht von technisch überlegenen Auswärtigen entdeckt und unterworfen werden – ähnlich, wie das den Ureinwohnern Afrikas, Amerikas und Australiens vor nicht allzu langer Zeit passiert ist. Eigentliche Motivation der Studie ist allerdings, die Blickrichtung umzukehren. Was sagt uns das über die erdähnlichen Planeten, deren Atmosphären jetzt mit JWST und anderen Instrumenten auf chemische Lebensspuren hin untersucht werden? Es wäre doch lustig, wenn wir jetzt lauter Erdzwillinge entdecken würden, die gerade ihre Dinosaurierzeit durchlaufen.

Ganz so weit werden die Ähnlichkeiten allerdings nicht reichen. Und gemessen am Gesamtalter der Erde haben alle komplexen Lebensformen einschließlich der Dinosaurier nur ein kurzes Gastspiel gegeben. Wahrscheinlicher wäre also, dass die ersten chemischen Lebensspuren, die wir womöglich eines Tages im Weltraum entdecken werden, von Mikroorganismen stammen statt von Sauriern.

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„Der KI-Analyse der Wurmloch-Spektroskopie zufolge sehen die so aus.“ „Unmöglich. So was Unästhetisches wäre gegen die Evolution!“ Cartoon: Roland Wengenmayr

Michael Groß

www.michaelgross.co.uk

  • 1 R. C. Payne, L. Kaltenegger, Mon. Not. R. Astron. Soc. Letters 2024, 527, L151–L155

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