Bildung + Gesellschaft

Das Henriette-Herz-Scouting-Programm will Wissenschaftstalente nach Deutschland bringen. Wie man Talente findet, was zum Prozess gehört und welche Erfahrungen sie gemacht haben, beschreiben Scout Carsten Streb und die beiden Nachwuchswissenschaftlerinnen Dhouha Abid und Sarra Rahali.Beim Henriette-Herz-Scouting-Programm darf man sich als Scout bewerben und bis zu drei Wissenschaftler:innen vorschlagen – idealerweise solche, für die ein hiesiger Forschungsaufenthalt bisher nicht infrage kam.<h2 type="main">Das sagt der Scout</h2>Carsten Streb forscht und lehrt seit April 2022 als Professor für anorganische Chemie an der Universität Mainz. Er ist der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) seit über zehn Jahren als Gutachter und Gastgeber für Postdoktorand:innen verbunden und erhält daher regelmäßig Informationen über Neuigkeiten aus der <link href="#nadc20254147353-fig-0001">Stiftung.<figure xml:id="nadc20254147353-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://eu-central-1.graphassets.com/Aype6X9u2QGewIgZKbFflz/cma2406zj59pk06uf9vcyw8l5"><figcaption><label>Abb.1: </label>Von links: Dhouha Abid mit Carsten Streb und Sarra Rahali. Foto: Tobias Rios-Studer</figcaption></figure></figure>Das Henriette-Herz-Scouting-Programms (HHSP) wurde erstmals im Jahr 2019 ausgeschrieben. Was hat Sie bewogen, teilzunehmen?Ich hatte schon länger überlegt: Wie können wir Talente aus bisher unterrepräsentierten Bereichen – bezogen auf Regionen und Geschlecht – gewinnen? Denn das halte ich für wichtig, um Deutschlands Forschungslandschaft langfristig zu stärken.Als ausgewählter Scout können Sie bis zu drei Wissenschaftstalente aus dem Ausland vorschlagen. Diese erhalten nach formaler Prüfung direkt ein Stipendium.Genau. Ich wollte exzellente Kandidat:innen aus unterrepräsentierten Weltregionen, insbesondere aus Afrika, für die Humboldt-Stiftung gewinnen.Ist es nicht schwierig, jemanden auszusuchen, mit dem man womöglich noch nie zusammengearbeitet oder den man noch nie gesehen hat?Schon. Deshalb habe ich meine Professorenkolleginnen Andrea Pannwitz in Jena und Montaha Anjass in Sharjah, Vereinigte Arabische Emirate, um ihre Meinung zu den Kandidat:innen gebeten – um fair und möglichst ohne Befangenheiten zu wählen.Wie ging es dann weiter?Sobald ich die Zusage der AvH für die zwei beantragten Postdoktorand:innen-Positionen hatte, bewarb ich diese auf Twitter/X, Linkedin und fachspezifischen Emailverteilern. Zudem aktivierte ich meine Forschungsnetzwerke und Kooperationspartner. All dies lief im Jahr 2020/21 …… da kam die Corona-Pandemie.Die und mein geplanter beruflicher Wechsel von Ulm nach Mainz verzögerten die Kandidat:innensuche. Erst als klar wurde, wann ich umsiedeln würde, nahm ich die Suche wieder auf. Bei diesem zweiten Anlauf kam mir eine ausgeklügelte KI zur Hilfe: Linkedin schlug mir eine frisch promovierte Chemikerin aus Tunesien als Kontakt vor.Das ist Sarra Rahali von der Universität Tunis?Richtig. Sie schien – basierend auf den wenigen verfügbaren Informationen – sehr gut für die Arbeiten in meiner Gruppe zu passen, kennt sich mit Wasseraufreinigung und Spurenanalytik aus.Sie haben sie dann per Linkedin kontaktiert …… und gefragt, ob sie sich einen Postdoc-Aufenthalt in Deutschland vorstellen könne. Nach einem Interview per Videokonferenz und mit Befürwortung von Andrea Pannwitz und Montaha Anjass haben Sarra und ich uns schnell auf eine Projektidee und einen Zeitplan geeinigt.Wie schnell kam sie dann nach Deutschland?Zwischen unserem ersten Kontakt und dem Beginn von Sarras Vorbereitungssprachkurs vergingen nur sechs Monate.Und wie haben Sie Ihre zweite Kandidatin