Neue KI-Fabriken sollen Europas Innovationskraft und Führungsrolle in vertrauenswürdiger künstlicher Intelligenz stärken.
15 EU-Mitgliedstaaten und zwei assoziierte Teilnehmerstaaten hatten Vorschläge eingereicht, w...
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Wie bekommen Schüler:innen ein realistisches Bild vom typischen Arbeitsalltag chemisch Forschender? Am besten, indem sie eigene kleine Forschungsprojekte bearbeiten und Forschende nicht nur kennenlernen, sondern auch erfahren, was diese tun und was sie dazu motiviert.
Das hier vorgestellte Schüler:innenlabor und eine Variante davon1) sind in Kooperation mit dem Graduiertenkolleg 1,2,3H an der Universität Leipzig entstanden. Zu dessen Zielen gehören, gasförmige Wasserstoffisotope gut und kostengünstig zu trennen, Strategien zu entwickeln, um solche Moleküle einfacher mit Isotopen zu markieren, die etwa als Wirkstoffe in Arzneimitteln dienen können, und Tritium empfindlicher zu detektieren.2) Im Schülerlabor erfahren die Lernenden, was die typischen Schritte forschenden Arbeitens sind, wobei diese auch explizit benannt werden.
Den Schüler:innen steht dazu ein Arbeitsheft mit Aufgaben zur Verfügung sowie eine Power-Point-Präsentation mit Interviewausschnitten in Form von Videos. Diese Videos stellen Forschende vor: Knut Asmis, Professor für physikalische Chemie sowie Sprecher des Graduiertenkollegs, Kirsten Zeitler, Professorin für organische Chemie und Leiterin des Teilprojekts zur selektiven photokatalytischen Deuterierung, das als Grundlage des Schüler:innenlabors dient, und Jannik Sälker, einen ihrer Doktoranden.
Die entwickelten Materialien sind auf der Homepage des Instituts für Didaktik der Chemie der Universität Leipzig einsehbar: t1p.de/cjpqr. Das Lösungsheft sowie die Präsentation mit den Interviewausschnitten sind durch ein Passwort geschützt, das Rebekka Heimann, Professorin für Didaktik der Chemie, auf Anfrage preisgibt (heimare@uni-leipzig.de).
Seit Jahrzehnten werden Wirkstoffmoleküle mit stabilen Isotopen markiert. Das erleichtert beispielsweise, zu verfolgen, wie der menschliche Körper Wirkstoffe verstoffwechselt.3)
Deuterium als Marker lässt wichtige Merkmale eines Moleküls nahezu gleich, etwa Struktur, zahlreiche physikalische Eigenschaften oder die biologische Aktivität.4)
Potenzielle Wirkstoffmoleküle enthalten typischerweise viele Wasserstoffatome. Zum Markieren und um die Stabilität zu beeinflussen, müssen Wasserstoffatome an definierten Positionen durch Deuteriumatome ersetzt werden. Dies lässt sich mit einer konventionellen mehrstufigen Synthese erreichen, oder indem Wasserstoffatome am fertigen Wirkstoffmolekül direkt ausgetauscht werden – dies geht schneller und ist ressourcenschonender.4)
Erstmals direkt in einem Wirkstoff eingesetzt wurde Deuterium im Medikament Deutetrabenazin (Abbildung 1). Dieses wurde im Jahr 2017 von der amerikanischen Food and Drug Administration (US FDA) zugelassen5) und wird bei bestimmten Bewegungsstörungen sowie der Erbkrankheit Chorea Huntington eingesetzt. Hier verringert der Austausch bestimmter Wasserstoff- durch Deuteriumatome zum Beispiel die Abbaugeschwindigkeit im Körper, sodass die Dosierung geringer sein kann und damit auch weniger Nebenwirkungen zu erwarten sind.4,6)
Der Schülerlabortag startet mit einem Einblick in das Forschungsprojekt 1,2,3H, das von Asmis vorgestellt wird. Ein Foto zeigt den Schüler:innen alle Mitglieder des Graduiertenkollegs, darunter viele ausländische Forscher:innen. Nun sollen die Lernenden einen Lückentext zum Projekt vervollständigen. Als eine Forschungsfrage für das hier relevante 1,2,3H-Teilprojekt wird angegeben: Wie kann man Moleküle markieren?
