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Das Textsatzsystem Latex fristet ein Nischendasein &mdash; zu unrecht. Einmal in die Syntax eingearbeitet, hilft es nicht nur beim korrekten Setzen von Formeln und Einheiten. Mit Paketen wie <code>chemmacros</code> und <code>chemfig</code> stehen zudem Werkzeuge zur Verf&uuml;gung, um Reaktionsgleichungen und Strukturformeln zu erstellen.
Popul&auml;re Textverarbeitungsprogramme von Microsoft Word bis Google Docs sind nicht f&uuml;r Chemiker:innen gemacht. Schwillt der l&auml;ngst &uuml;berf&auml;llige Aufsatz oder die Dissertationsschrift an L&auml;nge und Komplexit&auml;t, kann die Arbeit am Textdokument zur Geduldsprobe werden: Beim Verschieben einzelner Abs&auml;tze gehen Formatierungen verloren, das Inhaltsverzeichnis l&auml;sst sich nicht aktualisieren oder die Schnittstelle zum Literaturverwaltungsprogramm macht Probleme. Eine weitere Herausforderung ist, Reaktionsgleichungen und Strukturformeln aus Chemie-Suiten wie ACD/Chemsketch, Chemdraw oder Isis Draw zu integrieren. Das Textsatzprogramm Latex erleichtert all diese Arbeiten.
<h2>Erste Schritte</h2>
Der Einstieg in Latex gelingt am einfachsten mit webbasierten Editoren wie Overleaf (<a href="https://t1p.de/ovl" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/ovl</a>), Papeeria (<a href="https://t1p.de/ppe" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/ppe</a>) oder Authorea (<a href="https://t1p.de/ato" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/ato</a>). Alle drei Dienste sind in der Basisversion kostenlos. Nach der Registrierung kann man direkt im Browser mit dem Schreiben beginnen.
Wer lieber offline an Dokumenten arbeitet, l&auml;dt sich &uuml;ber die Website des Latex-Projekts (<a href="https://t1p.de/txp" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/txp</a>) eine Latex-Umgebung zur Installation herunter. Auf Latex spezialisierte Editoren wie Texstudio und Texworks (verf&uuml;gbar f&uuml;r Windows, Mac und Linux), Texniccenter (Windows) oder Texpad (Mac) erleichtern durch Autovervollst&auml;ndigung und Syntaxhervorhebung, Latex-Kommandos einzugeben.
Egal ob in der Cloud oder lokal auf dem heimischen PC: Ein erstes Vorschaudokument erzeugt der Latex-Compiler aus den Befehlszeilen1)
<pre>\documentclass{article} \usepackage[utf8]{inputenc} \usepackage[T1]{fontenc} \usepackage[ngerman]{babel} \title{Titel} \author{Name} \begin{document} \maketitle \section{Einleitung} Text \end{document}</pre>
Der Befehl <code>\documentclass{article}</code> ruft eine Dokumentenklasse mit der Formatvorlage f&uuml;r einen einfachen Artikel auf. Alternativ bieten <code>report</code>, <code>book</code> oder <code>letter</code> Vorlagen f&uuml;r Berichte, B&uuml;cher oder Briefe. Dokumentenklassen wie <code>achemso</code> oder <code>elsarticle</code> stellen weitere Manuskriptvorlagen f&uuml;r Journale der American Chemical Society oder Elsevier bereit. Derlei Zusatzpakete samt Dokumentation gibt es im Latex-Archiv CTAN (<a href="https://t1p.de/cta" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/cta</a>) oder auf den Verlagswebsites zum Download.
Die anschlie&szlig;ende Pr&auml;ambel nimmt die zus&auml;tzlich zu ladenden Pakete und Optionen auf. In diesem Beispiel sind das <code>inputenc</code> und <code>fontenc</code>, die die Textkodierung f&uuml;r Ein- und Ausgabeschriften regeln. Das Paket babel sorgt f&uuml;r die richtige Sprachunterst&uuml;tzung bei Silbentrennung oder Datumsangaben.
