Industrie & Technik

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<p>Die Endlichkeit fossiler Rohstoffe und ihr Effekt auf das Klima verstärkten in den letzten Jahren die Suche nach Rohstoffalternativen. Dabei nutzen immer mehr biotechnische Ansätze CO- und CO<sub>2</sub>-reiche (Industrie-)Abgase als erneuerbare Rohstoffe (Abbildung).</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/AoUxuRKhTEGVWbpYXvln"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Prinzip der Kreislaufführung von Kohlenstoff: natürlicher Kreislauf (links) und technische Nutzunug (rechts); grau: petrochemische Wertschöpfungsketten; grün: der Kohlenstoffkreislauf schließt sich, wenn Biomasse als Chemierohstoff dient; direkte Nutzung von CO und CO<sub>2</sub> über chemische oder Biokatalyse (blau) ermöglicht eine Kreislaufführung ohne Nahrungsmittelkonkurrenz.</figcaption></figure>
<h2>Heutiger Stand der C1-Biokonversion</h2><p>Als Rohstoffquellen für CO<sub>2</sub> und CO oder Synthesegas (CO + H<sub>2</sub>) kommen infrage: Industrieemissionen aus Chemieprozessen, Stahl- und Zementherstellung, Energiewirtschaft, biotechnischen Produktionen und Biogasanlagen. Zudem lassen sich organische Abfälle aus industriellen Produktionen, Siedlungsabfälle und Reststoffe aus der Land- und Forstwirtschaft in CO und CO<sub>2</sub> überführen.</p><p>Herzstück der C1-Biokonversion ist die Gasfermentation. Das aufbereitete Gas wird hierzu in einen Bioreaktor geleitet, in dem sich Mikroorganismen oder Enzyme als Biokatalysatoren in einem wässrigen Medium befinden. Diese wandeln die Gase in Zwischenprodukte der chemischen Industrie wie Ethanol oder Essigsäure. Diese Organismen sind urzeitliche Lebensformen, deren Stoffwechsel stark von denen gewöhnlicher Fermentationsorganismen abweichen.</p><p>Die chemoautotrophen Organismen, etwa Acetogene (Clostridien) und Methanogene, setzen CO und CO<sub>2</sub> mit H<sub>2</sub>O und H<sub>2</sub> zu kurzkettigen Kohlenstoffverbindungen um.</p><p>Photoautotrophe Organismen wie Cyanobakterien und Mikroalgen bilden aus CO<sub>2</sub> und H<sub>2</sub>O mit Sonnenlicht Zucker und andere organische Verbindungen.</p><p>Die Tabelle (S. 36) zeigt Ansätze der C1-Biokonversion. Diese beruhen überwiegend auf Clostridien sowie Cyanobakterien und Mikroalgen als zentrale Biokatalysatoren. Zielprodukt ist das leicht zugängliche Stoffwechselprodukt Ethanol, das sich als Kraftstoff und Basischemikalie eignet. Ein Beispiel ist die Demonstrationsanlage, die der Synthesegasfermentations-Pionier Lanzatech und der Stahlhersteller Arcelormittal in Gent bauen wollen.<sup>1)</sup></p><table-wrap>

<label>Table 1</label><h2>Ansätze zur biotechnischen Konversion von CO und CO<sub>2</sub></h2><img src="https://media.graphcms.com/6a2c2o17S7azPSumlNTd">