Nun geben Asmis und Doktorand Jannik Sälker einen Überblick über den Arbeitsalltag chemisch Forschender, darunter Laborarbeit, Publikationen schreiben, Fachliteratur lesen, sich mit anderen Forschenden austauschen.
Dann sollen die Achtklässler:innen selbst forschen. Dazu benötigen sie zuerst eine Forschungsfrage. Für ihr eigenes Projekt lautet diese: Wie lässt sich ein Modellwirkstoff (hier: Wasser) so markieren, dass sein Verbleib und seine Anreicherung grundsätzlich nachverfolgbar sind? Funktionieren soll dies auch im sauren Milieu, wie es etwa im Magen herrscht. Der Modellwirkstoff soll markiert werden, indem er rot angefärbt wird. Für die fiktive Einnahme des Modellwirkstoffs ist er von einer gelb gefärbten Hülle aus Kokosfett umgeben, die ihre Farbe im sauren Milieu behält. Bei diesem Modellversuch wird der Wirkstoff nicht – wie in der Realität – chemisch modifiziert. Ziel des Modellexperiments ist, eine Markiermethode und einen Farbstoff dafür zu finden.
Zunächst erfahren die Schüler:innen, dass sich Forscher:innen immer zuerst informieren müssen, was zur Forschungsfrage bekannt ist. Einem fiktiven Fachartikelausschnitt sollen die Schüler:innen zwei Informationen entnehmen: zum einen, welche Farbstoffe infrage kommen, um den Modellwirkstoff Wasser und die Hülle aus Kokosfett zu markieren; zum anderen Vorschriften, wie sich die geeignet erscheinenden Farbstoffe aus Pflanzenteilen isolieren lassen. Die Publikation verrät mehrere mögliche Farbstoffe: für die Hülle Tartrazin oder ein Carotinoid, für Wasser ein Anthocyan, ein Betalain oder ebenfalls ein Carotinoid. Um diese Farbstoffe nicht alle auf ihre Eignung, also ihre Löslichkeit in Fett oder Wasser, testen zu müssen, lassen sich Computersimulationen verwenden. Wie wertvoll diese sind, berichtet Asmis in einem Interviewausschnitt.
Mit dem webbasierten Open-Source-Programm molview.org simulieren die Schüler:innen die Elektronenverteilung der infrage kommenden Farbstoffmoleküle sowie eines Wasser- und eines Fettmoleküls (Abbildung 2, S. 31). Aus den Informationen formulieren sie Hypothesen: Die Elektronen im Fett- und Carotinoidmolekül (beta-Carotin) sind ähnlich verteilt, daher ist wahrscheinlich, dass sich der Farbstoff in flüssigem Fett löst. Gleiches gilt für Wasser und Anthocyan sowie Betalain.
Nun müssen die Schüler:innen zunächst die potenziell geeigneten Farbstoffe aus Pflanzenmaterial isolieren: ein Anthocyan aus roten Rosenblättern, ein Betalain aus roter Beete und ein Carotinoid aus gelber Paprika. Dann prüfen sie in einem Reagenzglas, ob sich die Verbindungen in Wasser und Kokosfett lösen. Das Carotinoid löst sich vor allem im Fett, die übrigen beiden Farbstoffe vor allem in Wasser (Abbildung 3, S. 31). Dies bestätigt die Hypothesen aus Station 2.
