Gesellschaft Deutscher Chemiker

Trendbericht Anorganik 2024

Nebengruppen, Bioanorganik und Koordinationschemie

Nachrichten aus der Chemie, Februar 2024, S. 58-65, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Hauptgruppen- und Molekülchemie: Die leichteste Metall-Metall-Bindung im Bisberyllocen; ein doppeltes Highlight in der Carbenchemie: C zweifach oxidiert mit formal vier Valenzelektronen und Bor-Flanken für extreme Lewis-Azidität; außergewöhnliche Liganden ermöglichen, ungewöhnlich reaktive Spezies zu isolieren: ein kristallines Triplett-Bismutiniden. Nebengruppen, Bioanorganik und Koordinationschemie: Rhodiumnitren, zweifach koordiniertes Ytterbium und lumineszierendes Chrom sowie quadratisch-planares Cu4S.

Nebengruppen, Bioanorganik und Koordinationschemie

Ungewöhnliches aus der Organometallchemie

Die Fähigkeiten von Metallverbindungen, hochreaktive Hauptgruppenfragmente zu stabilisieren und Bindungen zu aktivieren, sind von kontinuierlichem Interesse. Jay et al. untersuchten eine der fundamentalsten Reaktionen der Organometallchemie, die C–H-Aktivierung, mit Röntgenabsorptionsspektroskopie. Damit verfolgten sie direkt die Änderungen in den d-Orbitalen des Metalls auf der Femto- und Nanosekundenskala (Abbildung 1A).1)

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A) Zeitaufgelöste Verfolgung der C–H-Aktivierung an Rhodium; 17-Valenzelektronen-M0-Komplexe der 7. Gruppe und B) offenschalige PtI/PdI-Komplexe.

Die Gruppen um Figueroa und Abram isolierten erstmals 17-Valenzelektronen-Komplexe der Gruppe 7 (Abbildung 1B). Dies gelang mit sterisch anspruchsvollen organischen Isonitrilen.2)

Die Eigenschaften anderer offenschaliger 4d- und 5d-Metalle wurden an linearen PdI- und PtI-Komplexen untersucht (Abbildung 1C). Der Radikalcharakter in [Pt(PtBu3)2]+ führt zur C–H-Aktivierung unter einem für schwere d-Blockelemente unüblichen H-Atom-Transfermechanismus.3) [PdI(PtBu3)2]+ lässt sich über N-Donorliganden stabilisieren und dann zur C–C-Kreuzkupplung verwenden. Dabei finden sich erste Beweise für einen PdI/PdIII-Zyklus, der eine Alternative zu den klassischen Pd0/PdII- oder PdII/PdIV-Mechanismen darstellt.4)

Ein stabiler T-förmiger PtII-Komplex von Schneider und Mitarbeiter:innen erlaubte, das doppelt deprotonierte Diazomethandiid CN22– herzustellen (Abbildung 2A). Dieses ähnelt N3. Die hohe Ladungsdichte von CN22– ermöglicht die [3+2]-Cycloaddition mit CO2.5)

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A) Diazomethandiidkomplex, B) quadratisch-planare Platin(0)- und C) Cobalt(II)-Komplexe.

Quadratisch-planare Komplexe werden üblicherweise bei einer d8-Elektronenkonfiguration beobachtet. Bourissou und Mitarbeiter:innen zeigte sich diese Koordinationsgeometrie bei Platin(0) – trotz dessen d10-Elektronenkonfiguration (Abbildung 2B). Von entscheidender Bedeutung sind die Lewis-aziden Eigenschaften des Z-Typ-Liganden, der die Koordination eines vierten Liganden in der Ebene erlaubt.6)

Einen quadratisch-planaren Cobalt(II)komplex erhielten Logallo et al. über die kooperative C–H-Aktivierung teilfluorierter Arene durch NaN(SiMe3)2/Co(N(SiMe3)2)2. Die Wechselwirkung der Fluorsubstituenten mit den Gegenionen erzwingt die quadratisch-planare Anordnung (Abbildung 2C).7)

Schwerere Hauptgruppenelemente und der d-Block

Tilley und Mitarbeiter:innen berichteten über ein molekulares Dikobaltsilizid (Abbildung 3A). Diese ungewöhnliche kumulenartige Verbindung wird direkt aus SiH4 gewonnen. Durch Reaktion mit MeCl entsteht teilweise Methylchlorsilan, was an die Bildung von Organosilanen aus Silicium im Müller-Rochow-Prozess erinnert.8)

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A) Dicobaltsilizid aus SiH4 und B) Sn/Pb-Cobaltdreifachbindung.

