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Wie Batterien im Kreis laufen

Nachrichten aus der Chemie, Dezember 2024, S. 32-33, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Elektroautobatterien zu recyceln, macht Lieferketten für Materialien wie Lithium, Cobalt und Nickel ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig. Bis es soweit ist, sollte die Übergangsphase in Europa im Sinn einer verantwortungsvollen Ressourcennutzung optimiert werden.

Bis ausreichende Mengen der Batterierohstoffe Lithium, Cobalt und Nickel in Europa recycelt werden können, müssen sie noch Jahrzehnte unter kritischen Bedingungen weltweit abgebaut werden.1,2)

Lithium wird derzeit vor allem in Südamerika durch großflächiges Trocknen von Salzlösungen mit geringen Lithiumkonzentrationen und in Australien aus lithiumreichen Erzen gewonnen. Beides verbraucht viel Wasser sowie Energie und gefährdet Ökosysteme und Gesundheit der Beschäftigten.3)

Cobalt stammt zurzeit zu etwa 70 Prozent aus der Demokratischen Republik Kongo.4) Besonders im Kleinbergbau sind Kinderarbeit und Gesundheitsrisiken problematisch.5)

In Indonesien und Russland führt der Abbau von Nickel zu Umweltverschmutzung.6) Mit geopolitischen Problemen wie dem Ukrainekrieg bestehen für Nickel zudem Lieferrisiken und hohe Beschaffungskosten.2)

Rohstoffmengen ermitteln

Die Nachhaltigkeit von Lieferketten für Batteriematerialien hängt direkt von der Produktionsmenge und dem Verbrauch abgebauter (primärer) Rohstoffe ab. Um Aspekte der Nachhaltigkeit bis zu zirkulären Lieferketten zu optimieren, haben wir Faktoren analysiert, die den Bedarf an Lithium, Cobalt und Nickel für Elektroautobatterien in Europa beeinflussen.

Über eine dynamische Materialflussanalyse hat das Team die jährlichen Produktionsmengen und den Rücklauf an Elektroautobatterien am Ende der Nutzungszeit (end of life, EoL) und damit das Recyclingpotenzial berechnet. Anschließend wurden vier Parameter untersucht:

Verkaufsraten von Elektroautos,Größe oder Speicherkapazität der Batterien,Weiterverwendung der Batterien in anderen Anwendungen nach EoL etwa als stationäre Energiespeicher (2nd Use) undBatterietechniken, darunter Lithium-Eisen-Phosphat (LFP), Lithium-Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxid (NCA) oder Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid (NMC).

Die Analyse dieser Materialstrategien hinterlegte das Team in übergreifenden Szenarien (Abbildung 1). Aus denen ergaben sich mögliche Einsparungen an Minen und Recyclinganlagen sowie damit verbundenen Investments und Emissionen.

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Strategien und Szenarien, um den Materialbedarf an Lithium, Cobalt und Nickel bis zum Erreichen einer Kreislaufwirtschaft zu reduzieren. LFP: Lithium-Eisen-Phosphat, NMC: Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid, NCA: Lithium-Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxid; orangefarben: optimales Szenario.

Szenarien auswerten

Die Analysen verschiedener Szenarien der einzelnen Parameter zeigen unterschiedliche Tendenzen und Zielkonflikte.

Generell beschleunigen hohe Elektroautoverkaufsraten und frühe vollständige Elektrifizierung den Altbatterierücklauf: Kreislaufwirtschaft ist so schneller zu erreichen. Würden allerdings bereits im Jahr 2035 statt erst 2050 nur noch Elektroautos verkauft werden, würde kurzfristig der Bedarf an primären Rohstoffen steigen.

Die Menge nötiger Batteriematerialien hängt mit der Größe der Batterie zusammen. Kleinere Batteriegrößen reduzieren den Rohstoffbedarf an Lithium, Cobalt und Nickel bis zum Erreichen zirkulärer Lieferketten. Mit kleineren Batterien verringert sich jedoch die maximale Reichweite eines Elektroautos. Deshalb müsste dann etwa die Ladeinfrastruktur ausgeweitet werden.