Bisher lief der dargestellte Forschungsprozess der Schüler:innen geradlinig. Dass dies in der Realität oft anders ist, zeigt ein Interviewausschnitt mit Kirsten Zeitler, Professorin für organische Chemie und Leiterin des 1,2,3H-Teilprojekts zur selektiven photokatalytischen Deuterierung. Sie beschreibt, welche Rolle Zufall und Kreativität beim Forschen haben und dass logisches, planvolles Denken oft nicht reicht.
Nun ermitteln die Schüler:innen arbeitsteilig in Gruppen, ob die Farben von Anthocyan, Betalain und Carotinoid im (simulierten) Magensaft gleich bleiben, also in einer Salzsäurelösung der Konzentration 0,1 mol · L–1. Die Ergebnisse tauschen die Gruppen dann aus. Das Anthocyan verfärbt sich im Gegensatz zu Betalain, ist also ungeeignet.
In einem Video erfahren die Schüler:innen, wie Forscher:innen des Graduiertenkollegs 1,2,3H ihre Ergebnisse untereinander teilen: zum Beispiel in Doktorand:innenforen, Workshops und einer internationalen Konferenz.
Wie ein Interviewausschnitt zeigt, ist Grundlagenforschung wie die von den Schüler:innen modellhaft durchlaufene unerlässlich für spätere Anwendungen. Bis dahin ist es dann aber noch ein langer Weg.
Als nächstes sollen die Schüler:innen den markierten Modellwirkstoff mit der markierten Hülle ummanteln. Dabei können sie kreativ werden und ihre eigene Problemlösung finden. Hierfür stehen ihnen unter anderem ein Tablettenblister, Eis und eine Schüssel zur Verfügung sowie die entsprechenden Pflanzenteile oder deren Extrakte, Wasser und Kokosfett. Die Schüler:innen können beispielsweise zuerst das verflüssigte Kokosfett gelb färben und damit eine Vertiefung im Tablettenblister befüllen. Durch die Betalaine wird nun Wasser rot gefärbt und in die Hülle aus Kokosfett pipettiert. Dann liegen eine gelb gefärbte Hülle und ein rot gefärbter Wirkstoff vor. Wird der Tablettenblister in eine Schüssel mit Eis gestellt, verfestigt sich das Kokosfett (Abbildung 4).
Zum Abschluss des Konzepts äußern sich die Forschenden auch zu ihren Hobbys und zu Eigenschaften, die man für die chemische Forschung mitbringen sollte.
Tabelle1 fasst die erarbeiteten Aspekte chemischer Forschung zusammen. Das Konzept wird derzeit mit neun Klassen der Jahrgangsstufe 8 aus Sachsen erprobt. Dabei wird im Rahmen der chemiedidaktischen Forschung auch ermittelt, inwiefern sich die Vorstellung der Schüler:innen von chemischer Forschung nach Durchlaufen des Schülerlabors an die chemisch Forschender angleicht.
Rebekka Heimann (oben) und ihre Doktorandin Liesa Gromm (unten) sind Chemiedidaktikerinnen. Sie haben im Rahmen der Curricularen Innovationsforschung Inhalte aus dem Graduiertenkolleg 1,2,3H für Schüler:innen der Klasse 8 didaktisch aufgearbeitet. Knut R. Asmis ist Professor für physikalische Chemie und Sprecher des Graduiertenkollegs; Kirsten Zeitler ist Professorin für organische Chemie und Teilprojektleiterin; Jannik Sälker ist einer ihrer Doktoranden. Alle arbeiten an der Uni Leipzig.
In einem Schülerlabor erproben Lernende, wie sich Wasser und Fett mit Pflanzenfarbstoffen markieren lassen.
Das Konzept ist für Schüler:innen der Klassenstufe 8 gedacht.
Sie lernen, eine Forschungsfrage systematisch zu beantworten: von der Hypothese über Computersimulation bis zur experimentellen Bestätigung.
Knut R. Asmis, Kirsten Zeitler und Jannik Sälker danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für finanzielle Unterstützung im Rahmen des Graduiertenkollegs. 1,2,3
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