Beruf + Karriere

Die Physikochemikerin Ute Dawin zählt in ihrem Arbeitsumfeld eher zu den Exoten: Sie arbeitet im Labor des schwäbischen Maschinenbauunternehmens Stihl. Dabei braucht es viel Chemie, so berichtet sie den Nachrichten aus der Chemie, damit Motorsägen, Motorsensen oder Heckenscheren zuverlässig laufen.
Nachrichten aus der Chemie: Frau Dawin, welche Aufgaben gibt es für Chemiker bei einem Motorsägenhersteller?<figure><img src="https://media.graphcms.com/rq12m0n2Tkqmrpc1DSVh"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Ute Dawin im Entwicklungslabor. Foto: Stihl</figcaption></figure>
Ute Dawin: Ich beschäftige mich mit Betriebs- und Hilfsstoffen, also mit Kraftstoff, Motor- und Kettenölen, und zwar von der Formulierung bis zum fertigen Produkt.Nachrichten: Macht Stihl diese Stoffe selbst?Dawin: Nein, die mischen wir nicht selber. Wir arbeiten eng mit Partnern aus der Schmierstoffindustrie zusammen. Aber im Gegensatz zu Wettbewerbern entwickeln wir die Stoffe selbst und kennen deren chemische Zusammensetzung sehr genau. Denn der Betriebsstoff ist das Blut der Maschine.Nachrichten: Was machen Sie, wenn Sie keine Betriebsstoffe entwickeln?Dawin: Ich berate Kollegen aus dem ganzen Unternehmen zu chemischen Fragen. Das können Ingenieure aus der Produktion sein, die Qualitätssicherung und auch die Rechtsabteilung, wenn es beispielsweise um Patente geht. Außerdem haben wir hier noch die Analytik, wo es vor allem um Schadensfälle geht.<h2>Die Chance ergreifen</h2>Nachrichten: Wie kamen Sie zu Stihl?Dawin: Es war eine Portion Zufall, und es war eine Portion Glück dabei. An der Universität Stuttgart sah ich einen Aushang mit einer Stellenausschreibung für einen ausgebildeten Chemiker. Das war keine feste Stelle, aber die interessierte mich. Also begann ich, dort noch während der Promotion in Teilzeit zu arbeiten.Nachrichten: Wie sah die Arbeit aus?Dawin: Einen Tag in der Woche befasste ich mich als Labormitarbeiterin mit Spezialthemen und recherchierte. In der Zeit wurde eine Chemikerstelle frei. Die Chance habe ich ergriffen. Ich kannte das Unternehmen ja und hatte ein gutes Gefühl.Nachrichten: Ich nehme an, es gibt nicht so viele Stellen für Chemiker im Unternehmen.Dawin: In der Entwicklung sind wir zu fünft, drei Chemiker und zwei CTA. Weltweit gibt es bei uns noch weitere Chemiker, und auch im Stammhaus sind ein paar Stellen, auf die Chemiker passen könnten, etwa im Umwelt- oder im Qualitätsbereich. Aber die Mitarbeiter bei Stihl arbeiten in der Regel sehr lange bei dem Unternehmen, mehr als zehn Jahre sind keine Ausnahme, eine Stelle für einen Chemiker wird da eher selten frei.Nachrichten: Warum haben Sie sich für diese Stelle entschieden?Dawin: Ich wollte nah an die Anwendung. Das habe ich hier. Und mir war schon immer die fachliche Breite wichtig.<h2>Das Unternehmen</h2>Die Stihl-Gruppe entwickelt, fertigt und vertreibt motorbetriebene Geräte für die Forst- und Landwirtschaft sowie für die Landschaftspflege und die Bauwirtschaft. Im Jahr 2014 setzte die Gruppe mit weltweit 14 297 Mitarbeitern etwa 3 Milliarden Euro um, 89 Prozent davon im Ausland. In Deutschland beschäftigt Stihl an sieben Standorten fast 4500 Mitarbeiter, etwas mehr als 3000 davon am Stammsitz in Waiblingen in der Nähe von Stuttgart. Zudem verfügt Stihl weltweit über Produktionsstandorte, unter anderem in Europa, in den USA, in Brasilien und China.<a href="https://www.stihl.de" target="_blank">www.stihl.de</a><h2>Labor und Prüfstand</h2>Nachrichten: Was haben die Leute studiert, mit denen Sie im Berufsalltag zusammenarbeiten?Dawin: Werkstoffwissenschaften und vor allem Maschinenbau. Ich koordiniere für die Betriebsstoffe die Tests auf den Prüfständen. Was für einen Chemiker das Labor ist, das ist für einen Maschinenbauingenieur der Prüfstand.Nachrichten: Wie funktioniert die Zusammenarbeit?Dawin: Ähnlich wie in den Naturwissenschaften, wenn Chemiker und Physiker auch erst einmal eine gemeinsame Sprache finden müssen.Nachrichten: Sie mussten also zunächst lernen, sich mit den Ingenieuren zu verständigen.Dawin: Ja. Wenn ich einem Maschinenbauingenieur die Bedeutung einzelner Kraftstoffkomponenten erkläre, kann ich nicht mit Partialdrücken argumentieren. Ich muss Bilder aus dem Alltag finden. Es ist für Ingenieure beispielsweise nicht sofort einsichtig, wie Additive wirken, die in Kraftstoffen ja nur in Konzentrationen von unter einem Prozent enthalten sind. Ich vergleiche das dann mit Spaghetti mit und ohne Salz. Aber ich profitiere auch als Chemikerin von der Denkweise der Ingenieure.Nachrichten: Wie?Dawin: Sie arbeiten pragmatisch und an Lösungen orientiert. Wir haben hier beispielsweise ein Messverfahren entworfen, mit dem ein Fachhändler schnell und unkompliziert den Ethanolgehalt eines Kraftstoffs abschätzen kann. Es liefert schnell und einfach einen groben Wert, der für die Lösung des Problems ausreicht. Ich brauche nicht immer ein Hochleistungs-Analysengerät.<h2>Nicht nur Anwendung</h2>Nachrichten: Haben Sie auch noch mit Forschung zu tun?Dawin: Übers Jahr gesehen nimmt die Forschung zwischen 10 und 15 Prozent der Arbeitszeit ein. Das hängt auch davon ab, wie viele Abschlussarbeiten wir betreuen.Nachrichten: Wer kommt zu Ihnen, um hier eine Abschlussarbeit anzufertigen?Dawin: Die Studenten, deren Arbeiten ich betreue, sind oft Chemiker von der Fachhochschule oder Wirtschaftschemiker, Werkstoffwissenschaftler, oder sie studieren Verfahrens- oder Umwelttechnik.Nachrichten: Gibt es an Kraft- und Hilfsstoffen noch so viel zu forschen?Dawin: O ja, da gibt es noch eine Menge Wissenslücken, die niemand so richtig schließen kann. Wie sich einzelne Kraftstoffkomponenten auf Motorverhalten und Emissionen auswirken, ist noch nicht voll verstanden – da ist noch viel zu entdecken.Mit Ute Dawin sprach Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski.

