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Im Herbst beobachteten Nachtschwärmer und Astronominnen beiderseits des Atlantiks nicht nur einen der Erde besonders nahe stehenden Supervollmond, sondern auch die nur alle paar Jahrzehnte stattfindende Verdunkelung desselben, sozusagen eine Supermondfinsternis.
Auch wenn der Mond nicht super, sondern nur ganz normal am Himmel steht, schauen wir gerne und bewundernd zu ihm auf. Manche sinnieren dabei je nach Temperament über Himmelskörper, Gezeiten oder Werwölfe oder darüber, was auf der Seite sein mag, die der Trabant uns hartnäckig verbirgt.
Verborgen blieb bis vor kurzem auch die Zusammensetzung der Atmosphäre unseres ständigen Begleiters. Diese ist um 14 Zehnerpotenzen dünner als unsere Atmosphäre auf Meeresniveau. Deshalb bezeichnet die Fachliteratur sie oft als eine Exosphäre — ebenso wie die ähnlich dünne alleräußerste Schicht der irdischen Atmosphäre. Da der Gasschleier so dünn ist, besteht auch die Gefahr, dass von der Erde entsandte Vehikel mit all ihren gefälschten Emissionstests seine Zusammensetzung in Nullkommanichts dramatisch verändern könnten — auf einen Schlag würde die Exosphäre dann überwiegend aus NOX und Feinstaub bestehen.
Deshalb musste die Nasa-Raumsonde Ladee (Lunar Atmosphere and Dust Environment Explorer) ganz dringend mit ihrem Massenspektrometer nachsehen, woraus dieses Beinahevakuum auf dem Mond denn nun wirklich besteht — in seinem natürlichen Zustand, bevor die ersten Touristen aufkreuzen. Ladee umkreiste den Mond und sammelte mehr als drei Monate lang Daten über die Zusammensetzung der Exosphäre, von November 2013 bis zu ihrer geplanten Bruchlandung im April 2014.
Die Messungen fanden vor allem Edelgase: Helium, Neon und Argon, wobei Neon vorher zwar bereits vermutet, aber noch nicht nachgewiesen worden war. Diese Gase erreichen den Mond mit dem Sonnenwind und prallen von seiner Oberfläche ab, während weniger inerte Substanzen an die Oberfläche adsorbieren oder mit ihr reagieren.
Das Vorkommen von Neon auf dem Mond dürfte sofort das Interesse der Werbewirtschaft wecken — man stelle sich nur vor, eine Leuchtreklame, die jeweils von der Hälfte der Erdoberfläche aus gleichzeitig sichtbar ist. All die sehnsuchtsvollen Blicke in mondhellen Nächten wären endlich kommerziell zu nutzen. Der ökonomisch nutzlose Silbermond der Poesie könnte endlich zu hartem Cash umgemünzt werden. Wenn das Edelgas schon da ist, müsste man nur noch die zugehörige Hardware zum Mond schießen oder vor Ort produzieren — oder etwa nicht?
Aus solchen Mondträumen dürfte allerdings vorerst nichts werden, denn die Nasa versichert glaubhaft, dass die in der Atmosphäre gemessene Konzentration zu gering für Lumineszenzeffekte ist. Man müsste die bereits vorhandene Menge vor dem Abdriften in den Weltraum schützen und geduldig warten, dass der Sonnenwind weiteres Gas liefert. Das wäre also eher ein Langzeitprojekt.
Nicht ganz so abwegig ist vielleicht die Gewinnung von Helium auf dem Mond [diese Nachrichten, Seite 1168]. Helium liefert ja nicht nur der Sonnenwind in großzügigen Mengen, sondern das Edelgas entweicht auch aus dem Mondgestein als Produkt radioaktiver Zerfallsreaktionen. Vielleicht könnte man auf dem Mond eine Falle aufstellen, die das Gas irreversibel einfängt. Je nachdem, wie sich Angebot und Nachfrage auf der Erde entwickeln [Nachr. Chem. 2013, 61, 1109], könnte eine Heliumsammelstelle eines Tages lukrativ werden oder zumindest die Kosten von Forschungsmissionen zu unserem Trabanten teilweise wieder einbringen.
Solche Projekte dürften noch in ferner Zukunft liegen. Bis es dazu kommt, können wir bei klarem Nachthimmel aus der Ferne bewundern, was wir hier unten schon lange nicht mehr besitzen: einen Himmelskörper, auf dem wir nur wenige Tonnen Müll hinterlassen haben (einige Raumsonden und ein Auto, das Nena schon im Jahr 1986 besungen hat), dessen Atmosphäre wir aber bisher noch nicht messbar verschmutzt haben — auch wenn diese so dünn ist, dass wir nicht viel damit anfangen können.
Michael Groß, <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a></ext-link>

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