In Aromaten meta-Position aktivieren | Ein Team der Uni Kiel hat einen Katalysator entwickelt, mit dem sich selektiv die meta-Position von Aromaten ansteuern lässt. Die regioselektive C-H-Aktivierung läuft ladungskontrolliert mit Pal...
Trendbericht
Photochemie
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Die photochemische Forschung entwickelt unter anderem Photo(redox)katalysatoren, farbstoffsensibilisierte Solarzellen (DSSCs) und lichtemittierende Dioden (LED). Solche Systeme benötigen Moleküle, die Sonnenlicht absorbieren und für chemische Reaktionen nutzbar machen oder in definierten Wellenlängenbereichen emittieren. Bisher waren dies meist Edelmetallkomplexe. Ein Ziel ist es, Komplexe zu entwickeln, die billigere und besser verfügbare Metalle enthalten. Vielversprechende Ergebnisse gibt es für Systeme mit Kupfer, Mangan, Nickel, Molybdän, Zink und Chrom.
Die wichtigste Energiequelle der Erde ist die Sonne, deren auf der Erdoberfläche jährlich eintreffende Strahlung den globalen Energieverbrauch um etwa vier Größenordnungen übersteigt.1–3) Daher scheint es zwingend notwendig, Systeme zu entwickeln, die diese Energie nutzbar machen, beispielsweise durch Photovoltaik.3,4) Jedoch sind bei der Speicherung dieser elektrischen Energie nicht alle Herausforderungen gelöst.
Eine Möglichkeit, solare Energie zu speichern, bieten photochemische Reaktionen: Mit Lichtenergie werden energiearme Stoffe in energiereichere (solare Brennstoffe) umgewandelt. Licht wird dabei in Form chemischer Energie speicherbar. In der Natur findet sich dieses Prinzip in der Photosynthese. Dabei wird lichtinduziert Wasser gespalten unter Bildung von Sauerstoff und dem Reduktionsäquivalent Nicotinamid-Adenin-Dinukleotidphosphat (NADPH).5) Nachgelagerte, lichtunabhängige Prozesse verwenden NADPH, um Kohlenstoffdioxid zu Kohlenhydraten zu reduzieren.5) Auch fossile Brennstoffe sind letztlich auf diesen Prozess zurückzuführen.6)
Das Design photoaktiver Systeme, zum Beispiel für farbstoffsensibilisierte Solarzellen oder Photo(redox)katalyse, ist ein vielversprechender Ansatz, Sonnenlicht für die Energiewandlung oder nachhaltige Chemie zu nutzen.7) Ein essenzieller Bestandteil solcher photoaktiver Systeme sind Photosensibilisatoren (PS), also Moleküle, die Licht absorbieren und diese Energie für chemische Reaktionen nutzbar machen, die ohne diesen zusätzlichen Energieeintrag nicht ablaufen würden.8)
PS absorbieren idealerweise stark über den gesamten Wellenlängenbereich des Sonnenspektrums. Zudem sind für die Photo(redox)katalyse entscheidend: eine für intermolekulare Stöße in Lösung hinreichend lange Lebensdauer des angeregten Zustands (mindestens im Bereich einiger Dutzend Nanosekunden), reversible Redoxeigenschaften, die Redoxpotenziale des PS im angeregten und im Grundzustand sowie eine hohe chemische Stabilität.8)
Zu den Verbindungen, die sich besonders als PS eignen, gehören Edelmetallkomplexe zum Beispiel auf Basis von RuII und IrIII mit Diimin-artigen Liganden (zum Beispiel Bi- und Terpyridin).8) Allerdings sind für großtechnische Anwendungen neuartige PS mit besser verfügbaren und damit günstigeren 3d-Metallen wie Kupfer, Nickel, Zink oder Chrom erforderlich.9) Daher präsentiert dieser Trendbericht ausgewählte Koordinationsverbindungen und deren Einsatz als PS in der Energieumwandlung und Katalyse.
Kupfer(I)-basierte Photosensibilisatoren
Dass sich farbige Kupfer(I)-Komplexe als PS eignen, ist nicht erst seit den bahnbrechenden Arbeiten Sauvages und McMillins in den 80er Jahren bekannt.10,11) Trotzdem führten solche photoaktiven CuI-Verbindungen lange ein Nischendasein neben den fast omnipräsenten Ruthenium(II)-basierten PS. Ursache ist möglicherweise die vergleichsweise labile Metall-Ligand-Bindung. Sie kann in Lösung zu ungewollten Ligandenaustauschreaktionen führen und erschwert es, heteroleptische Komplexe herzustellen.