Die Befehle <code>\title{}</code> und <code>\author{}</code> nehmen in geschweiften Klammern den Titel des Dokuments und Autor:innennamen auf. Diese werden am Dokumentanfang durch <code>\maketitle</code> ausgegeben. Es folgt der Inhalt des Dokuments, das sich unter anderem mit <code>\section{}</code> oder <code>\subsection{}</code> in Abschnitte gliedern l&auml;sst.
<h2>Wissenschaftliches Arbeiten</h2>
Den Umgang mit Literaturangaben lernt Latex mit dem Paket <code>natbib</code>, das Sie mit der Anweisung <code>\usepackage[round,authoryear]{natbib}</code> in die Pr&auml;ambel des Latex-Dokuments einbinden. Die in eckigen Klammern &uuml;bergebenen Optionen <code>round</code> und <code>authoryear</code> weisen Latex an, Zitationen im Autor-Jahr-Stil in runden Klammern auszugeben, also als &bdquo;(Autor et al., 2021)&ldquo;.
Dort, wo im Dokument das Literaturverzeichnis erscheinen soll, referenzieren Sie mit <code>\bibliography{literatur.bib}</code> auf die Textdatei, in der im Bibtex-Format die bibliografischen Daten hinterlegt sind (vollst&auml;ndiges Codebeispiel finden Sie als Supporting Material online bei diesem Artikel). Solche Bibtex-Dateien erzeugen Sie am einfachsten mit Literaturverwaltungsprogrammen wie Jabref, Zotero, Mendeley, Endnote oder direkt aus Google Scholar. Dabei erh&auml;lt jede Referenz einen eindeutigen Zitierschl&uuml;ssel, zum Beispiel <code>curie1898</code>. Mit <code>\citep{curie1898}</code> zitieren Sie die entsprechende Quelle in Klammern.
Das Paket <code>acro</code> unterst&uuml;tzt analog dazu beim Verwalten von Akronymen und Abk&uuml;rzungsverzeichnissen. Einmal in der Pr&auml;ambel via
<pre>\DeclareAcronym{gdch}{ short = GDCh, long = Gesellschaft Deutscher Chemiker }</pre>
definiert, lassen sich Abk&uuml;rzungen wie &bdquo;GDCh&ldquo; im Text per <code>\ac{gdch}</code> aufrufen. Bei erstmaliger Nennung wird die Abk&uuml;rzung automatisch in Klammern gesetzt, im weiteren Text dann nur noch in Kurzform ausgegeben. Ein Abk&uuml;rzungsverzeichnis f&uuml;gt das Kommando <code>\printacronyms</code> hinzu.
Wer h&auml;ufig mit unterschiedlichen Einheiten hantiert, kann das dem Paket <code>siunitx</code> &uuml;berlassen. Wo die Angabe &bdquo;8,314 J mol&ndash;1 K&ndash;1&ldquo; (in Latex standardm&auml;&szlig;ig ohne Malpunkte) ansonsten einige manuelle Formatierung erfordert, nimmt <code>siunitx</code> ein <code>\SI{8.314}{\joule\per\mole\per\kelvin}</code> entgegen. Neben vielen bereits vorhandenen Einheiten lassen sich neue definieren. Das Paket stellt au&szlig;erdem Fehlerterme dar und richtet Zahlenreihen in Tabellen am Dezimaltrennzeichen aus. Die Zahl ist zwingend mit einem Punkt als Dezimaltrennzeichen zu &uuml;bergeben, also <code>8.314</code>. Wer ein Komma ausgegeben haben m&ouml;chte, l&auml;dt das Paket <code>siunitx</code> mit der Option <code>locale = DE</code>, also <code>\usepackage[locale = DE]{siunitx}</code>.
<h2>Formelsammlung</h2>
Seine gro&szlig;e St&auml;rke spielt Latex beim Setzen von Formeln und Gleichungen aus. Kaum eine andere Textverarbeitung verf&uuml;gt &uuml;ber eine umfassendere und zugleich gut dokumentierte Bibliothek an Symbolen und mathematischen Operatoren. Einen Einstieg bietet das Online-Tool Detexify (<a href="https://t1p.de/dty" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/dty</a>), zus&auml;tzliche Funktionen enth&auml;lt das Paket <code>amsmath</code>.
