Industrie + Technik

<p>Um die Rapsverarbeitung effizienter zu machen, gibt es ein neues Verfahren, das Inhaltsstoffe schonend mit Ethanol extrahiert. Diese Technik eröffnet weitere Möglichkeiten, um Produkte aus Raps und anderen Ölsaaten zu gewinnen.</p>
<p>Der Pflanzenölverbrauch steigt weltweit und hat sich seit dem Jahr 1997 von 74 Mio. Tonnen pro Jahr auf zirka 182 Mio. Tonnen pro Jahr mehr als verdoppelt. Vor allem Palm- und Sojaöl wurden mehr genutzt. In Deutschland wird allerdings hauptsächlich Rapsöl verbraucht. Im Jahr 2016 wurden hier allein 9,4 Tonnen Rapssaat verarbeitet, wobei dieser Bedarf zu über 50 Prozent aus inländischem Anbau gedeckt wurde. Gut die Hälfte des in Deutschland hergestellten Rapsöls wird als Speiseöl verwendet. Zirka 1,2 Mio. Tonnen jährlich werden technisch genutzt für die Biodieselproduktion oder stofflich, um aus den Öl- und Fettsäuren Schmierstoffe, Polymere oder Tenside herzustellen.<sup>1)</sup></p><p>Das bei der Biodieselproduktion gewonnene Glycerin dient als Lebensmittelzusatzstoff E422 und wirkt als Feuchthalte- sowie Süßungsmittel. Zudem fallen bei der Rapsölproduktion pro Tonne Öl zirka 1,4 Tonnen Rapsschrot an. Dies ist ein proteinreiches Futtermittel und lässt sich als Ausgangsstoff nutzen, um Rapsproteine zu gewinnen. Allerdings sind auch Substanzen enthalten, welche die Verdauung negativ beeinflussen (antinutritive Substanzen). Dies schränkt die Anwendung als Futtermittel ein und senkt den Preis dieses Hauptprodukts der Rapsverarbeitung.</p><h2>Die Wertschöpfung erhöhen</h2><p>Rapsöl ist bisher das preisbestimmende Produkt des Rapsanbaus. Die rapsverarbeitende Industrie verwendet vornehmlich Hexan als Extraktionsmittel. Dieses löst Triglyceride sehr gut und lässt sich anschließend gut aus dem Stoffgemisch von Lösemittel und Öl (Miscella) trennen. Die Techniken wurden in den letzten Jahre vor allem auf maximale Ölausbeute und höhere Wirtschaftlichkeit hin optimiert.</p><p>Biodiesel wird in Deutschland und Europa in den letzten Jahren weniger nachgefragt. Daher suchen die Produzenten nach Verfahren, um Raps vollständig zu nutzen und zu hochpreisigen Produkten umzusetzen. Hierbei können Inhaltsstoffe für die Nahrungs- und Futtermittelindustrie und zur Herstellung von Feinchemikalien und Spezialitäten die Produktpalette maßgeblich erweitern.</p><h2>Ein alternativer Verfahrensansatz</h2><p>Ethanol lässt sich anders als Hexan ohne Grenzwerte in der Lebensmittelproduktion einsetzen. Zudem lässt es sich nutzen, um Bitterstoffe (antinutritive Substanzen), die Glucosinolate und ihre Hydrolyseprodukte direkt aus dem Rapssamen zu entfernen. So kann Ethanol nicht nur zur Ölgewinnung dienen, sondern beseitigt auch unerwünschte Nebenprodukte in nur einem Prozessschritt.</p><p>Der Verfahrensansatz der schonenden ethanolischen Extraktion (Ethana) besteht darin, geschälte Rapssaat zu nutzen. Der Schälprozess entfernt Faseranteile, und damit steigt der Proteingehalt im Rapskernkonzentrat. Die Rapsschalen werden in einem vorgelagerten Prozess abgetrennt und dienen als Faser- und Ligninquelle. Untersuchungen für eine effiziente stoffliche Nutzung der Rapsschalen stehen zum jetzigen Zeitpunkt noch aus (Abbildung 1). Wertvolle Inhaltsstoffe wie spezifische Phospholipide, Polyphenole und Sinapin lassen sich ebenfalls mit Ethanol extrahieren.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/yKRSRE3vT2KWH3ZvcYir"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Verfahrensweise und Produktfraktionen aus der ethanolischen nativen Extraktion von Rapssaaten inklusive Schälung und mechanischem Aufschluss.</figcaption></figure>
