Bildung + Gesellschaft

Im Frühjahr vor einem Jahr waren unter den Flüchtenden aus der Ukraine auch Chemiestudentinnen aus Kyjiw. Etwa 20 hatte die Universität Gießen aufgenommen. Sie haben seitdem Forschungsprojekte gestartet, das Studium abgeschlossen, eine Doktorarbeit begonnen, Deutsch gelernt oder Deutschland verlassen.Olesia Vasylets, Chemiestudentin aus der Ukraine, promoviert nun in Gießen. Anfang März hat sie im Arbeitskreis von Richard Göttlich damit begonnen, sie synthetisiert Heterocyclen. „Ich weiß jetzt, dass ich mich überall anpassen kann“, sagt sie. Vor einem Jahr, kurz nachdem die russische Armee ihr Heimatland überfallen hatte, verließ sie die Hauptstadt Kyjiw, kam als Austauschstudentin nach Deutschland, studierte online weiter und begann in Gießen mit Forschungsprojekten im Labor.Ähnlich wie ihr erging es Nataliia Petlovana, die in Biochemie promovieren möchte, Viktoria Kuzminska, die mit fast abgeschlossenem Bachelor nach Gießen kam, und Yuliia Kurtash, die noch mitten im Bachelorstudium war, als sie vor dem Krieg floh [Nachr. Chem. 2022, 70(9), 12]. <link href="#nadc20234135785-fig-0001">Alle studierten an der Nationalen Technischen Universität, Kyjiwer Polytechnisches Institut Ihor Sikorskyj.<figure xml:id="nadc20234135785-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/8ax0mPQ3RSO0PRtdW0au"><figcaption><label>Abb.1: </label>„Wir haben keine andere Wahl, als optimistisch zu sein“, sagen Viktoria Kuzminska, Nataliia Petlovana und Olesia Vasylets (von links), die nach ihrer Flucht aus der Ukraine an der Universität Gießen ihr Chemiestudium fortgesetzt haben.</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Kein Strom, kein Unterricht</h2>Aus Sicherheitsgründen stellte das Polytechnische Institut auf digitalen Fernunterricht um, an dem die Studentinnen vom Ausland aus teilnehmen. Sie absolvieren Online-Kurse und -Prüfungen – neben Laborarbeit und Deutschunterricht in Gießen.Die Forschungsprojekte in Gießen hat die Universität in der Ukraine anerkannt, und so haben Nataliia Petlovana und Olesia Vasylets den Master abschließen können. Um in Kyjiw ihre Masterarbeiten zu verteidigen und die Zeugnisse abzuholen, reisten beide Ende des Jahres für etwa einen Monat in die Ukraine. Dort fiel aufgrund der Angriffe im Winter ständig der Strom aus. „Das bedeutet, keine Heizung, kein Wasser, kein Internet, kein Mobilfunk“, berichtet Vasylets. „Wie soll ein Online-Studium so funktionieren?“Nataliia Petlovana, die vor Ort noch einen Biochemiekurs abschließen musste, stand teilweise nachts um zwei Uhr auf. Nur dann war das Netz stabil genug, um die Lehrvideos störungsfrei anzusehen und die Tests auszufüllen. Sie bewundere ihre Kommilitonen, die es schaffen, in Kyjiw mit dem Studium weiterzukommen.Olesia Vasylets fühlte sich in Kyjiw unsicher. Den permanenten Luftalarm wegen der Raketen- und Drohnenangriffe fand sie zermürbend, die Reaktion der Menschen darauf fatalistisch. „Viele gehen gar nicht mehr in die Luftschutzräume“, berichtet sie, „sie sagen nur: ‚Entweder ich überlebe das oder ich sterbe halt.