Zudem basiert die Photochemie von CuI-Komplexen in der Regel auf Metall-zu-Ligand-Ladungstransferübergängen (Metal to Ligand Charge Transfer, MLCT), in deren Folge ein transientes CuII-Zentralion entsteht. Durch die Änderung der Elektronenkonfiguration von 3d10 zu 3d9 ändert sich die Koordinationsgeometrie von einer verzerrt tetraedrischen zu einer eher quadratisch planaren Struktur (flattening).11,12) Dies geht mit energetisch tief liegenden angeregten Zuständen mit kurzen Lebenszeiten und niedrigen Emissionsquantenausbeuten einher.
Darüber hinaus ermöglicht die (transiente) quadratisch planare Struktur, einen weiteren Liganden zu koordinieren, zum Beispiel ein Lösungsmittel oder Gegenion, und damit die Bildung eines Exciplexes. Dies deaktiviert effizient den angeregten Zustand.12) Daher ist die Einführung sterisch anspruchsvoller und rigider Bisphosphinliganden, die das flattening und die Exciplexlöschung einschränken, ein Meilenstein in der Entwicklung der CuI-PS.12,13)
In der Folge ermöglichten CuI-Komplexe des Typs [Cu(N^N)(P^P)]+ (mit N^N = Diimin und P^P = Bisphosphin) hohe Emissionsquantenausbeuten (in der Regel im einstelligen Prozentbereich in sauerstofffreier Acetonitrillösung) und -lebenszeiten im µs-Bereich, was sich nicht nur für Anwendungen in der Photo(redox)katalyse als vorteilhaft erwies.10–13)
Unterschiedliche Designstrategien
Seit etwa zehn Jahren wächst das Forschungsinteresse an Kupfer(I)-basierten PS.10–13) Die CuI-Komplexe lassen sich gegenwärtig in vier, durch unterschiedliche Designstrategien charakterisierte Hauptklassen zusammenfassen. Dies sind exemplarisch:
Homoleptische Bisdiimin-CuI-Komplexe haben eine ausgezeichnete (Photo-)Stabilität und absorbieren im roten Bereich des sichtbaren Lichts. Als Grundstruktur fungiert häufig der 1,10-Phenanthrolinligand (phen). Der sterische Anspruch der oft in 2,9-Position eingebrachten Alkylgruppen steigert meist die Lebenszeiten und verbessert die Emissionsquantenausbeuten, erhöht aber auch die Labilität der Metall-Ligand-Bindung.
Einen Kompromiss zwischen beiden Effekten erreicht das asymmetrisch substituierte 2-Isopropyl-9-tert-Butyl-1,10-Phenanthrolin und der resultierende CuI-Komplex des Typs [Cu(N1^N2)2]+ (Abbildung 1).14) Dieser ist stabiler als der symmetrische 2,9-Bis-tert-Butyl-1,10-Phenanthrolin-Komplex, und sein angeregter Zustand hat ein größeres Redoxpotenzial, zeigt aber eine kürzere Emissionsdauer und eine geringere Quantenausbeute. Erklärt wird dies mit einer stark verzerrten Struktur im angeregten Zustand (flattening) und der Schaukelbewegung eines Liganden als Folge der Asymmetrie.
Nach einer Studie von Castellano, in der Cyclohexylgruppen in 2,9-Position eingeführt wurden (Abbildung 1),15) sind die resultierenden Komplexe potente Photoreduktionsmittel. Durch den sterischen Anspruch ist kein Flattening zu beobachten, auch nicht mit ultraschneller transienter Absorptionsspektroskopie.
