<p>Damit die ersten Frauen in der Chemie nicht in Vergessenheit geraten, haben wir die Initiative ergriffen, sie posthum zu w&uuml;rdigen und ihre spannenden und vielf&auml;ltigen Karrierewege in Kurzportr&auml;ts aufzuzeigen.</p>
<p>Im Jahr 2020 hat die GDCh den erstmals nach einer Frau benannten <a href="https://www.gdch.de/gdch/preise-und-auszeichnungen/gdch-preise/hildegard-hamm-bruecher-preis.html" target="_blank" rel="noopener">Hildegard-Hamm-Br&uuml;cher-Preis f&uuml;r Chancengleichheit in der Chemie</a> ausgelobt &ndash; ein klares Bekenntnis f&uuml;r mehr Chancengleichheit in der Chemie.&nbsp; Weitere Beitr&auml;ge der Serie finden Sie auf der <a href="https://www.gdch.de/publikationen/biographien-von-chemikerinnen.html">Webseite der GDCh unter "Publikationen</a>".</p>

Artikelserie

Deutsche Pionierinnen der Chemie

Prof.Dr.

Prof.Dr.Dr.-Ing.E.h.

<p>Als Kind experimentierte sie im Labor ihres Gro&szlig;vaters, als Chemikerin machte Edith Weyde Karriere bei der Actien-Gesellschaft f&uuml;r Anilin-Fabrication, kurz Agfa. Sie entwickelte Stabilisatoren f&uuml;r Fotopapier und erfand die erste Fotokopiertechnik.</p>
<p>Edith Weyde wurde am 17. September 1901 in Prag geboren und wuchs in Aussig an der Elbe im n&ouml;rdlichen B&ouml;hmen auf. Ihr Vater stammte aus &Ouml;sterreich und war Gymnasiallehrer. Ihr Gro&szlig;vater, der Botanik, Zoologie und Chemie studiert hatte, besa&szlig; ein Labor, das schon fr&uuml;h das Interesse seiner Enkelin am naturwissenschaftlichen Experimentieren weckte.</p>
<p>Mit dem Abitur im Jahre 1919 erwarb Weyde zwar die allgemeine Hochschulreife, sie begann aber &ndash; wahrscheinlich aus finanziellen Gr&uuml;nden &ndash; nicht sofort mit dem Chemiestudium, sondern arbeitete zun&auml;chst vier Jahre lang als Laborantin im &Ouml;sterreichischen Verein f&uuml;r chemische und metallurgische Produktion, einem Industrieunternehmen in Aussig.&nbsp;</p>
<p>Erst 1923 nahm Weyde das Chemiestudium an der Technischen Universit&auml;t Dresden auf. Nach nur vier Jahren schloss sie ihre Dissertation zum Thema &bdquo;Neue Materialien f&uuml;r R&ouml;ntgenschirme&ldquo; ab und wurde zum Doktor der Ingenieurswissenschaften promoviert. Ihr Doktorvater war der Chemiker Robert Luther (1867-1945), Gr&uuml;nder und Direktor des Photographischen Instituts der TU Dresden und dort Professor f&uuml;r physikalische Chemie. Bevor Luther auf den Lehrstuhl in Dresden berufen wurde, hatte er lange Zeit als Assistent beim Chemienobelpreistr&auml;ger Wilhelm Ostwald (1853-1932) in Leipzig geforscht.</p>
<p>Auf Empfehlung ihres Doktorvaters nahm Weyde 1928 eine Stelle im photographisch-photochemischen Labor der IG Farben in Oppau bei Ludwigshafen an. Im Jahr 1932 wechselte sie zur Actien-Gesellschaft f&uuml;r Anilin-Fabrication, kurz Agfa, nach Leverkusen. Hier nahm ihre berufliche und wissenschaftliche Karriere Fahrt auf.&nbsp;</p>
<p>Zu Weydes ersten Aufgaben bei Agfa z&auml;hlte die Optimierung von Fotopapier, damit es sich in feuchtwarmer Umgebung besser verarbeiten und lagern l&auml;sst. Sie entwickelte Stabilisatoren f&uuml;r die fotografischen Schichten, dank derer die Papiere tropentauglich wurden. An der Entwicklung der ersten Agfacolor-Papiere f&uuml;r die Farbfotografie war Weyde ebenfalls beteiligt. In ihren Aufgabenbereich geh&ouml;rte zudem die Materialpr&uuml;fung und die Bewertung von Reklamationen der Kunden. Die sorgsame &Uuml;berpr&uuml;fung der Beanstandungen und die intensive Ursachenerforschung f&uuml;hrten schlie&szlig;lich zu ihrer wichtigsten Entdeckung, der bis dahin unbekannten Diffusion von Silbersalz in den fotografischen Schichten. Dieser unerw&uuml;nschte Prozess beeintr&auml;chtigte die Qualit&auml;t der Fotos und war somit ein Grund f&uuml;r zahlreiche Kundenbeschwerden.&nbsp;</p>
