Wissenschaft & Forschung

Biowissenschaften kurz notiert<h2>Süßstoffe als Bitterblocker</h2>Süßstoffe aktivieren Bitterrezeptoren nicht nur, sondern blockieren sie auch. Dies ermittelten Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Nuthetal. Saccharin und Cyclamat schmecken leicht bitter, da sie neben dem Süßrezeptor die Bitterrezeptoren aktivieren. Im Gemisch hemmt Cyclamat die durch Saccharin stimulierten Bitterrezeptoren und umgekehrt, sodass dieses weniger bitter ist. Künftig lassen sich Bitterstoffe, darunter einige Süßstoffe, in Lebens- und Arzneimitteln daher auch als Bitterblocker einsetzen.<ul><li>
1 Cell Chem. Biol. 2017, doi: 10.1016/j.chembiol.2017.08.004</li></ul>
<h2>Antioxidans anaerob synthetisiert</h2>Das anaerobe Schwefelbakterium Chlorobium limicola produziert das Vitamin Ergothionein, wie Chemiker der Universität Basel herausgefunden haben. Dieser Stoff wehrt vermutlich oxidativen Stress ab. Bisher war nur ein sauerstoffabhängiger Reaktionsweg bekannt. Die Forscher verglichen die Enzymsequenzen beider Synthesewege. Anscheinend stammt die anaerobe Reaktion aus einer Zeit, als es noch keinen Sauerstoff in der Erdatmosphäre gab.<ul><li>
2 Angew. Chem., Int. Ed. 2017, doi: 10.1002/anie.201705932</li></ul>
<h2>Retinolsaturase reguliert Zuckerhaushalt in Leberzellen</h2>Das Enzym Retinolsaturase hilft Zellen, ihre Stoffwechselaktivität an variierende Zuckerkonzentrationen anzupassen. Dadurch setzen sie Saccharide energieeffizient um und vermeiden Schäden. Ist die zugeführte Glukosemenge jedoch dauerhaft erhöht, schädigt das Enzym die Zellen. Künftig wollen die Forscher seine Aktivität hemmen, um metabolischen Lebererkrankungen wie Leberverfettung vorzubeugen.<ul><li>
3 Nat. Commun. 2017, doi: 10.1038/s41467-017-00430-w</li></ul>
Lea van Alst, Frankfurt am Main

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Biowissenschaften kurz notiert

Biowissenschaften kurz notiertSüßstoffe als BitterblockerSüßstoffe aktivieren Bitterrezeptoren nicht nur, sondern blockieren sie auch. Dies ermittelten Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Nuthetal. Saccharin und Cyclamat schmecken leicht bitter, da sie neben dem Süß...