gefunden?Da kam mir der Zufall zu Hilfe – in Form meiner Kollegin Eva Rentschler, ebenfalls Professorin in Mainz. Sie wusste von meinem HHSP-Projekt und hatte vor einiger Zeit eine Gastwissenschaftlerin aus der tunesischen Stadt Sfax zu Besuch, die den Kontakt zu Dhouha Abid herstellte. Nachdem ich mir ihren Lebenslauf angeschaut und mit ihr gesprochen hatte, beschloss unser Dreierauswahlkomitee, auch Dhouha als HHSP-Kandidatin zu nominieren.Und was sagen Sie: Hat es sich gelohnt, die beiden nach Deutschland zu holen?Sarra ist seit Dezember 2022 in meiner Arbeitsgruppe, Dhouha seit Oktober 2023. Die Zusammenarbeit ist äußerst fruchtvoll, erste Forschungsergebnisse sind bereits publiziert, und ich freue mich, weiterhin eng mit den beiden zusammen zu arbeiten. Auch auf persönlicher Ebene habe ich viel gelernt.<h2 type="main">Das sagen die Nachwuchstalente</h2>Sarra Rahali, geboren 1992 in Le Kef, Tunesien, hat an der Universität Tunis El Manar promoviert. Thema ihrer Doktorarbeit war „Extraction and valorisation of high value-added metals using novel ionic liquids“. Sie begann ihren Aufenthalt in Deutschland mit einem dreimonatigen Sprachkurs ab September 2022 und ist seit Dezember 2022 in Carsten Strebs Gruppe.Dhouha Abid, geboren 1993 in Sfax, Tunesien, absolvierte ihre Promotion an der Universität Sfax. Dort beschäftigte sie sich mit „Design of eco-friendly porous coordination polymers (MOFs) and multifunctional proton conductors“. Sie begann ihren Aufenthalt in Deutschland mit einem zweimonatigen Sprachkurs ab August 2023 und forscht seit Oktober desselben Jahres in Strebs Arbeitskreis.<h2 type="main">Sarra Rahali</h2>Wie war gerade Ihre Situation, als Carsten Streb Sie kontaktierte?Da suchte ich gerade nach Postdoc-Stellen, um meine chemische Forschung weiterzuentwickeln.Was hat Sie am HHSP angesprochen?Es erschien mir eine seltene Gelegenheit, in einem führenden Forschungsumfeld zu arbeiten und gleichzeitig meinen eigenen Hintergrund und mein Fachwissen einzubringen.Wie haben Sie den Umzug nach Deutschland erlebt?Der Wechsel nach Deutschland war ein großer Schritt, aber das HHSP hat mich sehr unterstützt, von der Visums-Beantragung bis zu vorbereitenden Sprachkursen. Das machte den Umzug nicht weniger spannend, aber überschaubar.Wo fand der Sprachkurs statt?In Frankfurt, und er war eine großartige Einführung in die deutsche Kultur. Während meines letzten Sprachkursmonats bereitete ich mich darauf vor, von Frankfurt nach Mainz zu ziehen. Das Team dort half mir trotz der Weihnachtsferien bei der Wohnungssuche. Das und Carsten Strebs Unterstützung haben mir einen nahtlosen Übergang ermöglicht.Was ist Ihr Fazit zum HHSP?Daran teilzunehmen hat nicht nur meiner Karriere Schub gegeben, sondern mich auch darin bestärkt, mich mehr für die Förderung von Vielfalt und Integration in der Wissenschaft zu engagieren. Das HHSP geht über die bloße Vernetzung von Forschern hinaus; es gibt uns die Instrumente und die Unterstützung, um über Grenzen hinweg wirklich etwas zu bewirken. Ich bin glücklich, Teil dieser Erfahrung zu sein.<h2 type="main">Dhouha Abid</h2>Wie war Ihr Einstieg ins HHSP?Nachdem mit Carsten Streb alles geklärt war, machte er mich mit Sarra Rahali bekannt, die ihre HHSP-Reise ja bereits angetreten hatte. Ihre Ratschläge und Einblicke in den Bewerbungsprozess waren von unschätzbarem Wert, und ihre Freundschaft war eine Quelle der Unterstützung.Ihre Situation war eine besondere: Sie sind mit Mann und Ihren zwei Kindern nach Deutschland gekommen. Wie lief das?Mit dem internationalen Büro und der Kinderbetreuung der Universität konnte ich schon kurz nach unserer Ankunft in Mainz eine Kinderbetreuung