Im Flie&szlig;text markieren $-Zeichen den Mathemodus. So wird <code>$R = N_\mathrm{A} k_\mathrm{B}$</code> zu &bdquo;R = NA &middot; kB&ldquo;. Alle Symbole werden dabei zun&auml;chst als Variablen interpretiert und kursiv gesetzt. Der Befehl <code>\mathrm{}</code> macht dies r&uuml;ckg&auml;ngig. Ein Unterstrich setzt das folgende Zeichen tief.
Vom Text absetzen, automatisch nummerieren und per <code>\label{}</code> zur weiteren Referenzierung benennen lassen sich Gleichungen so:
<pre>\begin{equation} \label{eq:gas_constant} R = \frac{pV}{nT} \end{equation}</pre>
Erg&auml;nzt um das Paket <code>chemmacros</code> und den dazugeh&ouml;rigen Befehl <code>\ch{}</code> werden chemische Reaktionsgleichungen definiert, zum Beispiel <code>\ch{2 H2O2 -&gt; H2O + O2 ^}</code>. Latex erzeugt daraus &bdquo;2 H2O2 &rarr; H2O + O2 &uarr;&ldquo;.2)
Anders als im nativen Mathemodus wird der tiefgestellte Index hier automatisch als solcher interpretiert. Stoffmengenverh&auml;ltnisse werden leerzeichengetrennt vorangestellt. Reaktionspfeile folgen der in Tabelle 1 (S. 31) dargestellten Notation. Weitere Funktionen wie die Angabe von Oxidationszahlen, Radikalen oder Isotopen beschreibt die <code>chemmacros</code>-Dokumentation auf CTAN (<a href="https://t1p.de/cta" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/cta</a>).
<img src="https://media.graphcms.com/ZdzrRPb8SB6DiTvufjWE" />
<h2>Strukturelles</h2>
Einfache Konstitutionsformeln lassen sich mit dem <code>\ch</code>-Kommando umsetzen. Aus <code>\ch{H-O-O-H}</code> wird &bdquo;H&ndash;O&ndash;O&ndash;H&ldquo;. F&uuml;r komplexere Strukturen oder ganze Reaktionsmechanismen bedarf es aber des Pakets <code>chemfig</code>. Mit dem Befehl <code>\chemfig{H-O-O-H}</code> bleibt die Schreibweise zum Erzeugen der Molek&uuml;lformel zun&auml;chst identisch mit <code>\ch{}</code>. Um Verzweigungen darzustellen, verlangt die <code>chemfig</code>-Notation aber nach der Definition von Substituenten. Diese stehen in runden Klammern nach dem Atom, an das sie binden sollen. Wasserstoffperoxid l&auml;sst sich also auch so schreiben:
<pre>\chemfig{O(-H)-O(-H)}</pre>
Damit sich die Substituenten beim Zeichnen nicht &uuml;berlagern, sind in eckigen Klammern die entsprechenden Bindungswinkel relativ zur Horizontalen anzugeben. Der Befehl <code>\chemfig{O(-[:103]H)-O(-[:77]H)}</code> erzeugt somit die Lewis-Struktur.
Tauscht man die Bindestriche zur Darstellung der O-H-Bindung durch Kleinerzeichen (Tabelle 2, S. 31), ergibt sich die Keilstrichformel von Wasserstoffperoxid.
