Wissenschaft + Forschung

Nacktmulle altern anders | Wie ein internationales Forscherteam zeigt, senken die mitochondrialen Enzyme Hexokinase I und II sowie Kreatinkinase das Membranpotenzial der inneren Mitochondrienmembran (milde Depolarisation). Das reduziert die Energieproduktion durch die ATP-Synthese und unterbindet gleichzeitig die Produktion von Sauerstoffradikalen. Dieser Vorgang verlangsamt Alterungsprozesse der Zelle; er ist je nach Gewebe- und Tierart unterschiedlich: Bei Mäusen nimmt die Wirkung schon im ersten Lebensjahr ab, bei Nacktmullen ist er noch nach 20 Jahren aktiv.Proc. Nat. Acad. Sci. USA 2020, 117, 6491Überaktives Immunsystem verkürzt Lebensdauer | Verstärkte Entzündungen beschleunigen die Alterung; ein weniger aktives Immunsystem verlängert die Lebensspanne, solange der Organismus nicht an einer Infektion stirbt – zumindest beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Forscher entdeckten eine Veränderung im evolutionär konservierten Gen PUF60, die die Immunantwort dämpft. Das veränderte PUF60 stört das RNA-Spleißen und die Regulation anderer Gene, die für die Immunfunktion wichtig sind. Wie beides zusammenhängt und wie Immunität und Langlebigkeit im Gleichgewicht stehen, soll nun erforscht werden.eLife 2020;9:e57591Demografischer Wandel beeinflusst Blutversorgung | Wie eine Studie aus dem Saarland zeigt, sinkt die Zahl der möglichen Blutspender im Alter zwischen 18 und 65 Jahren konstant, während der Bedarf an Blutkonserven steigt. Nach Hochrechnung der Forscher wird der Bedarf von derzeit weniger als 20 Transfusionen pro 1000, unter 50-jährigen Einwohnern bis zum Jahr 2030 auf 140 Transfusionen bei über 80-jährigen Menschen steigen.Im Saarland schreitet der demografische Wandel Westdeutschlands am schnellsten voran. Eine ähnliche Untersuchung läuft seit Jahren in Mecklenburg-Vorpommern. EL<a href="https://idw-online.de/de/news749001" target="_blank">idw-online.de/de/news749001</a>

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Nacktmulle altern anders | Wie ein internationales Forscherteam zeigt, senken die mitochondrialen Enzyme Hexokinase I und II sowie Kreatinkinase das Membranpotenzial der inneren Mitochondrienmembran (milde Depolarisation). Das reduziert die Energieproduktion durch die ATP-Synthese und unterbindet...

