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Weltklimakonferenz

Drei Krisen gemeinsam lösen

Nachrichten aus der Chemie, Februar 2024, S. 26-27, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Die deutsche Chemie-, Metall- und Baustoffindustrie bekannte sich in Dubai zu Energie aus erneuerbaren Quellen. Nachhaltige Chemikalien, Schadstofffreiheit und Überdüngung wurden eher wissenschaftlich erörtert.

Den „Weg zu wirksamem Klimaschutz“ nannte der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) Alexander Bonde die 28. UN-Klimakonferenz (United Nations Framework Convention on Climate Change, 28th Conference of the Parties, COP28) in Dubai. Dies sei ein globaler Marathon, bei dem die Laufenden aneinander festgebunden sind. Darum müsse gesprochen werden über unterschiedliche Ansätze, Sichtweisen und Interessen – auch in Präsenz.

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Dubai-Skyline. Foto: Leonid Andronov / Adobe Stock

Ein Zwischenziel dieses Marathons ist erreicht: Erstmals ruft die Abschlusserklärung zur Abkehr von fossilen Brennstoffen auf. Auch wenn dies in vergleichsweise schwachen Formulierungen geschieht, ist es als Erfolg zu werten. Denn im Pariser Klimaschutzabkommen aus dem Jahr 2015 ist lediglich abstrakt festgehalten, dass die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bei „deutlich unter zwei Grad, möglichst bei 1,5 Grad“ liegen soll. Der Weg dorthin wird nicht thematisiert; der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Gas kommt nicht vor. Erst bei der Weltklimakonferenz in Glasgow vor zwei Jahren war mühsam die Perspektive für einen globalen Kohleausstieg verhandelt worden.

Nach der Einigung auf der COP28 im Jahr 2023 in Dubai steht fest: Jetzt geht es um die gesamten fossilen Energieträger als Auslöser der menschengemachten Klimakrise. Der UN-Klimasekretariats-Chef, Simon Stiell, wertet dies so: „Auch wenn wir das Zeitalter der fossilen Brennstoffe in Dubai nicht beendet haben, ist dieses Ergebnis der Anfang vom Ende.“ Im Klartext: Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern wird die kommenden Weltklimakonferenzen bestimmen.

Weltweite Bestandsaufnahme

Thema dieser Weltklimakonferenz war die weltweite Bestandsaufnahme (Global Stocktake). Diese liegt entsprechend der Mechanismen des Paris-Abkommens alle fünf Jahre an und fand im Jahr 2023 zum ersten Mal statt. Dem Paris-Abkommen zufolge muss sich jeder Mitgliedsstaat Klimaziele setzen. In Deutschland geschah dies im Klimaschutzgesetz mit dem Ziel Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 und definierten Zwischenetappen.

Bei der globalen Bestandsaufnahme werden diese nationalen Ziele, im Klimakonferenz-Jargon „nationally determined contributions (NDC)“, ausgewertet: Lassen sich damit die Ziele der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) erreichen? Diese Auswertung lag vor der Konferenz vor und ergab, dass aus den nationalen Zielen, die noch nicht einmal sicher umgesetzt werden würden, eine 2,4 bis 2,9 °C wärmere Welt folgt – mithin das 1,5-Grad-Ziel bei Weitem verfehlt würde. Schon vor der Dubai-Klimakonferenz war also der Handlungsbedarf klar, vor allem, da sich Landmassen schneller erwärmen als der weltweite Durchschnitt. In Deutschland müssten wir mit einer etwa 4 bis 5 Grad höheren Temperatur rechnen als in vorindustriellen Zeiten.

Bis zur nächsten Weltklimakonferenz 2024 in Baku, Aserbaidschan, müssen nun also alle Mitgliedsstaaten ihre nationalen Klimaschutzziele anpassen, um das in der aktuellen Abschlusserklärung erneut bestärkte 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen. Diese gibt nun die Ziele und Ansatzpunkte für die verschärften nationalen Anforderungen vor.

Auch wenn über den Ausstieg aus den fossilen Energien am meisten berichtet wurde, gibt es weitere wichtige Punkte in der 23-seitigen Abschlusserklärung. So soll der Kohleausstieg beschleunigt werden, sofern das bei der Verbrennung anfallende Kohlendioxid nicht abgeschieden wird. 167 Staaten haben sich zu einer Allianz für den Kohleausstieg bis zu den 2030er-Jahren zusammengeschlossen. Die weltweite Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen soll bis zum Jahr 2030 verdreifacht und die Energieeffizienz verdoppelt werden. Das sind auch für Deutschland ambitionierte Ziele, die zusätzliche Anstrengungen erfordern. Ebenfalls angesprochen wurden die Minderung des Treibhausgases Methan und der natürliche Klimaschutz, beispielsweise durch das Wiedervernässen von Mooren und durch Aufforstungen.

Die meisten Ziele der Abschlusserklärung sind nicht verbindlich, sondern geben nur eine Richtschnur an die Nationalstaaten für ihre jeweiligen Klimaschutzmaßnahmen.