<p>Im klassischen Entwicklungsprozess wurde zun&auml;chst ein Negativ angefertigt, aus dem im n&auml;chsten Arbeitsschritt das Positiv, das eigentliche Foto, entstand. Die Fotoabz&uuml;ge wurden hierf&uuml;r im Stapel vom Entwicklerbad ins Fixierbad gebracht. Weyde erkannte, dass sich unbelichtetes Bildsilber von den entwicklerfeuchten Abz&uuml;gen l&ouml;ste, in die R&uuml;ckseite der dar&uuml;ber haftenden Schicht diffundierte und dort fixiert wurde. Dadurch bildeten sich verschwommene Negative und unansehnliche Flecken auf der ansonsten hellen Fotor&uuml;ckseite.</p>
<p>Durch die Entdeckung der Silbersalz-Diffusion kam Weyde die Idee einer neuen Technik, die Negativ und Positiv gleichzeitig entwickelte und so zu einer enormen Zeitersparnis beim Anfertigen von Kopien f&uuml;hrte. Die Technik war ideal f&uuml;r die rasche Vervielf&auml;ltigung wichtiger Dokumente, etwa im B&uuml;roalltag, f&uuml;r den sich das zeitraubende fotografische Verfahren nicht eignete. Weyde entwickelte die Idee bis zur Marktreife.</p>
<p>Am 25. Januar 1942 erhielt Agfa das Patent f&uuml;r Weydes &bdquo;Verfahren zur beschleunigten Herstellung eines photographischen Positivbildes nach einer Vorlage&ldquo;. Wegen des Zweiten Weltkriegs kam die als Copyrapid bezeichnete Technik aber erst 1949 auf den Markt. Unmittelbar nach der W&auml;hrungsreform im Jahr 1948 hatte Agfa alle bekannten deutschen Hersteller von fotografischen Produkten eingeladen, um ein auf Weydes Erfindung basierendes b&uuml;rotaugliches Fotokopierger&auml;t zu konstruieren. Walter Eisbein, Mitinhaber des Stuttgarter Unternehmens Trikop, brauchte daf&uuml;r nur acht Wochen. Sein Ger&auml;t namens Develop (engl. f&uuml;r entwickeln) &uuml;bertraf alle Erwartungen. Nach Vorstellung des neuartigen Fotokopierverfahrens etablierte sich der von den Herstellern und Erfindern benutzte Name &bdquo;Blitzkopie&ldquo;.</p>
<p>Die Blitzkopie war sofort erfolgreich und eroberte auch andere europ&auml;ische L&auml;nder. In den USA kam die Kopiermethode 1952 auf den Markt. Wie bei vielen Innovationen fanden parallele Entwicklungen statt. Ende der 1970er Jahre wurde das Diffusionskopierverfahren von neuen Techniken wie dem Xerox-Verfahren verdr&auml;ngt. &nbsp;Letztendlich aber verdanken wir es der Chemikerin Weyde und ihrem Erfindergeist, dass das Kopieren von Schriftst&uuml;cken und anderen Dokumenten heute so g&auml;ngig ist.&nbsp;</p>
<p>Edith Weyde verstarb am 10. Februar 1989 in K&uuml;rten, einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen. Der breiten &Ouml;ffentlichkeit sind ihre genialen Leistungen zwar weitgehend unbekannt, in Fachkreisen aber wurde Weyde mehrfach ausgezeichnet. Eine der wichtigsten Ehrungen war der Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft f&uuml;r Photographie, der ihr 1963 verliehen wurde.</p>
<h2><br />Quellen</h2>
<ul>
<li>Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh): Chemikerinnen &ndash; es gab und es gibt sie, Brosch&uuml;re 2003, S. 20</li>
<li>K. Urbons, J. Ehlen (Herausgeber): Edith Weyde - Wie eine Erfinderin aus dem Rheinland die Welt ver&auml;nderte, Edition Makroskope, M&uuml;lheim an der Ruhr, 2016<br />&nbsp;</li>
</ul>
<h2>Hinweis</h2>
<p><br />Die in dieser Reihe ver&ouml;ffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Ver&ouml;ffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expertinnen und Experten. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leserinnen und Leser, die mehr wissen wollen, m&ouml;chten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen F&auml;llen gibt es ausf&uuml;hrliche chemiehistorische Arbeiten.</p>
<h2>Autoren</h2>
<p><br />Prof. Dr. Eberhard Ehlers<br />Prof. Dr. Heribert Offermanns&nbsp;</p>
<h2>Redaktionelle Bearbeitung&nbsp;</h2>
<p>Dr. Uta Neubauer</p>
<h2>Projektleitung</h2>
<p><br />Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-&Ouml;ffentlichkeitsarbeit)</p>
<p></p>
<p>Verantwortlich f&uuml;r den Inhalt der Biographien sind die Autoren.<br />Die auf diesen Seiten dargestellten Inhalte sind sorgf&auml;ltig erarbeitet. Autoren, Redaktion und Herausgeber &uuml;bernehmen dennoch keine Verantwortung oder Haftung f&uuml;r die Vollst&auml;ndigkeit und Richtigkeit der Inhalte oder f&uuml;r Tippfehler.</p>