Aduc-Preisträger Robert Göstl erforscht die Polymermechanochemie – einen eigenen Forschungszweig, der Polymersynthese, -analytik und Materialwissenschaften verknüpft.
Hermann Staudinger hat nicht nur zur Strukturaufklärung kettenförmiger Makromoleküle beigetragen,1) sondern auch den mechanischen Abbau von Polymeren untersucht. Wie er und Heuer zeigten, sinken Viskosität und Molmasse von Kautschuk und Polystyrol durch Mastikation, also starkes Kneten, weil die Makromoleküle mechanisch reißen.2)Kauzmann und Eyring entwickelten die ersten kinetischen Modelle, um dieses Phänomen zu beschreiben: Sie führten eine kraftabhängige Korrektur – also die Arbeit, die aus einer Kraft entlang eines Wegs folgt – in den Energieterm der Arrhenius-Gleichung ein.3) Subtrahiert von der Aktivierungsenergie senkt in diesem Modell also eine größere mechanische Energie die Aktivierungsenergie, die zur Dissoziierung einer chemischen Bindung nötig ist (Abbildung, a). Dies ähnelt dem Jahre später formulierten Hammond-Postulat,4) da die dehnende Krafteinwirkung die Atome entlang der Bindungskoordinate voneinander entfernt und damit das Dissoziieren der Bindung sowohl geometrisch als auch energetisch begünstigt. Damit waren die Grundlagen für die Polymer Mechanochemie gelegt.5)<figure><img src="https://media.graphcms.com/vg6XFzzKQHSAqjQUlRwg"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Mechanochemie vom theoretischen Konzept bis zum Quantifizieren von Bindungsbrüchen. a) Kraftauswirkung auf die Aktivierungsenergie einer kovalenten Bindungsspaltung am Modell einer modifizierten Arrhenius-Gleichung. b) Aktivierung fluorogener Diels-Alder-Addukte, die so kovalente Bindungsbrüche in makromolekularen Materialien anzeigen. c) Uniaxiale Kompression aktiviert optische Kraftsonde im Elastomernetzwerk, das Bindungsbrüche durch Fluoreszenz anzeigt. d) Optische Kraftsonde in Hydrogelnetzwerk zeigt Bruchmechanismen nach Punktieren abhängig vom Quellgrad (Konfokalmikroskopie). Links: Glasig, fast trocken; Crazes entstehen. Mitte: gummielastisch, leicht gequollen; Rissbifurkation. Rechts: spröde, stark gequollen; überschüssiges Wasser extrudiert durch kleine Kanäle. e) Optische Kraftsonde im Elastomernetzwerk zeigt Bindungsbrüche abseits der Bruchstelle. Links: konfokalmikroskopische Draufsicht. Rechts: Plot-Profil mit % der gebrochenen Bindungen φ. f) Kettenspaltung eines Makromoleküls beim Durchfließen einer Düse. Maßstabsleisten: 100 µm.</figcaption></figure>
Mechanochemie umfasst Prozesse, etwa in Motorproteinen, in Kugelmühlensynthesen und die chemischen Reaktionen bei Rissbildung im Festkörper.6)Bei chemischen Reaktionen ist die Reaktionsrate unabhängig davon, wie schnell sich der Kolben durch den Raum bewegt. In der Mechanochemie jedoch bestimmt die makroskopische Krafteinwirkung, welche und wie viele chemische Bindungen brechen.<h2>Kraftsonden und Materialien</h2>Seit reichlich anderthalb Dekaden versuchen Forscher, die Einwirkung von Kraft auf polymere Materialien und die damit einhergehenden Bindungsbrüche zu nutzen,7) darunter meine Gruppe:8,9)Wir entwickeln optische Kraftsonden, die ihre Fluoreszenzemission einschalten, wenn eine Spannung oder Dehnung in der Polymerarchitektur überschritten wird. Mit solchen Sollbruchstellen lassen sich Prozesse und Veränderungen in Materialien von der Makro- bis zur Nanoebene verfolgen. Optische Kraftsonden sind Werkzeuge, um zu untersuchen, wie sich Werkstoffe unter Krafteinwirkung verhalten.Mit solchen Informationen lässt sich durch qualitative und quantitative Aufklärung von Bruchmechanismen feststellen, an welchen Stellen ein Material besonderer Verstärkung oder des Einbaus eines Kraftdissipationsmechanismus bedarf. Funktionelle Gruppen und Katalysatoren lassen sich einbauen, die, durch Kraft aktiviert, die Materialeigenschaften verändern.Damit Brüche kovalenter Bindungen, die durch Kraft entstehen, sichtbar werden, müssen wir Chromophore maßschneidern – und zwar so, dass sie empfindlich und mit einem guten Signal-Rausch-Verhältnis im sichtbaren Spektralbereich detektierbar sind. Sie sollen sich zudem nach einem modularen Baukastensystem spektral anpassen und in das makromolekulare Material einbauen lassen.10)Wir haben mit Diels-Alder-Addukten π-ausgedehnter Anthracene und Maleimid eine Gruppe optischer Kraftsonden etabliert, die alle diese Anforderungen erfüllt (Abbildung, b).11) Das mechanochemische Anschalten von Fluoreszenz durch kovalente Bindungsbrüche in Elastomernetzwerken wird so bereits mit bloßem Auge sichtbar (Abbildung, c). Zufügen von Triplett-Sensibilisatoren zu solchen Netzwerken verschiebt die Anregungswellenlänge für die Fluoreszenz vom vormals ultravioletten zu niederenergetischem grünen Licht.12)<h2>Charakterisierung</h2>Unsere Charakterisierungsmethode, die mechanofluorophorunterstützte Fraktografie, bildet Kraftkonzentrationen qualitativ und quantitativ mit Konfokalmikroskopie ab, und das lokal und mit hoher räumlicher Auflösung. Damit lassen sich Bruchmechanismen untersuchen.13) So hängt etwa die Zahl der gebrochenen Bindungen in weichen Hydrogelnetzwerken von deren Quellgrad ab, der wiederum die Fähigkeit des Materials beeinflusst, mechanische Energie zu dissipieren. Zudem ließen sich so quellgradabhängige Bruchmechanismen klären (Abbildung, d).Zusammen mit der Gruppe von Costantino Creton haben wir die gebrochenen Bindungen mit hoher Ortsauflösung angezeigt und quantifiziert.14) Demnach dehnen sich die kovalenten Bindungsbrüche abseits der Bruchstelle mehr als hundert Mikrometer aus – dies haben klassische Modelle wie das Lake-Thomas-Modell nicht berücksichtigt, weshalb die zur Rissfortpflanzung nötige Energie unterschätzt wurde (Abbildung, e).<h2>Linear statt Netzwerk</h2>Mit der Gruppe von Ronan Daly untersuchten wir die Aktivierung linearer Makromoleküle in düsendurchfließenden Lösungsmitteln, die Flussraten ähnlich zu üblichen Fabrikationsprozessen abbilden (Abbildung, f).15) Wie optische Kraftsonden zeigen, werden kolloidale Polymernetzwerke (Mikrogele) bereits unter geringer Scherbelastung, wie der wiederholten händischen Extrusion aus einer laborüblichen Spritze, stark mechanisch abgebaut.16)Die Einheit präparativer Synthesechemie und materialwissenschaftlicher Methodenentwicklung ist ein Grundprinzip meiner Gruppe. Um künftig quantitative Bruchanalyse nicht homogener Materialien mit vielfältigen Grenzflächen wie Komposite, Blends, phasenseparierte Blockcopolymere und makromolekulare Assemblate zu betreiben, sind nicht nur kompatible und spektral anpassbare optische Kraftsonden nötig. Es sind auch mikroskopische Methoden für Merkmalsgrößen im Nanometerbereich für diese Experimente anzupassen.<h2>Drei Fragen an den Preisträger: Robert Göstl</h2>Ihr Erfolgsgeheimnis?Geduld, Aufgeschlossenheit, Kooperation und eine gute Infrastruktur.Der größte Erfolg Ihrer Forscherkarriere?Wenn Kolleg:innen aus anderen Disziplinen die von meiner Gruppe synthetisierten Moleküle in ihre Materialien einbauen und sie als Werkzeug nutzen, um ihre eigenen wissenschaftlichen Fragen zu beantworten.Meine besten Ideen kommen mir beim …… Zusammensitzen mit Freund:innen und Kolleg:innen. Ideen brauchen Raum zum Atmen. Entspannt ins Blaue hineinzudenken gibt auch den absurden und weit hergeholten Gedankengängen Raum. Deshalb sind Konferenzen und Symposien mit persönlichen Treffen so wichtig.Robert Göstl leitet seit 2017 eine Forschungsgruppe am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und habilitiert an der RWTH Aachen.<div><img src="https://media.graphcms.com/aixZWFTZRkqDQDJX6UMq">

