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April, April

Gaskrise

Nachrichten aus der Chemie, April 2023, S. 8-9, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Ohne Gase geht es nicht – schon gar nicht im April. Dieser Trend zeichnet sich nun bereits seit Jahren ab, seit Transmutationen aus der Mode gekommen sind.

In diesem Jahr fallen die Elementumwandlungen aus. Kein Leser, keine Leserin hat der Redaktion eine Meldung darüber geschickt; kein Cobalt, kein Tantal, das zu einem Lanthanoid wurde. Nur in einer Krimireihe für Kinder, „Die drei ???“, fand Nachrichten-Leser Hauke Reddmann etwas: Yttrium,

„ein spezielles Edelmetall, das zu den sogenannten Seltenen Erden gehört“.

Aber das ist Fiktion. Offensichtlich sind doch alle Betrüger, die behauptet haben, ein Element lasse sich in ein anderes, kostbareres umwandeln.

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Dass Köche streng genommen auch Chemiker sind, wusste die Werbeagentur offensichtlich nicht. (Kleiner Hinweis eines Physikers auf Twitter: Aus dessen Sicht sind nur solche Zusätze künstlich, die in einem Teilchenbeschleuniger entstehen und maximal wenige Sekunden haltbar sind.) Foto: Maximilian Bräutigam

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Eine Hautpflegeserie für Männer. Nach Angaben des Schweizer Kosmetikanbieters Biences wurde diese entwickelt von Wissenschaftlern. Welcher Wissenschaft sie nachgehen, verrät der Hersteller nicht. Produkte für Frauen führen übrigens niemals „Science“ im Produktnamen. Vielleicht weil Frauen schlauer sind?

Einen letzten Rest Transmutation gibt es beim Autoclub Europa, ACE. Der meldete nämlich (und Holger Fränzl las es bei web.de), dass es nicht sinnvoll ist, den Brennstoff zu hamstern, denn

„Bakterien aus dem Biodieselanteil zersetzen mit der Zeit den Kohlenstoff im Diesel“.

Folgerichtig hat der Kreis Euskirchen seine alten Diesel-Busse durch Bio-Erdgasbusse (Abbildung unten) ersetzt, wie Ulrich Scharfenort erfahren hat. Denn der Brennstoff dafür entsteht nach Angaben des Kreises so:

„Bio-Gas ist ein regenerativer Kraftstoff, der aus nachwachsenden Stoffen und zu einem großen Anteil aus Abfallprodukten wie Gülle, Mist, landwirtschaftlichen und Bioabfällen gewonnen wird. Durch die Abspaltung von CO2 wird das Gas in Bio-Erdgas umgewandelt.“

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Nimm das, Putin: ÖPNV, der mit „Bio-Erdgas“ läuft. Kommt das Gas nun aus der Erde oder aus der Gülle?

Falls dieser Beitrag zum Klimaschutz aus dem Rheinland nicht dabei hilft, die Erderwärmung zu bremsen, müssen wir uns Anpassungsstrategien überlegen. Etwa: Wie verhindern wir Depressionen im Angesicht braunen Rasens? Die letzten Sommer in Deutschland lieferten ja reichlich Anschauungsmaterial. Das US-Unternehmen „Green Lawn Paint“ bietet ganz technologieoffen eine Lösung für das Problem, die Benedikte Roberz in der Süddeutschen Zeitung fand: Rasenspray, grün, biologisch abbaubar, unschädlich für Mensch, Tier und Natur. Einen Nachteil gibt es:

„beim Aufsprühen riecht es nach Stickstoff“.

Und das ist, so lernte Artur Sailler aus dem Trierischen Volksfreund, ein

„Luftschadstoff“.

Wer jetzt denkt: „Moment mal, wie kann Stickstoff ein Luftschadstoff sein, wenn die Luft vor allem aus Stickstoff besteht?“, war offenbar im letzten Jahr nicht auf der Documenta in Kassel, der Kunstausstellung, die dort alle fünf Jahre stattfindet. Dort hat Leser Ralph Kusche nämlich Neues über Helium erfahren:https://media.graphassets.com/6vJbRSIWSIS1mhx13nTo

Warnung vor Luft und Gift

Dass sich harmlose Chemieunfälle an Luft zu Katastrophen auswachsen können, wusste glücklicherweise die Feuerwehr Obersulm: Sie wurde gerufen, weil in einem örtlichen Betrieb eine Flasche Salzsäure zerbrochen war und die Chemikalie auslief.

meldete die Heilbronner Stimme. Der Kommandant der Einsatzkräfte mahnt korrekterweise: „Mit Chlorgas ist nicht zu spaßen.“https://media.graphassets.com/iInfiXnqQzrY2f6v54CA

Und wenn es gar kein Gas ist wie bei Covestro im Chempark Dormagen? Dort trat flüssiges Chlor aus. Auch das ist gefährlich, wissen jetzt Timo Frassetto und Matthias Scherr, denn nach Informationen der Neuss-Grevenbroicher Zeitung

„soll sich das Chlor bei Kontakt mit Sauerstoff in einen gasförmigen Zustand verwandeln“.