Die Erfinderin der Fotokopie

Edith Weyde (1901-1989)

<p>Sigrid Peyerimhoff studierte Physik, besch&auml;ftigte sich aber schon in ihrer Doktorarbeit mit quantenchemischen Rechnungen. Im Jahr 1972 wurde sie Professorin f&uuml;r physikalische und theoretische Chemie an der Universit&auml;t Bonn. Lange blieb sie auf einem solchen Lehrstuhl die einzige Frau.</p>
<p>Sigrid Peyerimhoff wurde am 12. Januar 1937 in Rottweil, der &auml;ltesten Stadt in Baden-W&uuml;rttemberg, geboren. Sie wuchs in Heidenheim an der Brenz auf, wo sie 1956 Abitur machte. Anschlie&szlig;end entschied sie sich f&uuml;r ein Physikstudium an der Justus-Liebig-Universit&auml;t Gie&szlig;en, das sie 1961 mit dem Diplom abschloss. Zu ihren akademischen Lehrern z&auml;hlte der bekannte Physiker Wilhelm Hanle (1901-1993), ein Sch&uuml;ler von James Franck (1882-1964). Letzterer erhielt 1925 zusammen mit Gustav Hertz den Nobelpreis f&uuml;r Physik.</p>
<p>In ihrer Doktorarbeit an der Universit&auml;t Gie&szlig;en besch&auml;ftigte sich Peyerimhoff unter der Betreuung von Bernhard Kockel (1909-1987), Professor f&uuml;r theoretische Physik, mit quantenchemischen Berechnungen des Fluorwasserstoff-Molek&uuml;ls. Sie wurde 1963 promoviert.</p>
<p>Als Postdoktorandin forschte Peyerimhoff bis 1967 in den USA. Als Stipendiatin der Volkswagenstiftung war sie zun&auml;chst an der University of Chicago bei Clemens Roothaan (1918-2019) und Robert Mulliken (1896-1986) t&auml;tig. Mulliken erhielt 1966 den Nobelpreis f&uuml;r Chemie f&uuml;r seine grundlegenden Beitr&auml;ge zur Elektronenstruktur von Molek&uuml;len und zur chemischen Bindung. Weitere Forschungsaufenthalte f&uuml;hrten Peyerimhoff an die Washington State University in Seattle und danach &ndash; mit Beurlaubung ihrer T&auml;tigkeit in Gie&szlig;en &ndash; an die Princeton University in New Jersey und die Michigan State University.</p>
<p>Im Jahr 1967 wurde sie in theoretischer Physik an der Universit&auml;t Gie&szlig;en habilitiert. Sie lehrte danach noch zwei Jahre als Dozentin in Gie&szlig;en und ging anschlie&szlig;end als Wissenschaftliche R&auml;tin und Professorin nach Mainz. In dieser Zeit verbrachte sie mehrere Gastaufenthalte in den USA an der University of Nebraska-Lincoln in Lincoln. Dort standen ihr und dem US-Chemiker Robert Buenker (geb. 1942) ein leistungsf&auml;higer Computer f&uuml;r die aufwendigen Rechnungen zur Verf&uuml;gung. Mit Buenker, der sich zuvor als Gastprofessor in Gie&szlig;en und Mainz aufgehalten hatte, verband Peyerimhoff eine langj&auml;hrige Zusammenarbeit. Mit Mitte drei&szlig;ig, im Jahr 1972, nahm Peyerimhoff einen Ruf auf den Lehrstuhl f&uuml;r physikalische und theoretische Chemie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universit&auml;t Bonn an. Lange blieb sie die einzige Frau in Deutschland, die einen solchen Lehrstuhl innehatte.</p>
<p>Peyerimhoff leistete grundlegende Beitr&auml;ge zu Ab-initio-Berechnungen in der Quantenchemie. Darunter versteht man Verfahren zum L&ouml;sen der Schr&ouml;dinger-Gleichung unter alleiniger Verwendung von Naturkonstanten. Diese Arbeiten waren auch bedeutend f&uuml;r umweltrelevante Reaktionen in der Atmosph&auml;re, zum Beispiel von Ozon. Insgesamt ver&ouml;ffentlichte Peyerimhoff etwa 500 Studien in wissenschaftlichen Zeitschriften und Sammelb&auml;nden. Im Jahr 1988 erhielt sie den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, einen der wichtigsten deutschen F&ouml;rderpreise. 2002 erfolgte ihre Emeritierung an der Bonner Universit&auml;t.</p>
<p>Dar&uuml;ber hinaus &uuml;bernahm Peyerimhoff wichtige Aufgaben und Funktionen in wissenschaftlichen Gesellschaften und Gremien. So war sie 1987 Gr&uuml;ndungsmitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin und von 1990 bis 1996 Vizepr&auml;sidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 1999 wurde sie zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina ernannt, die ihr 2007 f&uuml;r ihr Lebenswerk die Cothenius-Medaille verlieh. Peyerimhoff ist au&szlig;erdem Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, der Academia Europaea und der Nordrhein-Westf&auml;lischen Akademie der Wissenschaften und der K&uuml;nste. Von 2006 bis 2009 war sie Pr&auml;sidentin der International Academy of Quantum Molecular Science, in die sie 1986 gew&auml;hlt wurde.</p>
<p>Im Jahr 2008 wurde Peyerimhoff mit dem Gro&szlig;en Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die &auml;lteste deutsche wissenschaftliche Gesellschaft, die 1822 gegr&uuml;ndete Gesellschaft Deutscher Naturforscher und &Auml;rzte, verlieh ihr 2018 die Alexander-von-Humboldt-Medaille.</p>
<p>Die Bonner Universit&auml;tsstiftung verleiht seit 2020 den Sigrid Peyerimhoff-F&ouml;rderpreis und den Sigrid-Peyerimhoff-Forschungspreis. Der Preis zeichne nicht nur herausragende Forschung aus, erkl&auml;rte die Stifterin Peyerimhoff anl&auml;sslich der Einrichtung des Stiftungsfonds: &bdquo;Er ist auch ein Zeichen des Ermutigens und des Mutmachens, den Weg in die Wissenschaft zu finden und zu wagen, ihn zu gehen. Einen Weg, der mir selbst so viel gegeben hat.&ldquo; Die Arbeitsgemeinschaft Theoretische Chemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker zeichnet zudem seit 2021 herausragende Doktorarbeiten auf dem Gebiet der theoretischen Chemie mit dem Sigrid Peyerimhoff-Promotionspreis aus.</p>
<p>Aktuell: Die GDCh zeichnet Sigrid Peyerimhoff mit dem Erich-H&uuml;ckel-Preis 2022 aus. Zum Interview mit der Preistr&auml;gerin (ver&ouml;ffentlicht in den "Nachrichten aus der Chemie", April 2022).</p>
<h2>&nbsp;<br />Quellen</h2>
<p><br />Stieldorf, U. M&auml;ttig und I. Neffgen (Herausgeber): Doch pl&ouml;tzlich jetzt emanzipiert, will Wissenschaft sie treiben &ndash; Frauen an der Universit&auml;t Bonn 1818-2018, V&amp;R unipress, Bonn University Press, 2018, S. 222ff.<br />pers&ouml;nliche Mitteilung von Sigrid Peyerimhoff, November 2021</p>
<h2>Hinweis</h2>
<p><br />Die in dieser Reihe ver&ouml;ffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Ver&ouml;ffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expertinnen und Experten. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leserinnen und Leser, die mehr wissen wollen, m&ouml;chten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen F&auml;llen gibt es ausf&uuml;hrliche chemiehistorische Arbeiten.</p>
<h2>Autoren</h2>
<p><br />Prof. Dr. Eberhard Ehlers<br />Prof. Dr. Heribert Offermanns&nbsp;</p>
<p></p>
<h2>Redaktionelle Bearbeitung&nbsp;</h2>
<p><br />Dr. Uta Neubauer</p>
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<h2>Projektleitung</h2>
<p><br />Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-&Ouml;ffentlichkeitsarbeit)</p>
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<p>Verantwortlich f&uuml;r den Inhalt der Biographien sind die Autoren.<br />Die auf diesen Seiten dargestellten Inhalte sind sorgf&auml;ltig erarbeitet. Autoren, Redaktion und Herausgeber &uuml;bernehmen dennoch keine Verantwortung oder Haftung f&uuml;r die Vollst&auml;ndigkeit und Richtigkeit der Inhalte oder f&uuml;r Tippfehler.</p>