<p>Mit geschälten Rapssaaten ist aufgrund der weichen, faserfreien Struktur ein Kompressionsverfahren (Pressen) nicht möglich. Alternative Methoden müssen die Zellen brechen, um das Öl freizusetzen. Im neuen Verfahren ist dies ein mechanischer Zellaufschluss durch ein Rotor-Stator-System.</p><p>Die ethanolische Extraktion der vorbehandelten geschälten Rapssamen erfolgt bei maximal 65 °C und liefert Öle in Vorraffinatqualität. Extraktion der Rapskerne durch Ethanol in einer Maische mit 20 Prozent Feststoffgehalt isoliert freies Öl mit einem Gehalt an freien Fettsäuren (FFA) von 0,06 bis 0,3 Prozent ähnlich dem Rapsspeiseöl. Gleiches gilt für den Phosphorgehalt von 8,3 ppm. Zusätzlich werden bei den Extraktionsbedingungen die antinutritiven Substanzen im Rapskernkonzentrat eliminiert, während sich die Proteine anreichern. Unter Laborbedingungen wurde ein Restölgehalt von weniger als 2 Prozent und ein Glucosinolatgehalt von weniger als 2 µmol·g<sup>–1</sup> erreicht. Der Proteinanteil betrug mehr als 50 Prozent.<sup>2)</sup></p><p>Die isolierte Zwischenphase wird als Extraktmix bezeichnet und enthält neben Phospholipiden phenolische Verbindungen und weitere Inhaltsstoffe, die sich kommerziell verwerten lassen. Durch Chromatographie konnten phenolische Verbindungen wie Sinapinsäure nachgewiesen werden.</p><h2>Pilotierung und Herstellung von Produktmustern</h2><p>Gemeinsam erforschen und entwickeln das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP und das Magdeburger Unternehmen B+B Engineering seit mehreren Jahren das Verfahrenskonzept zur Effizienzverbesserung bei der Rapsverarbeitung. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) geförderten Projekts Ethana arbeiten seit dem Jahr 2017 elf Partner aus Industrie und Forschung daran, die Technik im Pilotmaßstab zu optimieren und in Industrieprozesse umzusetzen.</p><p>Hauptaugenmerk liegt auf der Prozessentwicklung und Demonstration des Gesamtverfahrens mit der Errichtung einer Pilotanlage für die Prozessschritte Schälung der Rapssaaten, Aufschluss und Extraktion der Rapskerne sowie die Abtrennung der Produktfraktionen im 100-Kilogramm- bis Tonnen-Maßstab (Abbildung 2). Anschließend wird bewertet, ob sich die isolierten Produkte für den Einsatz in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie eignen.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/McbVg8JmQbamjhiaXZxA"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Pilotanlagen zur chemischen und biotechnischen Gewinnung von Wertstoffen und Chemikalien am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP. Foto: CBP</figcaption></figure>
<p>Die Ergebnisse und Daten sind Grundlage für eine technische, ökonomische und ökologische Verfahrensbewertung. Dazu gehört der Abgleich mit den herkömmlichen Verfahren zur Rapsverarbeitung. Erste Prozesseinheiten der Pilotanlage mit einer Kapazität von 250 kg·h<sup>–1</sup> sollen im Frühjahr in Betrieb gehen. Die Herstellung von Produktmustern aus Rapsöl und Rapskernkonzentrat sind für Anfang 2020 geplant.</p><p>Hauptziel ist es, Prozesse für eine Rapsbioraffinerie in Deutschland zu etablieren. Dabei ist eine alternative Verarbeitungslinie von Raps zu integrieren, die sich in die Infrastruktur bestehender Ölmühlen einbinden lässt.</p><p>Bild: M. Schuppich, Fotolia</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/cbUSkCwAS1KpnKNgdLrh"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Rapssamen und -blüten.</figcaption></figure>