Die Gruppe Wesemann erzeugte eine Cobalt-Zinn- und eine Cobalt-Blei-Dreifachbindung. Diese lässt sich über Protonierung in das [CoH=E]-Vinylkation überführen oder kann CO2 reduktiv disproportionieren (Abbildung 3B).9)

Mit den Elementen Co, Sn und Pb haben Wolf und Mitarbeiter:innen die ersten Komplex-Vertreter mit schweren Tetraphosphilidionen EP42– hergestellt (Abbildung 4A). Diese sind aromatisch, und ihre Struktur ist analog zum bekannten cyclischen P5.10)

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A) Tripeldeckerkomplex mit schwerem Tetraphosphilidanion und B) Koordinationsverbindung eines bismuthaltigen Zintl-Ions.

Eine spezielle Klasse von Hauptgruppenpolyanionen sind die Zintl-Ionen. Rienmüller et al. haben schwere Zintl-Ionen wie [TlBi3]2– in normalen organischen Lösungsmitteln wie THF gelöst, indem sie niedrigkoordinierte Mangankomplexe zufügten (Abbildung 4B).11)

Nitrido-, Phosphido- und Imidokomplexe

Ein oxidiertes Iridiumnitrid kann sein gebundenes Stickstoffatom in einen Cyclopentadienring von Ferrocen einschieben. Dabei erweitert sich der Ring zum Pyridin (Abbildung 5A).12)

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Reaktivität eines A) kationischen Iridiumnitrids und B) Niobphosphids.

Mit der Bildung des schwereren Phosphids an Niob beschäftigten sich Senthila und Team. Durch Reaktion des Phosphaethynolations PCO mit einem Niob(IV)komplex wird unter CO-Abspaltung ein Phosphoratom auf den PNP-Liganden übertragen (Abbildung 5B). Einelektronenreduktion des Komplexes erzeugt ein terminales Phosphanid. Dieser Vorgang lässt sich durch chemische Oxidation umkehren.13)

Metallstabilisierte Nitrene werden als flüchtige Zwischenstufen in der Aminierung von C–H-Bindungen diskutiert. Die Gruppe um Chang erhielt nun erstmals rhodiumgebundenes Acylnitren (Abbildung 6A). Dazu bestrahlten sie einen Kristall eines Dioxazolonrhodiumkomplexes bei 100 K.14)

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Nachweis eines A) Rhodiumnitrens und B) Cobaltnitrens.

Der Nitren-3d-Metallinteraktion näherten sich Munz und K. Meyer anhand eines kationischen Cobalt(III)imids (Abbildung 6B). Die schrittweise Oxidation am aromatischen Imidoliganden führt zuerst zu einem Imidyl ([NR]) und dann zu einem Nitren. Wie im freien Nitren lässt sich in Folge der aromatische Substituent in para-Stellung zum Stickstoff austauschen.15)

Katalyse

Die Polymerisation von Ethylen ist ein großtechnisch angewendetes Beispiel für die Homogenkatalyse. Wie Kong et al. für Nickel zeigten, ist die Di- oder Oligomerisierung von Ethylen ohne initiale Beteiligung von Metallhydriden möglich. In ihrem Nickelborylkomplex wurde Ethylen über Addition an die Ni–B-Bindung und Bildung eines Borametallacyclus aktiviert (Abbildung 7A). Es folgt die Kettenverlängerung mit einem zweiten Ethylenmolekül und abschließende Bildung von Butadien.16)

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A) Nickelborylvermittelte Ethylendimerisierung, B) Zirkonpräkatalysator für die kontrollierte Ethylenpolymerisierung und C) divergentes Verhalten eines kationischen Pd-Komplexes gegenüber Olefinen.

Kempe und Mitarbeiter berichteten über eine effiziente Ethylenpolymerisation mit einem simplen Zirkoniumpräkatalysator (Abbildung 7B). Dieser erlaubt, die Kettenlänge über die Ethylenmenge zu kontrollieren, bei gleichbleibend geringer Polydispersität der Polymere.17)

Im Fall von Palladium lösten Harth, Grabow und Mitarbeiter:innen ein Rätsel bei der Olefinpolymerisation durch Diiminkomplexe.18) Bei dieser zeigte sich eine ungewollte Isomerisierung zu internen Olefinen. Grund ist hier die partielle Dissoziation des Chelatliganden (Abbildung 7C). Dadurch werden zwei Koordinationsstellen zugänglich, sowohl für die Isomerisierung als auch die Polymerisierung.