<img src="https://media.graphcms.com/RQ2hUIOJTISgtPOHtCft" />
Raktionsmechanismen und Schemata ergeben sich logisch aus aneinandergereihten <code>\chemfig</code>-Elementen. Peroxyessigs&auml;ure aus Essigs&auml;ure und Wasserstoffperoxid (Abbildung 1) l&auml;sst sich so darstellen:
<figure><img src="https://media.graphcms.com/p6sY1vCQx2GlbI3MM1cf" />
<figcaption><label>Abb. 1: </label>Reaktion von Essigs&auml;ure und Wasserstoffperoxid zu Peroxyessigs&auml;ure (gek&uuml;rzt).</figcaption>
</figure>
<pre>\schemestart \chemfig{-[:30](=[:90]O)-[:330]OH} \arrow{⮃=⮁[ \sffamily\ch{+ H+} ]} \chemfig{-[:30]@{acc}(=[:90]\charge{135:3pt=$\oplus$}{O}H)-[:330]OH} \+ \chemfig{H@{hoo}OOH} \arrow{⮃=⮁[ \sffamily\ch{- H2O} ]}[,1.2] \chemfig{-[:30](=[:90]\charge {135:3pt=$\oplus$}{O}H)-[:330]OOH} \arrow{⮃=⮁[ \sffamily\ch{- H+} ]} \chemfig{-[:30](=[:90]O)-[:330]OOH} \schemestop \chemmove[red,shorten ⮃=2pt, shorten ⮁=2pt]{ \draw(hoo) ..controls +(up:10mm) and +(right:5mm)..(acc); }</pre>
Das Schema wird mit <code>\schemestart</code> eingeleitet und beginnt mit dem Zeichnen der Strukturformel von Essigs&auml;ure. Der Befehl <code>\arrow{}</code> gibt analog zu <code>chemmacros</code> (Tabelle 1, S. 31) einen Gleichgewichtspfeil mit Beschriftung aus. Die Essigs&auml;ure wird protoniert. Neu ist dabei der Befehl <code>\charge</code>, der der Strukturformel unter Angabe des Winkels und eines Abstandhalters (<code>135:3pt</code>) eine positive Ladung (<code>$\oplus$</code>) am Sauerstoffatom der Hydroxygruppe hinzuf&uuml;gt. <code>@{}</code> setzt au&szlig;erdem Ankerpunkte f&uuml;r das sp&auml;tere Zeichnen von Reaktionswegpfeilen zwischen Wasserstoffperoxid und dem zentralen Kohlenstoffatom der Essigs&auml;ure. <code>\schemestop</code> schlie&szlig;t den Mechanismus ab (Abbildung 1).
&Uuml;ber <code>\chemmove</code> werden zuletzt Argumente zum Zeichnen der Reaktionswegpfeile zwischen den zuvor definierten Ankerpunkten (<code>hoo</code> und <code>acc</code>) an das Vektorgrafikpaket PGF/TikZ &uuml;bergeben und per <code>\draw</code>-Befehl gezeichnet.
PGF/TikZ ist ein m&auml;chtiges, wenngleich kompliziertes Werkzeug, um Strukturen jeglicher Art zu zeichnen. F&uuml;r weitere Details lohnt daher ein Blick in die Paketdokumentationen von <code>chemfig</code> und <code>tikz</code> auf CTAN (<a href="https://t1p.de/cta" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/cta</a>).
<h2>Unterst&uuml;tzung</h2>
Mit jedem Molek&uuml;l w&auml;chst die Komplexit&auml;t des zu zeichnenden Reaktionsmechanismus. Helfen kann da <code>mol2chemfig</code> (Abbildung 2, <a href="https://t1p.de/m2c" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/m2c</a>). Das Online-Tool konvertiert vorgezeichnete oder aus einer Datenbank abgerufene Molek&uuml;lformeln automatisch in <code>chemfig</code>-Syntax. Die so vorbereiteten Strukturen m&uuml;ssen dann nur noch in einem Schema zusammengesetzt werden.
<figure><img src="https://media.graphcms.com/JQaWoF4QiOOedDXYox2g" />
<figcaption><label>Abb. 2: </label>chemfig-Notationen mit mol2chemfig automatisch erzeugen.</figcaption>
</figure>
Dar&uuml;ber hinaus gibt es weitere Pakete, die helfen, chemische Strukturen darzustellen. Das Latex-Paket <code>carbohydrates</code> beispielsweise vereinfacht, Zucker in Fischer- oder Haworth-Projektion zu zeichnen. Mit dem Paket <code>bohr</code> lassen sich Bohrsche Atommodelle visualisieren; <code>endiagram</code> unterst&uuml;tzt beim Erstellen von Energiediagrammen, <code>modiagram</code> erzeugt Molek&uuml;lorbitalschemata. Und das Paket <code>ghsystem</code> kennt alle Risiko- und Sicherheitss&auml;tze sowie Gefahrensymbole gem&auml;&szlig; dem global harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS).
