Redoxflussbatterien gelten als Hoffnungsträger zur Energiespeicherung. Pilotprojekte nutzen vor allem anorganische Elektrolyte. Auch in der Schule lassen sich solche Akkumulatoren in einfachen Versuchsaufbauten veranschaulichen.
Wind- und S...
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Der japanische Chemiker Susumu Kitagawa interessierte sich für die Löcher in einer Struktur und wurde so einer der Erfinder der metal organic frameworks, MOFs.
Nachrichten aus der Chemie: In der Angewandten Chemie stand, dass Sie Architekt werden wollten, als Sie 18 Jahre alt waren. Was haben Architektur und die Chemie, die Sie betreiben, gemeinsam?
Susumu Kitagawa: Meine Chemie ist wie Bauen, nur mit Molekülen. In der Welt der Menschen heißt bauen, vor allem auf der Makroskala, verschiedene Bausteine zu verwenden. In der Geschichte der Chemie war es genauso: Um natürliche Strukturen nachzubauen, haben die Forscher sie zunächst dekonstruiert, um die Bausteine zu erkennen. Das ist zwar sehr wichtig, aber ich habe das Gefühl, dass das nicht ausreicht.
Spielt für Sie dabei die Schönheit einer Struktur eine Rolle?
Schönheit heißt für mich exzellente Funktionalität. Ich möchte Funktionalität haben. Die meisten Materialwissenschaftler konzentrieren sich auf die Materie selbst, auf dichte, gut organisierte Strukturen, ohne Fehlstellen und Hohlräume. Alle versuchen, durch noch dichtere Strukturen besonders leitfähige Systeme zu erhalten oder solche mit exzellenten magnetischen Eigenschaften. Aber ich konzentriere mich auf die Hohlräume. Das sieht nutzlos aus, aber das Nutzlose interessiert mich.
Warum das Nutzlose?
Vor etwa 2400 Jahren sprach der chinesische Philosoph Zhuang Zhou vom Nutzen des Nutzlosen. Welchen Nutzen Nützliches hat, ist offensichtlich. Aber wenn wir in die Zukunft denken wollen, müssen wir auf das Nutzlose schauen.
Was ist damit gemeint?
Ein schöner, gerade gewachsener Baum beispielsweise ist nützlich: Er wird gefällt und zu Bauholz verarbeitet. Einen hässlichen, krumm gewachsenen Baum beachtet keiner, aber so ein Baum kann sehr sehr alt werden. Der Nutzen des Nutzlosen kommt also aus einer anderen Richtung. Das ist immer so.
Ist ein solcher Perspektivwechsel der Schlüssel zur Kreativität in der Wissenschaft?
Ich denke schon. Aber das ist schwer, denn besonders heute suchen alle nach Lösungen, etwa für die Energiefrage oder den Schutz der Umwelt. Wenn Chemiker Stoffe synthetisieren, fragen alle immer zuerst, wofür die gut sind.
Für nützliche Forschung bekommt man leichter Fördergelder.
Aber manchmal ändern sich Gesellschaften plötzlich und sind dann bereit, verrückte Konzepte zu akzeptieren. Und als Wissenschaftler sind wir in der komfortablen Lage, dass unsere ungewöhnlichen Ideen eines Tages nützlich werden.
Ich hatte viel Glück mit den porösen Materialien. Ich habe mich ganz auf die Grundlagenforschung konzentriert, und auf einmal zeigte sich, dass sich mit den Koordinationspolymeren, die wir synthetisiert hatten, etwas anfangen lässt.
Die Anwendung der porösen Materialien, die Sie entwickelt haben, stand für Sie also nie im Vordergrund.
Das entspricht nicht meiner Denkweise. Natürlich wirkt auch auf mich der gesellschaftliche Druck, denn schließlich habe ich für meine Forschung Geld von der Regierung bekommen.
Wie kam es, dass die Koordinationspolymere für praktische Anwendungen interessant wurden?