Hierlemeier et al. hydrierten molybdänkatalysiert Arene (Abbildung 8A). Wie sie zeigten, ist der Schlüsselschritt der Einschub des Arens in die Metallhydridbindung.19)

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A) Molybdänhydridvermittelte Hydrierung von Arenen, B) metallhydridfreie Hydrierung von Alkinen und C) Nachweis eines CuI/CuIII-Paars in der C–X-Bindungsaktivierung.

Einen mechanistischen Einblick in die elektrokatalysierte Hydrierung von Alkinen gaben Kaeffer und Mitarbeiter:innen: Im Nickelacyclopropen-Komplex (Abbildung 8B) wird das Substrat ohne Bildung eines Metallhydrids abwechselnd protoniert und reduziert.20)

Offenschaligen 3d-Metallen kommt wachsende Bedeutung für C–C-Kreuzkupplungen zu. Die Gruppe um Doyle identifizierte etliche Nickel(I)vorläufer für die Suzuki-Miyaura-Kreuzkupplung und beteiligte Reaktionsintermediate. Dabei erwiesen sich niedrigkoordinierte Komplexe als überraschend unreaktiv.21)

Hartwig und Mitarbeiter:innen widmeten sich bei Kupfer der oxidativen Addition von Elektrophilen. Sie wiesen erstmals einen Additionsprozess nach, bei dem eine Organokupfer(III)spezies entsteht (Abbildung 8C).22)

Bioanorganik

Zu den Schwerpunkten des Interesses gehörten Eisen-Schwefel-Cluster und kupferbasierte Systeme, um Stickstoffspezies zu reduzieren.

F. Meyer und sein Team erzeugten ein synthetisches Modell des Cuz*-Zentrums der Distickstoffmonoxid-Reduktase (Abbildung 9A).23) Im reduzierten Zustand liegt das Fragment {Cu44-S)} in einer Wippen-Anordnung vor. Oxidation überführt den Cluster in eine ungewöhnliche quadratisch-planare Anordnung.

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Modellverbindungen eines Cu4S-Komplex für die Stickstoff-Reduzierung mit Kupfer.

Mit einem synthetischen β-Diketiminato-CuII-Komplex (Abbildung 9B) und mit Thiolen als Reduktionsmittel realisierten Gosh, Warren und Mitarbeiter:innen beide Schritte der Umsetzung von Nitrat zu Stickstoffmonoxid.24) Die initiale Reduktion von Nitrat zu Nitrit verläuft dabei durch eine Sauerstoffübertragung auf das Thiol.

Suess und Team untersuchten die Bindung von NO an einen dreifach 1,3-Dimethylimidazol-2-yliden-stabilisierten [Fe4S4]-Cluster. Dieser wird aus einem Präkursor durch Chloridabstraktion erhalten (Abbildung 10A).25) Aus der direkt zugänglichen monokationischen Spezies mit dem ungewöhnlichen Spin-Grundzustand S = 1 wird durch chemische Reduktion oder Oxidation die entsprechende Neutralspezies beziehungsweise das Dikation.

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Modellverbindungen: A) Eisen-Schwefel-Cluster und B) β-diketiminato-stabilisiertes FeIII2(μ-O)2-Fragment.

Ausgehend vom gleichen Präkursor erhielt die Gruppe außerdem einen offenen [Fe3S4]-Cluster (Abbildung 10A).26) Die [Fe3S4]0-Spezies hat ähnliche Fe-S-Abstände wie proteingebundene [Fe3S4]0-Cluster. Der oxidierte Cluster [Fe3S4]+ ist kompakter. So verändert sich durch Änderung des Redoxzustands die Struktur der Modellverbindung stärker als die im proteinstabilisierten Analog in Azotobacter vinelandii. Dies deutet auf einen entatischen Zustand im biologischen System hin.27)

Wird der sterische Anspruch der NHC-Liganden vergrößert, lässt sich ein [Fe4S4]0-Cluster mit einem koordinativ ungesättigten Fe herstellen (Abbildung 10A). Es ließ sich allerdings keine Bindung von N2 beobachten.