Bei dieser Vielfalt den &Uuml;berblick zu behalten, f&auml;llt anfangs nicht leicht. Dabei helfen k&ouml;nnen das englischsprachige Latex-Wikibook (<a href="https://t1p.de/wlx" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/wlx</a>), das deutsche Golatex-Wiki (<a href="https://t1p.de/glx" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/glx</a>) oder das Tex-Forum von Stackexchange (<a href="https://t1p.de/txe" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/txe</a>). So ger&uuml;stet steht dem professionell gesetzten Dokument schon bald nichts mehr im Weg.
<h2>Der Autor</h2>
Zacharias Steinmetz, Jahrgang 1989, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut f&uuml;r Umweltwissenschaften der Universit&auml;t Koblenz-Landau und lehrt dort unter anderem Umweltchemie. Im Rahmen seiner Promotion entwickelt er neue Analyseverfahren, um Mikroplastik in landwirtschaftlichen B&ouml;den zu quantifizieren. Seine Texte schreibt er seit 2012 vorzugsweise mit Latex.
<div><img src="https://media.graphcms.com/zyJpdedKRHiwyFvcoqhK" /></div>
&nbsp;
<a href="mailto:steinmetz-z@uni-landau.de">steinmetz-z@uni-landau.de</a>
<h2>AUF EINEN BLICK</h2>
Mit dem Textsatzprogramm Latex kommen Text, Strukturformeln und Reaktionsgleichungen aus einem Guss.
Das Latex-Archiv oder Verlagswebsites stellen Vorlagen zum Download bereit.
Auch Energiediagramme, Molek&uuml;lorbitalschemata, Risiko- und Sicherheitss&auml;tze sowie Gefahrensymbole lassen sich darstellen.
<ul class="references">
<li>1 Z. Steinmetz, c&rsquo;t 2019, 9, 152&ndash;157</li>
<li>2 Z. Steinmetz, c&rsquo;t 2020, 22, 160&ndash;163</li>
</ul>

Artikel

Professioneller Textsatz mit Latex

Das Textsatzsystem Latex fristet ein Nischendasein — zu unrecht. Einmal in die Syntax eingearbeitet, hilft es nicht nur beim korrekten Setzen von Formeln und Einheiten. Mit Paketen wie chemmacros und chemfig stehen zudem Werkzeuge zur Verfügung, um Reaktionsgleichungen und Strukturformeln zu erst...

Sie arbeiten mit Forschungsergebnissen, ohne das Labor von innen zu sehen – Chemiker:innen in Wissenschaftsverlagen. Sie prüfen Manuskripte, suchen Gutachter, arbeiten mit Datenbanken oder optimieren ihr Produkt: die Wissensvermittlung.
Claudia Barzen, Nicola Oberbeckmann-Winter, Catharina Goedecke und Anne Nijs arbeiten in wissenschaftlichen Verlagen. Claudia Barzen hat an der Universität Tübingen in physikalisch-analytischer Chemie promoviert. Nach Stationen im Lektorat und Marketing anderer Verlage arbeitet sie heute bei Springer Nature in Heidelberg als Marketing-Managerin.Nicola Oberbeckmann-Winter hat nach Forschung in metallorganischer Chemie bei Wiley-VCH angefangen. Heute arbeitet sie als Managing Editor für Springer Nature, und zwar für Analytical and Bioanalytical Chemistry. Das ist eine der Zeitschriften, bei denen die GDCh Miteigentümerin ist.Catharina Goedecke hat in Marburg studiert und sich auf theoretische Chemie spezialisiert. Direkt von der Universität wechselte sie zu Wiley-VCH nach Weinheim. Derzeit arbeitet sie als Redakteurin bei ChemistryViews, dem Online-Magazin von Chemistry Europe.Anne Nijs promovierte in Aachen in organischer Chemie. Nun ist sie Chefredakteurin beim European Journal of Organic Chemistry, ebenfalls bei Wiley-VCH.