Von der Physik in die Quantenchemie

Sigrid Peyerimhoff (geb. 1937)

<p>In ihrer T&auml;tigkeit als Privatlehrerin f&uuml;r Naturwissenschaften fand sie keine Erf&uuml;llung, daher begann Margarete von Wrangell im Alter von 26 Jahren mit dem Studium der Chemie und Botanik. Als Leiterin des Instituts f&uuml;r Pflanzenern&auml;hrung in Hohenheim erregte sie mit Studien zur Phosphord&uuml;ngung weltweit Aufsehen.</p>
<p>Margarete Baroness von Wrangell wurde am 7. Januar 1877 in Moskau geboren. Sie entstammte einer alteingesessenen baltischen Adelsfamilie und wuchs in Moskau sowie im estl&auml;ndischen Reval, dem heutigen Tallinn, auf. Nach dem Besuch einer deutschsprachigen M&auml;dchenschule in Reval und ihrem Lehrerinnenexamen, das sie im Jahr 1894 mit Auszeichnung bestand, erteilte sie mehrere Jahre lang naturwissenschaftlichen Privatunterricht. Ihre Erf&uuml;llung fand sie darin aber nicht. So schrieb sie in einem Brief an eine Freundin: &bdquo;Es geht mir miserabel. Ich komme gar nicht auf dieser verschrobenen Welt zurecht. [&hellip;] Ich war alles so &uuml;berdr&uuml;ssig. [&hellip;] Kommt denn wirklich gar nichts Packendes, Lebendes, Lebenslohnendes?&ldquo;</p>
<p>Im Alter von 26 Jahren &ndash; nach dem Besuch eines Botanik-Kurses an der K&ouml;niglichen Universit&auml;t in Greifswald &ndash; beschloss von Wrangell Naturwissenschaften zu studieren. Sie immatrikulierte sich 1904 als eine von wenigen Frauen f&uuml;r die F&auml;cher Botanik und Chemie an der Eberhard-Karls-Universit&auml;t in T&uuml;bingen. Im Badischen durften Frauen seit 1900 die Hochschulen besuchen. Von Wrangell wurde 1909 in T&uuml;bingen in organischer Chemie mit summa cum laude promoviert. Der Titel ihrer Doktorarbeit lautete &bdquo;Isomerieerscheinungen beim Formylglutacons&auml;ureester und seinen Brom-Derivaten&ldquo;. Anschlie&szlig;end fand sie eine Anstellung an der landwirtschaftlichen Versuchsstation in Dorpat, heute Tartu, der nach Tallinn zweitgr&ouml;&szlig;ten Stadt Estlands.</p>
<p>Forschungsaufenthalte verbrachte von Wrangell 1910 beim Chemienobelpreistr&auml;ger William Ramsey (1852-1916) am University College in London (1910) und 1912 bei der zweifachen Nobelpreistr&auml;gerin Marie Curie (1867-1934) an der Sorbonne in Paris. Ende 1912 &uuml;bernahm sie die Leitung der Versuchsstation des Estl&auml;ndischen Landwirtschaftlichen Vereins in Reval. Als die Station w&auml;hrend der Oktoberrevolution 1917 schlie&szlig;en musste, wurde von Wrangell f&uuml;r mehrere Wochen inhaftiert, denn sie hatte sich geweigert, die Kontrolle der Station an die Revolution&auml;re zu &uuml;bergeben. Nach ihrer Befreiung durch deutsche Truppen verlie&szlig; sie das Baltikum f&uuml;r immer.</p>
<p>Im Sommer 1918 ergab sich f&uuml;r von Wrangell die Chance auf eine Stelle an der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Hohenheim bei Stuttgart. Dort wurde sie bereits 1920 mit der Leitung des neu gegr&uuml;ndeten Instituts f&uuml;r Pflanzenern&auml;hrung betraut. Ihre Habilitation erfolgte im selben Jahr mit einer wissenschaftlichen Arbeit &uuml;ber &bdquo;Phosphors&auml;ureaufnahme und Bodenreaktion&ldquo;. Die Stelle als Institutsleiterin war zun&auml;chst als Extraordinariat ausgeschrieben, doch am 1. Januar 1923 wurde von Wrangell trotz erheblichen Widerstands der m&auml;nnlichen Fakult&auml;tsmitglieder zur ordentlichen Professorin f&uuml;r Pflanzenern&auml;hrungslehre an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim ernannt. Sie war die erste ordentliche Professorin in Deutschland.</p>
<p>Von Wrangell erwarb sich in relativ kurzer Zeit ein beachtliches wissenschaftliches Renommee. Pers&ouml;nlich aber galt sie als dominant bis herrisch. F&uuml;r ein kollegiales Verh&auml;ltnis zu den anderen Hochschullehrern in Hohenheim war das nicht gerade f&ouml;rderlich, wie sie in einem Brief an ihre Mutter zum Ausdruck bringt: &bdquo;Ich habe viele K&auml;mpfe in meinem Berufe. Ich bin der erste ordentliche weibliche Professor in Deutschland. Bin zudem durch einige wissenschaftliche Gr&ouml;&szlig;en &ouml;ffentlich anerkannt worden. Das hat mir die Feindschaft vieler eingetragen; aber mein Institut ist eine Sch&ouml;pfung, die von dauerndem Wert und Nutzen bleiben wird. [&hellip;] Jedenfalls wei&szlig; ich, wof&uuml;r ich k&auml;mpfe.&ldquo;</p>