Im Kontext mit diesen Studien ist eine Publikation von Einsle und Mitarbeiter:innen erwähnenswert: Sie isolierten die Fe-Nitrogenase von Azotobacter vinelandii.28) Das FeFe-Protein mit dem Kofaktor [Fe8S9C] zeigt Strukturähnlichkeit zu den Mo- oder V-haltigen Kofaktoren der entsprechenden Nitrogenasen. Das stützt die Vorstellung eines allgemeinen Mechanismus aller Nitrogenasevarianten.

Mit einem sterisch anspruchsvollen β-Diketiminato-Liganden stabilisierten Drieß, Ray und Mitarbeiter:innen ein FeIII2(μ-O)2-Fragment (Abbildung 10B).29) In dessen diamantartiger Anordnung befinden sich die Eisenkationen in einer verzerrt tetraedrischen Umgebung mit einem Abstand von nur 2,5269 Å.

Das Team um Rittle brachte den ersten Beleg für eine Mn-abhängige Monooxygenierung in einem natürlichen Enzym.30) Die Oxygenase AibH1H2 des Bakteriums Rhodococcus Wratislaviensis benötigt neben Eisen auch Mangan, um eine C–H-Bindung des 2-Methylalanins (AIB) aktivieren zu können. Kristallografische Daten und ESR-Untersuchungen stützen diese Annahme.

Umwandlung NxHy-haltiger kleiner Moleküle

Die Umwandlung von N2 und NxHy ineinander ist weiter relevant. So zeigte sich für Vanadium erstmals eine neutrale Metallhydrazenidospezies bei der Umsetzung von N2 zu NH3 (Abbildung 11A). Diese Struktur liefert einen Beleg für den distalen Mechanismus, bei dem zuerst der endständige Stickstoff reduziert und als NH3 abgespalten wird.31) Alternativ dazu liefert die Reaktion eines Cr0-N2-Komplexes mit Chlorsilanen einen Chromdiazenidokomplex (Abbildung 11B). Dies entspricht einer alternierenden Reduktion beider Stickstoffe des N2-Moleküls.32)

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Divergente Abläufe für die Aktivierung von N2 durch Vanadium- oder Chromkomplexe (A bzw. B).

Peters zeigte für Eisen, wie sich durch Bestrahlung zwischen distalem und alternierendem Reaktionspfad wechseln lässt (Abbildung 12A).33) Bestrahlen eines [FeNNH2]-Komplexes schwächt die Fe-Hydrazenid-Bindung, und sie winkelt ab. Dadurch wird nun bevorzugt der metallgebundene Stickstoff protoniert, was zur Bildung von N2H4 anstatt von NH3 führt.

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A) Lichtgesteuerte Protonierung und B) Mechanismus der Organofunktionalisierung einer [FeNNR2]-Einheit sowie kupfervermittelte Kupplung von NH3 zu N2H4.

Holland und Team studierten die C–N-Bindungsbildung eines Eisen(IV)hydrazenids (Abbildung 12B).34) Dieses lässt sich als Eisen(II)isodiazen begreifen, was erklärt, weshalb das metallgebundene Aryl zum Stickstoffatom wandert.

Warren und Mitarbeiter widmeten sich der elektrokatalytischen Oxidation von NH3 zu N2 – eine Reaktion, die bei der Verwendung von Ammoniak als H2-Speicher wichtig ist. Dabei ist die Bildung eines Kupfer(II)amids nötig: Dieses kuppelt bimolekular zu Hydrazin, welches unter den elektrochemischen Bedingungen direkt an der Elektrode zu N2 oxidiert (Abbildung 13).35)

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Kupfervermittelte elektrokatalytische NH3-Oxidation zu N2H4.

Photochemie und Photophysik

Ein wichtiges Thema bleiben Systeme, die basierend auf gut verfügbaren Metallen photophysikalische und -chemische Prozesse ermöglichen.