<h2>Begleiten, vermitteln und kontrollieren</h2>Naturwissenschaftler:innen sind vor allem als Redakteur:in oder Herausgeber:in gefragt: „Ein großer Teil meiner Arbeit ist es, aus den neuen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften diejenigen auszuwählen, die für unsere Leser:innen besonders interessant sind, und darüber zu berichten“, schildert Catharina Goedecke. Sie ergänzt: „Außerdem redigiere ich auch eingereichte Texte oder habe ein Auge auf unsere Social-Media-Kanäle.“Wichtig sei die Abgrenzung zum Wissenschaftsjournalismus, betont Anne Nijs: „Ein Wissenschaftsjournalist bereitet Fachpublikationen für ein allgemeines Publikum auf, während eine fachliche Redakteurin wie ich eher eine vermittelnde Rolle im Gutachterverfahren einnimmt.“ Nijs‘ Hauptaufgabe liegt in der Qualitätssicherung. Einen Großteil ihrer Arbeitszeit verbringt sie daher mit dem Peer-Review-Verfahren: „Ich sichte gemeinsam mit meinem Team die eingegangenen Manuskripte und evaluiere diese in Hinblick auf den aktuellen Stand der Forschung. Außerdem wähle ich Gutachter:innen aus und treffe anhand der Gutachtenlage eine Entscheidung über das Manuskript.“ Zudem hilft Nijs Autor:innen dabei, deren Arbeiten einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen. „Wir sind sowohl Beobachter als auch Sprachrohr und kontrollieren damit ein Stück weit die Qualität der Forschung“, erklärt sie.Nicola Oberbeckmann-Winter betreut Autor:innen während des gesamten Publishing-Prozesses, also vom Einreichen einer Studie bis hin zur Veröffentlichung. Sie sieht sich selbst als „Koordinatorin der Interessen von Autor:innen, Gutachter:innen und Herausgeber:innen.“ Wenn bei ihnen Fragen auftauchen, ist sie oft die erste Anlaufstelle.Für Chemiker:innen ist auch eine Tätigkeit im Marketing eines Verlags möglich. Claudia Barzen erläutert: „Man darf sich hier keine klassische Marketingabteilung vorstellen. Ich arbeite oft eng mit Software-Entwickler:innen zusammen, um beispielsweise Online-Tools und Services für Autor:innen zur Verfügung zu stellen.“<h2>Nah an der Wissenschaft</h2>Besonders attraktiv macht die Arbeit im Verlag die Nähe zur Forschung: „Wer nah an aktuellen Themen sein will, ohne selbst zu forschen, ist im Verlag genau richtig“, sagt Barzen. Nijs bekräftigt: „Ich bekomme in meinem Fachgebiet bis heute einen breiten Eindruck, obwohl meine Zeit als Doktorandin bereits einige Jahre zurückliegt. Das ist ganz sicher einzigartig in unserer Branche.“Oberbeckmann-Winter, die ihren Post-Doc in Straßburg absolviert hat, sieht zwischen der Arbeit im Verlagswesen und in der Forschung viele Parallelen: „Wir arbeiten in beiden Sparten mit Forschungsergebnissen, und in beidem ist Projektmanagement gefragt. Außerdem ist ein gutes und stabiles Netzwerk sowohl beim Forschen als auch Herausgeben enorm wichtig.“Aber, so sagt Nijs, „im Verlag bestimmt man die Richtung der Forschung nicht selbst. Wissenschaftler:innen hingegen gestalten die wissenschaftliche Landschaft aktiv mit.“ Statt selbst zu forschen, tragen Redakteur:innen in einem Wissenschaftsverlag zur Vermittlung der Ergebnisse anderer bei. „Leider bedeutet das auch, dass ich nicht mehr selber im Labor stehe, seit ich hier arbeite“, berichtet Oberbeckmann-Winter.<h2>Flexibilität</h2>Ein Großteil der Angestellten im Verlag ist weiblich: „Hier arbeiten etwa zwei Drittel Frauen“, erzählt Nijs. „Ein Vorteil ist, dass der Job flexibel und von überall aus machbar ist.“ Möglicherweise spielt der finanzielle Aspekt eine Rolle – lockt die chemische Industrie doch mit höheren Gehältern. Auch bei Springer Nature sei der Frauenanteil hoch, sagt Claudia Barzen. „Familiäre Bedürfnisse werden hier unterstützt, gerade auch jetzt in der Pandemiezeit.