Gesellschaft Deutscher Chemiker

Porträt

„Befreiend, einfach mal eine saftige Bassdrum rauszuballern“

Nachrichten aus der Chemie, September 2025, S. 26-27, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Zwischen Helene Fischer und Rammstein: Dominik Eulbergs Natur-Techno-Klänge schaffen es ebenfalls in die deutschen Charts. Warum die ungewöhnlichen Kompositionen nicht nur Unterhaltung, sondern auch Wissenschaftskommunikation sind und welche Botschaften Eulberg am Herzen liegen.

Dominik Eulberg (Foto) lebt im Westerwald. Sein Haus liegt mitten in der Natur, umgeben von Bäumen, Wiesen und Seen. Auch im Inneren kreucht und fleucht es. Zwischen zahlreichen Pflanzen züchten Eulberg und seine Frau im Wohnzimmer Raupen verschiedener Schmetterlingsarten, im Schlafzimmer leben Totenkopfschwärmer – Nachtfalter, die pfeifende Geräusche erzeugen können.

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Dominik Eulberg Fotos: Natalia Eulberg

Solche Naturgeräusche integriert Eulberg, der Ökologie und Umweltwissenschaften studiert hat, in seine Techno-Kompositionen. Seine Reichweite als DJ nutzt er für Wissenschaftskommunikation, besonders für Naturschutz und die Biodiversitätskrise möchte er sensibilisieren.

Tacheles reden

Eulberg hält Vorträge, macht Biodiversitätsshows, schreibt Bücher sowie eine Kolumne für die Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft und entwickelt Spiele. Seine Alben nutze er als Litfaßsäulen, um auf die Artenvielfalt um uns herum und gleichzeitig das Artensterben aufmerksam zu machen. „Ich übermittle Botschaften für die Natur, denn sie selbst hat keine wahre Lobby“, sagt Eulberg. Dabei ist er unabhängiger als Wissenschaftler:innen, die im öffentlichen Dienst angestellt und auf Fördergelder angewiesen sind. „Ich kann auf die Bühne gehen und Tacheles reden.“ Nach seinen Shows kämen immer wieder Forschende auf ihn zu mit den Worten: „Gut, dass das mal jemand gesagt hat.“

Als Musiker erreicht Eulberg Menschen, die sich sonst nicht mit Wissenschaft beschäftigen, etwa auf Festivals. Mit seinen niederschwelligen Inhalten schafft er es zudem in Medien, in denen sonst kaum Forschungsthemen zu finden sind: Sein letztes Album war im Playboy, der Bild-Zeitung und dem McDonalds-Magazin.

Entertainmentsystem Natur

Die Idee, Wissenschaft mit Musik zu verbinden, sei intrinsisch in ihm gewachsen, sagt Eulberg. Die Natur sei schon in seiner Kindheit sein Entertainmentsystem gewesen, denn er sei ohne Fernsehen und Medien aufgewachsen. Damals war er schon mit allen heimischen Schmetterlingsarten und Vogelstimmen vertraut. Als Biologe besaß sein Vater Mikroskope und Binokulare, Pipetten und Probenröhrchen. „Ich war den ganzen Tag draußen, habe beobachtet, Proben gesammelt und rumgeforscht“, erzählt der heute 47-Jährige.

Musik habe ihn überhaupt nicht interessiert, bis er im Teenageralter zum ersten Mal elektronische Musik gehört habe. „Die Klänge haben meine Neugier geweckt, ich wollte wissen, wie sie entstehen.“ Zudem identifizierte sich Eulberg sofort mit den Werten der Techno-Bewegung. „Ich komme aus einer ländlichen Region. Da war alles, was anders war, erstmal falsch. Als Typ, der sich mit Vögeln und Synthesizern beschäftigt, fanden mich viele komisch. Aber auf der Techno-Tanzfläche sind alle Menschen gleich, egal, welche Interessen, welchen sozialen Status, welche sexuelle Orientierung, welche Religion sie haben.“

Zufrieden, nichts zu haben

Einen Karriereplan hatte Eulberg nie. Wichtig ist ihm, zu tun, was ihn glücklich macht und worin er eine Sinnhaftigkeit sieht. „Geld macht uns nicht glücklich, das brauchen wir nur, wenn die Zähne oder das Auto kaputt gehen.“ Das habe er verstanden, als er während seines Studiums ein halbes Jahr lang ohne fließendes Wasser und Strom im Wald gelebt habe. Damals hat er an einem Forschungsprojekt im Nationalpark Müritz auf der Mecklenburgischen Seenplatte gearbeitet, kümmerte sich dort um die Kraniche und bekam zunächst einen Schlafplatz in einer Jugendherberge gestellt. Durch eine Haushaltssperre seien plötzlich die Fördergelder ausgegangen, erzählt er. Ihm seien das Projekt und die Kraniche damals schon ans Herz gewachsen gewesen. Da er selbst auch kein Geld hatte, habe er beschlossen, einfach im Wald zu schlafen und sich am See zu waschen. „Ich bin jeden Abend mit einem breiten Grinsen eingeschlafen und war total zufrieden, nichts zu haben.“ Die Erfahrung hat ihm Mut gegeben, seinen Weg zu gehen – unabhängig vom Einkommen.

