Polyurethan depolymerisieren | Ein Team des Tianjin Institute of Industrial Biotechnology der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Greifswald hat eine Variante eines Polyurethan(PU)-abbauenden Enzyms hergestellt, das...
Interview
„Offen und transparent sein, um Vertrauen zu schaffen“
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Wie, warum und mit wem kommunizieren Chemieunternehmen über Wissenschaft und Forschung? Darüber haben Holger Kapp und Janine Seiboth aus der BASF-Unternehmenskommunikation mit den Nachrichten aus der Chemie gesprochen.
Nachrichten aus der Chemie: Wie definieren Sie Wissenschaftskommunikation?
JS Wir unterscheiden Wissenschaftskommunikation von Forschungs- und Innovationskommunikation. Holger und ich machen Letztgenanntes. Wir kommunizieren mit der Öffentlichkeit und den Medien über Forschungsprojekte und Innovationen, also Produkte, Prozesse oder Techniken, die schon am Markt verfügbar sind.
HK Auf der anderen Seite haben wir unsere Forschenden, die mit ihrer Peergroup selbstständig kommunizieren – wie die Forschenden in der Akademia auch.
JS Sie veröffentlichen beispielsweise ihre Erkenntnisse in internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Das bezeichnen wir als Wissenschaftskommunikation.
Und Ihre Forschungs- und Innovationskommunikation enthält auch die Themen dieser wissenschaftlichen Publikationen?
HK Das Gros der Veröffentlichungen ist sehr speziell und behandelt aus unserer Sicht Nischenthemen. Manchmal ist aber auch etwas Spannendes dabei. Dann erstellen wir etwa eine Pressemeldung und Social-Media-Posts.
Wie unterscheidet sich Ihre Forschungs- und Innovationskommunikation von klassischer Marken- und Produktkommunikation?
JS Die Marken- und Produktkommunikation ist eher verkaufsfördernd und stärker auf die Kunden ausgerichtet, die das Produkt kaufen sollen. Wir legen den Fokus nicht nur auf das Produkt, sondern beleuchten auch die Forschungsleistung, die dahintersteckt.
HK Wir verstehen auch noch Produkte oder Prozesstechnologien als Innovationen, die schon zwei oder drei Jahre auf dem Markt sind. Etwas flapsig gesagt: Wenn uns als Kommunikator:innen Themen schon zum Hals raushängen, sind sie in Teilen der Öffentlichkeit gerade mal angekommen. Da suchen wir immer wieder nach neuen Geschichten hinter dem Produkt, die wir erzählen können.
Was möchten Sie mit Ihrer Kommunikation erreichen?
JS Wir wollen uns als hochinnovatives Unternehmen positionieren, das Lösungen bietet für die Herausforderungen, denen die Welt derzeit begegnet. Wir wollen Vertrauen in das Unternehmen BASF schaffen und Akzeptanz für das, was wir machen. Unsere Kunden sollen beispielsweise wahrnehmen, dass wir zusammen mit ihnen die grüne Transformation vorantreiben. Generell möchten wir die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, was die Chemie alles bieten kann.
Welche sind Ihre Zielgruppen?
JS Die sind sehr breit gefächert. Journalist:innen, die unsere Botschaften weitertragen, sind eine zentrale Zielgruppe. Dazu kommen Kund:innen, Aktionär:innen, Behörden und die Politik. Auch zukünftige Mitarbeitende gehören dazu, die sich informieren, an was wir so forschen. Und natürlich die BASF-Beschäftigten.
Gehen Sie mit Ihren Zielgruppen auch in den Austausch?
HK Ja, Kommunikation ist ja keine Einbahnstraße. Es bringt nichts, wenn wir über etwas berichten, und dann finden das alle langweilig oder zu marketinglastig. Journalist:innen laden wir zum Beispiel zu uns ein, um uns mit ihnen auszutauschen.
JS In den sozialen Medien genauso: Da bekommen wir Reaktionen auf unsere Beiträge und beantworten Fragen der Nutzer:innen. Es geht ja immer darum, die Messages zielgruppenspezifisch zu übermitteln. Da brauchen wir Rückmeldungen.
Und wie differenzieren Sie beim Kommunizieren zwischen den Zielgruppen?