Grundsätzlich verzögert 2nd Use den Rücklauf an Altbatterien in das Recycling und damit das Erreichen einer Kreislaufwirtschaft. Allerdings erhöht 2nd Use die Nutzungsdauer der Materialien, was für die Nachhaltigkeit von Batteriematerialien positiv ist. Eine selektive Nutzung unterschiedlicher Batterietechniken wie LFP oder NMC in 2nd Use je nach Anteilen an Lithium, Cobalt und Nickel kann daher sinnvoll sein. Würde nur LFP im 2nd Use verwendet, könnte der Rohstoffbedarf an Nickel und Cobalt bis zur Zirkularität sinken. Bei Lithium hingegen ergibt sich ein maximales Rohstoffeinsparpotenzial, wenn keine Batterie nach Lebenszyklusende in den 2nd Use übergeht.

Vor allem mehr LFP und damit weniger NCA und NMC in Batterien senken den Bedarf an Lithium, Cobalt und Nickel langfristig. Andere Strategien – etwa eine Fokussierung auf NMC-Techniken mit niedrigem Cobaltgehalt – reduzieren zwar den Cobaltbedarf, steigern jedoch die Menge an abzubauendem Nickel.

Einsparpotenziale

Das Team hat verschiedene Strategien und einzelne Parameter kombiniert sowie ein Basisszenario, ein moderates und ein optimales Szenario definiert. Das optimale Szenario besteht aus

einem jährlichen Verkaufsanteil von 100 Prozent für Elektroautos ab dem Jahr 2035,einer abnehmenden durchschnittlichen Batteriegröße bis zu 23 kWh,dem ausschließlichen Einsatz von LFP und anderen kostengünstigen Techniken wie Natriumionenbatterien in 2nd Use sowieeiner Fokussierung auf LFP als Batterietechnik.

Dieses übergreifende, optimale Szenario könnte verglichen mit dem Basisszenario bis zu 11 Minen und 57 Recyclinganlagen sparen, bis eine vollständige Kreislaufwirtschaft für Lithium, Cobalt und Nickel erreicht ist. Zudem ließen sich mehr als 35 Milliarden US-Dollar an Investments und 32,5 Megatonnen Äquivalente an CO2-Emissionen sparen (Abbildung 2).

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Einsparpotenziale im optimalen Szenario (siehe Abbildung 1, dort orangefarben hinterlegt) verglichen mit dem Basisszenario (in Abbildung 1 in der Mitte).

Die Autoren

Den Beitrag haben Jannis Wesselkämper (oben) und Stephan von Delft verfasst. Wesselkämper ist Postdoc am Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien. Er hat Chemie an der Universität Hannover und Wirtschaftschemie an der Universität Münster studiert. Von Delft ist Wirtschaftschemie-Professor an der Universität Münster. Er studierte dort Diplom-Wirtschaftschemie und promovierte 2014 bei Jens Leker. Bevor er 2020 nach Münster zurückkehrte, forschte und lehrte er an der Universität Glasgow in Schottland. Er ist Mitglied im Vorstand der Vereinigung für Chemie und Wirtschaft (VCW) der GDCh.https://media.graphassets.com/LuzOPqKS0GYymMhJL6Pwhttps://media.graphassets.com/5vCjN7REKcTRN4WO3vZw

Fotos: Michael Kuhlmann

  • 1 J. Wesselkämper, S. von Delft, Resour., Conserv. Recycl. 2024, doi: 10.1016/j.resconrec.2024.107596
  • 2 J. Wesselkämper, L. Dahrendorf, L. Mauler, S. Lux, S. von Delft, Resour., Conserv. Recycl. 2024 doi: 10.1016/j.resconrec.2023.107218
  • 3 A. Z. Haddad, L. Hackl, B. Akuzum et al., Nature 2023, 616, 245
  • 4 usgs.gov/publications/ mineral-commodity-summaries-2024
  • 5 C. B. L. Nkulu, L. Casas, V. Haufroid et al., Nat. Sustain. 2018 doi: 10.1038/s41893–018–0139–4
  • 6 M. Gutsch, J. Leker, Appl. Energy 2024, doi: 10.1016/j.apenergy.2023.122132

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