Das Ebolavirus, das vor drei Jahren Westafrika heimsuchte, ist ungewöhnlich in seinem Aufbau und seinen Funktionsmechanismen. Die Strukturforschung beginnt erst jetzt, die Details dieses tödlichen Krankheitserregers zu verstehen.
Im März 2014 brach die Ebolaepidemie im westafrikanischen Staat Guinea aus, wo die ersten Fälle im Dezember 2013 aufgetreten waren. Bereits im Mai gab es 280 Tote, damit übertraf dieser Ebolaausbruch die Bilanz des bisher tödlichsten, der im Jahr 1976 in Yambuku in der Demokratischen Republik Kongo stattfand.Die Krankheit breitete sich rasch in mehreren Ländern der Region bis zum Oktober 2014 aus, als die Zahl der Neuerkrankungen ihren Höhepunkt erreichte. Erst massive internationale Hilfe stoppte die Ausbreitung. Bis zum Mai 2016 verzeichnete die Weltgesundheitsorganisation mehr als 28 000 Erkrankungen, von denen mehr als 11 000 tödlich endeten.Ebola ist eine Zoonose, also eine Krankheit, die von Tieren – in diesem Fall vermutlich Fledermäusen – auf den Menschen überspringt und sich dann unter bestimmten Bedingungen in der menschlichen Bevölkerung ausbreitet. Zoonosenerreger sind oft gefährlicher als solche, die sich bereits lange an den Menschen als Wirt angepasst haben, da ihr Überleben nicht von dem der befallenen menschlichen Bevölkerung abhängt. Zu den Nachfahren von Zoonosen aus prähistorischer Zeit, die durch wechselseitige Anpassung von Erreger und Wirt abgestumpft sind, gehören heutige Kinderkrankheiten wie Masern und Windpocken.Im Gegensatz zu diesen geschwächten Erregern ist Ebola für mehr als die Hälfte der infizierten Menschen tödlich. Für die Arbeit mit dem Ebolavirus und seinem einzigen nahen Verwandten, dem Marburgvirus, gilt deshalb die oberste Sicherheitsstufe, was die Erforschung ihrer Wirkungsweise erschwert. Erst jetzt konnten Virologen ein Strukturmodell des Virus erstellen, das hinreichend gut aufgelöst ist, um Einzelheiten der molekularen Funktion zu verraten.<h2>Turm mit Fluchttreppe</h2>Das Genom des Ebolavirus liegt als einzelsträngige RNA vor, die direkt als Vorlage zur Synthese der Boten-RNA dient. Aus der stellt die befallene Zelle dann die viralen Proteine her. Da einzelsträngige RNA, die nicht selbst als Boten-RNA gekennzeichnet ist, in der Zelle sofort abgebaut würde, muss das Virus sie schützen. Dabei muss die RNA aber gleichzeitig lesbar bleiben, denn nur so kann die vom Virus selbst mitgebrachte Polymerase L neue Boten-RNA synthetisieren.Dieses Problem löst die Familie der Filoviren, zu der die Gattungen des Ebola- und Marburgvirus gehören, durch eine nach molekularen Maßstäben gigantische Röhrenstruktur aus Proteinmolekülen – 80 nm Durchmesser (Außenmaß ohne Strukturen, die aus der Oberfläche herausragen). Die sind in Form einer linksgängigen Schraubenwindung angeordnet, dem Capsid. Die RNA des viralen Genoms ähnelt einer Fluchttreppe in einem Turm entlang der Außenwand und folgt der gewundenen Reihung der Proteine.Diese Anordnung ist ungewöhnlich. Andere Viren mit röhrenförmigem Proteincapsid wie das seit Jahrzehnten gut erforschte Tabakmosaikvirus schützen das virale Genom im Inneren der Proteinröhre, die in diesen Viren deutlich kleiner ist.Beim Ebolavirus in der Zelle ist das ganze Konstrukt zusätzlich noch in eine Blase aus normaler Doppelmembran gehüllt, die das Virus einfach aus der Membran der infizierten Zelle mitbringt, wenn es diese durchdringt. Wie es unter dieser Hülle aussieht und wie genau die RNA in die Turmwand eingebettet und vor Verdau geschützt ist, ließ sich erst jetzt durch detaillierte Strukturmodelle klären.Die Arbeitsgruppen von John Briggs am EMBL in Heidelberg und Stephan Becker an der Universität Marburg erstellten kürzlich mit Elektronenmikroskopie detaillierte Strukturen vereinfachter Capside und intakter Viren. Damit ließ sich die Funktion des schützenden Proteinzylinders erkennen.1) Die Forscher nutzten zunächst eine zurechtgestutzte Variante des Hüllproteins, die nur die ersten 450 von 739 Aminosäuren der Sequenz enthält (Abbildung 1, S. 121, und Abbildung 2).<figure><img src="https://media.graphcms.com/tI4oVqy3Rj2MS0gAANa4"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Struktur einer Ebola-Nukleoprotein(NP)-1–450-Helix. Benachbarte Stufen sind hell- und dunkelgrau, eine Untereinheit rosafarben dargestellt.1)</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/ZsF82TSTSjSRW78AohDc"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Nukleoproteinuntereinheit des Ebolavirus NP 1–450. N-terminaler Lappen in grün, orange und cyan, C-terminaler Lappen in blau, pink, lila, rot und braun.</figcaption></figure>