Eine Erweiterung des chromophoren Systems (Abbildung 1),16,17) beispielsweise durch eine kovalent gebundene oder direkt kondensierte Naphthalimideinheit, trägt zur Optimierung von heteroleptischen Diimin-Diphosphin-CuI-Komplexen des Typs [Cu(N^N)(P^P)]+ bei. Synthetisiert wurden der Cu(NIphen)- (NIphen = 5-(1,8-Naphthalimid)-1,10- phenanthrolin)- und der Cu(biipo)-Komplex (biipo = Benzo-isochinolino-imidazo-phenanthrolin-on). Beide CuI-Komplexe absorbieren stärker als die Referenzkomplexe ohne Naphthalimideinheit im sichtbaren Bereich und haben Lebenszeiten in Acetonitril von 19,2 beziehungsweise 2,6 μs. Allerdings unterscheiden sich die photophysikalischen Prozesse bei beiden Komplexen grundlegend (strahlend beziehungsweise strahlungslos). Mit beiden lässt sich effizient Singulett-Sauerstoff 1O2 erzeugen.16)
Selektive Substitution von 1,10-Phenanthrolin mit Methylsulfanylgruppen verändert die Natur der Grenzorbitale in heteroleptischen Diimin-Diphosphin-CuI-Komplexen (Abbildung 1).18) In den 3,8- oder 4,7-Di(methylsulfanyl)-substituierten Derivaten wurden statt MLCT-Übergängen verstärkt ligandenzentrierte Übergänge beobachtet, jedoch nicht bei den Liganden mit 2,9-Substituenten. CuI-Komplexe mit den letztgenannten Liganden zeigen dagegen eine kleine Stokes-Verschiebung (zirka 0,7 eV) und hohe Quantenausbeuten (bis zu 15 Prozent in Dichlormethanlösung), was sie als PS für Solarzellen interessant macht.
Ebenfalls mit heteroleptischen CuI-Komplexen beschäftigte sich die Gruppe von Zysman-Colman: Sie untersuchte, wie der P^P-Bisswinkel in Diimin-Diphosphin-CuI-Komplexen deren Elektrolumineszenz beeinflusst (Abbildung 1).19) Dabei verringern kleinere Bisswinkel die Flexibilität und erhöhen die Emissionsquantenausbeute.
Anionische Liganden
Anionische, chelatisierende Liganden sind nur selten in CuI-PS zu finden, trotz des Potenzials dieses Ligandentyps, die Absorption der Komplexe bis ins NIR zu verschieben. Schulz konzipierte neue, anionische, homoleptische CuI-Komplexe des Typs [Cu(N^N)2]–, die auf dem 4H-Imidazolatliganden beruhen (Abbildung 2).20,21) Die beiden anionischen Liganden destabilisieren die kupferbasierten Donororbitale, sodass intensive MLCT-Übergänge vom Sichtbaren bis zirka 1000 nm auftreten.
Ähnliches ist bei den neutralen, heteroleptischen [Cu(NacNac)-(phen)]-Komplexen mit anionischen NacNac-Liganden (NacNac– = anionische β-Diketiminate) zu beobachten, deren Absorption bei elektronenschiebenden Substituenten am NacNac-Liganden bis in den NIR-Bereich reichen kann (Abbildung 2).22)
Pyridyltriazole wurden bisher selten für CuI-PS genutzt. Dabei führen sie zu langen Lebenszeiten und hoher Komplexstabilität in Lösung sowie oft zu einer effizienten Festkörperemission. Das macht solche Komplexe für Oled-Anwendungen interessant.
Bizzari und Diller synthetisierten mit DPEphos und 6’-Methylpyridyl-1H-1,2,3-triazol (MPyrT) als Diimin-Liganden zwei heteroleptische CuI-Komplexe des Typs [Cu(DPEPhos)(MPyrT)]0/+ (neutral versus kationisch, Abbildung 2).23) Durch Deprotonierung des Diimin-Liganden ließ sich der Einfluss der Ladung des Komplexes untersuchen. Bereits eine kleine Variation in der Ligandensphäre vom negativ geladenen MPyrT (in CuL) zum neutralen (in CuLH) verändert die photochemischen Eigenschaften und die Photodynamik der Komplexe.