‘“<h2 type="main">Gute oder schlechte Nachrichten</h2>Was in der Ukraine passiert, verfolgen die Studentinnen über Telegram-Kanäle und soziale Netzwerke. Nataliia Petlovana schaut jeden Morgen auf ihr Mobiltelefon. Wenn es nur wenige Nachrichten anzeigt, ist sie beruhigt. Sorgen macht sie sich, wenn sie mehr als zehn neue Nachrichten in ihrer Timeline vorfindet.Wenn sich nur zwei oder drei Studierende statt der üblichen dreißig in einen Online-Kurs einloggen, schreibt Viktoria Kuzminska ihren Freunden und fragt, was passiert ist. Sie verzichtete darauf, über die Weihnachtsfeiertage ihre Familie zu besuchen. Ihre Mutter wohnt in der Nähe von Saporischschja, wo die russische Armee das Atomkraftwerk besetzt hält, ihr Bruder in Dnipro, das permanenten Angriffen ausgesetzt ist, und Kuzminska befürchtete, nach einem Aufenthalt dort nicht mehr nach Deutschland zurückkehren zu können.Wie lange der Krieg in ihrem Heimatland noch dauern wird und was aus ihren Angehörigen wird, versucht sie, nicht an sich heranzulassen. „Das ist wichtig für die geistige Gesundheit“, sagt Kuzminska. Sie versuche, optimistisch zu bleiben, und konzentriere sich auf ihre wissenschaftliche Arbeit.<h2 type="main">Trotz allem Wissenschaft</h2>Viktoria Kuzminska hat in <link href="#nadc20234135785-fig-0002">Kyjiw technische Chemie studiert. Seit sie in Gießen ist, beschäftigt sie sich mit physikalischer und Materialchemie, mit Prozesschemie nur noch theoretisch. Aber sie habe durch die Forschungsarbeit an der Universität Gießen ihre „Liebe zur Chemie wiedergefunden.“ Sie möchte unbedingt wissenschaftlich arbeiten, ihren Master abschließen und promovieren. „Mein Ziel ist, Wissenschaftlerin zu werden.“<figure xml:id="nadc20234135785-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/HRgX1MwLTN6sVl9VsZuc"><figcaption><label>Abb.2: </label>Unterbrochene Stromleitungen in der Ukraine. Die häufigen Stromausfälle haben im Winter die Studienbedingungen dort zusätzlich verschlechtert. Foto: Marek M. Berezowski; dpa picture alliance</figcaption></figure></figure>Dafür möchte Kuzminska in Deutschland bleiben und kümmerte sich darum, finanzielle Unterstützung für ihr Studium zu erhalten. Bis September erhält sie die vom Jobcenter. Inzwischen hat sie sich an Land und Leute gewöhnt, „ich habe angefangen, hier zu leben und Freunde gefunden.“ Alltagssituationen kann sie auf Deutsch bewältigen.Nataliia Petlovana möchte ebenfalls in Deutschland promovieren, und und zwar am Karlsruher Institut für Technologie, KIT. Denn dort sind die Substanzen, die sie aus der Ukraine mitgebracht hat, und dort arbeitet eine Gruppe mit den biochemischen Methoden, die ihre Forschung braucht. Allerdings stand dem zunächst die Bürokratie entgegen: Petlovana hatte erst nur eine Aufenthaltsgenehmigung für Hessen. Mit einer Einladung und einer Doktorandenstelle hoffte sie, nach Baden-Württemberg ziehen zu dürfen. Inzwischen hat sie dafür den entsprechenden Aufenthaltstitel erhalten.<h2 type="main">Bleiben oder gehen</h2>Nataliia Petlovana kann sich gut vorstellen, nach dem Krieg wieder in die Ukraine zurückzukehren. Mit ihrer Ausbildung könnte sie dazu beitragen, das Land ökonomisch wieder aufzubauen. Viktoria Kuzminska befürchtet allerdings, „dass die Probleme des Landes, die Korruption, nicht mit dem Krieg enden.“Ob Olesia Vasylets jemals wieder in die Ukraine zurückkehrt, weiß sie nicht. Ausschließen will sie es nicht. „Wir machen keine Pläne“, sagt sie. Sie werde dorthin gehen, wo sie Arbeit findet.Nicht geblieben ist Yuliia Kurtash. Sie kehrte im September nach Kyjiw zurück und versucht, vor Ort weiter zu studieren. Sie sei sehr glücklich gewesen, ihre Freunde und Verwandten wieder zu sehen, schreibt sie. Mit der Zeit habe die Freude nachgelassen: Nicht nur für sie, für alle sei es schwierig, Jobs zu bekommen, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Den Krieg mit den Raketeneinschlägen und den verletzten Soldaten, nicht älter als Kurtash selbst, aus nächster Nähe zu erleben, sei etwas anderes als es aus den Nachrichten zu erfahren.Mit Olesia Vasylets, Viktoria Kuzminska und Nataliia Petlovana sprach Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski. Wie es Yuliia Kurtash erging, erfuhr Boryslav Tkachenko, Uni Gießen, der selbst aus der Ukraine stammt, per E-Mail.