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Über die Chemie der Schokoladenherstellung

Der botanische Name des Kakaobaums, Theobroma cacao, bedeutet Nahrung der Götter, und manche sagen, Schokolade essen mache glücklich. Für den Chemiker ist sie allerdings eine Herausforderung: Die Zusammensetzung der Kakaobohne verändert sich bei der Schokoladenherstellung drastisch; kein anderes...

Industrie & Technik

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<p>Digitale Daten sprudeln aus Milliarden elektronischer Geräte, Maschinen und Messsensoren – und ihre Menge nimmt rasant zu: 90 Prozent aller digitalen Informationen entstanden einer Studie des US-amerikanischen IT- und Beratungsunternehmens IBM zufolge erst in den vergangenen zwei Jahren.<sup>1)</sup> Nur zehn Prozent stammen aus den Jahrzehnten zuvor. Der demnach wichtigste Rohstoff des 21. Jahrhunderts transformiert alle Branchen und bietet auch der chemischen Industrie Chancen.</p><p>Zwar hat die Industrie bereits viele Produktionsanlagen automatisiert oder auf digitale Prozesssteuerung umgerüstet. Aber das Potenzial der Digitalisierung ist nach Ansicht des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) noch lange nicht ausgeschöpft. Die Branche will in den nächsten drei bis fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro in Digitalisierungsprojekte und digitale Geschäftsmodelle investieren.<sup>2)</sup></p><p>Nur Unternehmen, welche die digitale Transformation vorantreiben, können wettbewerbsfähig, effizient und erfolgreich sein – und weiter wachsen. Mess- und Steuerungstechniken sowie Methoden der künstlichen Intelligenz, die große Datenmengen aufbereiten und dutzende Parameter gleichzeitig analysieren, werden für die Chemieindustrie wichtige Werkzeuge. Sie machen die Produktion berechenbarer und wirtschaftlicher.</p><h2>Das ist mit Digitalisierung gemeint</h2><p>Wenn verschiedene Menschen von Digitalisierung sprechen, meinen sie nicht unbedingt dasselbe. Das Englische bietet hier mehr Möglichkeiten für trennscharfe Definitionen als das Deutsche. Im Englischen existiert der Begriff „digitization“, der beschreibt, dass analog vorliegende Informationen wie Bücher in digitale Formen – beispielsweise Datenbanken – überführt werden. Dagegen meint „digitalization“ deutlich mehr: Es geht darum, digitale Techniken zu nutzen, darum, Prozesse zu gestalten und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.</p><p>Für die Chemieindustrie kann das bedeuten, Informationen aus Datenbanken mit Algorithmen so auszuwerten, dass Parameter für die Produktion optimal eingestellt werden. Der Begriff „digitale Transformation“ bezeichnet die Veränderungen, welche die Digitalisierung auslösen.</p><h2>Wie digitale Transformation gelingt</h2><p>Für Unternehmen gibt es keinen Königsweg in die digitale Zukunft. Alle Firmen durchlaufen zum ersten Mal diese Entwicklung und verfolgen sehr unterschiedliche Ansätze – das gilt auch für die Chemiebranche. Manche Unternehmen haben Personal von Internetfirmen wie Google rekrutiert oder spezielle Digitalisierungsabteilungen eingerichtet.</p><p>Wacker hat im Juli 2017 ein Digitalisierungsprogramm gestartet und sich dafür entschieden, die Transformation im Wesentlichen aus eigener Kraft voranzutreiben. Die Mitarbeiter sollen das Rüstzeug erhalten, die Transformation zu gestalten. Das Programm ist in drei Module unterteilt, denen jeweils ein Chief Digital Officer (CDO) vorsteht:</p><p><list list-type="simple"><list-item></list-item></list></p><p>Frontend entwickelt neue Geschäftsmodelle und digitale Dienste für Kunden.</p><list-item><p>Operations transformiert Produktion, Lieferkette, Logistik, Forschung und Entwicklung.</p></list-item><list-item><p>Foundation schafft die für die Veränderungen notwendige Infrastruktur.