</table-wrap><p>Immer komplexere Moleküle sollen durch C1-Biokonversion entstehen. So arbeitet das niederländische Start-up Photanol an photosynthetischen Prozessen, um Plattformchemikalien<sup>2)</sup> und Süßstoffe herzustellen.<sup>3)</sup> In diesem Jahr soll eine Demoanlage starten.<sup>4)</sup></p><h2>Probleme auf dem Weg zur industriellen Anwendung</h2><p>Trotz einiger Vorzeigeprojekte ist der Weg der C1-Biokonversion in die industrielle Anwendung noch weit. Die Prozesse müssen wirtschaftlicher arbeiten, damit sie mittelfristig im Wettbewerb mit etablierten petrochemischen Prozessrouten sowie solchen auf Basis von Zucker- und Ölfermentationen bestehen. Limitierend wirken die noch geringe technische Reife und Prozesseffizienz. Der Ölpreis verschärft den Wettbewerbsdruck. Es fehlt zudem an Prozesskonzepten, die auf die Anforderungen der Gasfermentation abgestimmt sind, und an tragfähigen Geschäftsmodellen. Das limitierte Produktspektrum beschränkt ebenfalls die Wirtschaftlichkeit.</p><h2>Rohstoffströme, Marktvolumen und Biokatalysatoren</h2><p>Trivial, aber oft unterschätzt bei der Prozessentwicklung ist, ob das verfügbare Gasvolumen mit dem Zielmarkt kompatibel ist. So erfordern große Abgasströme aus der Stahlherstellung, aus Kraftwerken oder großvolumigen Chemieprozessen entsprechend großvolumige Gasfermentationsprozesse und Zielmärkte wie Bulkchemikalien. Kleinvolumige Abgasströme etwa aus Biogasanlagen oder Verbrennungsprozessen können nur kleinere Märkte wie Feinchemikalien und Spezialitäten bedienen. Direkt an diese Entscheidung ist die Wahl des Biokatalysators gekoppelt, da dieser die Umsatzrate und damit auch das Prozessvolumen bestimmt.</p><p>Acetogene sind die bedeutendsten Biokatalysatoren für die Gasfermentation. Sie können sowohl CO als auch CO<sub>2</sub> gut umwandeln. Die damit zugänglichen C2-C4- Moleküle eignen sich als Bulkchemikalien mit großen Marktvolumina. Nachteilig sind das enge Produktspektrum und die niedrige Produktivität.</p><p>Mit Mikroalgen und Cyanobakterien lassen sich CO<sub>2</sub>-Ströme selbst mit Verunreinigungen, etwa Schwefelverbindungen, und niedrigem CO<sub>2</sub>-Gehalt nutzen. Diese Biokatalysatorengruppe macht komplexere Moleküle wie Lipide und langkettige Alkohole mit höherer Wertschöpfung zugänglich. Die Photosynthese als lichtabhängige Reaktion limitiert das Reaktor- und Produktvolumen. Deshalb eignen sich Mikroalgen und Cyanobakterien eher, um höherwertige Verbindungen mit kleinem Marktvolumen zu produzieren als für Bulkchemikalien und Kraftstoffe.</p><h2>Integrierte Prozessentwicklung</h2><p>Um das Produktspektrum zu erweitern und die Produktivität zu verbessern, konzentrieren sich viele Arbeiten darauf, die Biokatalysatoren zu modifizieren. Ein Prozessdesign, das auf die C1-Biokonversion abgestimmt ist, berücksichtigen die Entwickler meist erst später in der Prozessentwicklung. Gerade hier ist viel Optimierungspotenzial.</p><p>Gasförmige Rohstoffe stellen andere Anforderungen an das Reaktor- und Prozessdesign als Zucker und Öle. Die frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Molekularbiologen und Prozessingenieuren kann helfen, Prozesslimitierungen wie den Gastransfer und seine Auswirkungen auf den Stoffwechsel frühzeitig zu erkennen und das Reaktor- und Prozessdesign optimal hierauf abzustimmen. Eine enge Zusammenarbeit von Chemikern und Biotechnologen hilft, wirtschaftliche Wertschöpfungskonzepte zu entwickeln.</p><h2>Geschäftsmodell: höherwertige Chemikalien</h2><p>Das C2-C4-Produktspektrum, das mit Acetogenen direkt zugänglich ist, produzieren Unternehmen mit anderen Methoden kostengünstiger. Eine weiterführende Konversion in komplexere Moleküle wie Grundbausteine von Kunststoffen oder Spezialitäten kann die Wertschöpfung von C1-Biokonversionsprozessen verbessern. Das Konzept hat großes Potenzial für Demonstrationsprojekte, da die Markt- und Prozessvolumina ähnlich sind und so einen frühzeitigen Markteintritt ermöglichen. Werden im Lauf der Prozessentwicklung die Effizienz verbessert und die Kapazitäten erweitert, lassen sich nach und nach mit den Zwischenprodukten weitere Märkte erschließen. Spezialitäten sind somit Türöffner für Märkte wie Bulkchemikalien und Kraftstoffe.</p><h2>Fazit</h2><p>Die C1-Biokonversion lässt sich an vielen Stellen optimieren. Es gilt, die interdisziplinäre und branchenübergreifende Zusammenarbeit auszubauen und frühzeitig die großtechnischen Erfahrungen der (chemischen) Industrie einzubinden.</p><p>Cornelia Bähr ist wissenschaftliche Beraterin beim Cluster Industrielle Biotechnologie (CLIB2021). Der Cluster treibt neue Wertschöpfungsketten in der Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft voran. In diesem Kontext beschäftigt sich Bähr mit Entwicklungs- und Vermarktungsmöglichkeiten von biotechnischen Prozessen zur Nutzung von CO<sub>2</sub> und CO. <a href="https://www.clib2021.de" target="_blank">www.clib2021.de</a>; baehr@clib2021</p><h2>Quergelesen</h2><p>Ansätze zur biotechnischen Nutzung von CO und CO<sub>2</sub> sind auf dem Weg zur Kommerzialisierung.</p><p>Sie müssen auch aufgrund eines niedrigen Ölpreises noch wirtschaftlicher werden.</p><p>Schlüssel für die industrielle Umsetzung sind die Verlängerung der Wertschöpfungskette hin zu höherwertigen Chemikalien und eine integrierte Prozessentwicklung. Diese muss neben der Modifikation der Biokatalysatoren ein Fermentationsdesign umfassen, das auf gasförmige Rohstoffe abgestimmt ist.</p>
<ul><h2>Literatur</h2><li>
<sup>1 </sup><a href="https://www.lanzatech.com/arcelormittal-lanzatech-primetals-technologies-announce-partnership-construct-breakthrough-e87m-biofuel-production-facility/" target="_blank">www.lanzatech.com/arcelormittal-lanzatech-primetals-technologies-announce-partnership-construct-breakthrough-e87m-biofuel-production-facility/</a> Zugriff 8.11.2016</li><li>
<sup>2 </sup><a href="http://photanol.com/wp-content/uploads/2014/09/29_e_Photanol_-partnership_news_release.pdf" target="_blank">http://photanol.com/wp-content/uploads/2014/09/29_e_Photanol_-partnership_news_release.pdf</a> Zugriff 8.11.2016</li><li>
<sup>3 </sup><a href="https://www.biobasedpress.eu/2015/06/avantium-and-photanol-are-doing-well/" target="_blank">www.biobasedpress.eu/2015/06/avantium-and-photanol-are-doing-well/</a></li><li>
<sup>4 </sup>A. D. van der Woude, R. Perez Gallego, A. Vreugdenhil, V. Puthan Veetil, T. Chroumpi, K. J. Hellingwerf, Microb. Cell Fact. 2016, 15, 60</li></ul>