organisieren. Dies, Sarras Unterstützung und die durch Carsten Streb und seine Gruppe hat sehr dazu beigetragen, dass ich mich in meiner neuen Umgebung wohl fühle und mich gut eingewöhnt habe.Ihre Söhne Adam Jallouli und Ayoub Jallouli waren 7 und 5 Jahre alt, als sie in Deutschland ankamen. Wie haben sie sich in Schule und Kita eingelebt?Ayoub hat sich schnell an das Leben in der Kita gewöhnt, wo Kinder aus vielen verschiedenen Ländern sind. Obwohl er anfangs kein Deutsch sprach, waren die Erzieher:innen außerordentlich freundlich und geduldig, sodass er sich wohl fühlte. Er hat schnell Freunde gefunden. Für Adam war es in der Schule aufgrund der Sprachbarriere etwas schwieriger. Die Schule hat ihm jedoch zusätzlichen Sprachunterricht angeboten und dafür gesorgt, dass wir uns mit seinen Lehrer:innen auf Englisch verständigen konnten, was ihm wirklich half. Es hat etwas gedauert, aber er hat sich gut eingelebt, Freunde gefunden und geht jetzt jeden Tag gerne dorthin.EL

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Erfahrungen als Späher und Erspähte

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Schlaglicht Chancengleichheit

Acht Promovierende in verschiedenen EU-Ländern forschen gemeinsam an einem Projekt. Dieses gehört zum Marie-Skłodowska-Curie-Actions-Programm (Msca) Horizon Europe der Europäischen Kommission.Im Projekt Strike <link href="#nadc20254150129-fig-0001">des Mscas der Europäischen Kommission arbeiten acht Promovierende an Nanomaterialien gegen Knochenkrebs und an der Frühdiagnostik von Brustkrebs. Die Wissenschaftlerin Ana Laura Coria Gutierrez (<link href="#nadc20254150129-fig-0002">Foto S. 42) ist eine davon. Sie promoviert hauptsächlich an der Universität in Messina auf Sizilien mit dem Schwerpunkt, Nanomaterialien zu synthetisieren. Dort arbeitet auch ihr Hauptbetreuer, während ihr Co-Betreuer an der Palacky-Universität Olomouc sitzt. Die anderen sieben Teammitglieder forschen unter anderem in Österreich, Italien und Tschechien, um Wissen aus unterschiedlichen Forschungseinrichtungen zu vereinen. Während des Programms besuchen die Teammitglieder zwölf Institute in Europa, die ihnen Wissen über ihre Forschung vermitteln, aber nicht nur das. Ana zum Beispiel war für zwei Monate beim Verlag Wiley-VCH in Weinheim. Dort lernte sie, wissenschaftlich zu schreiben, und wie Verlage Paper veröffentlichen. In Budapest besuchte sie das Unternehmen Cyclolab, das ihr zeigte, wie sich Cyclodextrine herstellen lassen. Dieses Nanomaterial ist wichtig für ihre Forschung.<figure xml:id="nadc20254150129-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://eu-central-1.graphassets.com/Aype6X9u2QGewIgZKbFflz/cma24g36b5w3y06ufk4f9elvk"><figcaption><label>Abb.1: </label>Bild: AJ Studio / Adobe Stock</figcaption></figure></figure><figure xml:id="nadc20254150129-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://eu-central-1.graphassets.com/Aype6X9u2QGewIgZKbFflz/cma24g5ak4zi707um0j2r34jd"><figcaption><label>Abb.2: </label>Die Wissenschaftlerin Ana Laura Coria Gutierrez, hier im Labor, promoviert im Rahmen des Marie-Skłodowska-Curie-Actions-Programms an mehreren Universitäten. Foto: privat</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Warum sich das Programm lohnt</h2>Viel reisen, mit internationalen Teams arbeiten und dabei Kulturen kennenlernen, das ist für Ana das absolute Highlight des Programms. Dadurch sei sie sensibler und toleranter gegenüber anderen Traditionen geworden und habe gleichzeitig ihre Komfortzone vergrößert. Darüber hinaus habe sie gelernt, sich gut zu organisieren. Dazu gehört: Reise planen, die Stadt erkunden, Sport machen und Zeit für sich selbst frei halten. Als herausfordernd empfindet sie, Kontakt mit ihren internationalen Freund:innen und ihrer Familie in Mexiko zu halten. Aber sie findet: „My life is like a pizza, and my family and friends are an important slice of it “. Deshalb versucht sie, regelmäßig mit ihnen zu telefonieren oder zu videochatten.