</p></list-item><p></p><p>In mehreren Pilotprojekten setzen Teams Digitalisierungsansätze in Anwendungen um. Diese werden zunächst in einem definierten Bereich gestartet, um dort Ideen auszuprobieren und zu entwickeln. Sobald sich ein Ansatz bewährt hat, wird er auf den Konzern übertragen. Drei Projektbeispiele aus dem Modul Operations sind besonders weit fortgeschritten.</p><h2>Am Puls der Reaktion</h2><p>Sämtliche Reaktoren der Polymerproduktion, in denen chemische Prozesse ablaufen, sind mit Dutzenden Messfühlern ausgestattet, die beispielsweise Temperaturen, Drücke und Dosierraten überwachen. Damit lassen sich Synthesen zuverlässig steuern. Aber detaillierte Informationen über den exakten Status einzelner chemischer Prozessschritte oder das punktgenaue Reaktionsende sind damit oft nur ungenau oder gar nicht zu erlangen. Proben regelmäßig zu analysieren ist in der Chemieindustrie wichtig für eine gleichbleibende Produktqualität. Dieses Vorgehen ist zeitintensiv. Mitarbeiter müssen die Proben entnehmen, sicher ins Labor überführen, chemische Untersuchungen durchführen und das Ergebnis auswerten. Erst dann wissen sie, ob eine Synthese im Reaktor optimal verläuft und können bei Bedarf eingreifen. Dieses aufwendige Prozedere lässt sich etwa durch zusätzliche spektroskopische Sensoren verbessern.</p><p>Besonders hilfreich für die Beurteilung eines chemischen Reaktionsprozesses bei Wacker sind hochempfindliche Sensoren für die Ramanspektroskopie, die immer erschwinglicher und kompakter geworden sind. Damit lässt sich etwa die Polymerisation von Vinylacetat verfolgen (Abbildung 1). Die gemessenen Ramanspektren zeigen die Schwingung der Kohlenstoffdoppelbindung des Monomers. Dieses Signal verschwindet während der Reaktion, weil sich durch eine radikalische Polymerisationsreaktion Polyvinylacetat bildet, in dem keine Kohlenstoffdoppelbindung mehr vorliegt. Das zweite Ramansignal der Carbonylgruppe verschiebt sich zu niedrigeren Wellenzahlen – ein weiterer Indikator für den Fortschritt der Polymerisation. Über die Ramansensoren lässt sich der Prozess ohne Probennahme verfolgen. Zusammen mit weiteren Sensordaten fließen diese Informationen in ein selbstlernendes System, das den idealen Prozessverlauf ermittelt.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/WgIE5XwNQQmcq4P3zuwM"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Mit Ramanspektroskopie (links: Spektrum) lässt sich die Polymerisation von Vinylacetat (rechts oben) zu Polyvinylacetat (rechts unten) verfolgen: Das Signal der C-C-Doppelbindung sinkt (orange), das veränderte C-O-Signal (blau) zeigt den Polymerisationsgrad.</figcaption></figure>
<p>Da bei jedem neuen Ansatz (Batch) viele Parameter und Messwerte aufgezeichnet werden, lässt sich eine multivariate Datenanalyse ausführen, die auf maschinellem Lernen basiert. Das System ermittelt aus unterschiedlichen Ansätzen den idealen Prozessverlauf einer Reaktion, den Golden Batch. Etwa zehn bis fünfzig Batches benötigt die selbstlernende Maschine, um diesen idealen Korridor zu definieren, der zu einer gleichbleibend hohen Produktqualität führt.</p><h2>Produkte entwickeln</h2><p>Bei der Neuentwicklung von Produkten fallen Daten vieler unterschiedlicher Ansätze an, die sich in einem mehrdimensionalen Data Cube erfassen lassen. Diese Ansatzdaten können beispielsweise nach Zieleigenschaften ausgewertet und dargestellt werden (Abbildung 2, S. 974). Soll ein neues Produkt entstehen, hilft der Data Cube, bestehende Herstellungsrezepturen zu finden, die als Ausgangspunkt für die Neuentwicklung dienen können – und er gibt Hinweise darauf, wie Parameter verändert werden müssen.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/WCuwd6dTR5qwnAMbcAiR"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Herstellungsdaten aus verschiedenen Quellen werden in einer zentralen Datenbank gespeichert (links). In einem mehrdimensionalen Data Cube (rechts) lassen sich die Eigenschaften aller Produktentwicklungen sichtbar machen – jeder Punkt repräsentiert die Eigenschaften einer Entwicklung. <named-content>Abbildungsquellen: Wacker Chemie</named-content></figcaption></figure>