<p>Durch ihre Studien zur Phosphord&uuml;ngung, die zum Teil einen heftigen Meinungsstreit ausl&ouml;sten, wurde von Wrangell weit &uuml;ber ihr Fachgebiet hinaus als Wissenschaftlerin bekannt. Viel beachtet wurde zudem ihre Funktion als Herausgeberin des praxisorientierten Buchs &bdquo;Die D&uuml;ngerlehre&ldquo; ihres sowjetischen Fachkollegen Nikolajewitsch Prjanischnikow (1865-1948), das 1923 erschien. Im Jahre 1928 heirate von Wrangell ihren Vetter und Jugendfreund, den F&uuml;rsten Wladimir Andronikow. Fortan durfte sie sich F&uuml;rstin Andronikow nennen.</p>
<p>Ihr inniges Verh&auml;ltnis zu Pflanzen beschrieb von Wrangell so: &bdquo;Ich lebte mit den Pflanzen. Ich legte das Ohr an den Boden und es schien mir, als seien die Pflanzen froh, etwas &uuml;ber die Geheimnisse des Wachstums erz&auml;hlen zu k&ouml;nnen.&ldquo; In Ihrer Zeit als Leiterin des Hohenheimer Instituts wurden 42 wissenschaftliche Arbeiten ver&ouml;ffentlicht und 15 Dissertationen angefertigt. Das Institut, zu dem Laboratorien und ein Versuchsfeld geh&ouml;rten, leitete sie in finanziell schwierigen Zeiten bis zu ihrem fr&uuml;hen Tod am 21. M&auml;rz 1932. Margarete von Wrangell verstarb im Alter von nur 55 Jahren in Hohenheim an einem chronischen Nierenleiden.&nbsp;</p>
<p>Als die Universit&auml;t Hohenheim im Januar 2018 ihr 200-j&auml;hriges Bestehen feierte, w&uuml;rdigte sie von Wrangell als eine der wichtigsten Frauen in der Geschichte der Hochschule. Au&szlig;erdem tragen zwei staatliche F&ouml;rderinitiativen ihren Namen: eine 1992 von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gegr&uuml;ndete Stiftung und ein 1997 vom Wissenschaftsministerium Baden-W&uuml;rttemberg aufgelegtes Habilitationsprogramm f&uuml;r Frauen, das bereits &uuml;ber 200 Wissenschaftlerinnen gef&ouml;rdert hat. Der Frauenanteil an baden-w&uuml;rttembergischen Hochschulen stieg dadurch in den vergangenen Jahren signifikant.&nbsp;</p>
<h2><br />Quellen</h2>
<p>A. Mayer, Die Naturwissenschaften, Jg. 22, 1932, S. 322-324<br />Th. Heu&szlig;: Margarethe von Wrangell 1877-1932, in: Deutsche Gestalten, Studien zum 19. Jahrhundert, 3. Auflage, R. Wunderlich, Stuttgart, 1951, S. 479-486<br />I. Hubatius-Himmelstjerna: Daisy. Aus dem Leben der gro&szlig;en Frau und Forscherin Margarethe von Wrangell, Ensslin &amp; Laiblin, Reutlingen, 1957<br />S. M. Schwarzl, W. Wunderlich, Nachrichten aus der Chemie 49, 2001, S. 824-825</p>
<h2>Hinweis</h2>
<p><br />Die in dieser Reihe ver&ouml;ffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Ver&ouml;ffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expertinnen und Experten. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leserinnen und Leser, die mehr wissen wollen, m&ouml;chten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen F&auml;llen gibt es ausf&uuml;hrliche chemiehistorische Arbeiten.</p>
<h2>Autoren</h2>
<p><br />Prof. Dr. Eberhard Ehlers<br />Prof. Dr. Heribert Offermanns&nbsp;</p>
<h2>Redaktionelle Bearbeitung&nbsp;</h2>
<p><br />Dr. Uta Neubauer</p>
<h2>Projektleitung</h2>
<p><br />Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-&Ouml;ffentlichkeitsarbeit)</p>
<p></p>
<p>Verantwortlich f&uuml;r den Inhalt der Biographien sind die Autoren.<br />Die auf diesen Seiten dargestellten Inhalte sind sorgf&auml;ltig erarbeitet. Autoren, Redaktion und Herausgeber &uuml;bernehmen dennoch keine Verantwortung oder Haftung f&uuml;r die Vollst&auml;ndigkeit und Richtigkeit der Inhalte oder f&uuml;r Tippfehler.</p>

Deutschlands erste ordentliche Professorin

Margarete Baroness von Wrangell (1877-1932)

