Gesellschaft Deutscher Chemiker

Analytische Chemie

Batterien beim Altern beobachten

Nachrichten aus der Chemie, Januar 2022, S. 71-74, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Um die Lebensdauer von Akkus zu erhöhen, gilt es Alterungsprozesse und ihre Ursachen zu verstehen. Mit einer neuen Messzelle und Synchrotronstrahlung lässt sich nun untersuchen, wie sich Lithiumschwefel- und Lithiumionenbatterien während des Ladens und Entladens chemisch verändern.

Damit Batterien in Elektroautos die fossilen Energieträger aus dem Verkehrssektor verdrängen, bedarf es neuer Batterien mit besonders hoher Energiedichte und langer Lebensdauer. So sollen Batterien für Elektroautos mindestens 1000 bis 2000 Ladezyklen sowie acht Jahre Lebensdauer und 200 000 km Laufleistung durchlaufen, ohne dass die Kapazität der geladenen Batterie unter 80 Prozent des Anfangswerts fällt. Jede Batterie unterliegt Alterungsprozessen, die dazu führen, dass sich die Kapazität verringert. Um dies zu vermeiden, müssen die Prozesse so gut wie möglich verstanden werden.

Alterungsmechanismen entstehen durch Nebenreaktionen. Für diese ist zu entschlüsseln, welche Elemente in welcher Menge daran beteiligt sind, ihr Oxidationszustand und der Ort der Reaktion. Mit etablierten elektrischen Messmethoden, die in Batterieentwicklung und -diagnostik eingesetzt werden, lassen sich die Kapazitäten und Lebensdauern von Batterein bestimmen, nicht jedoch deren Ursachen. Röntgenspektrometrie dagegen kann viele dieser analytischen Fragen beantworten und ist somit wichtig für die Untersuchung neuer Batterien.

Ziel der Charakterisierungsmethoden ist, Transport- und Konversionsprozesse quantitativ zu beschreiben.

Die Arbeitsgruppe Röntgenspektrometrie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Berlin hat analytische Methoden für Lithium-Nickel-Mangan-Cobaltoxidbatterien (NMC LIB) und Lithiumschwefelbatterien (Li/S) entwickelt, um die chemischen Vorgänge zu messen, die Degradationsmechanismen zugrunde liegen.

Alterungsmechanismen in Echtzeit untersuchen

Im Rahmen des DFG-Projekts Isibat (in-situ spectrocopic investigations of high energy Li-S batteries based on new carbon cathodes) wurde eine Echtzeitanalyse des Polysulfidshuttles in Lithiumschwefelbatterien entwickelt, also wie sich die im elektrolyten gelösten Polysulfice zwischen den beiden Elektroden bewegen.

Bei Lithiumschwefelbatterien bestehen die Aktivmaterialien für den Minuspol aus Lithium und für den Pluspol aus Schwefel, der in Kohlenstoff eingebettet ist. Die Aktivmaterialien sind leicht, die Batterie hat daher eine hohe gravimetrische Energiedichte. Deshalb gilt diese Next-Generation-Lithiumionenbatterie als ein vielversprechender Kandidat für Speicher.

Die Alterung der Lithiumschwefelbatterie wird maßgeblich durch die im Elektrolyten löslichen Zwischenprodukte, den Polysulfiden, verursacht. Sie führen zu einem Verlust von Aktivmaterial und somit zum Rückgang der Kapazität und einer Verkürzung der Lebensdauer.

Die Arbeitsgruppe Röntgenspektrometrie hat sowohl die Bildung der Polysulfide, ihre Bewegung zwischen den Elektroden im Elektrolyten als auch die absolute Menge und ihre elektrochemische Umwandlung untersucht. Um diese Konversions- und Transportprozesse während der Lade- und Entladevorgänge zu studieren, wurden die Untersuchungen im Operando-Modus durchgeführt. Dabei läuft die Messung, während die Zelle kontinuierlich geladen und entladen wird. Mit diesen zeitaufgelösten Untersuchungen lassen sich Veränderungen auf atomarer Ebene verschiedenen Ladezuständen und Gesundheitszuständen der Batterie zuordnen.