CuI-PS in Kombination mit Fe-, Mn- oder Ni-Katalysatoren reduzieren CO2 lichtgetrieben zu CO. Ein Großteil der Studien dazu wurde jedoch in organischen Lösungsmitteln durchgeführt. Um Anwendungsperspektiven von CuI-PS in wässrigen Lösungsmitteln zu entwickeln, wurde durch Sulfonierung ein vollständig wasserlöslicher heteroleptischer CuI-Komplex des Typs [Cu(N^N(SO3–)2)(P^P(SO3–)2)]3– (Abbildung 2) realisiert. Mit einem Cobalt-Porphyrin-Reduktionskatalysator erzeugt der Komplex photokatalytisch CO mit Umsatzzahlen von maximal 4000 und einer Selektivität von 75 bis 90 Prozent.24)
Die Klasse der linearen CuI-Carben-Komplexe wurde durch die Kombination eines cyclischen Alkyl-Amino-Carben-Liganden (CAAC) mit chelatbildenden Liganden mit O-, N-, S- und Se-Donoratomen erweitert. Dies ermöglichte den Wechsel von linearen zu dreifach koordinierten Komplexen (Abbildung 2).25)
Interessanterweise emittieren die CuI-Komplexe mit einem O^O- oder N^N-Liganden im Roten schwach, aber die breiten Emissionsbanden erstrecken sich im Festkörper bis tief in den NIR-Bereich, zirka bis 1100 nm. Darüber hinaus eignen sich diese Komplexe potenziell als nichtklassische Einzelphotonenlichtquelle für organische Elektronik.
Photosensibilisatoren mit Cr0, MnI, CoIII, Mo0 …
Viele Ruthenium(II)- und Iridium(III)-Komplexe mit 4d6- beziehungsweise 5d6-Elektronenkonfiguration lumineszieren aus MLCT-Zuständen, aber in isoelektronischen 3d6-Komplexen ist dieses Phänomen selten. Aufgrund der vergleichsweise schwachen Ligandenfelder in 3d6-Komplexen liegen hier energiearme metallzentrierte Zustände vor, über die die MLCT-Zustände strahlungslos relaxieren können, sodass die allermeisten Eisen(II)-Komplexe nicht lumineszieren.
Die Arbeitsgruppe Wenger hat Chrom(0)- und Mangan(I)-Komplexe entwickelt (Abbildung 3a, b), die bei Zimmertemperatur in Lösung emittierende MLCT-Zustände aufweisen und sich photochemisch ähnlich verhalten wie isoelektronische Edelmetallkomplexe.26,27) Die Lumineszenz-Quantenausbeuten und Lebensdauern der angeregten MLCT-Zustände liegen gegenwärtig noch etwa zwei Größenordnungen unter den Werten, die üblicherweise mit RuII-Komplexen erreicht werden. Strukturanaloge Molybdän(0)-Komplexe zeigen jedoch bereits kompetitives photophysikalisches Verhalten und dienten in der Aufwärtskonversion von rotem zu blauen Licht sowie für reduktive Dehalogenierungen von Aryliodiden.28,29)
Bi- und tridentate Isocyanid-Chelatliganden scheinen für diese Cr0-, Mo0- und MnI-Verbindungen wichtig, um stabile und lichtemittierende Komplexe zu erhalten. So verwendet ein isoelektronischer Cobalt(III)-Komplex (Abbildung 3c) einen tridentaten Liganden mit einer zentralen Amido-Donoreinheit, um die Elektronendichte am Metallzentrum so zu erhöhen, dass der energetisch tiefst liegende angeregte Zustand MLCT-Charakter aufweist.30) Zwar luminesziert dieser Komplex nicht, aber er zeigt lichtinduzierten Elektronentransfer mit Reaktionspartnern wie Methylviologen.
Der kovalente Charakter der CoIII-N(amido)-Bindungen scheint – gemeinsam mit dem starken Ligandenfeld, verursacht durch die Ladung des Metalls und die Carbenliganden – wichtig zu sein, um metallzentrierte elektronische Zustände zu höheren Energien zu verschieben.30) Dies ermöglicht eine Lebensdauer des MLCT-artigen Zustands im Nanosekundenbereich.
In quadratisch planaren Koordinationsverbindungen mit 3d8-Elektronenkonfiguration ist es noch schwieriger, langlebige MLCT-Zustände zu erreichen als bei oktaedrischen 3d6-Komplexen.