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Rohstoffbasis: CO und CO2 biotechnisch verwerten

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<h2>Letzte Chance zur Voranmeldung</h2><p>Bisher im Rahmen von Reach nicht registrierte Stoffe lassen sich bis zum 31. Mai vorregistrieren. Dieser Termin gilt für Stoffe, von denen Unternehmen zwischen 1 und 100 Tonnen pro Jahr produzieren oder die sie aus einem Nicht-EU-Land importieren, vorausgesetzt, dass sie weder karzinogen, mutagen noch reproduktionstoxisch sind. Nach einer Vorregistration können Unternehmen die verlängerte Registrierungsfrist für vorregistrierte Produkte bis zum 31. Mai 2018 nutzen. Bis zu diesem Termin erwartet die Europäische Chemikalienagentur Echa bis zu 70 000 Registrierungsdossiers vor allem von kleinen und mittleren Betrieben. MB</p><h2>Total veräußert Spezialchemie</h2><p>Der französische Öl- und Gaskonzern Total will die Spezialchemiesparte Atotech für 3,2 Mrd. US-Dollar an die Investmentgruppe Carlyle verkaufen. Insgesamt plant Total in den Jahren 2015 bis 2017 Geschäftsbereiche im Wert von 10 Mrd. US-Dollar abzustoßen.</p><h2>Danaher übernimmt Cepheid</h2><p>Der US-Mischkonzern Danaher erwirbt für 4 Mrd. US-Dollar den kalifornischen Molekulardiagnostik-Anbieter Cepheid. Im Kaufpreis inbegriffen sind die Schulden, nicht aber die liquiden Mittel. Cepheid setzte im vergangenen Jahr 539 Mio. US-Dollar um.</p><h2>Messbare Nachhaltigkeit</h2><p>40 Indikatoren der Nachhaltigkeitsinitiative „Chemie<sup>3</sup>“ sollen den Fortschritt nachhaltiger Entwicklungen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland messen. Dahinter stehen der Verband der Chemischen Industrie, die Gewerkschaft IG BCE und der Arbeitgeberverband BAVC. Die Indikatoren erfassen wirtschaftliche, ökologische und soziale Kriterien, darunter die Wettbewerbsfähigkeit auf globalen Märkten, den Ausstoß von Treibhausgasen und die Übernahmequote von Ausgebildeten. Sie sollen den Unternehmen zeigen, in welchen Bereichen sie gut aufgestellt sind und wo sie nachbessern können. CS</p>

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