<h2>Quergelesen</h2><p>Neue Verfahren zur vollständigen Nutzung von Ölsaat sind notwendig, um die Wertschöpfung aus Raps zu erhöhen.</p><p>Ethanolische Extraktion von Rapssaat durch das Ethana-Verfahren macht bioaktive Inhaltsstoffe wie Phospholipide, Sinapin und Polyphenole zugänglich.</p><p>Das Verfahren: Schälen der Rapssaat mit anschließendem mechanischen Aufschluss durch ein Rotor-Stator-System und gleichzeitiger Extraktion mit Ethanol.</p><p>Die alternative Verarbeitungslinie von Raps soll in die Infrastruktur bestehender Ölmühlen eingebunden werden.</p><h2>Die Autoren</h2><p>Daniela Pufky-Heinrich ist promovierte technische Chemikerin und leitet am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP den Bereich Chemie und Aufarbeitungstechnik. Im Jahr 2013 initiierte sie gemeinsam mit dem Unternehmen B+B Engineering die ersten Projekte zur Technologieentwicklung für eine Rapsbioraffinerie, und sie koordiniert das Verbundvorhaben Ethana.</p><p>Fabian Steffler arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP. Als promovierter Biotechnologe leitet er dort Projekte zu Ölsaatenbioraffinerien.</p><p>Gunter Börner ist Direktor Innovation bei B+B Engineering in Magdeburg. Er war im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Fettwissenschaften (DGF) und ist maßgeblich für die Prozessentwicklung und industrielle Umsetzung des neuen Verfahrenskonzepts verantwortlich.</p>
<ul><li>
<sup>1 </sup>UFOP-Bericht zur globalen Marktversorgung 2017/2018, <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.agrarheute.com" target="_blank">www.agrarheute.com</a></ext-link></li><li>
<sup>2 </sup>Verband der Ölsaatenindustrie Deutschland, Positionen und Fakten 2018; <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.ovid-verband.de" target="_blank">www.ovid-verband.de</a></ext-link></li><li>
<sup>3 </sup>S. Franke, M. Zang, D. Pufky-Heinrich, S. Brodkorb, G. Börner, Verfahren zum kombinierten Zellaufschluss und Extraktion ölhaltiger Saaten, Patent WO 2017/041776 A1</li></ul>


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Bioraffineriekonzepte: mehr erreichen, ohne zu pressen

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Prof.Dr.

<p>Statt Abfall zu verbrennen oder auf Deponien zu entsorgen, sollten Stoffkreisläufe entstehen. Dabei sind Kooperationen mit Endkunden entscheidend.</p>
<p>Der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ zur Lage der Menschheit vom Club of Rome im Jahr 1972 schärfte das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen. Als wohl populärste Publikation brachte sie das Thema in den gesellschaftlichen Diskurs. Jetzt ist es drängender denn je, nachhaltiger zu wirtschaften, also der Ressourcenübernutzung – etwa durch immer kürzer werdende Produktlebenszyklen oder durch eine wachsende Mittelschicht in Schwellenländern – erfolgreich entgegenzutreten.</p><p>Um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten, sind die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales als gleichrangig anzusehen. Handlungsweisen für eine nachhaltigere Entwicklung müssen wirtschaftlich (effizient) sein, in sich widerspruchsfrei (konsistent) und zulänglich (suffizient).</p><p>Effizienz erfährt in der öffentlichen Wahrnehmung die größte Aufmerksamkeit. Im Kontext nachhaltiger Entwicklung meint Effizienz eine möglichst hohe Ressourcenproduktivität, also eine ergiebigere Nutzung von Materie und Energie.</p><p>Die Konsistenzstrategie zielt darauf, dass anthropogene Stoff- und Energieströme sowie Techniken sich mit dem natürlichen Ökosystem vertragen. Dabei sollten qualitative und quantitative Aspekte beachtet werden. Technische Innovationen sollten möglichst geringe Konflikte mit den natürlichen Systemen aufweisen.