… und mit NiII und ZnII
Das photophysikalische Verhalten vierfach koordinierter Nickel(II)-Komplexe ist unter anderem dadurch interessant, dass Kreuzkupplungsreaktionen über elektronisch angeregte Zustände solcher Verbindungen abzulaufen scheinen. Unmittelbar nach der Anregung in MLCT-Zustände befinden sich die untersuchten NiII-Komplexe noch in der quadratisch-planaren Koordinationsgeometrie des elektronischen Grundzustands, werden anschließend in Richtung Tetraeder verzerrt und verlieren dabei den größten Teil der absorbierten Energie.31) In einer Koordinationssphäre, die diese Verzerrung erschwert (Abbildung 4a, S. 59), ließen sich nun die MLCT-Lebensdauern um etwa eine Größenordnung bis auf ungefähr 50 ps verlängern.32) Mit einem makrocyclischen, tetradentaten Liganden hat ein Team um Hess einen NiII-Komplex (Abbildung 4b) in der Photokatalyse verwendet.33)
Zink(II)-Komplexe haben aufgrund ihrer vollständig gefüllten 3d10-Unterschale keine energetisch tief liegenden metallzentrierten Zustände, die zu unerwünscht schneller strahlungsloser Relaxation führen. Allerdings liegen die MLCT-Zustände in ZnII-Komplexen wegen der erhöhten Oxidationsstufe meist bei höheren Energien als in isoelektronischen CuI-Komplexen. Fluoreszenz aus ligandzentrierten Singulettzuständen ist daher bei ZnII-Koordinationsverbindungen häufig zu beobachten, insbesondere wenn organische Fluorophore in das Ligandengerüst eingebaut sind. Bizzarris Gruppe hat mit dieser Strategie Rotlichtemitter (Abbildung 4c) hergestellt, die für bildgebende Verfahren in biologischen Systemen interessant sein könnten.34)
Neuerdings rücken Triplettzustände mit Ladungstransfer-Charakter in ZnII-Komplexen vermehrt in den Fokus, und so hat das Team um Steffen ZnII-Verbindungen hergestellt, die im festen Zustand langlebige Phosphoreszenz zeigen (Abbildung 4d).35)
Roeskys Team beobachtete thermisch aktivierte verzögerte Fluoreszenz aus einem ZnII-Komplex mit Iminophosphonamid-Liganden im festen Zustand (Abbildung 4e).36) Mit Liganden, in denen je eine Donor- und eine Akzeptoreinheit integriert sind, hat die Gruppe Wenger ZnII-Komplexe hergestellt, die in Lösung bei Raumtemperatur photochemisch nutzbare Triplettzustände aufweisen (Abbildung 4f).37)
Molekulare Rubine
Während die Photochemie von PS wie [Ru(bpy)3]2+ und den zuvor diskutierten CuI-, MnI-, Cr0- und Mo0-Komplexen in der Regel auf Ladungstransferzuständen basiert, sind die relevanten angeregten Zustände von CrIII-Komplexen mit 3d3-Elektronenkonfiguration ausschließlich metallzentrierte Zustände, Ligandenfeldzustände genannt.
Einige photochemisch aktive Ligandenfeldzustände unterscheiden sich vom elektronischen Grundzustand nur durch das Umklappen des Spins eines Elektrons am Metallion (spin flip) ohne Beteiligung der Liganden.38) Die Lumineszenz des Edelsteins Rubin Al2O3:Cr3+ basiert genau auf solchen Spin-Flip-Zuständen.