<p>Nach dem Chemiestudium mit Promotion in Heidelberg und einem Forschungsaufenthalt in Hannover trat Lili Wachenheim im Jahr 1918 als erste Chemikerin eine Stelle bei BASF an. Doch schon im selben Jahr schied sie nach ihrer Heirat wieder aus dem Unternehmen aus. Ihre Spur verliert sich ganz, als sie in den 1930er-Jahren mit ihrer Familie in die USA emigrierte.&nbsp;</p>
<p>Lili Wachenheim wurde am 23. April 1893 in Mannheim geboren. &nbsp;Sie studierte an der Universit&auml;t Heidelberg Chemie und wurde 1916 mit der Arbeit &bdquo;&Uuml;ber das Zerfallsgewicht von Nitrosylchlorid&ldquo; promoviert. Nach einer Assistenzzeit bei Max Bodenstein (1871-1942) am Elektrochemischen Institut der Technischen Hochschule Hannover wurde sie am 2. Januar 1918 als erste Chemikerin bei BASF eingestellt. Sie arbeitete im Ammoniak-Laboratorium, das unter der Leitung von Alwin Mittasch (1869-1953) stand. Mittasch war ein Chemiker sorbischer Herkunft, der vor allem durch seine bahnbrechenden Arbeiten zur Katalysatorentwicklung f&uuml;r die Ammoniak-Synthese nach dem Haber-Bosch-Verfahren bekannt wurde.</p>
<p>Der erste Forschungsbericht von Wachenheim tr&auml;gt den Titel &bdquo;&Uuml;ber die Einwirkung von Stickstoffdioxyd auf Wasser und Salpeters&auml;ure in verschiedener Konzentration&ldquo; und datiert auf den 11. M&auml;rz 1918. Zwei weitere Forschungsberichte folgten. Zum Ende des Jahres 1918 trat Wachenheim wegen ihrer Heirat mit dem Chemiker Heinrich M&uuml;ller aus dem Unternehmen aus. Der gesellschaftliche Konsens in der damaligen Zeit war, dass eine Berufst&auml;tigkeit nicht mit der Rolle als Frau und Mutter vereinbar sei. Die Familie emigrierte in den 1930er-Jahren in die USA. &Uuml;ber den weiteren Werdegang von Lili Wachenheim sowie &uuml;ber ihr Sterbedatum und den Sterbeort liegen leider keine Informationen vor.</p>
<h2>Quellen</h2>
<p><a href="https://www.basf.com/global/de/who-we-are/history.html">BASF SE: Die Anilinerinnen, Brosch&uuml;re, Ludwigshafen, 2017</a></p>
<h2>Hinweis</h2>
<p>Die in dieser Reihe ver&ouml;ffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Ver&ouml;ffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expert*innen. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leser*innen, die mehr wissen wollen, m&ouml;chten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen F&auml;llen gibt es ausf&uuml;hrliche chemiehistorische Arbeiten.</p>
<h2>Autoren</h2>
<p>Prof. Dr. Eberhard Ehlers<br />Prof. Dr. Heribert Offermanns&nbsp;</p>
<h2>Redaktionelle Bearbeitung&nbsp;</h2>
<p>Dr. Uta Neubauer</p>
<h2>Projektleitung</h2>
<p>Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-&Ouml;ffentlichkeitsarbeit)</p>
<p>Verantwortlich f&uuml;r den Inhalt der Biographien sind die Autoren.<br />Die auf diesen Seiten dargestellten Inhalte sind sorgf&auml;ltig erarbeitet. Autoren, Redaktion und Herausgeber &uuml;bernehmen dennoch keine Verantwortung oder Haftung f&uuml;r die Vollst&auml;ndigkeit und Richtigkeit der Inhalte oder f&uuml;r Tippfehler.</p>

Die erste Chemikerin bei der BASF

Lili Wachenheim (geb. 1893, Sterbedatum unbekannt)

<p class="bodytext">Als erste Frau leitete Emma Maria Wolffhardt bei BASF ein eigenes Forschungsgebiet. Von 1925 bis 1960 stand sie im Dienst des Unternehmens und entwickelte im dortigen Ammoniaklabor unter anderem einen klopffesten Flugzeugtreibstoff.</p>
<p class="bodytext">Die am 27. Juli 1899 geborene Emma Maria Wolffhardt studierte Chemie an der W&uuml;rzburger Universit&auml;t und war danach als Assistentin an der Technischen Hochschule Karlsruhe t&auml;tig. Ihre Doktorarbeit fertigte sie bei Stefan Goldschmidt (1899&ndash;1971) an, einem Sch&uuml;ler des bekannten Chemikers und Nobelpreistr&auml;gers Adolph von Baeyer (1835&ndash;1917). Goldschmidt, der zur Chemie von Radikalen forschte, hatte 1923 eine au&szlig;erplanm&auml;&szlig;ige Professor in W&uuml;rzburg erhalten, nahm aber kurz darauf einen Ruf nach Karlsruhe als Leiter der organischen Chemie an.</p>
<p class="bodytext">Wolffhardt trat im Juli 1925 in das Chemieunternehmen BASF in Ludwigshafen ein. Ihr erster Arbeitsplatz war das Literaturb&uuml;ro des Hauptlaboratoriums. Schon bald bewarb sie sich erfolgreich um eine Assistentenstelle bei Alwin Mittasch (1869&ndash;1953), dem damaligen Leiter der Ammoniaklabors. Mittasch war bekannt f&uuml;r seine Arbeiten zu Katalysatoren f&uuml;r die Ammoniaksynthese.&nbsp;</p>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/HuQ7gKaJQuP9hhU5Y4sA" />
<figcaption>Emma Wolffhardt und Kollegen im Ammoniaklabor, ca. 1951</figcaption>
</figure>
<p class="bodytext">Ab 1940 leitete Wolffhardt als erste Frau ein eigenes Forschungsgebiet bei BASF. Als erste Forscherin erkannte sie den Wert des Kalottenmodells f&uuml;r die Entwicklung von Katalysatoren. Das Kalottenmodell, wenige Jahre zuvor von dem Physiker Herbert A. Stuart (1899&ndash;1974) entworfen, veranschaulicht die dreidimensionale Gestalt von Molek&uuml;len. Es stellt die Atome eines Molek&uuml;ls durch Kugelausschnitte (Kalotten) dar, wobei die verschiedenen chemischen Elemente in unterschiedlichen Farben erscheinen und die Atomgr&ouml;&szlig;en, Bindungswinkel sowie Bindungsl&auml;ngen den tats&auml;chlichen Verh&auml;ltnissen entsprechen. Wolffhardt nutzte das Kalottenmodell vor allem zum Verst&auml;ndnis und zur Verbesserung der organischen Synthese. Auf diese Weise gelang ihr erstmals die Herstellung von nennenswerten Mengen an 2,2,3-Trimethylbutan (Triptan), einem hochwertigen, klopffesten Flugzeugkraftstoff mit einer Oktanzahl von 112.</p>
<p class="bodytext">In der Geschichte der BASF war Wolffhardt nicht nur die erste Akademikerin mit eigenem Forschungsgebiet, sondern auch die erste Frau, die dort ihre 25-j&auml;hrige Betriebszugeh&ouml;rigkeit feierte. Nach diesem Dienstjubil&auml;um im Jahr 1950 forschte sie weitere zehn Jahre &ndash; bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1960 &ndash; im Ammoniaklabor bei BASF.</p>
<p class="bodytext">Emma Maria Wolffhardt verstarb am 12. November 1997 im Alter von 98 Jahren in Heidelberg.</p>
<h2>Quellen</h2>
<ul>
<li>E. Wolffhardt, Chemische Berichte 80, Nr. 1, 1947, S. 64-76</li>
<li>R. Tobies (Hg.): &bdquo;Aller M&auml;nnerkultur zum Trotz&ldquo;: Frauen in Mathematik und Naturwissenschaften, Campus Verlag, 1997, S. 58 f.</li>
<li>BASF SE: Die Anilinerinnen, Brosch&uuml;re, Ludwigshafen, 2017 (https://www.basf.com/global/de/who-we-are/history.html)</li>
</ul>