Ebenfalls gasförmig waren im letzten Jahr Substanzen, die bei einem Unfall im Mannheimer Hafen frei wurden (Zeit online meldete und Frank Amoneit las):

„Schwefeldioxid und andere Schwefelsalze“.

Daher dient es der Sicherheit von Menschen, wenn Geräte vor gefährlichen Gasen warnen, wie nun in einer Wohnsiedlung in Marl. Dort wurdenhttps://media.graphassets.com/I443l2lkR6WuRDVimRHL

Offenbar tatsächlich Kohlendioxid ist gemeint, wenn es in der Zeitschrift Natur um einehttps://media.graphassets.com/GY4K88RRbSIsaczVXGOw

geht.

Kuchenteig sollte gerade nicht CO2-arm sein, wie Annette Wolfgardt aus dem Schlossmagazin erfuhr:https://media.graphassets.com/JQ2YGTnUQ76wdayRmqHE

Durch diesen „natürliche Ersatz für Backpulver“ habe das Gebäck nämlich, so steht es im Bericht, weniger Kalorien. Da fragt sich die Bäckerin: Wie viel Backpulver löffelt der Autor dieses Küchentipps wohl routinemäßig in seinen Kuchen?

Wundermittel Wasserstoff

Ob das Gebäck auch mit dem Kohlendioxid fluffig und locker wird, von dem das Waffenmagazin Visier berichtet?https://media.graphassets.com/95WbeQJ8Q1uNv0zPaKNK

In der Fernsehzeitschrift Prisma hat Gerhard Hinz eine Zahnpasta entdeckt, die besonders sauber macht. Sie enthält nämlich Fluorid, das ist einehttps://media.graphassets.com/JkNkmTaBTHqEfJfQaUa2

Das Magazin Wohnen regt dagegen an, Regenwasser zu sammeln. Es koste nichts, sei frei von Chemie und

„Durch seinen niedrigen pH-Wert ist gefiltertes Regenwasser auch perfekt zum Wäschewaschen geeignet.“

Wer denkt da nicht an sauren Regen.

Kreislaufwirtschaft und Energiewende neu gedacht

Wasser, das nicht chemiefrei ist, enthält vielleicht wertvolle Rohstoffe. So berichtet die Augsburger Allgemeine über ein Unternehmen, das Mikroplastik aus Wasser schöpft und dann (so las Martin Schmid)https://media.graphassets.com/fhgpD16JRaGmWtU8bXNG

PVC lässt sich ebenfalls prima chemisch verwerten, wie die University of Michigan herausgefunden und Stefan Fokken gelesen hat. Denn es

„besteht aus Materialien wie Duschvorhängen, Zelten, Planen und Kleidung.“

Woraus die leuchtende Fliege besteht, die der elegante Herr während des Karnevals trägt, steht auf der Packung:https://media.graphassets.com/MWj7ZgPdRHe9ruhkEMcD

Da Strom auch in der Schweiz knapp und teuer geworden ist, geriet eine Lichtshow vor dem Bundeshaus in Bern im Oktober in die Schlagzeilen. Der Berner Sicherheitsdirektor konnte den Vorwurf der Energieverschwendung entkräften, indem er dem Schweizer Medium 20 Minuten gegenüber sagte:

„Außerdem liefen die Projektoren mit Phosphorenergie, was „sehr energieeffizient“ sei.“

Leserin Liv Peters weiß zwar nicht, was das ist, aber vielleicht steckt hier ja die Lösung für unser Energieproblem.

Die Lösung für alles bringt ein Kristall, den Terrance Hadlington an der TU München hergestellt hat, jedenfalls wenn man dem Münchener Merkur glaubt:

„Die mögliche Rettung der Welt ist rund 0,00001 Millimeter klein. Der Kristall ist eine Bindung aus Eisen und dem Halbmetall Germanium.“

Wenn das keine gute Nachricht ist.

Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski sichtet die Stilblüten und gerät Anfang März regelmäßig in Panik. Das „Wir haben nichts“ in der April-Redaktionskonferenz hat sich auch dieses Jahr als falsch erwiesen.

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