Industrie & Technik

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<p>Jedes Jahr reisen Chemiker und Chemieingenieure aus Afrika, Asien, Südamerika und der Karibik an die Universität Wuppertal. Hier bildet die Uni sie zu Botschaftern für sicheres Verhalten aus. Je zwei Dutzend Teilnehmer lernen in einem einwöchigen Kurs mehr über Risikobewertung und Notfallmanagement.<sup>1)</sup></p><figure><img src="https://media.graphcms.com/MkGvAkr5RnqtLrqYiudg"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Christine Mugumya Kyarimpa aus Uganda und Zinashbizu Mengesha Ayalew aus Äthiopien studieren die Pläne für die Minianlage.</figcaption></figure>
<p>„Die Workshops richten sich an Führungskräfte mit chemischem Hintergrund“, sagt Ingenieur und Projektleiter Alexey Leksin von der Uni Wuppertal. Aus allen Bewerbern wählen er und seine Kollegen die Teilnehmer so aus, dass diese möglichst gemischt aus Industrie, Behörden und Wissenschaft kommen und das erworbene Wissen in ihren Heimatländern verbreiten können.</p><p>Die Kurse laufen in Kooperation mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, OPCW).<sup>2)</sup> „Die Idee ist, dass die entwickelten Länder ihr Wissen über den sicheren und friedlichen Nutzen von Chemie an die Entwicklungsländer weitergeben“, erklärt Leksin. „Denn fast jeder große Chemiebetrieb arbeitet mit Chemikalien, die unter die Chemiewaffenkonvention fallen. Und bei einem Chemieunfall können genauso viele Menschen sterben wie bei einem Chemiewaffenanschlag.“</p><p>Dass der Kurs in Wuppertal stattfindet, liegt daran, dass es dort einen Lehrstuhl für Sicherheitstechnik und Unfallforschung gibt, im Jahr 1974 gegründet und damit der älteste in Deutschland.</p><h2>Theorie und viel Praxis</h2><p>Der Lehrstuhl für Sicherheitstechnik an der Uni Wuppertal hat eine Miniaturchemieanlage gebaut, um daran zu studieren, Fehler zu erkennen und zu beseitigen. Die Anlage ist etwa fünf Meter lang und passt auf eine Laborbank. Sie arbeitet nicht mit giftigen Chemikalien, sondern mit wässrigen Lösungen. „Beim letzten Mal haben wir Eistee hergestellt“, sagt Leksin und lacht. „Davon abgesehen macht die Anlage mit Pumpen, Rohren und Ventilen alles, was eine Anlage in einem Chemiebetrieb auch macht.“ Es gibt einen Kontrollraum und eine Abfüllanlage, die den fertigen Eistee in einen kleinen Tankwagen füllt.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/ThNKis38QHmCPFQvjhEA"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Die Kursteilnehmer (v.r.) Surendar Varadharajan aus Indien, Shahab Ud Din aus Pakistan und Ricardo Antonio Ingar Qwistgaard aus Peru machen sich mit der Minianlage vertraut, um später Fehler finden und beheben zu können. <named-content>Fotos: Sven Adrian</named-content></figcaption></figure>
<p>Die Teilnehmer machen sich zunächst mit der Anlage vertraut, „und dann bauen wir Fehler ein“, sagt Leksin. „Alles Mögliche funktioniert nicht mehr, und am Ende tritt sogar ein Stoff aus.“ Das ist in Wuppertal Wasser, aber im Szenario eine gefährliche Säure. Die Teilnehmer lernen, das Problem gemeinsam zu lösen und die Folgen des Lecks etwa mit der Software TNO Effects abzuschätzen. „Die Software berechnet, wie sich toxische Stoffe ausbreiten, aber auch wie sich Feuerbälle bei Explosionen entwickeln.“</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/gO9BxwHrTXqaCKvRtOGK"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Mustafa Jaafar Nayyef Al-Meshleb aus dem Irak und Angelica Del Carmen Reyes Hernandez aus Panama prüfen die Sicherheit der Minianlage. Das im Kurs erworbene Wissen wenden sie später an großen Anlagen in ihren Heimatländern an.</figcaption></figure>