</p><p>Der Grundgedanke von Suffizienz ist ein veränderter menschlicher Lebensstil, der durch eine verminderte Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen einen geringeren Ressourcenverbrauch nach sich zieht. Dies bedeutet nicht ein Leben in Askese, sondern thematisiert einen reflektierten und verantwortungsbewussten Konsum.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/nlMtxCJ4RJuzMyWvXhHW"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Vergleich von linearer, Recycling- und zirkulärer Wirtschaft hinsichtlich Ressourceneinsatz, Stoff- und Materialströmen, Einsatz erneuerbarer Energien und Abfallerzeugung. Quelle: BASF</figcaption></figure>
<h2>Vom Wachstum entkoppeln</h2><p>Die zirkuläre Wirtschaft erhält in den letzten Jahren besondere Aufmerksamkeit als Antwort auf das vorherrschende Produktions- und Verbrauchsmodell, das auf beständigem Ressourceneinsatz und kontinuierlichem Wachstum basiert. Anschaulich beschreiben lässt sich das Modell der zirkulären Wirtschaft, wenn man es der linearen Wirtschaft gegenüberstellt. In deren Produktionslogik (take, make, waste) werden der Erde ständig Rohstoffe entnommen, in industriellen Prozessen zu Produkten verarbeitet und nach Gebrauch weggeworfen.</p><p>Das Konzept der zirkulären Wirtschaft schafft einen Paradigmenwechsel, der die Beanspruchung neuer Ressourcen vom Wachstum entkoppelt. Statt weiter Müll zu erzeugen, Abfälle zu verbrennen oder auf Deponien zu entsorgen, werden bei der zirkulären Wirtschaft Stoffkreisläufe geschlossen. Zudem setzt sie Materialien auf ihrer höchstmöglichen Verwendungs- und der bestmöglichen Wertschöpfungsstufe ein.</p><p>Man unterscheidet dabei zwischen zwei Kreisläufen. Materialien, die aus nicht erneuerbaren Ressourcen bestehen und für die Umwelt problematisch sind, sollen in einem technischen Kreislauf zirkulieren, etwa (Schwer-)Metalle, Nanopartikel oder andere biologisch nicht abbaubare Substanzen. Materialien, die wieder in die natürlichen Systeme zurückgeführt werden können, sind Teil des biologischen Kreislaufs, etwa Lebensmittel oder Holz. Im idealen Fall basieren alle Prozesse ausnahmslos auf erneuerbaren Energien. Die zirkuläre Wirtschaft kennzeichnet dabei einen systemischen Wandel und fordert, die bisherige Art und Weise von Wertschöpfung zu überdenken.</p><p>Den englischen Ausdruck „Circular Economy“ mit dem deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“ zu übersetzen, greift dabei zu kurz. Letztgenannter entstammt dem Abfallgesetz und wird zu stark mit Recycling in Verbindung gebracht. Die zirkuläre Wirtschaft hingegen geht weit darüber hinaus, einzelne Schritte zu optimieren. Sie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, statt sich auf Lösungen am Ende eines Produktlebenszyklus zu fokussieren wie die Recyclingwirtschaft.</p><p>Produkte und Dienstleistungen werden in der zirkulären Wirtschaft so konzipiert, dass Stoffkreisläufe geschlossen sowie Abfallströme und Materialverluste minimiert werden. Das richtige Design ist dabei entscheidend. Es legt fest, ob Rohstoffe immer wieder im Kreis geführt werden können, also ob sie reparaturfähig, zerlegbar, in anderen Produkten wieder und weiter zu verwerten sind. Beispielsweise sind Techniken gewiss wichtig, die Wasser aufbereiten, das mit Farbstoffen aus der Textilfärbung verschmutzt ist. Eine bessere Strategie ist es jedoch, den Bedarf an toxischen Farbstoffen, Lösungsmitteln und Wasser zu senken.</p><p>Grundlage für einen systemischen Wandel ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit der Akteure entlang der Wertschöpfungskette vom Zulieferer bis in den Handel und zum Endkonsumenten.