Das Team um Wenger realisierte Cr0-Komplexe, deren Metal-to-ligand-charge-transfer(MLCT)-Lebenszeiten und Lumineszenz-Quantenausbeuten36) denen etablierter Komplexe mit 4d6- oder 5d6-Metallen ähneln. Die sterisch anspruchvollen Isocyanidliganden mit erweitertem π-System (Abbildung 14A) erhöhen die Rigidität der Systeme. Dies macht die angeregten MLCT-Zustände weniger empfindlich gegenüber nichtradiativen Deaktivierungsprozessen. Wie die Gruppe zudem zeigte, handelt es sich bei dem Pyrenyl-substituierten Derivat zusätzlich um einen effizienten Sensibilisator für die Triplett-Triplett-Annihilation-Aufkonversion.37)

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Neue Metallkomplexe für Photoredoxreaktionen und Aufkonversion basierend auf Cr0- und Mo0- (A beziehungsweise B) und C) PdII- sowie PtII-Komplexen für die Ausbildung von Head-to-tail-Dimeren in Lösung.

Heinze, Kitzmann und Mitarbeiter:innen präsentierten den neuen Mo0-Komplex Mo(CO)3(tpe) (tpe = 1,1,1-tris(pyrid-2-yl)ethan; Abbildung 14B).38) Der Komplex ist photostabiler als [Ru(bpy)3]2+. Er eignet sich zur photoredoxkatalytischen Dehalogenierung von Chlorpyrazin und ermöglicht die Aufkonversion von Photonen. Dem Vergleich mit Mo(bpy)(CO)4 zufolge sind ein tripodaler Ligand und das Vermeiden von zueinander trans-stehenden, labilen Carbonyl-Liganden entscheidend für die hohe Photostabilität.

Die Gruppe um Strassert berichtete von PdII- und PtII-Komplexen mit einem neuen Liganden, der Bipyridin-basiert ist und doppelt cyclometallisierend wirkt (Abbildung 14C).39) Dessen Substitution erleichtert in Lösung die Entstehung von Head-to-tail-Dimeren. Die dz2-Orbitale der quadratisch-planar koordinierten Metallionen können so interagieren. Bei niedrigen Konzentrationen (10–7 mol · L–1 in Dichlormethan) emittiert der Pt-Komplex aus einem metal-perturbed ligand-centered triplet state (3MP-LC), bei höheren Konzentrationen ist zusätzlich Emission aus einem 3MMLCT-Zustand zu beobachten. Beim Pd-Komplex zeigte sich bei niedrigen Konzentrationen keine Emission.

Ungewöhnliches aus dem f-Block

Ein Schwerpunkt der f-Element-Koordinationschemie bleibt die Suche nach Einzelmolekülmagneten, die bessere Eigenschaften haben als die bekannten.

Die Gruppe von Murugesu berichtete in diesem Kontext von einen stark gewinkelten, pseudotrigonalen, zweifach-koordinierten YbIII-Komplex (Abbildung 15A).40) Dessen Kristallfeld wird durch die Yb-N-Interaktionen dominiert; die räumlich nahen Phenylgruppen der Liganden haben nur geringen Einfluss. In der besonderen Koordinationsumgebung beläuft sich die Gesamtaufspaltung des Grundzustands auf etwa 1850 cm–1, und der Komplex zeigt langsame magnetische Relaxation.

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Neue Komplexe mit Einzelmolekülmagnet-Eigenschaften.

Die ersten organometallischen Lanthanoid-Bismut-Clusterverbindungen wurden von Demir und Chilton vorgestellt.41) Umsetzen von Cp*2RE(BPh4) (RE = Gd, Tb, Dy, Y) mit Triphenylbismut und Kaliumgraphit liefert einen Komplex mit verbrückendem Bi22– (Abbildung 15B). Weitere Reduktion führt zu einem Bi23–-Fragment und einem Verhalten, wie es von Einzelmolekülmagneten bekannt ist.

Großes Interesse gilt weiterhin der Stabilisierung von (terminalen) Mehrfachbindungen zwischen f-Elementen und Pnicogenen oder Chalcogenen. Sirsch, Anwander und Mitarbeiter haben ein terminales Yttrium-Phosphiniden hergestellt (Abbildung 16A).42) Röntgenographische und NMR-spektroskopische Untersuchungen deuten auf eine erhöhte Elektronendichte am Phosphor und den Mehrfachbindungscharakter der Bindung hin.

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Neue Komplexe mit Seltenerd- oder f-Elementen und Pnictogenen oder Chalcogenen.