<p>Beim Kursabschnitt Notfallmanagement simulieren die Teilnehmer einen Unfall. Zwei Leute im Kontrollraum geben den anderen Teilnehmern über Walkie-Talkie Anweisungen, etwa welcher Hahn an der Anlage zu schließen ist. Tote und Verletzte gibt es dabei auch – hier nur in der Vorstellung.</p><h2>Abwechslungsreich</h2><p>Die Chemiker und Ingenieure lernen das Hazop-Verfahren kennen, mit dem sie die Sicherheit von technischen Anlagen systematisch und strukturiert untersuchen können (Kasten). Gefahren lassen sich so schon früh identifizieren und durch Änderungen, etwa am Anlagendesign von vornherein verhindern. „Das ist eine weltweit etablierte Methode, und wir haben einen Referenten aus Kanada dabei, der sie damals mitentwickelt hat“, berichtet Leksin.</p><p>Das Hazop-Verfahren kennengelernt zu haben, schätzt Richard Whitaker aus Südafrika sehr. Er ist Chemieingenieur und Projektmanager beim Grundchemikalienhersteller Omnia und hat vor einem Jahr am Wuppertaler Kurs teilgenommen. „In der Vergangenheit ist unser Team beim Projektdesign nicht sehr methodisch vorgegangen. Das ändern wir jetzt“, erzählte er einige Monate nach Abschluss des Kurses. Die Teilnehmer bleiben auch später in Kontakt.<sup>3)</sup></p><p>Deutsche Unternehmen unterstützen die Workshops: Bei Exkursionen sehen die Teilnehmer vor Ort, worauf Betriebe bei der Sicherheit achten. Oft ist die Gruppe beim Lackhersteller Axalta in Wuppertal zu Besuch und bei der Wuppertaler Feuerwehr, die dann ihren ABC-Zug vorführt. Nächstes Mal geht es zur Evonik nach Marl.</p><p>Am Ende des Kurses schreiben die Teilnehmer einen Test über das Gelernte und bekommen bei Bestehen ein Zertifikat. Durchgefallen ist laut Leksin noch niemand.</p><h2>Wissen, wo es brennen kann</h2><p>Hazop steht für „hazard and operability study“ und ist eine in den 1960er Jahren in Großbritannien entwickelte Methode, um komplexe Prozesse und Anlagen auf Gefahren hin zu untersuchen. In Deutschland setzte die Berufsgenossenschaft Chemie Hazop als PAAG-Verfahren um. PAAG steht für „Prognose, Auffinden der Ursache, Abschätzen der Auswirkungen, Gegenmaßnahmen”.</p><p>Das Vorgehen ist bei beiden Verfahren gleich: Ein Team von vier bis acht Mitarbeitern definiert, wie sich ein System, etwa eine Anlage der Chemieindustrie, verhalten soll und welche Wirkungen es hat, wenn sie sich anders verhält. Ein Moderator leitet die Diskussion über Leitworte, etwa „Nein“ (Sollfunktion erfolgt nicht), „Mehr“, „Weniger“ oder „Umkehrung“ (es geschieht das Gegenteil). Dabei geht man Parameter durch wie die Flussrate, die Temperatur, den Druck oder die Zusammensetzung eines Flüssigkeitsgemisches. Was passiert etwa, wenn die Flüssigkeit zu langsam gepumpt wird, zu schnell oder wenn sie in die falsche Richtung fließt? Alles das protokolliert das Team.</p><p>Hazop entstand in der Organik-Abteilung des britischen Unternehmens Imperial Chemical Industries (ICI) in London, im Jahr 2007 übernommen von Akzo Nobel. 1963 sollen drei ICI-Mitarbeiter das Design der Phenolanlage mit dem Verfahren unter die Lupe genommen haben. Inzwischen benutzt man Hazop auch für die Gefahrenabschätzung im Bergbau, in Atomkraftwerken und für die Software-Entwicklung.</p><h2>Mehr Sicherheit in Simbabwe</h2><p>Im April 2017 nahm auch die Chemikerin Laura Kasipo am Kurs teil. Sie arbeitet für den Stromanbieter Zimbabwe Transmission and Distribution und ist dort unter anderem für die Handhabung und die Entsorgung gefährlicher Stoffe verantwortlich. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat sorgte sie dafür, dass die Feuerschutzeinrichtungen in ihrem Unternehmen verbessert wurden. „Wir haben so viele Umspannwerke mit Transformatoren, die viele tausend Liter Transformatorenöl enthalten, aber unsere Brandbekämpfungsausrüstung war bei weitem nicht auf aktuellem Stand“, berichtet sie. Und dabei seien Brände in den Umspannwerken nicht selten: „In meinem Unternehmen werden sehr viele Transformatoren durch Feuer zerstört, weil alte Bauteile nicht mehr richtig funktionieren.