Untersuchungen im Operando-Modus erfordern einen hohen experimentellen Aufwand, verhindern aber gleichzeitig, dass durch das Öffnen einer Zelle Artefakte gemessen werden, die zu Fehlinterpretationen führen könnten. Zudem ist pro Zelle mehr als eine Untersuchung möglich. Für die Messungen der Lithiumschwefelbatterien wurde eine Operando-Messzelle entwickelt (Abbildung 1, S. 72).

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Links: Operando-Messzelle für die Untersuchung von Polysulfiden an beiden Elektrodenseiten. Rechts: Messaufbau für quantitative Röntgenfluoreszenzanalyse und Röntgenabsorptionsspektrometrie.

Generell sind die Messungen (auch die ex-situ-Messungen) deshalb so aufwendig, weil sie im Ultrahochvakuum stattfinden. Bei Operando-Messungen muss die Zelle zyklisiert werden: Sie muss in der UHV-Kammer kontaktiert werden, wofür eine elektrische Durchführung erforderlich ist, also ein Kabel vom Galvanostaten außerhalb der Kammer bis zur Zelle in der UHV-Kammer. Die Zelle ist eine Knopfzelle, wobei sich im Zellgehäuse sowie im Plus- oder Minuspol ein Loch befindet. Die Löcher sind wichtig, um die im Elektrolyten gelösten Polysulfide zu messen. Ohne die Löcher wären die Polysulfide im Elektrolyten für die Messung unsichtbar. Aber gerade diese Polysulfide verringern die Kapazität.

Eine Operando-Messung dauert zirka zehn Minuten. Die Zelle wird mit 0,1 C entladen, was theoretisch zehn Stunden dauert, allerdings wird nicht die gesamte Kapazität genutzt. Je nach Frage wird meist nur die erste Entladung angeschaut. Aber nur durch mehrere Zyklen war es möglich herauszufinden, dass sich die Polysulfide an der Anodenseite ablagern.

Schwefel im Elektrolyten

Erstmals wurde für drei Lade-Entladezyklen die absolute Schwefelmenge in Polysulfiden im Elektrolyten bestimmt. Dazu wurde am Synchrotron Bessy II mit kalibrierter Instrumentierung Nahkanten-Absorptionsfeinstrukturanalyse (Nexafs) im Operando-Modus durchgeführt. Aus den Messergebnissen ergibt sich der prozentuale Verlust des kathodischen Aktivmaterials Schwefel für verschiedene Ladezustände (Abbildung 2).

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Vergleich der Massendeposition von Schwefel in gelösten Polysulfiden (blaue Kurve) auf der Kathodenseite (links) und der Anodenseite für drei volle (Ent-)Ladezyklen. In Schwarz ist jeweils die Strom-Spannungslinie dargestellt, die minimal ist, wenn die Zelle vollständig entladen ist, und maximal, wenn sie aufgeladen ist. Die zusätzliche y-Achse gibt den prozentualen Wert des Kathodenschwefels an, der sich in gelöste Polysulfide umgewandelt hat.

Die Untersuchung der im Elektrolyten gelösten Polysulfide in der Nähe beider Elektroden machte den Shuttleeffekt besser verständlich und zeigte eine Ansammlung der Polysulfide in der Nähe der Anode. Demnach ist nicht primär die Bildung der Polysulfide, sondern ihre Bewegung und Ablagerung für den Rückgang der Zellkapazität verantwortlich. Daraus folgen neue Strategien für das Zelldesign, zum Beispiel mit polysulfidundurchlässigen Separatoren.

Zudem lässt sich aus den Messungen ermitteln, wie sich die Moleküllänge der Polysulfide verändert. Diese beeinflusst sowohl Löslichkeit als auch Reaktivität maßgeblich. Jedes Polysulfid besteht aus zwei Lithiumatomen mit bis zu acht Schwefelatomen dazwischen.