Intensive Lumineszenz, in diesem Fall Phosphoreszenz, und eine lange Lebensdauer der Spin-Flip-Zustände wurden nun auch in molekularen CrIII-Verbindungen etabliert, die in Analogie zum Edelstein Rubin molekulare Rubine genannt werden.39,40)
Der Prototyp-Komplex [Cr(ddpd)2]3+ aus der Arbeitsgruppe Heinze zeigt eine Lumineszenzbande bei 775 nm und eine Lumineszenz-Quantenausbeute von 13,7 Prozent in sauerstofffreier Acetonitrillösung (ddpd = N,N’-Dimethyl-N,N’-dipyridin-2-yl-pyridin-2,6-diamin) (Abbildung 5).39,40)
Für effiziente Energie- und Elektronentransferreaktionen von CrIII-Komplexen mit Reaktionspartnern müssen sich die Reaktanden nah genug kommen. Dies lässst sich beispielsweise in einem ionisch aufgebauten Festkörper wie [Cr(ddpd)2][Yb(dpa)3] realisieren (dpa2– = 2,6-Pyridindicarboxylat). Der YbIII-Komplex [Yb(dpa)3]3– dient nach Anregung bei 980 nm als Energiedonor und der CrIII-Komplex [Cr(ddpd)2]3+ als Energieakzeptor (Emission bei 775 nm) in einem Aufwärtskonversionsprozess (Abbildung 5).41)
Energietransfer mit CrIII
Die extrem langen Lebensdauern der Spin-Flip-Zustände der molekularen Rubine von bis zu einigen Millisekunden sind der Schlüssel zu ihrer ausgeprägten Energie- und Elektronentransferaktivität auch in Lösung. Der PS [Cr(bpmp)2]3+ (bpmp = 2,6-Bis(2-pyridylmethyl)pyridin, Abbildung 5) mit einer Spin-Flip-Lebensdauer von 1,55 ms in H2O/HClO4 lässt sich mit grünem Licht (532 nm) über eine intermediäre Besetzung eines höherenergetischen Ligandenfeldzustands in seinen Spin-Flip-Zustand anregen. Dann überträgt der PS seine Energie effizient zum Beispiel auf 9,10-Diphenylanthracen DPA als Energieakzeptor.42)
Das DPA wiederum eignet sich als Annihilator in molekularer Aufwärtskonversion. Dessen Gesamtquantenausbeute von 12 Prozent mit [Cr(bpmp)2]3+ als Sensibilisator ist aufgrund der langen Lebensdauer des Spin-Flip-Zustands außerordentlich hoch.43) Werden sterisch weniger gehinderte Anthracene als Energieakzeptoren in diesem Prozess verwendet, so dimerisieren sie in einer [4+4]-Cycloadditionsreaktion (Abbildung 6), die ohne PS für Aufkonversion sehr energiereiches UV-Licht benötigen würde.43)
Die Energie des Spin-Flip-Zustands kann auch auf Triplett-Sauerstoff 3O2 übertragen werden, wobei Singulett-Sauerstoff 1O2 entsteht. Die Quantenausbeute für die Entstehung von 1O2 mit [Cr(ddpd)2]3+ als Sensibilisator und Lichtanregung in luftgesättigter DMF-Lösung ist mit 61 Prozent sehr hoch. Der 1O2, der mit Anregung des Photosensibilisators durch eine kompakte Leuchtstofflampe oder eine 462-nm-LED gebildet wurde, kann aliphatische Amine wie Tri(n-butyl)amin, N-Phenyl-1,2,3,4-tetrahydroisochinolin oder Atropin mit Trimethylsilylcyanid in 63 bis 100 Prozent Ausbeute unter Standardbedingungen in α-Position cyanieren (Abbildung 6).44)
Für eine hohe Lumineszenz-Quantenausbeute unter Normalbedingungen ist die effiziente Löschung des Spin-Flip-Zustands durch 3O2 unerwünscht. In luftgesättigter Acetonitrillösung sinkt die Lumineszenz-Quantenausbeute von 13,7 auf 0,8 Prozent. Für diese Zwecke wurde daher das Zentralion durch modifizierte ddpd-Liganden mit sterisch anspruchsvollen Substituenten so stark abgeschirmt, dass die Löschung des Spin-Flip-Zustands durch 3O2 sank und die Lumineszenz-Quantenausbeute 5,1 Prozent erreichte.45)
Elektronentransfer mit CrIII
Spin-Flip-Zustände molekularer Rubine können stark oxidierend sein. Dabei wird der Komplex entweder am Metallion unter Bildung von CrII oder am Liganden unter Bildung eines koordinierten Radikalanions reduziert (reduktives Löschen). Diese Photoreaktivität (photoinduzierter Elektronentransfer, PET) kann dazu dienen, Substrate zu oxidieren.
Das photostabile Komplexredoxpaar [Cr(tpe)2]3+/2+ (Abbildung 5, S. 61)46) katalysiert die [4+2]-Cycloaddition von trans-Anethol und 2,3-Dimethylbutadien mit blauem Licht (tpe = 1,1,1-Tris(pyrid-2-yl)ethan). Die initiale chemische Reaktion ist die Reduktion des Komplexes im Spin-Flip-Zustand *[Cr(tpe)2]3+ zu [Cr(tpe)2]2+ und die Oxidation des trans-Anethols zum Radikalkation, das mit dem Dien weiterreagiert.