<h2 type="main">INFO: Online-Studium für Studierende aus der Ukraine</h2>Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) legte im letzten Frühjahr das Programm „Ukraine digital“ auf. Das sollte es den Universitäten zusammen mit Kooperationspartnern in Deutschland ermöglichen, ihre Studierenden weiter zu unterrichten, auch wenn diese nicht mehr am Hochschulort sind. Der Bedarf war so hoch, dass das Programm Anfang des Jahres in eine zweite Förderrunde gegangen ist. In der ersten Runde hat der DAAD 73 und in der zweiten 47 Projekte finanziert. In Chemie beteiligen sich zum Beispiel die Universität Koblenz-Landau und die Universität Duisburg-Essen. Viele Projekte sind fächerübergreifend.<a href="https://t1p.de/cf61o" target="_blank">t1p.de/cf61o</a>

Studentinnen aus der Ukraine

"Wir machen keine Pläne"

Im Frühjahr vor einem Jahr waren unter den Flüchtenden aus der Ukraine auch Chemiestudentinnen aus Kyjiw. Etwa 20 hatte die Universität Gießen aufgenommen. Sie haben seitdem Forschungsprojekte gestartet, das Studium abgeschlossen, eine Doktorarbeit begonnen, Deutsch gelernt oder Deutschland verla...

PD Dr.rer.nat.habil.

Prof.Dr.

Clemens Winkler, ab 1873 Professor für anorganische Chemie an der Bergakademie Freiberg, schmolz seine Entdeckungen, darunter verschiedene Germaniumverbindungen, in Glasampullen ein. Damit begründete er die Sammlung anorganisch-chemischer Präparate der TU Freiberg, die die Universität heute noch in der Lehre einsetzt. Jetzt wird diese Sammlung digitalisiert.Chemische Präparate als Präsentationsobjekte machen Lehrinhalte anschaulich und motivieren die Studierenden in chemischen Grundlagenvorlesungen. In der anorganischen Chemie der TU Bergakademie Freiberg zeigen die Dozenten seit über 150 Jahren chemische Präparate in den Vorlesungen. Begonnen hat diese Tradition Clemens Alexander Winkler (1838 – 1904), der Entdecker des Elements Germanium.1) Er versiegelte zumeist selbst synthetisierte anorganische Substanzen in Glasampullen. Diese kamen in einen Holzständer und wurden in den Vorlesungen gezeigt (Abbildung 1).Die Präparation der anorganisch-chemischen Substanzen in Glasampullen hat sich bewährt, denn die Lehrenden nutzen die zirka 1400 historischen Objekte aus dem 19. und 20. Jahrhundert bis heute in ihren Veranstaltungen. Teile der Sammlung wurden auf den Weltausstellungen in Paris 1889 und in St. Louis 1904 gezeigt.<h2 type="main">Die Sammlung als Dokumentation</h2>Anhand der Sammlung lassen sich Forschungsergebnisse nachvollziehen: So hat Winkler die gesamte Entdeckungsgeschichte des Germaniums2) in sorgfältig abgeschmolzenen Ampullen dokumentiert.Die Wissenschaftler haben Präparate sowohl von Elementen als auch von deren Verbindungen hergestellt (<link href="#nadc20234134105-fig-0001">Abbildung 1). Die Verbindungen wurden als Reinstoffe oder als Lösungen in die Sammlung aufgenommen. Wie bei anderen Sammlungen der TU Freiberg3) erfasste Winkler nicht nur eigene Forschungsergebnisse als Objekte, sondern auch diejenigen anderer Forscher. So tauschte er wichtige Proben mit Zeitgenossen.<figure xml:id="nadc20234134105-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/t7eMQxtMQ7Su6K0hBSeB"><figcaption><label>Abb.1: </label>Beispiele für Präparate der Sammlung: links Cobalt, eingeschmolzen in einer Glasampulle, mit Holzständer, und rechts Bergblau in einer Schliffflasche.