“Goedecke lobt die Flexibilität in ihrem Job. Die Pandemie habe die Arbeitsweise kaum beeinflusst, schon vorher fand der Großteil vor dem Bildschirm statt. Sie berichtet: „Aktuell arbeitet fast der komplette Verlag von zuhause, aber das hat an meinem Arbeitsalltag wenig geändert – nur die Redaktionstreffen haben wir nun ebenso in eine Videokonferenz umwandeln müssen.“ Barzen bestätigt: „Über Video und Telefon mit Teams in aller Welt zu arbeiten ist für mich völlig normal. Das hat Corona nicht verändert.“ Der starke Fokus auf digitale Arbeit ist durch die Zusammenarbeit mit internationalen Forscher:innen zu erklären.<h2>Kommunikation und diplomatisches Geschick</h2>Für eine Karriere im Verlag, braucht es neben Fachwissen vor allem Freude am Umgang mit Sprache und Sprachen. Barzen unterstreicht: „Englisch ist ein absolutes Muss. Es ist meine Berufssprache. Jede weitere Fremdsprache wird vom Verlag willkommen geheißen.“ Das Interesse an Sprache und Präsentieren von Wissenschaft hat sich bei Nicola Oberbeckmann-Winter schon früher abgezeichnet. „Ich hatte immer Spaß daran, die Arbeiten meiner Kolleg:innen am Lehrstuhl gegenzulesen, bevor sie eingereicht wurden“, berichtet sie.Nijs ergänzt: „Auch ein breites Interesse daran, wie sich die wissenschaftliche Landschaft verändert, ist essenziell. Ich persönlich habe zudem das Verbreiten von Forschung immer als besonders spannend empfunden.“ Durch die internationale Zusammenarbeit erfordert der Job interkulturelles Verständnis und manchmal diplomatisches Geschick. „Ich habe schon den einen oder anderen Konflikt zwischen Autor:innen, Gutachter:innen und Leser:innen schlichten müssen“, berichtet Nijs.Auch intern kommt es auf interdisziplinäre Teamarbeit an. In Verlagen treffen Menschen unterschiedlichster Fachrichtungen und Bildungsgrade aufeinander. „In den Redaktionen der Fachzeitschriften und Magazine arbeiten überwiegend Naturwissenschaftler:innen, zum Großteil haben sie promoviert. Einen Medienkaufmann oder eine Verlagswirtin findet man dafür aber in den anderen Abteilungen etwa in Marketing oder Sales. Viele sind Quereinsteiger“, berichtet Goedecke.„Als Naturwissenschaftler:in würde ich immer eine Promotion empfehlen“, meint Barzen. Allein wegen der breiten Erfahrung, die Chemiker:innen während der Promotionszeit sammelten. „Vorträge halten, Forschungsanträge schreiben, Praktika betreuen – all dies hat mir im Berufsleben geholfen.“Nijs ergänzt: „Für die Betreuung des Gutachterverfahrens ist eine Promotion und die damit verbundene Erfahrung in der wissenschaftlichen Forschung notwendig. Ohne Doktortitel beschränkt sich die Arbeit in der Redaktion oft auf die sprachliche Bearbeitung von Manuskripten.“Die allgemeinen Softskills, die man im Verlagswesen braucht, decken sich Goedeckes Erfahrung nach aber gut mit dem, was man als Naturwissenschaftler:in ohnehin von der Universität mitbringt – Lernfähigkeit, Eigenantrieb, Organisationsfähigkeit, klare Kommunikation, ein Auge fürs Detail und die Fähigkeit, sowohl selbstständig als auch im Team gut arbeiten zu können.Noch forscht die Autorin dieses Beitrags, Anna Tratter, selbst im Labor. Aber sie kennt auch die andere Seite: Ihre Bachelorarbeit in Kommunikationswissenschaften schreibt sie über Kommunikation in der Chemie.<figure><img src="https://media.graphcms.com/0GX6hFIRBSBJqUZMeQuN"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Radu Razvan – Adobe.Stock</figcaption></figure>

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