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Im Alter von 84 Jahren verstarb am 11. Februar in Merseburg Wilhelm Pritzkow.
Wilhelm Pritzkow wurde am 29. Oktober 1928 in Berlin geboren und verbrachte die Schulzeit in Potsdam, Milow und Rathenow. 1946 legte er in Rathenow sein Abitur ab. Zuvor wurde er noch im Januar 1945 als Flak-Soldat eingezogen und erlebte in Milow den Zusammenbruch des Naziregimes.
Im Wintersemester 1946/47 begann Wilhelm Pritzkow in Rostock ein Chemiestudium. Mit einer Arbeit über die Oxidation von Paraffinkohlenwasserstoffen, die er bei Wolfgang Langenbeck am Institut für Katalyseforschung in Rostock anfertigte, promovierte er 1951 zum Dr. rer. nat. Anschließend beschäftigte er sich mit Flüssigphasenoxidation von Paraffinkohlenwasserstoffen und Ketonen mit molekularem Sauerstoff sowie mit Reaktionen von Alkylhydroperoxiden — ein Arbeitsgebiet, das er im gesamten Berufsleben verfolgte und auf dem er sich 1956 an der Universität Halle habilitierte. 1956 nahm er eine Tätigkeit in den Leuna-Werken auf. Im Alter von 33 Jahren wurde er Honorardozent und anschließend Honorarprofessor an der Universität Halle. Noch im gleichen Jahr berief ihn die damalige Technische Hochschule für Chemie Leuna-Merseburg zum ordentlichen Professor und Leiter des Instituts Chemie und Technologie der organischen Grund- und Zwischenprodukte.
Das Spektrum seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ging weit über die technische Chemie hinaus. Insbesondere die Arbeiten über die Reaktion von Alkylaziden, die Chemie der organischen Nitrosoverbindungen, die Kinetik und den Mechanismus von elektrophilen Olefin-Additionen, die Sulfochlorierung von n-Paraffinen, die Chemie aliphatischer Sulfochloride und die nucleophile Substitution aromatischer CH-Bindungen wurden international stark beachtet. Wilhelm Pritzkows Interesse war stets darauf gerichtet, die wissenschaftlichen Ergebnisse für industrielle Prozesse nutzbar zu machen. Seine Bindungen zur chemischen Industrie waren eng und durch Industrieprojekte und beratende Tätigkeit belegt. Von 1966 bis 1979 war er Vorsitzender des Zentralen Arbeitskreises Organische Grund- und Zwischenprodukte der Gruppe Chemie des Forschungsrats der DDR; von 1968 bis 1970 Mitglied im Vorstand der Chemischen Gesellschaft der DDR und von 1991 bis 1994 im Vorstand der Dechema.
Als Hochschullehrer hat er die Ausbildung in technischer Chemie in der DDR geprägt. In seinen Vorlesungen stand der Zusammenhang von Chemie, Technik und Volkswirtschaft im Mittelpunkt, die physikalisch-chemische Fundierung und eine moderate Mathematisierung der technischen Chemie waren ihm ein Anliegen.
Nach 1989 hat sich Wilhelm Pritzkow für die Erneuerung der Merseburger Hochschule eingesetzt und als Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften um Kompromisse bei der Fusion der Chemieinstitute in Merseburg mit denen der Universität in Halle gerungen. Er hat sich massiv gegen die Verdrängung der ostdeutschen Wissenschaftseliten aus den Universitäten gewehrt, nicht ohne auf die Mängel im DDR-Hochschulwesen hinzuweisen. Er selbst musste sich nach 30 Jahren Hochschullehrertätigkeit um eine erneute Berufung bewerben, obwohl es in der technischen Chemie kaum einen Besseren für die Weitergabe des Wissens an die nächste Generation gab.