</figcaption></figure></figure>Die Sammlung entstand in einem chemiehistorisch interessanten Zeitraum, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.4) Sie zeigt, wie neue Elemente entdeckt wurden, das von Dmitri Mendelejew und Lothar Meyer postulierte Periodensystem bestätigt wurde, und wie elektrochemischer Herstellungsverfahren genutzt wurden. So enthält die Sammlung elektrochemisch abgeschiedene Proben von Nickel und Cobalt.Durch den Austausch zwischen Winkler und anderen Wissenschaftlern steht auch eine der ersten Galliumproben von Paul-Émile Lecoq de Boisbaudran mit einer handschriftlichen Notiz Winklers in der Sammlung.5) Titan von Henri Moissan gehört ebenfalls zu den Ausstellungsstücken.Ende des 19. Jahrhunderts behaupteten einige Wissenschaftler, neue Elemente entdeckt zu haben. Dabei handelte es sich jedoch um Gemische bereits bekannter Elemente, etwa die Sammlungsstücke Russium-, Kosmium- und Neokosmiumnitrat sowie verschiedene Didym-Präparate (Kasten). Vor allem letztere spiegeln zusammen mit den Praseodym- und Neodym-Präparaten, wie sich anorganische und analytische Chemie in dieser Zeit entwickelt haben. Zu chemiehistorischen Erkenntnissen im Laufe unserer Untersuchungen und den Präparaten dieser „besonderen Elemente“ werden wir in weiteren Artikeln berichten.<h2 type="main">INFO: Echte und vermeintliche Elemente</h2>Die Entdeckung der Elemente Eka-Aluminium (Gallium, 1875), Eka-Bor (Scandium, 1879) und Eka-Silicium (Germanium, 1886) bestätigte das von Mendelejew postulierte Periodensystem der Elemente.4) Das Periodensystem hatte zu dieser Zeit noch zahlreiche Lücken. Nach 1886 häuften sich Meldungen über die Entdeckung neuer Elemente.5) Wie sich später herausstellte, handelte es sich in einigen Fällen um Mischungen bereits bekannter Elemente. So ist es auch bei den Proben von Russium, Kosmium und Neokosmium in der Sammlung: Nach früheren Analysen ist Russium in Wirklichkeit Thorium, das mit sechs Prozent Barium und einem Prozent Cer verunreinigt ist.5) Kosmium und Neokosmium bestehen hauptsächlich aus Lanthan (90 % beziehungsweise 82 %) mit unterschiedlichen Anteilen an Barium, Neodym und Praseodym.5)Didym galt lange Zeit als chemisches Element und war sogar im von Mendelejew erstellten Periodensystem als Di eingetragen. Es handelt sich jedoch um ein Gemisch von Praseodym und Neodym.<h2 type="main">Fotos und Metadaten</h2>Seit September 2021 digitalisieren wir die Sammlung. Für den Digitalisierungsprozess nutzen wir keine kommerzielle Software. Wie Tests zeigten, sind Digitalisierungsprojekte ausschließlich mit Open-Source-Software realisierbar.Zunächst fotografieren wir alle Präparate. Acht Fotos nehmen wir jeweils gedreht im Winkel von 45 ° auf, eines von der Standfläche (<link href="#nadc20234134105-fig-0002">Abbildung 2) sowie eines mit einer Standard-Graukarte zum Weißabgleich. Hinzu kommt ein Foto mit einer Farbkarte, um die Farben zu kalibrieren (<link href="#nadc20234134105-fig-0003">Abbildung 3). Für alle Aufnahmen nutzen wir eine Sony-ɑ6000-Kamera. Die Objekte stehen auf einem selbst gebauten Drehteller, der sie automatisch um 45 ° dreht. Er besteht aus einem Probenträger mit Axialkugellager und Schrittmotor, den ein Arduino Nano steuert.6)<figure xml:id="nadc20234134105-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/xZN4l3zTPSyuK2ImwPpw"><figcaption><label>Abb.2: </label>Die Fotoserie eines Objekts ohne Farb- und Graukarte. Das Etikett auf den Fläschchen weist die orangefarbene Substanz als Rubidiumiodidchlorid RbICl2 aus.