</p><h2>Wertschöpfungsketten neu gestalten</h2><p>Produkte der chemischen Industrie werden in fast allen Industrien und Wertschöpfungsketten benötigt. Die Kunden der Chemieunternehmen richten ihre Geschäftsmodelle zunehmend an der zirkulären Wirtschaft aus. Häufig sind die Endkonsumenten oder auch neue Rechtsvorschriften Treiber des Wandels. Für die Unternehmen der chemischen Industrie stellen sich die Fragen, wie sie an diesen Entwicklungen teilhaben können und was diese für das eigene Geschäft bedeuten. Welche Wachstumspotenziale lassen sich realisieren? Welche Risiken gilt es zu beachten, wenn man Teil der Wertschöpfungskette bleiben möchte? Wie kann die Chemieindustrie ihre Kunden bei zirkulären Geschäftsmodellen unterstützen? Und wie kann die Chemieindustrie einen Teil des neuen Wertangebots für sich erschließen?</p><p>Bestehende Strukturen und Prozesse sowie deren Nutzen für den Kunden müssen konsequent in Frage gestellt werden. Als ein Ergebnis werden leistungsorientierte Geschäftsmodelle vermehrt volumenbasierte Geschäftsmodelle ersetzen. Beispielsweise wird der Bedarf an Pflanzenschutzmitteln aufgrund der Präzisionslandwirtschaft in Zukunft deutlich sinken. Produzenten aus der Chemieindustrie sollten diese Veränderungen als Chance begreifen und sich frühzeitig an die Spitze dieses Wandels setzen, um selber Techniken anzubieten, welche die Volumina verringern. Neu gedacht bedeutet: garantierten Ertrag und gesunde Felder, statt Pflanzenschutzmittel zu verkaufen. So profitiert der Kunde ebenso wie die Umwelt und die Gesellschaft.</p><h2>Wertschöpfungsnetzwerke</h2><p>Die chemische Industrie trägt eine große Verantwortung, die natürlichen Ressourcen zu bewahren und zu schützen. Einige Aspekte der zirkulären Wirtschaft nutzt die Chemieindustrie bereits implizit. Hervorzuheben sind hier etwa die ressourceneffiziente (Verbund-)Produktion, das Nutzen von Kohlenstoffdioxid als Rohstoff oder auch das Recycling. Die zirkuläre Wirtschaft erfordert mit ihrem ganzheitlichen Ansatz jedoch mehr.</p><p>Neue Geschäftsmodelle und Innovationen entstehen durch neue Formen der Zusammenarbeit. Die klassischen Industriegrenzen verschwimmen dabei und werden durch Innovationsökosysteme ersetzt werden. Zentrale Aufgaben sind hierbei die effektive Koordination und konstruktive Gestaltung der Zusammenarbeit aller Akteure über die Wertschöpfungsstufen hinweg.</p><p>Auf der von der Vereinigung Chemie und Wirtschaft (VCW) organisierten Konferenz „Zirkuläre Wirtschaft – idealistische Vision, regulatorischer Alptraum oder die nächste große Chance“ bei Covestro in Leverkusen im November 2018 zeigte sich, dass sich die chemische Industrie intensiv mit dem Thema auseinandersetzt. Die ressourceneffiziente Herstellung wird als primärer Werthebel für das eigene Geschäft verstanden. Daneben werden das Recycling und das Neudesign von Produkten fokussiert. Gerade letzteres fragen Endkundenindustrien, etwa Smartphonehersteller, stärker nach. Um dies wirksam umzusetzen, müssen die Unternehmen in einem Netzwerk (Ökosystem) zusammenarbeiten. Eine erfolgreiche Strategie wäre es, wenn etwa der Smartphonehersteller präzise Anforderungen für seine Materialien definiert und diese dann mit allen Partnern umsetzt.</p><p>Die Herausforderung für Chemieunternehmen besteht hierbei darin, die richtigen Innovationspartner zu identifizieren und mit diesen gewinnbringend zusammenzuarbeiten. Chemieunternehmen müssen die Spielregeln der Endkundenbranchen kennen und auf diesem bislang vielfach fremden Terrain den von ihnen gestifteten Nutzen über neue Geschäftsmodelle für sich umwandeln.