Wilhelm Pritzkow lebte bescheiden. Jedes Schwadronieren war ihm zuwider, und Dinge, die es klar zu benennen galt, hat er nie beschönigt. Er war ein gefragter, aber strenger und gewissenhafter Gutachter in zahlreichen Promotions- und Habilitationsverfahren. Unter seiner Anleitung wurden 240 Diplomarbeiten und 91 Doktorarbeiten angefertigt; 6 Wissenschaftler habilitierten sich in seiner Arbeitsgruppe. Die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeiten sind in 176 Publikationen und 14 Patenten niedergelegt. Er war Autor und Coautor von sieben Lehrbüchern. Seine wissenschaftliche Leistung fand Anerkennung durch den Friedrich-Wöhler-Preis (1961), den Carl-Schorlemmer-Preis (1977), die Humboldt-Medaille (1980), die Kekulé-Medaille (1982) und durch die Wahl zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (1973).
Freunde, Kollegen, Mitarbeiter und Schüler werden Wilhelm Pritzkow vermissen und sich immer dankbar an ihn erinnern.
Dieter Schnurpfeil, Langeneichstädt
Harald Schmidt, Linz/Österreich

Wilhelm Pritzkow (1928 — 2013)

Im Alter von 84 Jahren verstarb am 11. Februar in Merseburg Wilhelm Pritzkow. Wilhelm Pritzkow wurde am 29. Oktober 1928 in Berlin geboren und verbrachte die Schulzeit in Potsdam, Milow und Rathenow. 1946 legte er in Rathenow sein Abitur ab. Zuvor wurde er noch im Januar 1945 als Flak-Soldat eing...

<h2>Mit Zunftgrüßen: Management ist Handwerk</h2>
“Ich schlage vor, Management als Handwerk zu begreifen … — Schon im dritten Semester haben die Studenten gelernt, über Leadership, Visionen und Global Governance zu reden. Sie produzieren grässliche Wortschäume und haben keine Ahnung, was es tatsächlich bedeutet. Aber die handwerklichen Dinge lernen sie während ihres gesamten Studiums nicht!” Das sagte der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik, Professor an der Universität St. Gallen, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen. Malik hat gerade mit Albert Maucher, dem deutschen Chef der schweizerischen Nestlé und einem der erfolgreichsten Unternehmer der letzten Jahrzehnte, ein lesenswertes Buch publiziert [Maucher, Malik, Farschtschian; Maucher und Malik über Management — Maximen unternehmerischen Handelns, Campus, Frankfurt].
Chemiker, die ihr Studium (Wissenschaft und Handwerk zugleich) erfolgreich abgeschlossen haben und in der Industrie nach verschiedenen Stationen (Training on the Job) Verantwortung übernehmen, lesen dies mit Genugtuung. Die Kollegen, die nach dem Studium direkt einen gut dotierten “Job” bei einem Unternehmensberater, — die schnappen oft die besten Naturwissenschaftler weg —, angetreten haben, hören dies aber bestimmt nicht gerne.
Zurzeit erleben wir am Technologiestandort Deutschland gigantische Pannen und Fehlleistungen bei öffentlichen Großprojekten: Hauptstadtflughafen “Willy Brand”, Stuttgart 21, Nürburgring und Elbphilharmonie. Auch große DAX-Unternehmen zeigen Unfähigkeit — neben Verstößen gegen gute Sitten. So ist Thyssenkrupp nicht fähig, Großprojekte in den USA und Brasilien zum Erfolg zu führen, und geht mit dem Verkauf der Edelstahlsparte ans Eingemachte. Siemens hat große Probleme mit dem Velaro D (ICE 3) und bekommt die für über vier Milliarden Euro neu erworbene Diagnostiksparte (“Schuster bleib' bei deinem Leisten!”) nicht in den Griff. Von der Dentalsparte hatte man sich bereits früher getrennt (private equity buyout).
Andererseits untermauern Branchen wie Automobil oder Großchemie den Ruf des Technologiestandortes. Auch viele Familienunternehmer und Mittelständler tragen dazu bei.