Die Operando-Messzelle wurde schon für weiter Zellchemien, darunter Magnesiumschwefelbatterien, und andere Messverfahren, zum Beispiel Ramanspektroskopie, verwendet. Auch die Kombination unterschiedlicher Messverfahren, also multimodale Ansätze lassen sich mit der Operando-Messzelle realisieren. Damit werden Informationen unterschiedlicher Techniken kombiniert, die gemeinsam mehr Aufschluss über die zugrundeliegenden Prozesse geben können, als jede Technik einzeln.1)

Metallabscheidungen in NMC-Lithiumionenbatterien

Lithium-Nickel-Cobalt-Manganoxidbatterien (NMC-LIB) sind Lithiumionenbatterien mit Interkalationsmechanismus, die aufgrund ihrer langen Lebensdauer zu den am häufigsten eingesetzten Batterien zählen. Beim Entladen werden die Li+ wieder in die Kristallstruktur der Kathode eingebaut.

Da bei der Interkalation reine Festkörperreaktionen und keine chemischen Umwandlungen wie bei Konversionsbatterien auftreten, können hohe Lade- und Entladeraten über 1 C verwendet werden. Dies ist insbesondere zum Schnellladen bei Elektroautos erforderlich. Mit zunehmender Zyklenzahl altern diese LIB, und das insbesondere dann, wenn sie mit Potenzialen von über 4,4 V versus Li/Li+ geladen werden.

Eine Ursache für das Nachlassen der Kapazität (Fading) liegt in der Zersetzung der Metalloxid-Kathode. Ein Teil der kathodischen Übergangsmetalle (Mn, Ni, Co) löst sich dabei im Elektrolyten und kann bis zur Anode gelangen. Die Metalle lagern sich dann darauf ab und können die darauf befindliche Schutzschicht SEI (solid electrolyte interface) stören. Außerdem wird durch die fehlenden Übergangsmetallionen die Struktur der Kathode instabiler. Manganablagerungen schaden dabei besonders.

Um diesen Alterungsmechanismus zu charakterisieren, wurde der Oxidationszustand sowie die Menge des auf der Anode abgelagerten Mangans nach 50 Zyklen bestimmt und in Bezug zum Kapazitätsverlust gesetzt. Dabei wird eine Ladeschlussspannung von 4,6 V verwendet. Dafür wurde die Zelle 50 Mal unter erhöhter Ladeschlussspannung zyklisiert und anschließend geöffnet, um die degradierte Anode zu untersuchen (Ex-situ-post-mortem-Untersuchung).

Mit referenzprobenfreier Röntgenfluoreszenzanalyse wurde über kalibrierte Geräte und bekannte Fundamentalparameter der Mangangehalt über die Mangan-Kα-Fluoreszenzlinie bestimmt.

Nach 50 Zyklen hatten sich auf der Anode von 0,14 μg·cm–2 Mangan abgelagert, was 1,6 Promille des ursprünglichen Mangangehalts in der Kathode entspricht. Der Kapazitätsrückgang wurde auf 12,5 Prozent bestimmt.

Mit Nexafs wird der Oxidationszustand des abgelagerten Mangans bestimmt. Dazu werden Spektren von Nexafs-Referenzproben für zwei-, drei- und vierwertiges Mangan aufgenommen. Über Linearkombination wird die beste Anpassung für das Spektrum der gealterten Anode bestimmt (Abbildung 3). Wie die Messungen ergaben, setzen sich die Abscheidungen zu 59 Prozent aus zweiwertigem und zu 41 Prozent aus vierwertigem Mangan zusammen. Dreiwertiges und damit besonders reaktives Mangan wurde nicht detektiert.2)

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Bestimmung der Manganspezies auf der gealterten Graphitanode einer NMC-Batterie über Absorptionsspektrometrie an der Mangan-K-Kante durch Linearkombination von Nexafs-Referenzproben bekannter Spezies.

