Wissenschaft ist Leidenschaft. Doch der absolute Fokus auf das eigene Forschungsthema, die eigene Perspektive verschiebt sich, wenn sich der Blick für das Außen öffnet.
An einem Sommerabend im Jahr 2013 saß ich in Shan...
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Die Aufgabe: Grundschüler:innen naturwissenschaftliche Phänomene wie Fluoreszenz erklären. Schwierig? Nein, findet Ariane Pessentheiner. Mit einfachen Bildern und Geschichten gelingt das.
Die Österreicherin Ariane Pessentheiner ist Biochemikerin und Wissenschaftskommunikatorin. Ihr Spezialgebiet: Comics über naturwissenschaftliche Themen. Wie kam sie dazu?
Künstler:innen und Wissenschaftler:innen haben viel gemeinsam, findet Pessentheiner: „Beide sind kreativ und möchten die Welt mit ihren Methoden aus ihrer Perspektive erklären.“ Die Berufsgruppen könnten voneinander profitieren: „Wenn sie sich austauschen, kommen sie aus ihrer Bubble raus, das bringt ganz neue Blickwinkel.“
Ende der 2010er Jahre erforschte Pessentheiner als Postdoktorandin, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstehen, unter anderem an der University of California in San Diego. Wissenschaftskommunikation habe dort zum täglichen Brot gehört, und die Formate seien moderner gewesen als damals noch im deutschsprachigen Raum: überwiegend Science Slams und Wissenschaftsfestivals statt klassischer Pressemeldungen. Pessentheiner belegte einen Wissenschaftskommunikationskurs. „Das war ganz anders als alles, was ich bisher kannte. Anders, als ich gelernt habe, über meine Forschung zu sprechen.“ Die Dozentin war Theaterwissenschaftlerin. Sie sei von der künstlerischen Seite an die Themen herangegangen, habe den Teilnehmenden beigebracht, Bilder zu nutzen und Geschichten zu erzählen. Pessentheiner gefiel das, sie ist selbst „ein Kreativkopf“, malt und bastelt in ihrer Freizeit. Den Kurs hat sie zum Vorbild genommen, um zurück in Österreich in ihren eigenen Lehrveranstaltungen Kunst und Wissenschaft zu verknüpfen.
Gleichzeitig wollte sie Erfahrungen in der Wissenschaftskommunikation sammeln. „Wenn ich das Instrument nicht beherrsche, kann ich nicht das Orchester leiten. Wie soll ich etwas lehren, das ich selbst nie gemacht habe?“ Also startete sie im Jahr 2021 das Projekt HerzSache, um junge Erwachsene für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sensibilisieren. Dabei nutzt sie persönliche Geschichten, die Herzählungen, denn „über Emotionen kommen wir an die Menschen heran, und sie behalten sich Inhalte eher.“ Zusammen mit Illustrator Wolfgang Schütz entwarf Pessentheiner im Rahmen des Projekts zudem ein Wissenschaftscomic über Marko, den Makrophagen. „Ein Comic ist ein niederschwelliger Türöffner, der auch Leute anspricht, die sich sonst nicht unbedingt für Wissenschaft interessieren“, erklärt sie.
Diesen Türöffner nutzt sie seit 2023 auch in ihrem Projekt BioPhyCom. In Workshops an Grund- und weiterführenden Schulen in Österreich erklärt sie, was Biomembranen und Membranproteine sind und wie sie sich erforschen lassen – mit Experimenten und mit Comicfiguren. Die Schüler:innen sollen dabei Spaß an einem für sie bisher unbekannten Thema haben und sich für Forschung begeistern. Die Teilnehmenden zeichnen auch selbst, erfahren, wie sich Charaktere und Emotionen einfach darstellen lassen. „Das Schöne ist, dass die Schüler:innen am Ende etwas in der Hand haben, das sie mit nach Hause nehmen können. So ein Comic ist viel greifbarer als irgendwelche Daten und Diagramme.“
Wichtig ist es Pessentheiner, mit den Schüler:innen auf Augenhöhe zu kommunizieren: „Ich bin da nicht die Frau Doktor und auch nicht die Lehrerin, sondern einfach die Ariane.“ Wenn sie mit den Kindern Experimente mache, lasse sie sie vorab Hypothesen aufstellen. Da gebe es erstmal kein Richtig und Falsch. Was passiert zum Beispiel, wenn man Öl in Wasser schüttet? Besonders jüngere Schüler:innen erzählten ganz offen, was sie erwarteten: Das Öl sinkt ab, das Öl bildet Tröpfchen im Wasser, das wird aussehen wie eine Lavalampe. Wenn sie dann sähen, dass das Öl auf dem Wasser schwimmt, seien manche überrascht. Wichtig sei es dann, das Phänomen zu erklären, um eine Grundlage für komplexere Themen zu schaffen.
Pessentheiner fasziniert, wie unbeschwert Kinder an Experimente herangehen und Fragen stellen, ohne sich viele Gedanken darum zu machen. Daran sollten Erwachsene sich öfter ein Beispiel nehmen, findet sie. „Je älter wir werden, desto weniger trauen wir uns, Fragen zu stellen – aus Angst, etwas Dummes zu fragen. Das ist schade. Erwachsene sollten neugierig und unbefangen wie Kinder bleiben.“ Denn Kinder seien durch ihr ständiges Hinterfragen die geborenen Forscher:innen. KK
Bildung + GesellschaftSchlaglicht Wissenschaftskommunikation
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