Forschungsleiterin bei BASF

Emma Maria Wolffhardt (1899–1997)

<p>Mit Arbeiten zur Katalyse und zur Giftigkeit von bleihaltigem Benzin machte die Schweizer Chemikerin Gertrud Woker zun&auml;chst Karriere an der Universit&auml;t Bern. Doch als Frau hatte sie keinen leichten Stand in der Wissenschaft, zumal sie sich vehement f&uuml;r ethische Prinzipien in der Wissenschaft, Gleichberechtigung und den Weltfrieden einsetzte.</p>
<p>Gertrud Woker wurde am 16. Dezember 1878 in Bern als Tochter einer Gelehrtenfamilie geboren. Ihr Vater Philipp Woker (1847-1924), der aus Brilon im &ouml;stlichen Sauerland stammte, war Historiker und Professor f&uuml;r Kirchenrecht. Bildung und Wissen besa&szlig;en in der Familie Woker einen hohen Stellenwert und so war Gertrud Woker eine &auml;u&szlig;erst begabte und flei&szlig;ige, manchmal aber auch eigensinnige Sch&uuml;lerin. Sie schloss ihre schulische Ausbildung in allen F&auml;chern mit der Bestnote ab. In der Hoffnung, dass sie sich f&uuml;r eine medizinische Laufbahn entscheiden w&uuml;rde, schickte ihr Vater sie nach dem Schulabschluss nach Erfurt zu einem Onkel, der als Chefarzt t&auml;tig war.</p>
<p>Woker aber wollte nicht &Auml;rztin werden, sondern Naturwissenschaftlerin. Mit viel Engagement und Hartn&auml;ckigkeit setzte sie sich durch und begann im Jahr 1900 ein Chemiestudium an der Berner Universit&auml;t. Sie schloss das Studium im Jahr 1903 als 25-J&auml;hrige mit einer Promotion in organischer Chemie ab. Ihre Doktorarbeit wurde mit summa cum laude bewertet und das Neue Wiener Tagblatt meldete am 17. Januar 1904: &bdquo;Innerhalb weniger Jahre hat eine junge Schweizerin, Fr&auml;ulein Gertrud Woker, an der Universit&auml;t in Bern folgende Examina bestanden: Abiturienten-, Sekundarlehrer-, Doktor- und Gymnasiallehrerexamen.&ldquo;</p>
<p>Nach einem Studienaufenthalt in Berlin, bei dem sie sich der physikalischen Chemie zuwandte, erhielt Woker im Jahr 1907 die Lehrbefugnis an der Universit&auml;t Bern. Sie war damit die erste Privatdozentin f&uuml;r Chemie an einer deutschsprachigen Hochschule. In ihrer Antrittsvorlesung &uuml;ber Katalyse erl&auml;uterte sie ihr zuk&uuml;nftiges Forschungsgebiet, das sich zu einem wichtigen wissenschaftlichen Bet&auml;tigungsfeld an der Grenze zwischen Chemie und Biologie entwickeln sollte. &Uuml;ber diese Lebensphase findet sich eine Meldung vom 16. Juni 1907 im Wochenblatt Wiener Hausfrau: &bdquo;Die Universit&auml;t Bern hat mit dem beginnenden Sommersemester ihren zweiten weiblichen Dozenten erhalten. [&hellip;] Die neue, noch sehr junge Privatdozentin Fr&auml;ulein Gertrud Woker beendete vor mehreren Jahren ihre chemischen Studien in Bern und wird nun ihre neue Karriere er&ouml;ffnen mit der Antrittsvorlesung &uuml;ber das Thema &sbquo;Probleme der katalytischen Forschung&lsquo;.&ldquo; Ab 1911 leitete Woker das Institut f&uuml;r physikalisch-chemische Biologie in Bern. Einen Ruf nach Leipzig im selben Jahr lehnte sie ab.</p>
<p>Den praktischen Nutzen ihrer Erkenntnisse hatte Woker stets im Blick. Schon 1917 wies sie auf die Giftigkeit von bleihaltigem Benzin hin. Sie forderte bleifreien Kraftstoff und ver&ouml;ffentlichte erste, viel beachtete Vorschl&auml;ge zur Herstellung von bleifreiem Motorenbenzin. Trotz ihrer wissenschaftlichen Erfolge hatte sie als Frau keinen leichten Stand. Erst 1933, nachdem sich ausl&auml;ndische Forscher vehement f&uuml;r sie eingesetzt hatten, wurde sie im Alter von 55 Jahren zur au&szlig;erordentlichen Professorin bef&ouml;rdert.</p>