<p>Diesen Big-Data-Ansatz will Wacker weltweit etablieren und so seine Datenschätze aus allen Forschungs- und Produktionsstandorten miteinander vernetzen. Das Ziel: Innovationen und neue Entwicklungen schneller vorantreiben.</p><h2>Anlagen vorausschauend warten</h2><p>Eines der Leuchtturmprojekte von Wacker befasst sich mit der vorausschauenden Anlageninstandhaltung (Predictive Maintenance): Sämtliche Daten eines Produktionsverbunds oder eines spezifischen Anlagenteils werden analysiert, um darin versteckte Muster, Korrelationen und weitere nützliche Informationen zu erkennen. Auf dieser Datenbasis entstehen mathematische Modelle, aus denen sich wiederum Prognosen ableiten lassen. Beispielsweise können verschlissene Bauteile, die in absehbarer Zeit zum Stillstand einer Produktionseinheit führen könnten, frühzeitig identifiziert und ausgetauscht werden.</p><p>Die digitalen Daten geben einen kontinuierlichen Überblick über den Zustand der Anlage und verhindern ungeplante Ausfälle, was Stillstandzeiten und Wartungskosten reduziert. Es lässt sich zusätzlich eine leistungsfähigere Prozesssteuerung aufbauen, die diese Informationen nutzt und dadurch die Produktion insgesamt wirtschaftlicher und sicherer macht. Dies beruht hauptsächlich darauf, dass Anlagen maximal ausgelastet, Rohstoffe und Energie effizienter eingesetzt sowie Prozessabweichungen oder Schäden frühzeitig erkannt werden können.</p><p>Die Beispiele zeigen, wie Digitalisierung chemische Prozesstechnik verbessern kann. Bei Wacker wie in anderen Chemieunternehmen verändert die Digitalisierung auch alle anderen Bereiche – von der Forschung bis hin zum Außendienst, der zum Beispiel mit mobil verfügbaren Daten besser auf Kundenwünsche reagieren kann. Digitalisierung birgt Möglichkeiten, die die gesamte Branche nach vorne bringen werden. Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung.</p><p>Eric Frauendorfer ist promovierter Chemiker und bei der Wacker Chemie in Burghausen als Senior Manager Data Mining &amp; Analytics tätig. Er beschäftigt sich mit der Datennutzung für chemische Prozesse und treibt im Zuge des „Wacker digital“-Programms die digitale Transformation im Unternehmen voran. <a href="mailto:eric.frauendorfer@wacker.com">eric.frauendorfer@wacker.com</a></p><figure><img src="https://media.graphcms.com/L5KfQVkxRL2OXsvddfnz"><figcaption><label>Abb. 3: </label><named-content>Abbildung: j-mel, Fotolia</named-content></figcaption></figure>
<h2>Quergelesen</h2><p>Nur Chemieunternehmen, welche die digitale Transformation vorantreiben, können in Zukunft wettbewerbsfähig, effizient und erfolgreich sein.</p><p>Erste Projekte zeigen den Nutzen der Digitalisierung für die Chemie.</p><p>Big Data, selbstlernende Maschinen und künstliche Intelligenz erlauben es, ideale Prozessbedingungen einzustellen und Chemieanlagen vorausschauend zu warten.</p>
<ul><h2>Literatur</h2><li>
<sup>1 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://public.dhe.ibm.com/common/ssi/ecm/wr/en/wrl12345usen/watson-customer-engagement-watson-marketing-wr-other-papers-and-reports-wrl12345usen-20170719.pdf" target="_blank">https://public.dhe.ibm.com/common/ssi/ecm/wr/en/wrl12345usen/watson-customer-engagement-watson-marketing-wr-other-papers-and-reports-wrl12345usen-20170719.pdf</a></ext-link></li><li>
<sup>2 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.vci.de/vci/downloads-vci/top-thema/daten-fakten-industriepolitik-chancen-chemie-4–0-fuer-starken-standort.pdf" target="_blank">www.vci.de/vci/downloads-vci/top-thema/daten-fakten-industriepolitik-chancen-chemie-4–0-fuer-starken-standort.pdf</a></ext-link></li></ul>


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