Wir hatten nicht die Geräte, um die Porosität unserer Materialien zu untersuchen. Aber auf einer Tagung über Koordinationschemie kam nach meinem Vortrag ein Firmenvertreter auf mich zu und sagte, sein Gasunternehmen würde die Koordinationspolymere gerne testen. Ich war hocherfreut, und wir starteten eine Zusammenarbeit. Wir synthetisierten Materialien und schickten sie ihm. Aber jedes Mal, wenn er anrief, berichtete er, dass die Strukturen kollabierten.
Sie haben trotzdem weitergemacht?
Ja. So etwa zwei Jahre dauerte es, bis wir endlich verstanden, welche Art von Verbindungen wir einsetzen mussten, um ein stabiles Gerüst zu erhalten. Das haben wir dann 1996 bei der Angewandten Chemie eingereicht, und 1997 erschien das Paper.
Als wir anfingen, an Koordinationspolymeren zu arbeiten, meinten viele Chemiker, es sei unmöglich, poröse Materialien aus organischen Molekülen aufzubauen.
Wie ermutigen Sie Ihre Studenten, bei ihrer Forschung gewohnte Denk- und Sichtweisen zu verlassen?
Es ist wichtig, dass sie an sich glauben. Es ist einfacher, den Entdeckungen anderer zu folgen, als eigene Konzepte zu entwickeln. Wenn man an Bekanntes anknüpft, kommt man viel schneller zu Ergebnissen, und das fühlt sich gut an, auch wenn die Entdeckungen klein sind. Es ist viel schwieriger, zu verstehen und zu entscheiden, ob ein Konzept wirklich neu ist, ob ich es als Wissenschaftler weiterverfolgen sollte. Dafür muss man von sich überzeugt sein und auf seine Neugier vertrauen. Neugier ist extrem wichtig. In diese Richtung schiebe ich meine Studenten. Die Entwürfe für ihre Veröffentlichungen, gerade wenn es die erste ist, diskutieren wir bis zu 50 Mal. Und die Belohnung ist dann eine exzellente Publikation.
Das Forschungsgebiet MOFs ist in den letzten Jahren recht populär geworden.
Ja, denn mit einer einfachen Synthese lassen sich stabile, poröse Materialien aufbauen. Die meisten interessieren sich zuerst für Gasspeicherung von Methan oder CO2 und befassen sich dann mit Wasserstoff. Einige wenige fokussieren sich auf Trennung, das ist ein sehr aktives Forschungsfeld. Aber was kommt als nächstes? Ich denke, der Trend geht hin zu Leitfähigkeit und Katalyse.
Was ist Ihr nächstes Ziel?
Anisotrope MOFs. Unsere Idee ist, die Unordnung durch Defekte zu kontrollieren. Dotieren bedeutet ja, Fehlstellen in eine Struktur einzubauen. Um eine bestimmte Funktion zu erhalten, sind also die Defekte wichtig. Ich nenne das HAD, H steht für hybrid und hierarchy, A für anisotropy und asymmetry, D für disorder und defects. Das sind die Schlüsselbegriffe der Zukunft, nicht nur für MOFs, auch für andere poröse organische Materialien und Polymermaterialien. BB
Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski traf Susumu Kitagawa im Merck-Museum in Darmstadt. Mehr auf: www.chemistryviews.org/details/video/11154523/What_Makes_MetalOrganic_Frameworks_Beautiful.html
Susumu Kitagawa ist Professor und Direktor am Institut für Integrierte Zellmaterialwissenschaften der Universität Kyoto. In Kyoto studierte er und promovierte in organischer Chemie. Im Jahr 1997 veröffentlichte er seine Koordinationspolymere (metal organic frameworks, MOFs)1) und zählt damit zu den Pionieren auf dem Gebiet. Für seine Arbeiten erhielt er mehrere Preise, unter anderem den Humboldt-Forschungspreis, den Preis der Chemischen Gesellschaft Japans, den Solvay-Preis „Chemie für die Zukunft“ sowie im Mai dieses Jahres die Emanuel Merck Lectureship.
Wenn Sie ein registrierter Benutzer sind, zeigen wir in Kürze den vollständigen Artikel.