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„Der Betriebsstoff ist das Blut der Maschine“

Die Physikochemikerin Ute Dawin zählt in ihrem Arbeitsumfeld eher zu den Exoten: Sie arbeitet im Labor des schwäbischen Maschinenbauunternehmens Stihl. Dabei braucht es viel Chemie, so berichtet sie den Nachrichten aus der Chemie, damit Motorsägen, Motorsensen oder Heckenscheren zuverlässig laufe...

Am Forschungsinstitut kündigt ein Banner den „Career day for young scientists” an, der ein paar Tage später stattfinden soll. Nachwuchswissenschaftler haben ein tolles Programm zusammengestellt: Sprecher von Pharmariesen, Biotechunternehmen, aus dem Patentrecht und einem Start-up werden dabei sein. Als eine Doktorandin aus meinem Seminar „Women and Career“ dann am späten Nachmittag berichtet, dass sie dieses Meeting organisiert hat, bin ich überrascht, dass sie erst jetzt davon erzählt. Ich hatte diesen Karrieretag bereits mehrmals während unseres Seminars erwähnt: als Paradebeispiel für eine Veranstaltung, bei der man Kontakte außerhalb der Uni aufbauen und Visitenkarten ergattern kann. Auch sei die Organisation einer solchen Veranstaltung eine tolle Gelegenheit, den eigenen Lebenslauf zu bereichern. Vielleicht hielt es die Doktorandin für nicht angebracht, zu erwähnen, dass sie selbst die Organisatorin ist. Interessiert frage ich sie, welchen der Sprecher sie ankündigen würde und ob sie diese zufällig ausgewählt oder potenzielle Arbeitgeber bevorzugt hätte.„Ich werde die Vorträge nicht moderieren, ich bin keine gute Sprecherin“ sagt sie. Ich bin überrascht. Oder vielleicht enttäuscht, weil sie auf meine Frage antwortet wie viele andere Naturwissenschaftlerinnen.„Sie werden gar keinen Vortrag anmoderieren?“ frage ich, „wer dann?“ „Ein Kollege aus meinem Labor“, antwortet sie. Ich frage nach, ob er an der Organisation beteiligt sei. Ist er nicht. „Sie haben also wirklich diesen fantastischen Karrieretag organisiert, um dann selbst am Kaffeeausschank zu stehen und Ihrem Kollegen die Lorbeeren zu überlassen?“ frage ich nach. Das ist natürlich nicht ihre Absicht. Aber genau das wird passieren. Der Mensch auf dem Podium steht im Scheinwerferlicht, er wird derjenige sein, den die Leute im Anschluss ansprechen werden.Eine typische Falle, in die besonders Frauen immer wieder tappen. Sie denken oft – oder hoffen zumindest –, dass jemand ihre Erfolge und Fähigkeiten entdeckt, sie anerkannt und wertschätzt, ohne dass sie selbst dafür im Rampenlicht stehen oder irgendeine Form von Selbstmarketing betreiben müssen. Männer hingegen sind viel direkter darin, zu erzählen, was sie gemacht haben und wonach sie suchen.Die Moderation muss gar nicht atemberaubend sein, sage ich der Doktorandin. Das wichtigste ist, dass sie selbst dort steht und mindestens einen Vortrag moderiert. Sie muss sich präsentieren, zeigen, was sie geleistet hat. Denn Anerkennung kommt nicht von alleine.Karin Bodewits ist Biochemikerin, Autorin von „Karriereführer für Naturwissenschaftlerinnen – Erfolgreich im Berufsleben“, Seminarleiterin und Mitgründerin von Natural Science Careers, eines Unternehmens für Karriereberatung und Soft-Skill-Seminare für Naturwissenschaftler. Für die Nachrichten aus der Chemie schreibt sie in unregelmäßigen Abständen über ihre Tätigkeit. <a href="mailto:k.bodewits@naturalscience.careers">k.bodewits@naturalscience.careers</a><div>Karin Bodewits<img src="https://media.graphcms.com/Gkdbbk2EReGGS1AsiAxw">

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„Der Betriebsstoff ist das Blut der Maschine“

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