Klima, Biodiversität und Verschmutzung

Die wissenschaftlichen Fachgremien Weltklimarat (IPCC), Weltbiodiversitätsrat (IPBES), der internationale Ressourcenrat (IRP) und das in Gründung befindliche „science-policy panel for the sound management of chemicals and waste and to prevent pollution“ wollen zunehmend koordiniert vorgehen.

Dadurch sollen die Krisen in Klima, Biodiversität und Verschmutzung gemeinsam und abgestimmt gelöst werden. Dies ist ein Ansatz, der immer wichtiger wird, um Synergien zu nutzen. Neben dem Klimaschutz sollten daher stets Fragen des Naturschutzes, der Ressourcennutzung und der Umweltverschmutzung mit betrachtet und insgesamt stimmige Lösungen entwickelt werden.

Leitmesse für Klimaschutz

Die Weltklimakonferenz ist mittlerweile – neben den eigentlichen Verhandlungen – eine Leitmesse für Klimaschutz und eine zentrale Plattform für den internationalen Austausch über Innovation und Nachhaltigkeit. Hier werden Investitionsentscheidungen angebahnt und getroffen. Menschen tauschen sich zu Fachthemen rund um Lösungen für die weltweiten Umweltprobleme aus. Auf dem Gelände der Weltklimakonferenz sind dazu fast alle Mitgliedsländer mit Ständen vertreten – ergänzt um viele Themenhallen, beispielsweise zu erneuerbaren Energien, Ozeanen, Ernährung und „climate action“. Zu letztgenannten gehören Initiativen der Zivilgesellschaft, darunter: wie sich mit einer Kommunikation, die auf Lösungen für den Klimaschutz setzt, der Klimaschutz beschleunigen lässt.

Die deutsche und internationale Wirtschaft hat vor Ort selbstbewusst Gesicht gezeigt – und sich als Teil der Lösung präsentiert. Es gab eine klare Sachorientierung der Debattenbeiträge. Vor einigen Jahren war das aus meiner Sicht anders: Oft ließ sich der Eindruck gewinnen, dass Greenwashing die Beiträge dominiert. Auf der diesjährigen Weltklimakonferenz haben fast alle Vorträge zumindest konkrete Umsetzungen oder Umsetzungsplanungen von Lösungsansätzen thematisiert.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind ein bleibender Trend. Die Richtung in der Industrie fokussiert auf Erneuerbare, Effizienz und Circular Economy. In großen Märkten wie den USA und China sowie in einigen Schwellenländern laufen die ökologischen Modernisierungsanstrengungen weiter. Es wird in Techniken rund um die Energiewende investiert. Technisch sind einige Länder dort weit vorangeschritten.

Die deutsche Industrie der Bereiche Chemie, Stahl und Metalle sowie Zement und Baustoffe thematisierte insbesondere die Umstellung auf Energie aus erneuerbaren Quellen und auf Wasserstoff. Während erneuerbare Energien zunehmend konkurrenzfähig sind und Unternehmen dort ohne staatliche Unterstützung investieren, lassen sich Wasserstoffprojekte zurzeit nicht wirtschaftlich sinnvoll umsetzen. So erwähnte Miguel Ángel López Borrego, CEO Thyssenkrupp, bei einem Panel der Wirtschaftsführenden im Deutschen Pavillon die staatlich geförderte Investition in eine Anlage, die bis zum Jahr 2026 Stahl mit Wasserstoff reduzieren und jährlich 3,5 Millionen Tonnen CO2 vermeiden soll.

Weitere Aspekte, darunter nachhaltige Chemikalien, Schadstofffreiheit, Überdüngung und Circular Economy habe ich aus der Industrie kaum wahrgenommen. Dabei beeinflussen sie den Klimaschutz erheblich, etwa über den Schutz der Biodiversität und natürliche Kohlenstoffsenken. Diese Themen fanden sich aber im wissenschaftlichen Diskurs. Zudem haben dies das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die wissenschaftlichen Beratungsgremien der internationalen Konventionen adressiert.

Die Herausforderung für die Chemie-, Metall- und Baustoffindustrie wird sein, die Krisen Klima, Biodiversität und Verschmutzung in einem abgestimmten Konzept anzugehen. Damit sollten die Transformationskosten nicht mehrfach anfallen.

Das Fazit der Delegation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zur Weltklimakonferenz: Multilateralismus funktioniert und bringt Ergebnisse – trotz schwieriger Weltlage. Das politische Tempo ist bei fast 200 verhandelnden Staaten deutlich geringer als das wissenschaftlich erforderliche. Mit den von ihr geförderten Lösungen möchte die DBU konkrete Umweltentlastungen anschieben und einen Beitrag zu einer möglichst hohen Umsetzungsgeschwindigkeit leisten.

Der Autor

Markus Große Ophoff ist fachlicher Leiter und Prokurist beim Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Zudem arbeitet der promovierte Chemiker als Honorarprofessor für Veranstaltungsmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation an der Hochschule Osnabrück.https://media.graphassets.com/HtC4M107RueiFBbXzP0H

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