</figcaption></figure></figure><figure xml:id="nadc20234134105-fig-0003"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/BpPll6p8Qaes2Ae8AHno"><figcaption><label>Abb.3: </label>Farbkarte für die Farbkalibrierung (links) und Objekt mit Größenkarte und Graukarte (rechts).</figcaption></figure></figure>Farbkalibrierung und Weißabgleich übernimmt das Programm Darktable.7) Die Bilder exportieren wir als 16-bit-Adobe-RGB-TIF-Dateien, entsprechend den Praxisregeln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Digtalisierung.8) Die Bilder werden unter der Creative Commons-Lizenz veröffentlicht.9)Weiterhin erfassen wir alle Metadaten der Objekte und speichern sie über eine selbst entwickelte Weboberfläche in einer SQLite-Datenbank.10) Die Metadaten orientieren sich dabei am Lido-1.0-Standard, erweitern diesen aber um chemische Informationen. Alle Digitalisate werden in eine Weboberfläche eingebunden und öffentlich zugänglich gemacht. Zusätzlich werden die Datensätze nach Lido (für die Deutsche Digitale Bibliothek),11) METS/MODS (für den DFG-Viewer, ein Web-Programm der Deutschen Froschungsgemeinschaft, um digitalisierte Kulturgüter zu betrachten) und JSON (JavaScript Object Notation, für zukünftige Projekte) exportiert. Damit erreichen wir Kompatibilität mit den Standards für Digitalisate.Im weiteren Verlauf des Projektes analysieren wir ausgewählte Präparate. Die in Glasampullen eingeschmolzenen Objekte untersuchen wir mit Ramanspektroskopie. Zudem wurden erste röntgenspektrometrische und diffraktometrische Analysen am Desy (Deutsches Elektronensynchrotron) in Hamburg durchgeführt. Präparate in Schliffflaschen sowie Gläser und Gefäße werden mit Röntgenfluoreszenzanalyse untersucht.Wie die Analysen zeigen, ist das Präparat „Roter Weinstein“ ein Oxalat und nicht ein Salz der Weinsäure. Eine Originalprobe von Clemens Winklers Cerhydrid erwies sich als das erste weltweit hergestellte Cerhydrid, beschrieben in seiner Veröffentlichung in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft.12)Die Analysenergebnisse hinterlegen wir in der Datenbank und verknüpfen sie mit den Objekten. Um alle Schritte der Digtalisierung zu dokumentieren, nutzen wir das Programm mdbook.13) Die Dokumentation entsteht damit in dem einfachen Markdown-Format und ist leicht in eine Weboberfläche überführbar.<h2 type="main">Digitalisate in Forschung und Lehre</h2>Ein Ziel des Projekts ist, die Digitalisate frei zugänglich zu machen. Für Forschende stehen die Datensätze durchsuchbar in Anzeigeoberflächen wie der von uns programmierten Weboberfläche, dem DFG-Viewer und der Deutschen Digitalen Bibliothek zur Verfügung. Für die Lehre werden spezielle Funktionen in die Weboberfläche eingebaut (<link href="#nadc20234134105-fig-0004">Abbildung 4). Virtuelle Rundgänge zu ausgewählten Themen ergänzen bald die Vorlesungen in anorganischer Chemie.<figure xml:id="nadc20234134105-fig-0004"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/YWDVIkZQQFG9r6MHyWFk"><figcaption><label>Abb.4: </label>Screenshot der Weboberfläche der Clemens-Winkler-Sammlung.</figcaption></figure></figure>Um die Objekte identifizieren zu können, erhält jedes eine Visitenkarte: Auf der Vorderseite sind das Objekt selbst, der Name, die Identifikationsnummer und ein QR-Code abgebildet. Auf der Rückseite stehen die Gefahrensymbole, das Signalwort (zum Beispiel „Achtung“ oder „Gefahr“) sowie die H- und P-Sätze (<link href="#nadc20234134105-fig-0005">Abbildung 5). Damit werden zugleich die Anforderungen des GHS zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien erfüllt, ohne dass die historischen Präparate selbst verändert werden müssen.