Der TrenTIPS-Ligand ({N(CH2CH2NSiiPr3)3}3–) hat sich bewährt, um Actinoide in verschiedenen Oxidationsstufen zu stabilisieren, auch als Metall-Pnictidene An=PnR. TrenTIPS gelangt beim großen Ion ThIV allerdings an seine Grenzen. Der von Scheer, Liddle und Mitarbeiter:innen vorgestellte Ligand TrenTCHS ({N(CH2CH2NSi(Cyclohexyl)3)3}3–) ist sterisch noch anspruchsvoller als TrenTIPS (Abbildung 16B).43) Damit erzeugte die Gruppe die komplette Reihe terminaler Th- und U-Pnictidenid-Komplexe.

Das Team um Walter, Zi und Ding nutzte Imidouranmetallocen [η5-1,2,4-(Me3Si)3C5H2]2U=N(p-tolyl)- (dmap) (Abbildung 16C)44) als Präkursor, um terminale Oxido-, Sulfido- und Selenido-Komplexe herzustellen.

Die Gruppe um Roesky erhielt die ersten ringförmigen Sandwich-Verbindungen (Cyclocene).45) Die Ringe aus jeweils 18 Sm, Eu (oder Sr) und 18 Liganden CotTIPS (CotTIPS = 1,4-(iPr3Si)2C8H62−) haben der Kristallstruktur zufolge einen inneren Durchmesser von etwa 17 Å. Theoretische Untersuchungen zeigen, wie wichtig die Dispersions-Wechselwirkungen für die Stabilisierung der Ringstruktur sind.

Weitere Fortschritte gab es in Hinblick auf die Handhabung schwer zugänglicher später Actinoide. Koordiniert durch [18-Krone-6] lässt sich CfIII mit einem Al/Hg-Amalgan zu CfII reduzieren, wie Albrecht-Schönzart und Celis-Barros mit ihren Mitarbeiter:innen berichteten.46) Radiolytische Reoxidierung erschwert, die Spezies zu isolieren. Aber Kristallisation über dem Reduktionsmittel ermöglicht, den CfII-Komplex röntgenstrukturanalytisch zu untersuchen: Er hat eine leicht verzerrte hexagonal-bipyramidale Koordinationsgeometrie.

Einige Bakterien lassen sich nur in Anwesenheit von Lanthanoiden kultivieren, die sie für die Biosynthese bestimmter Enzyme benötigen. Wie die Gruppe um Daumann zeigte, können diese Organismen allerdings auch Actinoide verwenden.47) Diese müssen im Oxidationszustand +III vorliegen und ähnliche Ionenradien haben wie die sonst genutzten leichten Lanthanoide. Derartige Bakterienstämme haben Potenzial für das Recycling von Lanthanoiden und Actinoiden.

Drei Fragen an den Autor: Gunnar Werncke

Was würden Sie gerne entdecken oder herausfinden?

Eine einheitliche Methode, mit der sich verschiedenste paramagnetische Spezies in katalytischen Umsetzungen verlässlich strukturell und elektronisch charakterisieren lassen.

Was sind derzeit Ihre Hauptforschungsprojekte?

Die Auswirkung offenschaliger, mangelkoordinierter 3d-Metalle auf Substrate und ungewöhnliche elektronische Strukturen von Imidokomplexen.

Welche Anregung hat Ihnen das Sichten der Trendbericht-Literatur für Ihre eigene Forschung geliefert?

Die Möglichkeiten zur Kombination von Hauptgruppenfragmenten und Metallionen ist nur durch das Periodensystem an sich begrenzt.

Gunnar Werncke ist unabhängiger Nachwuchsgruppenleiter an der Universität Marburg.https://media.graphassets.com/EBVaCoZORFu58ePoUEAY

Drei Fragen an die Autorin: Elisabeth Kreidt

Ihre Forschung in 140 Zeichen?

Inspiriert von der supramolekularen Chemie entwickeln wir neue Strategien, um die Eigenschaften von Lanthanoiden manipulierbar zu machen.

Was würden Sie gerne entdecken oder herausfinden?

Wie man Lanthanoid-basierte CPL-Emitter – also solche für zirkular polarisierte Lumineszenz – weiter verbessern kann.

Was sind derzeit Ihre Hauptforschungsprojekte?

Wir entwickeln neue Liganden mit kontrollierbarer Dynamik und Rigidität.

Elisabeth Kreidt, Jahrgang 1990, ist seit März 2022 Nachwuchsgruppenleiterin an der Technischen Universität Dortmund. Sie ist gefördert durch ein NRW-Rückkehrerstipendium.https://media.graphassets.com/aVzJyO8RhaW8wXoGk2gW

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