<h2 type="main">Der Weg ins Programm</h2>Ana begann ihr Bachelorstudium in Biomedical Physics an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko im Jahr 2018. Anschließend machte sie ihren Master zwischen 2021 und 2023 in Biomedizinischer Technik übergreifend an drei Universitäten in Paris (Université Paris Sciences et Lettres, l‘École Supérieure Nationale d‘Arts et Métiers – Grand École d‘Ingénieurs, Université Paris Cité). Dort erfuhr sie in einem Kurs vom MSCA-Programm der Europäischen Kommission. Über deren Job-Portal Euraxess fand Ana das Strike-Projekt. Damals begeisterte sie die Idee, mit verschiedenen Forschenden und Instituten interdisziplinär arbeiten zu dürfen sowie gegen Tumoren zu forschen.Um sich auf das Projekt zu bewerben, hat sie den MSCA-Koordinator:innen ihren Lebenslauf, ein Motivationsschreiben und Empfehlungsschreiben geschickt. Sie bat einige Professor:innen um eine Empfehlung, darunter den Professor und Betreuer ihrer Masterarbeit. Außerdem musste sie der MSCA-Jury ein wissenschaftliches Paper präsentieren, dass diese vorher ausgewählt hatte. Insgesamt umfasste das Verfahren mehrere Interviewstufen per Videocall.Ana ist schon seit eineinhalb Jahren im Projekt dabei. Bald will ihre Forschungsgruppe ein Paper veröffentlichen. Künftigen Teilnehmenden möchte Ana mit auf den Weg geben, dass das Projekt ein Abenteuer für sich ist und Durchhaltvermögen erfordert. Forschung kann frustrierend sein, vor allem wenn die Experimente nicht funktionieren wie erhofft. Wer jeden Tag ein bisschen weiterarbeitet, kommt weit, so ihre Erfahrung.<h2 type="main">Das Programm MSCA</h2>Die Europäische Kommission hat im Jahr 1996 das Marie-Skłodowska-Curie-Actions-Programm gestartet. Seitdem haben rund 60 000 Doktorand:innen daran teilgenommen. Wer einen Doktortitel anstrebt oder schon promoviert hat, kann sich für das Programm bewerben. Akademische Institutionen und Organisationen können sich als Forschungsstandort anbieten.Für den Förderzeitraum zwischen den Jahren 2021 und 2027 verfügt die Europäische Kommission über 6,6 Milliarden Euro. Das Geld dient den Teilnehmenden, zu reisen und zu forschen. Damit will die Europäische Kommission die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken. Das funktioniert, wer mitmacht kann sogar den Nobelpreis gewinnen. So ging es bei Stefan W. Hell, Professor für biophysikalische Chemie: Er hat im Jahr 1996 ein Stipendium von der Msca erhalten. 18 Jahre später gewann er den Chemie-Nobelpreis für seine multidisziplinäre Forschung.<h2 type="main">Horizon Europe</h2>Mit dem Horizon-Europe-Programm will die Europäische Kommission den Wissenschaftsstandort Europa stärken. Das Budget beträgt 93,5 Milliarden Euro. Damit wird die Kommission künftig eine Open-Access-Publikationsplattform mit Peer-Review und eine europäische Cloud finanzieren, genannt European Open Science Cloud (Eosc) beziehungsweise Open Research Europe (Ore). Diese Tools sollen Forschungsdaten für Wissenschaftler:innen FAIR (Findable, Accessible, Interoperable und Reusable) zugänglich machen.Außerdem vergibt die Europäische Kommission Promotionsstipendien.<h2 type="main">Die Autorin</h2>Die freie Nachrichten-Mitarbeiterin Medea Edinger traf beim Global Women‘s Breakfast in Weinheim einige spannende Menschen, darunter Ana Laura Coria Gutierrez.

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