Überwiegt eventuell bei den erfolgreichen Unternehmen die Maliksche Auffassung, Management als Handwerk zu verstehen? Sind in diesem Sinne Unternehmensführer wie Martin Winterkorn (VW), Wendelin Wedeking (Porsche-Sanierung), Norbert Reithofer (BMW), Jürgen Hambrecht (BASF), Axel Heitmann (Lanxess), Klaus Engel (Evonik), Wolfgang Reitzle (Linde), Andreas Barner (Boehringer), Jürgen Heraeus (Heraeus), Peter Bettermann (Freudenberg, bis 2012) nicht “Handwerker”?
Sie kennen Ihr Unternehmen und treffen mutige Entscheidungen, sind nicht beratungssüchtig und keine Rückversicherer. Sie kennen die Mitarbeiter und lassen sich ihr Kabinett und ihre Mannschaft nicht von Vermittlern von Führungskräften (Headhuntern) zusammenstellen. Für sie ist die Wertschätzung durch Kunden wichtiger als die Beurteilung durch Finanzanalysten.
Interessant wäre eine Statistik über die externen Beratungskosten von verschiedenen Unternehmen, um die Frage zu beantworten: Sind Unternehmen, die sich bei strategischen und organisatorischen Fragen von außen beraten lassen und über Headhunter die vermeintlich besten Führungskräfte auf dem Arbeitsmarkt suchen, besonders erfolgreich?
Mich würde es wundern!
Mit Zunftgrüßen:
Heribert Offermanns, Hanau
<a href="mailto:heppoff@gmx.de">heppoff@gmx.de</a>


<h2>Wie erhaben sind die Naturwissenschaften über Vorwürfe wie die an Dr. Schavan?</h2>
Die meisten Diplomchemiker und Diplomchemikerinnen sind promoviert und bei denjenigen, die neuerdings das Chemiestudium mit einem Master abschließen, wird es wohl kaum anders kommen. Ich selbst habe den Titel Dr. rer. nat. im Jahr 1991 von der Universität Hamburg erhalten. Das ist lange her, wenn es auch nicht 33 Jahre zurück liegt, wie im Fall der ehemaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan. Aber ganz egal, wie lange die Promotion in einem naturwissenschaftlichen Fach auch zurück liegen mag, diejenigen, die einen solchen Titel tragen, fühlen sich vor Plagiatsvorwürfen sicher, da es sich ja im Regelfall um eine experimentelle Arbeit handelt. Experimente könne man zwar fälschen, hört man dann gemeinhin, aber abschreiben könne man sie nicht. Und wenn man nicht zu den Fälschern gehört, die es ja leider auch gibt, ist man erhaben über mögliche Vorwürfe, kann man aus sicherer Entfernung verfolgen, wie es in Düsseldorf weiter geht.
Bei allen Zweifeln, die man haben mag, klar ist doch, dass der Fall Schavan mit dem Fall zu Guttenberg nicht zu vergleichen ist. Dem wurden ganz andere Ausmaße des Bedienens an fremden und nicht zitierten Quellen nachgewiesen, als es in der viel älteren Doktorarbeit von Schavan möglich sein wird (siehe z. B. Roland Preuss; Süddeutsche Zeitung, 24. und 25. Januar 2013). Aber ist es denn auch klar, dass die Dissertationen aus den Naturwissenschaften, aus der Chemie zum Beispiel, von allen Schlampereien frei sind? Sozusagen per definitionem? Mitnichten!
Wir wissen alle, dass beispielsweise unsere Zitierweise oft genug zu wünschen übrig lässt. Dass einschlägige Übersichtsartikel, die sich als Zitate für die Einleitung unserer Arbeiten eignen, längst nicht alle von den Autoren gelesen wurden, und das trifft auf viele der anderen Referenzen ebenfalls zu, die am Ende einer experimentellen Arbeit aufgelistet sind. Oft sind spezielle Referenzierungen sogar ganz falsch, lässt sich z. B. ein bestimmter optischer Drehwert gar nicht mit der zitierten Stelle vergleichen, weil er dort gar nicht steht. Finden wir das vielleicht nicht so schlimm, weil wir es schon gewohnt sind? Und was bedeutet schon ein Drehwert? Wenn ich Bundesministerin für Bildung und Forschung wäre, kann ein Drehwert, der gestern einem meiner Mitarbeiter vielleicht nichts bedeutet hat, morgen für meine Karriere alles bedeuten.