Für eine effiziente Rückoxidation des [Cr(tpe)2]2+ zum [Cr(tpe)2]3+-Photokatalysator ist Sauerstoff als Mediator nötig, der zum Superoxid reduziert wird. Superoxid reduziert schließlich das Radikalkationaddukt zum Diels-Alder-Endprodukt (Abbildung 6, S. 60).47)
Die intermediäre Bildung von [Cr(tpe)2]2+ wurde durch Photolyse und Laser-Blitzlichtphotolyse in Gegenwart von trans-Anethol spektroskopisch nachgewiesen. Die Stabilität des CrIII-PS ist sogar höher als die ähnlich photoredoxaktiver RuII-PS und ermöglicht es, den Katalaysator mehrfach zu nutzen.47)
Sauerstoff als Redoxmediator und Oxidationsmittel ist auch notwendig, um durch [Cr(dqp)2]3+ photokatalysiert aromatische Boronsäuren oder Borsäureester zu Phenolen umzusetzen, 1,1,2,2-Tetraphenylethen zum Diphenylketon zu spalten und Methoxyarene oxidativ zu bromieren (Abbildungen 5 und 6; dqp = 2,6-Bis-(8‘-chinolinyl)pyridin).48) Der reduzierte Photokatalysator [Cr(dqp)2]2+ wurde durch Laserblitzlichtphotolyse in Gegenwart verschiedener Substrate wie N-Phenylpyrrolidin spektroskopisch nachgewiesen. Das durch PET zunächst gebildete N-Phenylpyrrolidinradikalkation verliert ein Proton und addiert an Phenyl-trans-Styrylsulfon. Die radikalische Abgangsgruppe PhSO2• wird abgespalten und regeneriert [Cr(dqp)2]2+ zu [Cr(dqp)2]3+, wobei das Phenylsulfinat PhSO2– entsteht.48)
Mit der CrIII-vermittelten Photoredoxkatalyse lässt sich Schwefeldioxid SO2 gezielt in organische Verbindungen einbauen, und es bilden sich Sulfone oder Sulfonamide.49) In einer redoxneutralen Reaktion bildet der Photokatalysator [Cr(tpe)2]3+ unter Bestrahlung mit einer 430-nm-LED aus Kaliumcyclohexylborat, 2-Vinylpyridin und SO2 das entsprechende Cyclohexylsulfon in bis zu 46 Prozent Ausbeute (Abbildung 6).46) Auch hier sind die ersten chemischen Schritte die Reduktion des elektronisch angeregten *[Cr(tpe)2]3+ und die Oxidation des Cyclohexylborat-Substrats.49)
Der Photokatalysator [Cr(ddpd)2]3+ oxidiert bei Bestrahlung mit einer 430-nm-LED 4-Aminopyridin zum Radikalkation, das SO2 addiert und ein Proton verliert. Das dabei gebildete [Cr(ddpd)2]2+-Dikation wird durch ein Diphenyliodoniumion regeneriert. Das hieraus entstehende Phenylradikal addiert schließlich an das radikalische SO2-Addukt zum Sulfonamidprodukt in bis zu 56 Prozent Ausbeute für den Gesamtprozess (Abbildung 6).49)
Molekulare Rubine bieten nicht nur Anwendungen in der Photo(redox)katalyse und Aufwärtskonversion, sondern auch in der Sensorik und der zirkular polarisierten Emission.50)
Die Autor:innen
Zu diesem Trendbericht beigetragen haben Martin Schulz, Uni Jena, Michael Karnahl, TU Braunschweig, Narayan Sinha, Uni Basel, Luise Thomisch, Uni Jena, Oliver S. Wenger, Uni Basel, Katja Heinze, Uni Mainz. Den Bericht koordiniert haben Benjamin Dietzek-Ivanšić und Stefanie Tschierlei. Dietzek-Ivanšić ist stellvertretender Direktor des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien und Professor für physikalische Chemie an der Uni Jena. Er hat in Würzburg promoviert und war Postdoc an der Lunds Universitet und am Massachusetts Institute of Technology. Tschierlei ist Professorin für physikalische Chemie an der TU Braunschweig. Sie hat in Jena promoviert, war Postdoc an der Uppsala Universitet und der Uni Rostock und leitete an der Uni Ulm eine Nachwuchsgruppe. Foto Dietzek-Ivanšić: Sven Döring, Leibniz-IPHT, Foto Tschierlei: Viktoria Heyer, TU Braunschweig
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