HK Das fängt schon bei den Journalist:innen an. Wirtschaftsjournalist:innen interessiert etwas anderes als Wissenschaftsjournalist:innen. Laborführungen und Interviews bereiten wir entsprechend auf. Wir wollen die Leute abholen, damit sie alle Informationen bekommen, die sie brauchen. Wir reden mit jemandem von den Nachrichten aus der Chemie anders über Chemiethemen als mit jemandem von der Süddeutschen Zeitung.
JS Wir differenzieren auch durch verschiedene Formate. Abgesehen von Pressemeldungen und -konferenzen, die sich hauptsächlich für Journalist:innen eignen, nutzen wir Social Media, um jüngere Zielgruppen zu erreichen, zum Beispiel Instagram, Tiktok und Youtube. Da haben wir kürzlich ein neues Format gestartet, die Innovation Bites. Das sind 60-Sekunden-Videos, in denen wir BASF-Innovationen vorstellen. Es gibt auch BASF zum Anfassen: Schulklassen kommen in unser Besucherzentrum, um zu erfahren, an was wir forschen. Im Mai hatten wir außerdem unseren ersten Science Slam (Foto S. 38), ein Format auch für Leute, die den Naturwissenschaften nicht so nah sind.
Passen Sie Ihre Kommunikation auch an verschiedene Märkte und Regionen an?
HK Ja. Wir geben als zentrale Forschungs- und Innovationskommunikation Themen und Storylines vor und machen einen globalen Aufschlag für etwa eine Presseinformation oder ein Kurzvideo. Die Kolleg:innen in den Regionen vor Ort passen das dann an, die kennen die jeweiligen Besonderheiten und Interessenlagen.
Stehen die Wissenschaftler:innen bei der Innovations- und Forschungskommunikation häufig im Vordergrund oder meistens eher das Unternehmen BASF?
HK Das hängt vom Thema ab. Wenn sich das eingrenzen lässt, zum Beispiel auf biologisch abbaubare Kunststoffe, haben wir Expert:innen, die Rede und Antwort stehen. Wenn das Thema übergeordneter ist oder es mehrere Ansprechpartner gibt, laufen die Fäden oft bei uns in der Abteilung zusammen. Wenn wir Presseanfragen beantworten, heißt es dann „nach Angaben des Unternehmens BASF“ oder „dem Pressesprecher der BASF zufolge“. Bei strategischen Aussagen wird auch oft unser Forschungsvorstand zitiert.
Haben Sie Erfahrung mit der Kommunikation kontroverser wissenschaftlicher Themen?
HK Ein Thema sind hier sicherlich die Maßnahmen gegen Treibhausgasemissionen und den Klimawandel. Wir stehen mit unseren Produkten am Anfang der Wertschöpfungskette. Da ist unheimlich viel Energie nötig, um aus Rohöl Produkte herzustellen, zum Beispiel im Steamcracker bei etwa 900 °C. Bei solchen Themen ist es essenziell, dass wir uns nicht verstecken, uns positionieren und an öffentlichen Debatten beteiligen. Wir erklären, an welchen Techniken wir forschen, um unsere Treibhausgasemissionen zu verringern.
Welchen Anreiz haben Sie dafür?
HK Wir möchten offen und transparent sein, um Vertrauen zu schaffen und als glaubwürdige Expert:innen wahrgenommen zu werden. Wir wollen unsere Produktionsprozesse umstellen, um CO2-Emissionen zu senken. Allerdings geht das nicht von heute auf morgen und kostet Geld. Die Produkte kosten deshalb letztlich auch mehr. Das wird dann auch für die Verbraucher:innen teurer. Das müssen wir den Leuten klar machen und auch, dass wir ausprobieren müssen, was funktioniert – wie die akademische Wissenschaft das auch tut.
Wie schätzen Sie das Vertrauen der Bevölkerung in die Forschungskommunikation durch Unternehmen ein?
HK Grundsätzlich gut. Wissenschaftliche Inhalte genießen grundsätzlich hohes Vertrauen. Wie glaubwürdig Unternehmen rüberkommen, hängt zusätzlich davon ab, wie transparent und ausgewogen sie kommunizieren. Hier, denken wir, sind wir bei der BASF gut aufgestellt.
Sehen Sie Unterschiede zur Wissenschaftskommunikation durch Universitäten und Forschungsinstitute?
HK Kaum. Die Forschungseinrichtungen sind ähnlich professionell aufgestellt wie Unternehmen und nutzen die gleichen Kanäle.