<p>Woker gilt als Wegbereiterin im zukunftsweisenden Grenzbereich zwischen Chemie, Physik, Pharmazie und Biologie. Ihr 1953 erschienenes Lehrbuch &bdquo;Die Chemie der nat&uuml;rlichen Alkaloide&ldquo; fand viel Anerkennung. Sie ver&ouml;ffentlichte au&szlig;erdem ein Buch zur Rolle der Katalyse in der analytischen Chemie. Zu erw&auml;hnen ist, dass ihre fr&uuml;heren B&uuml;cher &uuml;ber die Erwerbst&auml;tigkeit von Frauen und den verheerenden Einsatz von Giftgasen in kriegerischen Auseinandersetzungen von der Berliner nationalsozialistischen Studentenschaft auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.</p>
<p>Seit dem Ersten Weltkrieg setzte sich Woker vehement f&uuml;r die Beachtung von ethischen Prinzipien in der Wissenschaft, f&uuml;r den Weltfrieden und f&uuml;r Frauenrechte ein. Wie Clara Immerwahr (1870-1915), die Frau von Fritz Haber (1868-1934), dem sp&auml;teren Nobelpreistr&auml;ger und Bef&uuml;rworter des Gaskrieges, engagierte sie sich im Kampf gegen Chemiewaffen, die sie als &bdquo;Perversion der Wissenschaft&ldquo; bezeichnete.</p>
<p>Woker erlebte den Einsatz von Giftgas im Ersten Weltkrieg, die von den USA &uuml;ber Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben im August 1945 sowie die fatale Wirkung von chemischen Waffen w&auml;hrend des Vietnamkrieges. Pazifistische Mitstreiterinnen fand sie ab 1915 in der internationalen Frauenliga f&uuml;r Frieden und Freiheit, dessen Schweizer Zweig sie mitaufbaute.</p>
<p>Als Pazifistin wurde Woker sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland als Landesverr&auml;terin und Kommunistin gebrandmarkt. Sie bestritt, je &bdquo;gegen die Notwendigkeit der Landesverteidigung f&uuml;r die Schweiz&ldquo; argumentiert zu haben und betonte eindringlich, sie habe &bdquo;immer nur gegen den Giftgaskrieg Front gemacht&ldquo;. Sie sprach sich f&uuml;r die nationale Verteidigung aus und war mit Sicherheit keine Kommunistin, sondern stand fest im Glauben der altkatholischen Kirche. Dennoch musste sie zahlreiche Verleumdungen und Geringsch&auml;tzungen erleben. Schlie&szlig;lich opferte sie ihre wissenschaftliche Karriere dem Weltfrieden &ndash; dem &bdquo;gro&szlig;en Ganzen&ldquo;, wie sie es formulierte. Ihr wurde eine psychische Krankheit attestiert und die eigene Familie bezeichnete sie als die &bdquo;verr&uuml;ckte Tante Trudi&ldquo;. Ihr Antikriegsengagement trug Woker zudem den Spitznamen &bdquo;Gas-Trudi&ldquo; ein. Ihre engsten Kollegen hatten sie so lange zerm&uuml;rbt, bis sie unter Verfolgungswahn litt. Mit 88 Jahren wurde sie in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Dort, in Marin im Kanton Neuenburg, verstarb Gertrud Woker am 13. September 1968 im Alter von 90 Jahren.</p>
<p>Erst Jahre nach ihrem Tod richtete die Universit&auml;t Bern ein eigenst&auml;ndiges Institut f&uuml;r Biochemie ein. In Bern und anderen St&auml;dten tragen Stra&szlig;en heute den Namen von Getrud Woker.</p>
<h2>Quellen</h2>
<ul>
<li>Franziska Rogger: Der Doktorhut im Besenschrank: Das abenteuerliche Leben der ersten Studentinnen &ndash; am Beispiel der Universit&auml;t Bern, Bern, 1999, S. 178-198.</li>
<li>Gerit von Leitner: Wollen wir unsere H&auml;nde in Unschuld waschen? Gertrud Woker (1878-1968), Chemikerin &amp; Internationale Frauenliga 1915-1968. Weidler Buchverlag, Berlin, 1998</li>
</ul>
<h2>Hinweis</h2>
<p>Die in dieser Reihe ver&ouml;ffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Ver&ouml;ffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expert*innen. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leser*innen, die mehr wissen wollen, m&ouml;chten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen F&auml;llen gibt es ausf&uuml;hrliche chemiehistorische Arbeiten.</p>
<h2>Autoren</h2>
<p>Prof. Dr. Eberhard Ehlers<br />Prof. Dr. Heribert Offermanns&nbsp;</p>
<h2>Redaktionelle Bearbeitung&nbsp;</h2>
<p>Dr. Uta Neubauer</p>
<h2>Projektleitung</h2>
<p>Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-&Ouml;ffentlichkeitsarbeit)</p>
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