<figure xml:id="nadc20234134105-fig-0005"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/g6wUuujUSfGTElCfmzbY"><figcaption><label>Abb.5: </label>Visitenkarte eines Objekts der Sammlung (oben: Vorderseite, unten: Rückseite).</figcaption></figure></figure>Studierende können den QR-Code scannen und erhalten so direkt Informationen zu dem Objekt aus der Datenbank. Aus Sicherheitsgründen und aufgrund der historischen Bedeutung der Sammlungsobjekte dürfen Studierende die Präparate nicht anfassen. Die Präparate werden ausschließlich vom Lehrpersonal transportiert und gehandhabt.<h2 type="main">Unbeantwortete Fragen, neue Präpatare</h2>Bei der Digitalisierung sind Fragen zu einzelnen Objekten aufgetreten. Beispielsweise ist unbekannt, welches Gegenion die „Ammoniakalische Cobaltosalzlösung“ enthält. Solche Fragen werden ebenfalls in die Datenbank aufgenommen. Sobald wir die Antworten herausgefunden haben, tragen wir sie ein. Zudem ist geplant, offene Fragen, die durch Literaturrecherche zu beantworten sind, Studierende bearbeiten zu lassen, entweder als Hausaufgaben oder im Rahmen von Abschlussarbeiten. Weitere Fragen, die sich aus den Sammlungsobjekten ergeben, liefern Anreize und Ausgangspunkte für chemisch-historische Forschungsvorhaben. Eine grundsätzliche Frage, die sich für viele der Präparate ergibt, ist die nach der Herstellungsmethode, da keine Laborbücher mehr vorliegen.Bisher sind 900 der zirka 1400 Objekte mit Fotos und Metadaten erfasst. Es folgen qualitätssichernde Überarbeitungen, Analysen ausgewählter Objekte und die Weiterentwicklung der Weboberfläche sowie der Exportfilter. Die digitale Präsentation der Winklersammlung ist unter <a href="https://winklersammlung-freiberg.de" target="_blank">winklersammlung-freiberg.de</a> erreichbar.Die Sammlung ist nicht abgeschlossen. Wir planen, eine Sammlung aus Amsterdam zu integrieren. Außerdem werden neue Präparate erstellt und der Sammlung hinzugefügt. Die neuen Präparate dokumentieren heutige Forschungsthemen und Praktikumspräparate für nachfolgende Generationen.Auch nach der Digitalisierung der Sammlung werden die Dozenten Präparate in ihren Vorlesungen zeigen. Digitale Lehrinhalte sollen in Zukunft die bisherigen Lehrformate für die Studierenden ergänzen. Die historisch wertvolle Sammlung wird durch die Digitalisierung international sichtbar und bleibt für künftige Nutzer erhalten. Wir ermöglichen mit unserer Arbeit allen einen Einblick in die Sammlung und damit in die Geschichte der anorganischen Chemie seit dem 19. Jahrhundert.Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die mit der Projektnummer KR 1739/40–1 die Digitalisierung der Winklersammlung für die Forschung unterstützt. Die Anpassung und Nutzbarmachung der Digitalisate für die Lehre wird von der Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“ im Rahmen des Projektes „VirtFa@TUBAF“ mitfinanziert.<h2 type="main">Die Autoren</h2>Diesen Beitrag haben Marcus Herbig (Foto oben), Georg Franze, Uwe Böhme und Edwin Kroke (Foto unten) verfasst. Marcus Herbig und Uwe Böhme sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Anorganische Chemie der TU Bergakademie Freiberg. Georg Franze ist Doktorand am selben Institut. Edwin Kroke ist Professor für anorganische Chemie an der TU Freiberg und leitet das DFG-Projekt zur Digitalisierung der Winklersammlung. Fragen zur Sammlung und dem Digitalisierungsprojekt können an <a href="mailto:edwin.kroke@chemie.tu-freiberg.de">edwin.kroke@chemie.tu-freiberg.de</a> gestellt werden.