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<ul class="references"><li>
1 H. Staudinger, H. F. Bondy, Ber. dtsch. Chem. Ges. A/B 1930, 63, 734–736</li><li>
2 H. Staudinger, W. Heuer, Ber. dtsch. Chem. Ges. A/B 1934, 67, 1159–1164</li><li>
3 W. Kauzmann, H. Eyring, J. Am. Chem. Soc. 1940, 62, 3113–3125</li><li>
4 G. S. Hammond, J. Am. Chem. Soc. 1955, 77, 334–338</li><li>
5 S. Akbulatov, R. Boulatov, ChemPhysChem 2017, 18, 1422–1450</li><li>
6 R. T. O’Neill, R. Boulatov, Nat. Rev. Chem. 2021, doi: 10.1038/s41570–020–00249-y</li><li>
7 Y. Chen, G. Mellot, D. van Luijk, C. Creton, R. P. Sijbesma, Chem. Soc. Rev. 2021, doi: 10.1039/D0CS00940G</li><li>
8 M. Stratigaki, R. Göstl, ChemPlusChem 2020, 85, 1095–1103</li><li>
9 E. Izak-Nau, D. Campagna, C. Baumann, R. Göstl, Polym. Chem. 2020, 11, 2274–2299</li><li>
10 R. Göstl, J. M. Clough, R. P. Sijbesma, in Mechanochemistry in Materials, Royal Society Of Chemistry, 2017, pp. 53–75</li><li>
11 R. Göstl, R. P. Sijbesma, Chem. Sci. 2016, 7, 370–375</li><li>
12 D. Yildiz, C. Baumann, A. Mikosch, A. J. C. Kuehne, A. Herrmann, R. Göstl, Angew. Chem. Int. Ed. 2019, 58, 12919–12923</li><li>
13 M. Stratigaki, C. Baumann, L. C. A. van Breemen, J. P. A. Heuts, R. P. Sijbesma, R. Göstl, Polym. Chem. 2020, 11, 358–366</li><li>
14 J. Slootman, V. Waltz, C. J. Yeh, C. Baumann, R. Göstl, J. Comtet, C. Creton, Phys. Rev. X 2020, 10, 041045</li><li>
15 N. Willis Fox, E. Rognin, C. Baumann, T. A. Aljohani, R. Göstl, R. Daly, Adv. Funct. Mater. 2020, 30, 2002372</li><li>
16 E. Izak-Nau, D. E. Demco, S. Braun, C. Baumann, A. Pich, R. Göstl, ACS Appl. Polym. Mater. 2020, 2, 1682–1691</li></ul>

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