“</p><p>Damals war die Kursgruppe zu Besuch bei Ineos in Köln, einem aus dem BP-Konzern hervorgegangenen petrochemischen Unternehmen. Das sei für die Kursteilnehmer besonders spannend, erklärt Projektleiter Leksin, da das Unternehmen mit Blausäure arbeitet.</p><p>Laura Kasipo gab, was sie in Wuppertal gelernt hat, nicht nur an ihre Kollegen weiter, sondern über Vorträge auch an nationale Behörden sowie andere Chemiker und Ingenieure in Simbabwe.</p><p>Der nächste Wuppertaler Workshop wird vom 24. bis 28. September stattfinden.</p><p>Brigitte Osterath ist promovierte Chemikerin und arbeitet als Wissenschaftsjournalistin in Bonn. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.writingscience.de" target="_blank">www.writingscience.de</a></ext-link></p>
<ul><h2>Internet</h2><li>
<sup>1 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.youtube.com/watch?reload=" target="_blank">www.youtube.com/watch?reload=</a> 9&amp;v=UdeeS_LnjCs</ext-link></li><li>
<sup>2 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.opcw.org/fileadmin/OPCW/S_" target="_blank">www.opcw.org/fileadmin/OPCW/S_</a> series/2017/en/s-1555–2017_e_.pdf</ext-link></li><li>
<sup>3 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.facebook.com/WuppertalAnnualCourse/" target="_blank">www.facebook.com/WuppertalAnnualCourse/</a></ext-link></li></ul>


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Notfallmanagement: Botschafter für die Sicherheit

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<h2>Antibiotika in Seen</h2><p>Yuji Yang und Mitarbeiter werteten 45 internationale Veröffentlichungen zu Rückständen von 57 Antibiotika in Wasser und Sedimenten von Seen aus. Daraus schließt die Studiengruppe des Botanischen Gartens der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Wuhan, dass chinesische Seen mit weltweit überdurchschnittlich hohen Konzentrationen von Chinolon-Antibiotika belastet sind. Andere Antibiotikarückstände lägen im weltweiten Durchschnitt.</p><p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://doi.org/10.1016/j.envint.2018.04.011" target="_blank">https://doi.org/10.1016/j.envint.2018.04.011</a></ext-link></p><h2>Besser denken durch Sonnenstrahlen</h2><p>Nach einem Team der chinesischen Universität für Wissenschaft und Technik fördert Sonnenbaden Lernfähigkeit und Gedächtnis von Mäusen. Nach UV-Bestrahlung passten sie sich besser an die Rotationsgeschwindigkeit einer Trommel an. Isotopenmarkierung zeigte, dass diese Wirkung auf eine erhöhte Glutaminsäurebildung in präsynaptischen Neuronen beruht. Die Glutaminsäure entsteht aus Urocansäure, deren Konzentration im Blut durch UV-Strahlung steigt.</p><p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092–8674(18)30507–5" target="_blank">www.cell.com/cell/fulltext/S0092–8674(18)30507–5</a></ext-link></p><h2>Kunststoffe in Binnengewässern</h2><p>Mikroplastikfasern machen in zwei Binnengewässern Nordchinas mehr als 60 Prozent der suspendierten Partikel aus. Nach einer Doktorarbeit des Botanischen Gartens der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Wuhan sind mehr als 70 Prozent davon gefärbt, und ramanspektroskopische Messungen weisen auf Polyethylen und Polypropylen als Hauptkomponenten hin.</p><p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2018.03.211" target="_blank">https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2018.03.211</a></ext-link></p><p>Rolf Schmid, <a href="mailto:rolf.schmid@asia-tech.eu">rolf.schmid@asia-tech.eu</a></p>

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