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/9wrejLzmSYaSsbwZPeL0"><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/DPiJNXIKQpiUOW60q9xm"><h2 type="main">AUF EINEN BLICK</h2>Die anorganisch-chemische Sammlung der TU Freiberg enthält etwa 1400 Objekte, die teilweise über 150 Jahre alt sind. Sie enthält sowohl Elemente als auch Verbindungen und wird ständig ergänzt.Um die Objekte digital zu präsentieren, werden sie fotografiert, und Informationen über sie werden in eine Datenbank eingetragen.Die Autoren nutzen ausschließlich Open-Source-Software, um diese Sammlung zu digitalisieren.<ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20234134105-bibl-0001" style="numbered"><li xml:id="nadc20234134105-bib-0001">1 M. Haustein, Clemens Winkler – Chemie war sein Leben, Verlag Harri Deutsch, Frankfurt a. M. 2004, ISBN 3–8171–1728–0</li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0002">2 C. Winkler, „Mittheilungen über das Germanium“, J. Prak. Chem. 1886, 34 (1), 177–229, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1002/prac.18860340122">10.1002/prac.18860340122</accessionid></li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0003">3 J. Zaun (Hrsg.), Bergakademische Schätze – Die Sammlungen der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, Chemnitzer Verlag, Chemnitz 2015, ISBN 978–3–944509–27–3</li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0004">4 W. Reschetilowski, 150 Jahre Periodensystem der Elemente – Ein historischer Rückblick, Gesellschaft Deutscher Chemiker, Frankfurt a. M. 2019, ISBN ‎ 978–3–947197–17–0</li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0005">5 M. Haustein, J. Zaun „Die Sammlung chemischer Präparate der TU Bergakademie Freiberg – Clemens Winklers materielle Spuren“, Mitteilungen, Gesellschaft Deutscher Chemiker, Fachgruppe Geschichte der Chemie (Frankfurt/Main), 2009, 20, 23–42.</li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0006">6 M. Herbig, U. Böhme, „Königliches im Labor“, Nachr. Chem. 2019, 67 (7–8), 31–34, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1002/nadc.20194088743">10.1002/nadc.20194088743</accessionid></li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0007">7 <a href="https://www.darktable.org" target="_blank">www.darktable.org</a></li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0008">8 <a href="https://www.dfg.de/formulare/12_151/12_151_de.pdf" target="_blank">www.dfg.de/formulare/12_151/12_151_de.pdf</a></li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0009">9 <a href="https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de" target="_blank">creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de</a></li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0010">10 <a href="https://www.sqlite.org" target="_blank">www.sqlite.org</a></li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0011">11 Lightweight Information Describing Objects, <a href="https://lido-schema.org" target="_blank">lido-schema.org</a></li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0012">12 C. Winkler, Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 1891, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1002/cber.189102401163">10.1002/cber.189102401163</accessionid></li><li xml:id="nadc20234134105-bib-0013">13 <a href="https://rust-lang.github.io/mdBook/analysiert" target="_blank">rust-lang.github.io/mdBook/analysiert</a></li></ul>

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