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Bilanzen 2022

Zuwachs trotz Krisen

Nachrichten aus der Chemie, Juni 2023, S. 29-31, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Deutsche Chemieunternehmen haben im Jahr 2022 mehr Waren exportiert als importiert: Sie haben mehr eingeführt als im Jahr zuvor, insgesamt aber weniger produziert. Chemiehandelsunternehmen setzten mehr um. Die Zahl der Patentanmeldungen sank in allen Branchen, Frauen meldeten aber mehr an als zuvor.

Aus dem vierten Quartal 2022 meldeten viele Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie schlechtere Zahlen als zuvor. Die Produktion sank und die Kapazitäten waren nicht ausgelastet. Die Umsätze im In- und Ausland gingen zurück. Insgesamt erwies sich das Jahr aber für viele Unternehmen als erfolgreich (Tabelle S. 30).

Tab.

Unternehmen, sortiert nach Umsatz im Jahr 2022. *US-Dollar, 1 USD ≈ 0,91 Euro; **Schweizer Franken, 1 CHF ≈ 1,02 Euro; ***Saudi-Arabien Riyal, 1 SAR ≈ 0,24 Euro; –: nicht ausgewiesen. Ebit: Gewinn vor Zinsen und Steuern; Ebitda-Marge: (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen)/Umsatz; F+E: Forschungs- und Entwicklungskosten; F+E-Quote: F+E/Umsatz. Klammern: Änderung zum Vorjahr. Hochgestellt:1–3) Berichte in Nachr. Chem. 2023, 71(4, 5 und 6).

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Die gesunkenen Energie- und Rohstoffpreise der vergangenen Monate haben die Situation in Deutschlands drittgrößter Industriebranche stabilisiert. Die Chemieindustrie ist nach der Automobilindustrie und dem Maschinenbau die umsatzstärkste Branche. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) bemängelt weiterhin im internationalen Vergleich hohe Energiekosten, Auftragsmangel und Standortprobleme.

Weltweite Entwicklung

Hohe Kosten und eine abnehmende Nachfrage führten dem VCI zufolge weltweit zu einer schwachen Entwicklung der Chemieproduktion. Ein weltweites Produktionsplus ist auf China zurückzuführen (Grafik).

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Chemie(orange)- und Pharma(blau)produktion einiger Länder; Veränderungen gegenüber Vorjahr in Prozent. Quelle: VCI

Unternehmen drosselten ihre Produktion in den meisten Ländern sowohl verglichen mit dem Vorquartal als auch dem Vorjahr. Während die schwache Nachfrage in allen Ländern spürbar war, kamen in Europa Produktionsprobleme aufgrund hoher Energie- und Rohstoffkosten hinzu. Diese machten Anlagen unrentabel.

Die Pharmaproduktion legte dagegen weltweit zu. Bis auf Russland, wo der Rückzug westlicher Pharmaunternehmen die inländische Pharmaproduktion einbrechen ließ, boomte die Produktion in allen großen Ländern.

Chemiehandel

Im ersten Quartal 2022 räumten einer Umfrage zufolge etwa 70 Prozent der Chemiehandelsunternehmen ihren Beschäftigten die Möglichkeit ein, mobil zu arbeiten. Zum Jahresende lag diese Zahl dem Verband Chemiehandel (VCH) zufolge bei 65 Prozent. Der Verband vertritt etwa 100 Unternehmen. Bei Kundenkontakten schätzen etwa zwei Drittel dieser Chemiehandelsunternehmen Onlinekontakte und wollen diese weiter nutzen.

Die Branche litt wie die Wirtschaft insgesamt unter Lieferkettenstörungen. Der russische Überfall auf die Ukraine sorgte mit Krieg und Embargos dafür, dass Unternehmen ihre Geschäfte mit russischen Partnern abgebrochen haben. Ab Sommer 2022 verringerten sich dadurch die Absätze des Chemiehandels: Bewerteten im ersten Quartal noch 85 Prozent der Antwortenden ihre Umsatzentwicklung positiv, sank diese Zahl auf 57 Prozent im vierten Quartal.

Die VCH-Unternehmen setzten im Jahr 2022 etwa 22,4 Mrd. Euro um, 34 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Etwa ein Drittel davon brachten Industrie-, zwei Drittel Spezialchemikalien.

Wegen der Lieferkettenprobleme und hohen Energiepreise drosselten Produzenten in der chemischen Industrie Produktionsmengen und verkleinerten ihre Lagermengen. So war Deutschland im Oktober 2022 zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte Nettoimporteur von Chemieprodukten.

Im- und Export

Aus Deutschland gingen im Jahr 2022 etwa 18 Prozent mehr chemische Erzeugnisse ins Ausland als im Vorjahr. Deren Wert betrug dem VCI zufolge 163 Mrd. Euro. Die Importe betrugen 138 Mrd. Euro, das waren 45 Prozent mehr als zuvor, aber weniger als die Exporte, anders als im Oktober 2022 . Chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse machten beim Export 284 Mrd. Euro aus (+18 %), beim Import 219 Mrd. Euro (+30 %). Pharmazeutische Erzeugnisse gingen für 121 Mrd. Euro ins Ausland (+18 %), solche Waren kamen im Wert von 82 Mrd. Euro (+12 %) nach Deutschland.

Die Bundesrepublik importierte im Jahr 2022 insgesamt Produkte im Wert von 1494 Mrd. Euro. Chemische Erzeugnisse standen dabei nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts an zweiter Stelle. Es führten Geräte für Datenverarbeitung, Bürotechnik und Unterhaltungselektronik für 149 Mrd. Euro.