Schließlich ist es vielleicht auch angebracht, bei allem einmal die Rolle der Doktorväter (bisher sind keine Doktormütter betroffen!) zu beleuchten (siehe z. B. George Turner, Spiegel, 2013, 5, 17).
Jedenfalls sollten wir alle darüber nachdenken, welcher ungeheuren Überforderung unsere akademischen Schüler und Schülerinnen ausgesetzt sind, angesichts der Publikationsflut (wo längst nicht jedes Ergebnis nur einmal auftaucht), des indikatorbasierten Leistungsdrucks und der schon längst unmenschlichen und wahrscheinlich unwissenschaftlichen Beschleunigung, die unsere gesamte Arbeit ergriffen hat. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Sprechblasen und leeren Formeln, mit denen sich die Akademia heutzutage zu schmücken hat, damit sie hier oder da aus dem allgemeinen Zuviel einmal herausstechen kann. Längst regiert ein Teufelskreis, für den unsere jungen Absolventinnen und Absolventen nicht verantwortlich gemacht werden können. Wir müssen erkennen, dass Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung und Qualitätsprüfung nicht nur den ganzen Naturwissenschaftler, die ganze Naturwissenschaftlerin benötigt, sondern den ganzen Menschen. Denn die Erforschung der Qualität unseres Wissenschaftsbetriebes erfordert weit mehr als die Überprüfung eines Drehwertes oder eines Zitats, es erfordert auch die Überprüfung des Miteinanders aller Beteiligten.
Thisbe K. Lindhorst, Kiel
<a href="mailto:tklind@oc.uni-kiel.de">tklind@oc.uni-kiel.de</a>
Die “Korrespondenz” veröffentlicht Briefe an die Redaktion. Gedruckt und online steht sie allen Lesern der Nachrichten aus der Chemie offen. Bitte senden Sie Ihre Zuschrift mit einem Umfang von maximal 1500 Zeichen als E-Mail an: <a href="mailto:nachrichten@gdch.de">nachrichten@gdch.de</a>. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.


<h2>Das ist ein Mensch</h2>
Den Artikel über Primo Levi [Nachr. Chem. 2013, 61, 129] habe ich mit großer Erschütterung gelesen. Als Mitglied des Fördervereins für die Internationale Jugendbegegnungsstätte Oswiecim/Auschwitz (IJBS) habe ich mich dafür interessiert, ob die Nachfolgefirmen der I. G. Farben, die ihrerseits an Auschwitz viel verdient haben, sich irgendwie an der Förderung der IJBS beteiligen. Die Auskunft, die ich von Viktoria Doris Graenert, Vorstandsmitglied der deutsch-polnischen Stiftung für die IJBS erhielt, war leider negativ. Versuche der Stiftung Anfang der 80er Jahre waren erfolglos geblieben.
Ich finde das beschämend. Ich würde mir wünschen, dass die oberen Etagen der entsprechenden Firmen Zeit fänden für eine angemessene Erinnerungskultur.
Wolfgang Grell, Biberach/Riss


<h2>Brüssel, nicht Karlsruhe</h2>
Der Artikel “Meilensteine der Chemie 2013” in den Nachrichten aus der Chemie [Nachr. Chem. 2013, 61, 11] bedarf einer Korrektur zu Seite 14 “Bullvalen”. Der Satz “Schon im Folgejahr gelingt es Gerhard Schröder an der TH Karlsruhe, diese Verbindung zu synthetisieren …”, ist nicht richtig. Bullvalen wurde von Schröder im Labor der organisch-chemischen Abteilung von European Research Associates in Brüssel dargestellt. Darauf erhielt Schröder einen Ruf als Nachfolger von Rudolf Criegee an die TH Karlsruhe.