JS Das ist ja auch nicht immer trennscharf. Wir kooperieren mit zahlreichen Forschungseinrichtungen und kommunizieren dann auch oft gemeinsam. Grundsätzlich sind wir vielleicht eher anwendungsorientiert und heben die wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz unserer Forschung hervor, statt uns auf den wissenschaftlichen Diskurs zu fokussieren.
HK Was ich mir wünschen würde, ist, dass Journalist:innen, die zu einem forschungsrelevanten Thema recherchieren, nicht nur bei Unis anfragen. Dass sie wahrnehmen: Das Unternehmen BASF ist auch in diesem Bereich tätig und hat etwas Interessantes dazu beizutragen.
Erhalten Sie weniger Anfragen als Unis, weil Unternehmen zu laufender Forschung weniger Auskunft geben?
HK Bestimmt. Wir können natürlich immer nur über Produkte oder Prozesse berichten, auf die wir ein Patent haben oder die marktreif sind. Da bekommen Journalist:innen auf ihre Anfrage auch mal eine Absage. Andererseits geben auch die Forschenden an Unis nicht unbedingt alles sofort preis. Die denken auch immer mehr in die wirtschaftliche Richtung und gründen zum Beispiel Start-ups.
Was kann sich aus Ihrer Sicht in der Forschungs- und Wissenschaftskommunikation der Industrie verbessern?
HK Die Formate lassen sich sicherlich noch spezifischer an die Zielgruppen und deren Konsumgewohnheiten anpassen. Das ist allerdings auch eine Ressourcenfrage.
Mit mehr Geld und Personal wäre mehr möglich.
HK Ja, allerdings werden die Budgets aufgrund der wirtschaftlichen Situation der chemischen Industrie gerade nicht unbedingt größer. Aber es kommen auch wieder andere Zeiten. Und momentan läuft es gut mit den Kanälen, die wir bedienen.
JS Wir sind in der Forschungs- und Innovationskommunikation interdisziplinär aufgestellt mit Expert:innen für Pressearbeit, Social Media, Events und interne Kommunikation. Das hat sich entwickelt, weil in den letzten Jahren immer mehr Kommunikationskanäle dazu kamen. Die integrierte Kommunikation nutzen wir: Wir ergänzen uns in unserer Arbeit, indem wir gegenseitig von unserer Erfahrung und Vorarbeit profitieren.
Wie hat sich die Forschungs- und Innovationskommunikation sonst verändert?
HK Verändert hat sich vor allem die Art und Weise, wie wir kommunizieren.
JS In den sozialen Medien haben wir einen viel direkteren Draht zur allgemeinen Bevölkerung, als das noch vor 10 bis 20 Jahren der Fall war. Und Social-Media-Kommunikation ist weniger textlastig, setzt mehr auf Bilder und Videos. Die Aufmerksamkeitsspannen der Nutzer:innen sind in der Regel sehr kurz. Wir müssen also komplexe Themen stark runterbrechen und so spannend aufbereiten, dass sie die Content-Flut noch irgendwie durchdringen.
HK Und künstliche Intelligenz ist natürlich ein Thema. Damit experimentieren wir und schauen, wie wir KI nutzen können, um mehr Zeit für unsere Kerntätigkeit zu haben – und für Projekte, die sonst vielleicht liegen bleiben würden.
Mit Holger Kapp und Janine Seiboth sprach Nachrichten-Redakteurin Katharina Käfer.
Zu den Personen: Holger Kapp und Janine Seiboth
Holger Kapp hat Biologie, Kommunikationswissenschaft und Publizistik studiert. Danach arbeitete er als Redakteur beim Thieme-Verlag und Medical Writer beim Unternehmen Paul Hartmann sowie als Pressesprecher bei den Unternehmen Pfizer und Trumpf. Seit 2011 ist er Pressesprecher, unter anderem für Forschung und Innovation, beim Chemieunternehmen BASF.
Janine Seiboth hat Public Relations und Unternehmenskommunikation in London studiert sowie Politikwissenschaft in Frankfurt am Main. Nach dem Studium absolvierte sie ein Traineeprogramm in der Unternehmenskommunikation beim Chemieunternehmen BASF und ist dort seit 2023 Kommunikatorin, unter anderem für Innovation und Technologien.
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