</p><h2>Fazit</h2><p>Während die bisherigen Bestrebungen in der linearen Wirtschaft eher darauf ausgerichtet waren, Symptome statt Ursachen zu bekämpfen, bietet die zirkuläre Wirtschaft ein System, das positive sozioökonomische und ökologische Anstrengungen in Einklang bringen kann.</p><p>Für die Chemieindustrie bieten sich Möglichkeiten, um Potenziale für Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen zu realisieren, da sie mit ihren Produkten in fast alle Industriebranchen hineinragt. Die Digitalisierung kann diese Entwicklungen unterstützen und beschleunigen. Auch sollten neue Produkte oder Dienstleistungen durch eine Lebenszyklusanalyse hinsichtlich ökologischer, sozialer und ökonomischer Kriterien bewertet werden.</p><p>Alle Stakeholder, darunter Nichtregierungsorganisationen und Investoren, müssen verstehen, dass noch ein langer Weg zu gehen ist. Erfolgreiche Pioniere machen Mut und zeigen, dass man auf dem richtigen Pfad ist. Beispielsweise schließt die Niaga-Technik (rückwärts für again) des niederländischen Unternehmens DSM den Materialkreislauf mit einem vollständigen und profitablen Recycling von Teppichböden. Mit dem servicebasierten Geschäftsmodell Complease Chemikalienleasing hilft das Düsseldorfer Unternehmen Safechem seinen Kunden, Lösemittelbedarf und Verwaltungsaufwand zu reduzieren. BB</p><h2>Quergelesen</h2><p>Die Endkundenindustrien der Chemieindustrie führen zirkuläre Geschäftsmodelle ein.</p><p>Aus Sicht vieler Chemieunternehmen ist die ressourceneffiziente Herstellung ein wichtiger Werthebel.</p><p>Zusätzliche Serviceangebote können den Verlust volumenbasierter Geschäftsmodelle ausgleichen.</p><p>Die Positionierung in Innovationsnetzwerken ist eine Chance für Chemieunternehmen, um den anstehenden Wandel positiv zu gestalten.</p><h2>Die Autoren</h2><p>Thomas Kopel ist seit dem Jahr 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Industrie und Nachhaltigkeit (ZIN) an der Provadis-Hochschule und Doktorand an der Universität Münster. Im Rahmen seiner Promotion beschäftigt er sich mit der zirkulären Wirtschaft und nachhaltigen Geschäftsmodellen im Kontext der chemischen Industrie. Er ist Mitglied der GDCh-Vereinigung Chemie und Wirtschaft (VCW). Er studierte Wirtschaftschemie an der Universität Münster. <a href="mailto:thomas.kopel@provadis-hochschule.de">thomas.kopel@provadis-hochschule.de</a></p><div><img src="https://media.graphcms.com/1CIoTWbIQuWmYB8bSU4R">

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</div><p></p>
<ul><li>
<sup>1 </sup>Chemie 4.0 – Wachstum durch Innovation in einer Welt im Umbruch, Verband der chemischen Industrie, Deloitte Consulting 2017</li><li>
<sup>2 </sup>Towards the Circular Economy 1: Economic and business rationale for an accelerated transition, Ellen MacArthur Foundation (EMF) 2013</li><li>
<sup>3 </sup>The New Plastics Economy: Rethinking the future of plastics, Ellen MacArthur Foundation (EMF) 2016</li><li>
<sup>4 </sup>M. Lieder, A. Rashied, Towards circular economy implementation: a comprehensive review in context of manufacturing industry, J. Cleaner Prod. 2016, 115, 36–51</li><li>
<sup>5 </sup>M. Linder, Ripe for disruption: reimagining the role of green chemistry in a circular economy, Green Chem. Lett. Rev. 2017, 10, 428–435</li><li>
<sup>6 </sup>T. Scheelhaase, G. Zinke, Potenzialanalyse einer zirkulären Wertschöpfung im Land Nordrhein-Westfalen, Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk NRW 2016, Düsseldorf-Hamburg-Berlin</li></ul>


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