Hans Reimlinger, Balingen


<h2>Kontakt im Sauren I</h2>
Der Beitrag “Saure Oberflächen als neuartige Kontaktbiozide” [Nachr. Chem. 2013, 61, 112] ist ein äußerst interessanter und gut geschriebener Artikel über eine im Prinzip sehr einfache Technologie mit einem äußerst interessanten Potenzial.
Gerade der Aspekt der Hydrophilierung scheint ja lange Zeit absolut vernachlässigt worden zu sein. Hier erkennt man quasi lehrbuchmäßig den Vorteil interdisziplinärer Teams aus Medizinern, Mikrobiologen und eben Chemikern — nur so lassen sich Dogmen erkennen und aufbrechen. Dem Startup-Unternehmen Amistec ist zu wünschen, dass sich das Verfahren durchsetzt.
Ich habe eine Frage zur beschriebenen Robustheit des Systems: Warum ist diese nicht bei mit Silber antimikrobiell ausgestatteten Produkten, die doch den Großteil der am Markt verfügbaren Produkte betreffen, gegeben?
Hans-Peter Bauer, Frankfurt/Main
<a href="mailto:profhpbauer@gmail.com">profhpbauer@gmail.com</a>


<h2>Kontakt im Sauren II</h2>
In dem besonders lesenswerten und ansonsten sehr guten Beitrag “Saure Oberflächen als neuartige Kontaktbiozide” von Maximilian Lackner, Silke Maninger und Josef-Peter Guggenbichler [Nachr. Chem. 2013, 61, 112] wird leider behauptet, fermentierte ätherische Öle würden in Glycerin und Fettsäuren aufgespalten. Dies ist zumindest irritierend, da echte ätherische Öle überwiegend Mono- und Sesquiterpene, Phenylpropan-Derivate und längerkettige aliphatische Kohlenwasserstoffe enthalten. Neben Aldehyden und Ketonen, Alkoholen und Ethern kommen zwar auch Ester in ätherischen Ölen vor, aber nicht die für fette Öle charakteristischen Triacylglycerole. Eine Aufspaltung in Glycerin und Fettsäuren kann also nicht der Grund für die zitierte antimikrobielle Wirkung sein.
Diese Verwechslung ist zwar nicht so lustig wie die zu Recht als absurd gebrandmarkte Behauptung, mit Helium gefüllte Ballons seien in Eriwan explodiert [Nach. Chem. 2013, 61, 158], aber in einer Fachzeitschrift vergleichsweise bemerkenswert.
Andreas Link, Greifswald
<a href="mailto:link@uni-greifswald.de">link@uni-greifswald.de</a>


<h2>Contra Pro</h2>
In Pro und Contra [Nachr. Chem. 2013, 61, 132] bezweifelt Heinz Hug die Bedeutung von CO2 für die Klimaerwärmung. Dass das Klima sich erwärmt durch vom Menschen verursachte Emission von Spurengasen, vor allem von CO2, ist seit langem gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis. Durch Vergleich der immer weiter verfeinerten Rechenmodelle mit Messdaten wird das wieder und wieder bestätigt. Deren Vorhersagen sind Besorgnis erregend, und man sollte sich eine weitere Verzögerung von Gegenmaßnahmen nicht mehr leisten. Hinter den entsprechenden Sachstandsberichten des IPCC, des Intergovernmental Panel on Climate Change, stehen die weit überwiegende Mehrzahl der Klimaforscher weltweit (97 % laut einer Umfrage [Spiegel-online, 23.01.2009]). Seit etwa zehn Jahren tritt vor allem in den USA eine organisierte Gruppe von sog. Klimaskeptikern auf, geführt von Politikern und PR-Strategen, finanziert auch von großen Unternehmen [Jeanne Rubner, Die Zeit, 22.11.2012], und verwirrt die Öffentlichkeit mit Argumenten, die immer wiederholt werden, obwohl sie längst widerlegt sind. Eine Zusammenstellung entsprechender Antworten findet man etwa beim Umweltbundesamt [<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.umweltdaten.de" target="_blank">www.umweltdaten.de</a></ext-link>]. Auch angesehene Klimaforscher wie Stefan Rahmstorf haben sich wiederholt die Mühe gemacht, die Einwände richtigzustellen [<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.pik-potsdam.de" target="_blank">www.pik-potsdam.de</a></ext-link>]. Eine der Organisationen in USA nennt sich “Committee for a constructive tomorrow” (CFact), die vor kurzem einen europäischen Ableger (CFact Europe) gegründet hat; Mitgründer ist Holger Thuss, ein Jenaer Politiker, der auch Präsident eines “Europäischen Instituts für Klima und Energie” (Eike, Postfachadresse in Jena identisch mit der von CFact Europe) ist [Süddeutsche Zeitung, 2010, 31.03.]. Heinz Hug zitiert eine Eike-Veröffentlichung und wird selbst viele hundert Mal von Eike zitiert (laut Google). Jetzt werden die Klimaskeptiker sagen können, dass einer ihrer Vertreter in einer angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift gleichberechtigt neben einem echten Klimawissenschaftler auftreten konnte.
Inhaltlich sei nur ein Punkt klargestellt, weil z. T. auch unter physikalisch Vorgebildeten irrige Vorstellungen herrschen: Schon aus der im Beitrag genannten atmosphärischen Transmission von 10—210 bei 15 µm müsste Hug eigentlich schließen, dass das Eike-Modell des Treibhauseffekts nicht so ganz stimmen kann. Die Erde wird eben nicht durch IR-Emission aus oberen kalten Luftschichten erwärmt. Der vertikale Wärmetransport in der Troposphäre wird nicht durch Strahlungstransport (Absorption und (Re-)Emission) dominiert, auch nicht durch Wärmeleitung, sondern durch Konvektion. Diese erzeugt wegen des Druckgradienten durch adiabatische Ausdehnung den Temperaturabfall von 6,5 K km—1 bis zu einem Minimum in der Höhe der Tropopause. Die IR-Abstrahlung in den Weltraum findet zum größten Teil nicht von der Erdoberfläche statt, sondern aus höheren Luftschichten ab einer Höhe, von wo aus sie kaum mehr reabsorbiert wird (von wo aus die äußere Atmosphäre optisch dünn erscheint). Wäre das IR-Spektrum der Atmosphäre flach, dann wäre die abstrahlende Fläche in einer Höhe von 5 km, wo 255 K herrschen; das ist die Temperatur, die sich durch das Strahlungsgleichgewicht einstellt. Würde man die Spurengaskonzentration so erhöhen, dass die Atmosphäre erst ab 6 km Höhe optisch dünn wird, dann würde sich die Temperatur auf der Erdoberfläche um 6,5 K erhöhen. Die eigentliche Rechnung berücksichtigt natürlich die Wellenlängenabhängigkeit und als Korrektur den Strahlungstransport in Bereichen, in denen die Troposphäre nicht optisch dicht ist; das Prinzip (Anhebung der abstrahlenden Oberfläche) ändert sich dadurch nicht [Phys. Bl. 1987, 43, 240]. Bei den Hauptabsorptionen von CO2 findet Abstrahlung erst ab etwa der Tropopause statt, und eine Anhebung trägt wegen des dortigen Temperaturminimums (nicht wegen der “Sättigung der Absorption”) nichts zum Treibhauseffekt bei; die schwächeren Absorptionen (Flanken der Banden, Kombinations- und Differenzschwingungen) aber sehr wohl. Dieser Mechanismus ist auch der Grund, warum CO2und H2O im Vergleich zu selteneren Spurengasen pro Molekül viel weniger treibhauswirksam sind
Werner Fuss, Garching
<a href="mailto:wrf@mpq.mpg.de">wrf@mpq.mpg.de</a>

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