China blieb im Jahr 2022 wichtigster Handelspartner deutscher Unternehmen. Der Umsatz (Im- und Export) stieg um fast 21 Prozent auf 299 Mrd. Euro. Seit dem Jahr 2015 kommen die meisten der deutschen Importe aus China (13 %). Der Wert dieser Einfuhren – vor allem Computer, elektronische und optische Erzeugnisse – lag im Jahr 2022 bei 191 Mrd. Euro, das sind 34 Prozent mehr als im Vorjahr. Von Deutschland nach China gingen vor allem Autos, Autoteile und Maschinen.

Duale Ausbildung

Die Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie haben 9265 Ausbildungsplätze im Jahr 2022 angeboten, nach 8575 im Vorjahr. Etwa 10 Prozent der Plätze wurden nicht besetzt (2021: 7,5 %). Die Übernahmequote liegt dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) zufolge bei 94 Prozent.

Zurzeit sind etwa 25 000 junge Menschen in der Ausbildung zu einem der über 50 naturwissenschaftlichen, technischen oder kaufmännischen Berufe der Chemiebranche. Besonders nachgefragt sind bei den Unternehmen Produktionsberufe wie Chemikant oder Pharmakant, zudem Berufe der Instandhaltung wie Elektroniker, Industriemechaniker oder Mechatroniker. Gleiches gilt für Ausbildungsberufe und duale Studiengänge im IT-Bereich.

Chemiestandorte

Geschätzt die Hälfte der zirka 480 000 Chemie- und Pharmabeschäftigten in Deutschland arbeiteten im Jahr 2022 in etwa 50 Chemieparks. Eines der größten zusammenhängenden Chemieareale der Welt liegt dem Chemiekonzern BASF zufolge in Ludwigshafen. Auf ungefähr 10 Quadratkilometern arbeiten etwa 39 000 Beschäftigte. Die größte Fläche nimmt in Deutschland der Chemcoast Park Brunsbüttel ein (20 km2, 12 000 Beschäftigte); es folgen die Chemieparks in Leuna (13 km2, 15 000 Beschäftigte) und Bitterfeld-Wolfen (12 km2, 13 000 Beschäftigte).

Die weltgrößten Chemieflächen waren im Jahr 2021 der Website ingenieur.de zufolge der Hafen von Antwerpen (150 km2), der von Rotterdam (127 km2) und der Chemmed Cluster Tarragona (120 km2) in Spanien. Es folgen der Hafen von Le Havre und drei chinesische Standorte. Brunsbüttel und Leuna liegen auf Platz 8 beziehungsweise 10.

Mehr Frauen mit Chemiepatenten

Im Jahr 2022 wurden deutschlandweit 57 214 Patente angemeldet. Die Chemie hatte dabei mit 18 % den höchsten Frauenanteil. Es führen organische Feinchemie (35 %) und Biotechnologie (29 %) Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) meldete 2,3 Prozent weniger Patenanmeldungen als im Jahr zuvor.

Von 97 124 Erfinderbenennungen hatten 7292 einen weiblichen Vornamen (8 %). Im Ranking der Bundesländer über alle Sektoren liegt Hamburg mit einem Erfinderinnenanteil von 16 Prozent vorne. Hier ist der Anteil der Chemie-Anmeldungen groß. Dagegen stammt in Bayern und Baden-Württemberg, wo der Erfinderinnenanteil bei etwa 6 Prozent liegt, der überwiegende Anteil der Anmeldungen aus dem Maschinenbau.

Frauen gehen dem Statistischen Bundesamt zufolge vom Studium bis zur Patentanmeldung verloren: Im Jahr 2020 waren beim Master-Abschluss in Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) 34 Prozent weiblich; 28 Prozent betrug der Frauenanteil in Forschung und Entwicklung; in der freien Wirtschaft lag der Anteil bei 15 Prozent.

Zum Welttag des geistigen Eigentums machte das DPMA mit dem Start einer Berichtsserie auf Frauen aufmerksam. Diese beginnt anlässlich des World IP Day 2023 mit drei Erfinderinnen aus der Region Bremen. Dabei geht es um ein Verfahren zur Krebsdiagnostik, um Kartoffelpflanzen und um Werkstoffe.

Mehr Patente zu Batterien

Zu Batterietechnik ist die Zahl der Patentanmeldungen im Jahr 2022 um 35 Prozent auf 4651 gestiegen. Die meisten kamen aus Südkorea (1155, +70 %), Japan (955, 23 %) und Deutschland (898, + 11 %), wie das DPMA meldet. Die anmeldestärksten Unternehmen sind die koreanische LG Energy Solution (768) vor der chinesischen Contemporary Amperex Technology (295). Auf Platz drei und vier folgen die deutschen Automobilhersteller BMW (175) und VW (125).

Die Zahl der im Jahr 2022 veröffentlichten Patentanmeldungen zu Solartechnik, Wind- und Wasserkraft, Erdwärme und Biogas lag insgesamt auf Vorjahresniveau. Während die Anmeldungen in der Solartechnik zulegten (+5 %), gingen sie bei Windkraftmaschinen zurück (–8,9 %). Insgesamt sanken die Anmeldungen zu erneuerbaren Energien um 2,4 Prozent.

Insgesamt liegen deutsche Unternehmen bei Anmeldungen zur Technik für erneuerbare Energien vorne. Sie belegen in der Solartechnik Platz 1 vor den Vereinigten Staaten und China. Bei Windkraftmaschinen liegen sie auf Platz 2 hinter Dänemark und vor den Vereinigten Staaten. Bei den anmeldeschwächeren Bereichen Erdwärme/Biogas und Wasserkraft steht Deutschland auf Platz 1 beziehungsweise 2.

Maren Bulmahn ist Redakteurin der Nachrichten aus der Chemie.

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