Ausblick: Arbeiten zur Batteriecharakterisierung

In Zukunft wird die PTB verstärkt Batterien untersuchen. Die Politik fordert Technologieoffenheit gegenüber unterschiedlichen Batterietypen, da jedes Anwendungsgebiet unterschiedliche Zelleigenschaften benötigt und keine Zellchemie ausgeschlossen sein soll.

Zu den vielversprechendsten Batterietypen gehören die NMC-LIB, wobei der Anteil an Mangan und Cobalt nach und nach reduziert und der Nickelanteil erhöht wird, um die Kapazität zu vergrößern. Auf der Anodenseite dieses Batterietyps wird Graphit mit bis zu 20 Prozent Silicium angereichert.

Auch Lithiumschwefel- und Lithiumluftbatterien gelten als Zukunftskandidaten für spezielle Einsatzgebiete, die hohe Kapazität erfordern, zum Beispiel Satelliten.

An Lithium-Eisenphosphat(LFP)Batterien, die gut bekannt sind und kommerziell eingesezt werden, wird aufgrund ihrer langen Lebensdauer weiterhin intensiv geforscht. Zusätzlich dazu wird für alle genannten Batterietypen auch nach festen Elektrolyten gesucht, sodass die Batterien dann als Festkörperbatterien vorliegen, höhere Energiedichte aufweisen und sicherer sind.

Durch den Zugang zu mehreren Strahlrohren an der Synchrotronstrahlungsquelle Bessy kann die PTB-Arbeitsgruppe sowohl leichte als auch schwere Elemente und damit alle Zellchemien untersuchen. Neben der quantitativen Röntgenfluoreszenzanalyse und der Röntgenabsorptionsspektrometrie kann die Arbeitsgruppe Experimente mit hochaufgelöster Röntgenemissionsspektrometrie (XES) und resonanter, inelastischer Röntgenstreuung (RIXS) durchführen. Dazu hat das Team ein Von-Hamos-Spektrometer für XES und RIXS (resonant inelastic X-ray scattering) konstruiert und in Betrieb genommen.3) Darüber hinaus wird geprüft, eine weitere Messkammer speziell zur Analyse von Energiematerialien zu konstruieren, die sich nicht nur dazu eignet, Batterien zu untersuchen, sondern auch Photokatalyse- und Elektrolyseprozesse.

Das übergeordnete Ziel dieser auf Operando-Charakterisierungen ausgelegten röntgenspektrometrischen Messtechnik ist, die Systemparameter einer Batterie mit den zugrunde liegenden chemischen und physikalischen Eigenschaften zu korrelieren und damit die Ursachen von Degradationsprozessen zu identifizieren.

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Die Autorin

Diesen Beitrag hat Claudia Zech verfasst. Die Physikerin ist Postdoc in der Abteilung Röntgenmesstechnik mit Synchrotronstrahlung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin und misst am Elektronenspeicherring Bessy II.

AUF EINEN BLICK

Röntgenspektrometrie, wie referenzprobenfreie Quantifizierung und Absorptionsspektrometrie (Nexafs) eignen sich dazu, Alterungsmechanismen durch Konversions- und Transportprozesse in Batterien zu entschlüsseln.

Für Lithiumschwefelbatterien wurde eine Operando-Messzelle entwickelt und damit bestimmt, wie viel Polysulfide entstehen und wie sie sich zwischen den Elektroden bewegen (Shuttle-Effekt).

Für Nickel-Mangan-Cobalt-Lithiumionenbatterien wurde bestimmt, welche Manganspezies sich an der Anode abscheiden und in welcher Menge.

  • 1 C. Zech, P. Hönicke, Y. Kayser, J. Mater. Chem. A 2021, doi: 10.1039/D0TA12011A
  • 2 C. Zech, M. Evertz, M. Börner, et al., JAAS 2021, doi: 10.1039/D0JA00491J
  • 3 I. Holfelder, B. Beckhoff, R. Fliegauf, 2018 doi:10.18429/JACoW-MEDSI2018-WEOPMA06

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