Im Jahr 1993 begann Eulberg, an den Wochenenden als Techno-DJ zu arbeiten. Anfang der 2000er Jahre erhielt er mehrere Auszeichnungen, unter anderem vom Musikmagazin Groove als Newcomer des Jahres 2004 und Produzent des Jahres 2005. Damit, als DJ erfolgreich zu werden, habe er nicht gerechnet. „Als Student war ich vorher knietief im Dispo. Als DJ bot man mir plötzlich viel Geld für einen Abend, und ich konnte die Welt bereisen und erkunden. Da dachte ich, ich mach‘ das mal ein Jahr lang.“ Daraus wurden über 20 Jahre, die er nun als DJ arbeitet und gleichzeitig als Wissenschaftskommunikator.

Emotionen nutzen

Warum funktioniert seine musikalische Wissenschaftskommunikation so gut? „Musik bringt Emotionen in die Wissenschaft“, erklärt Eulberg. „Musik ist ein lustvolles Werkzeug, um wissenschaftliche Fakten mit Emotionen zu verknüpfen. Denn wir schützen nur das, was wir lieben, und wir sehen nur das, was wir kennen. Fakten erreichen oft nur den Verstand. Emotionen begeistern, wecken Neugier, und Mitgefühl – das sind die Motoren, um etwas zu verändern.“

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Dominik Eulbergs neues Album Lepidoptera (Schmetterlinge) erscheint am 31. Oktober 2025.

Probleme wie die Klima- oder Biodiversitätskrise lassen sich aus Eulbergs Sicht nur im Kollektiv lösen. Er ist ein Fan davon, das lustvoll und optimistisch zu tun, zum Beispiel über die Sinne – mit Musik. Von Alarmismus und Dystopie seien die Zeitungen schon voll, die seien wie Schreckgespenster in der Geisterbahn auf dem Jahrmarkt. Mit positiven Erfahrungen ließen sich die Menschen eher sensibilisieren. Und man müsse ja gar nicht alle überzeugen, sondern nur einen kleinen Teil, vielleicht 10 Prozent. „Wenn andere dann sehen, wie glücklich die 10 Prozent sind, kommt die Fear-of-missing-out und sie wollen Teil der Bewegung sein. Dann entstehen Kipppunkte in der Gesellschaft, und aus fühlenden Minderheiten werden Mehrheiten.“ Wichtig sei, dass man selbst überzeugt von dem sei, was man vermittle, und dass es von Herzen komme. „Ein Professor von der ETH Zürich hat mal zu mir gesagt, er habe in seinem Leben schon an vielen Veranstaltungen zur Wissenschaftskommunikation teilgenommen, und meine Biodiversitätsshow sei das tollste Erlebnis gewesen, weil es so authentisch und out-of-the-box war.“ Das Feedback sei fast ausschließlich positiv, sagt Eulberg, er bekomme täglich wertschätzende Rückmeldungen, per Email und persönlich.

Keine starren Fakten

Negative Erfahrungen habe er mit seinen Shows kaum gemacht. Er sei höchstens mal mit Leuten aneinander geraten. „Naturschutz ist ja nichts anderes als der Versuch, eine Konvention zu finden, wie die Welt aussehen soll, in der wir leben wollen.“ Den einen Konsens gebe es da nicht. Zum Beispiel beim Thema Biodiversität: „Es ist ja gut und schön, zu erforschen, wie man Gärten naturfreundlicher machen kann. Allerdings machen Gärten weniger als zwei Prozent der Landesfläche aus. In Insektenhotels gehen gerade mal sieben Prozent der 586 heimischen Wildbienenarten. Das Biodiversitätsproblem ist ein systemisches, politisches. Das können wir nicht auf die kleine Frau oder den kleinen Mann im Garten abwälzen.“

Auch bei den Verantwortlichen für Nationalparks stößt Eulberg nicht immer auf offene Ohren. „Wir sagen, wir lassen die Natur Natur sein, und machen einen Zaun drum. Aber das ist ja keine Wildnis, die wir da bewahren. Bevor Menschen das Land hier besiedelt haben, gab es gar nicht die Trennung von Wald und Wiese, das war ein untrennbares Mosaik aus Offenland und Baumsavanne.“ Die ersten Nationalparks gab es in Deutschland in den 1970er Jahren. Heute wisse man, dass man eigentlich die großen Pflanzenfresser inkludieren müsse, etwa Weidetiere, um die Biodiversität zurückzubringen, sagt er. „Wissenschaft ist ja nichts anderes, als zu einem gewissen Zeitpunkt nach bestem Wissen und Gewissen aufgrund der Evidenz eine Aussage zu treffen.“ Die sei heute so und morgen eben anders, wenn es neue Erkenntnisse gebe. Wissenschaft sei nicht starr und das müsse man der Bevölkerung klar machen.

Dem Fluss des Lebens folgen

Sich zwischen Wissenschaft oder DJ-Pult entscheiden kann Eulberg nicht. Die Balance tut ihm gut, denn „die Dosis macht das Gift.“ Wenn er eine Kolumne geschrieben habe, schwirre ihm der Kopf, da sei es befreiend, auf einem Rave einfach mal eine saftige Bassdrum rauszuballern. Nach einem durchtanzten Wochenende wolle er dagegen wieder etwas kognitiv Forderndes machen. Einen geregelten Alltag hat er nicht. Er stehe zwar immer etwa zur gleichen Zeit am Nachmittag auf und bleibe bis früh morgens wach, beschäftige sich aber damit, worauf er gerade Lust hat. Wer dem Fluss des Lebens folge, nutze sein Potenzial am besten, findet er. KK

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