Dieses Proteinfragment assembliert mit der viralen RNA korrekt und regelmäßig, und die Forscher klärten die Struktur dieses vereinfachten Capsids mit einer Auflösung von 6,6 Å. Obwohl diese Auflösung es noch nicht ermöglicht, einzelne Atome zu lokalisieren und zu identifizieren, reicht sie in Verbindung mit der bekannten Aminosäurensequenz eines Proteins, um die molekulare Struktur zu modellieren. In diesem Fall ergaben sich auch weitere Einblicke und Vergleichsmöglichkeiten mit der bereits bekannten Struktur des Proteinmonomers.<h2>Offene Rinne</h2>Die Analysen brachten ein für die Experten überraschendes Ergebnis. Sie hatten vermutet, dass die Rinne auf der Außenseite der Struktur sich zum Schutz der RNA schließt. Tatsächlich blieb ihre Form aber in allen zum Vergleich herangezogenen Strukturen unverändert.Stattdessen fanden die Forscher eine neue Schutzstruktur. Nahe dem C-terminalen Ende des untersuchten Fragments bildet sich eine alpha-Helix mit einem positiv geladenen Ende, die sich quer über die Rinne schiebt und die Nukleinsäure umklammert. Dieser Bereich der Proteinsequenz ist im einzeln auftretenden Molekül ungeordnet und war deshalb in bisher untersuchten Kristallstrukturen nicht aufgetaucht.<h2>Nützliche Unordnung</h2>Ungeordnete Polypeptide, die sich erst bei Bedarf falten, haben sich in den letzten 20 Jahren als häufige und wichtige Akteure in der Zellbiologie entpuppt.2) Ihre Bedeutung war in der Anfangsphase der Strukturbiologie übersehen worden, da jegliche Unordnung die Kristallisation von Proteinen verhindert. Ungeordnete Sequenzen wurden deshalb meist abgetrennt und ignoriert.Wie sich aber inzwischen gezeigt hat, ist das Unordnungsprinzip bei vielen regulatorischen und Signalproteinen in der Zelle wichtig – auch beim Anti-Tumorprotein p53 und bei Viren wie dem Masernvirus.3) Wie viele Proteine in menschlichen Zellen ganz oder teilweise ungeordnet sind, ist umstritten, aber es handelt sich mit Sicherheit um einen wesentlichen Anteil, also um Tausende.4,5)Beim Ebolavirus hat die Unordnung vermutlich mehr Folgen als die Bildung der Klammer. Die Rolle der ungeordneten Regionen, die in dem von Briggs und Becker verwendeten Fragment fehlen, ist noch ungewiss. Hätten die Forscher diese im Protein belassen, hätte dieses sich allein mit der RNA nicht zum Capsid assembliert. In diesem Fall wären zwei weitere Virusproteine, VP25 und VP35, erforderlich gewesen, um eine Assemblierung zu erreichen. In den Strukturbildern der intakten Viruspartikel erscheinen diese beiden Proteine als noch nicht näher charakterisierte Wülste auf der Außenseite des Zylinders.Dass das vollständige Capsidprotein nur mit VP25 und VP35 assembliert, legt nahe, dass der ungeordnete Bereich für die Bindung dieser Proteine zuständig ist. Vermutlich nimmt er erst in Verbindung mit diesen eine geordnete Struktur an. Ohne seine natürlichen Liganden flattert dieses Ende lose herum und stört damit die Strukturbildung des restlichen Proteins und dessen Assemblierung zu geordneten Capsiden.Es bleiben also noch einige Fragen für die Strukturforschung zu klären. Mit besserem Einblick in die molekulare Struktur und Funktion dieses gefährlichen Krankheitserregers verbessern sich dann auch die Chancen, neue Behandlungsoptionen zu entwickeln und eventuell auch die Wirkung der Mutationsraten während einer Epidemie einzudämmen.Michael Groß ist freier Wissenschaftsjournalist in Oxford, England. <a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a><h2>Quergelesen</h2>Ebola ist, wie viele Zoonosen, deshalb meist tödlich, weil der Erreger nicht darauf angewiesen ist, dass der menschliche Wirt überlebt.Aufgrund der Gefährlichkeit des Virus war dessen Struktur bisher nicht untersucht. Wie sich nun zeigte, befindet sich die RNA des viralen Genoms außen auf einer Röhre aus Proteinmolekülen und nicht in deren Innern wie etwa beim Tabakmosaikvirus.Das Ebolavirus hat auch ungeordnete Bereiche, die noch nicht gut untersucht sind.
<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 W. Wan, L. Kolesnikova, M. Clarke et al., Nature 2017, 551, 394.</li><li>
2 M. Groß, Nachr. Chem. 2011, 59, 133.</li><li>
3 M. Ringkjøbing Jensen, G. Communie, E. A. Ribeiro jr. et al., Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2011, 108, 9839.</li><li>
4 P. Leuenberger, S. Ganscha, A. Kahraman et al., Science 2017, 355, 812.</li><li>
5 J. A. Riback, M. A. Bowman, A. M. Zmyslowski et al., Science 2017, 358, 238.</li></ul>

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