Leitartikel

Die GDCh hat ein besonderes Jahr hinter sich denn 2017 stand ganz im Zeichen des 150-Jahre-Jubiläums. Ich habe in einer monatlichen Kolumne von April 2016 bis Januar 2017 das Jubiläum mit verschiedenen Gedanken und Themen verbunden, um Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen für das Jubiläumsjahr zu motivieren. Vieles davon hat in der Mitgliedschaft Nachhall gefunden, und das hat mich gefreut. Nur wenn die Mitglieder mitdenken und an ihrer Fachgesellschaft Anteil nehmen, sind wir eine lebendige Gemeinschaft. Jetzt im Dezember schauen wir zurück auf viele fulminante Veranstaltungen, ganz zuvorderst das GDCh Wissenschaftsforum Chemie vom 10. bis 14. September in Berlin. Zum ersten Mal war das „Experiment Zukunft – Wertedenken in der Chemie“ mit dabei und das Satellitensymposium „Das Undenkbare denken“. Damit haben wir etwas Neues gewagt und neue Ideen in Umlauf gebracht. Nun bleibt die Aufgabe, diese Impulse unseres überaus gelungenen und facettenreichen ChemieFestes und seiner besonderen Formate für unsere Gesellschaft zu nutzen.Den Erfolg sollten wir als Rückenwind für die Reise in kommende Jahre verwenden. Denn die Zeiten werden wohl kaum einfacher werden. In den zwei Jahren, in denen ich Ihre Präsidentin sein durfte, hat sich die Welt stark verändert. Wissenschaftliche Wahrheitssuche wird inzwischen von vielen Menschen und sogar Staatenlenkern als irrelevant oder gar als Attrappe, als „Fake“ verunglimpft. Und so muss auch die GDCh in eine Zukunft navigieren, in der die chemische Wissenschaft mehr denn je um das Vertrauen der Gesellschaft werben muss. Außerdem sind wir mit einer Situation konfrontiert, in der die Menschen in jeder Sekunde einer Fülle von Breaking News und Informationen ausgesetzt sind und eine Fachwissenschaft nicht mit einem aufmerksamen oder a priori interessierten Publikum rechnen kann. Wie kann sich Wissenschaft jetzt verhalten? FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube sprach auf dem Angewandte-Festsymposium am 11. September in Berlin über die Rolle der Wissenschaft im Wandel der Zeiten. Heute legitimiere sich Wissenschaft hauptsächlich durch ihre Nützlichkeit, ob aber Nützlichkeit motivfähig sei? So Kaubes provokante Frage an uns.Dies bringt mich wiederum zu der wiederkehrenden Frage, womit denn die GDCh ihre Mitglieder motiviert? Mit Nützlichkeit? Lässt die unsere Herzen höherschlagen? Nützlichkeit ist wirklich zu kurz gegriffen. Unsere Mission ist es vielmehr, mit Chemie in eine bessere Zukunft für alle Menschen zu führen. Dafür ist neben unserer vielseitigen und ausgezeichneten Fachlichkeit erneut Wertedenken in der Chemie gefragt: das Nachdenken über die Werte, die dem Leben dienen. Und Nachdenken fordert Bewegung von uns. Nachdenken ist eine geistige Fortbewegungsmethode auf einer Reise ins Unbekannte mit der Aussicht, in neue vielversprechende Räume vorzudringen; Ideenräume, die auch die GDCh für sich erschließen kann. Dafür ist einerseits das starke Fundament einer erfolgreichen Geschichte hilfreich und andererseits der Mut zum Wandel nötig. Wandel ist nicht umsonst zu haben, wie man in Brigittes Osteraths Beitrag „Gute Traditionen, schlechte Traditionen“ in diesem Heft nachlesen kann. Wo wir aber das Unbekannte bekannt machen, können wir den guten alten Traditionen etwas gutes Neues hinzuzufügen. Trauen wir uns!Was trauen wir uns in der GDCh? Was trauen wir uns zu? Lassen Sie uns nicht kleinmütig sein! Trauen wir uns, frei zu denken, zu sprechen und zu handeln. Ich plädiere für eine Beweglichkeitsübung im Denken und im Tun, so wie es unsere Gesellschaft im Jubiläumsjahr gezeigt hat: neue Ideen wagen und neue Räume erschließen. So kann die GDCh in einer sich rasant wandelnden Welt Verantwortung für die Entwicklung der Zukunft übernehmen und in der Gesellschaft Vertrauen und Renommee aufbauen.Prof. Thisbe K. Lindhorst Präsidentin der GDCh<div><img src="https://media.graphcms.com/JTRDA9LRS0WIVAvlwXUl">

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Meinungsbeitrag

Neue Ideen, neue Räume

Die GDCh hat ein besonderes Jahr hinter sich denn 2017 stand ganz im Zeichen des 150-Jahre-Jubiläums. Ich habe in einer monatlichen Kolumne von April 2016 bis Januar 2017 das Jubiläum mit verschiedenen Gedanken und Themen verbunden, um Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen für das Jubiläumsjahr zu...

Wissenschaft & Forschung

Prof.Dr.

Um Sammlungsgüter wie Geschirr, Krüge und Bilder in Museen und Sammlungen sachgemäß zu konservieren, müssen die Korrosionsprodukte im Detail bekannt sein. Methoden der Röntgenpulverdiffraktometrie helfen, die Carbonat-, Acetat- und Formiatphasen zu charakterisieren, Einkristalle sind nicht nötig.
Historische Objekte in Museen und Sammlungen sind Luftfeuchtigkeit und atmosphärischen Gasen wie Kohlenstoffdioxid und Sauerstoff ausgesetzt, oft über Jahrhunderte. Zusätzlich emittieren Holzmöbel und -vitrinen – besonders solche aus Eichenholz – Ameisen- und Essigsäure oder deren Vorstufen, Form- und Acetaldehyd.1) In Folge dessen kommt es zu verschiedenen Korrosionsprozessen, welche die Objekte mitunter beträchtlich schädigen.Ziel der Konservierungswissenschaften ist, Kulturgüter und Sammlungsgegenstände bestmöglich zu erhalten. Hierfür sind neben Informationen zu den Materialien und der Herstellung der Objekte Daten zur Natur und Konstitution der Korrosionsprodukte notwendig. Sie sind Voraussetzung, um Konservierungsstrategien zu entwickeln. Neben der begrenzten Probenmenge erschweren der feinkristalline Charakter der Korrosionsprodukte und Multiphasengemische die Untersuchungen.Mit Röntgenpulverdiffraktometrie (XRPD) lassen sich bekannte kristalline Phasen durch Datenbankabgleich identifizieren und zusätzlich in Gemischen quantifizieren. Zudem hilft XRPD, das Verhalten von Feststoffen abhängig von Zeit, Temperatur und Luftfeuchte zu bestimmen. Kristallstrukturen lassen sich auch ab initio, also ohne Vorkenntnisse aufklären, wobei die Strukturcharakterisierung fester Phasen nicht mehr unbedingt Einkristalle erfordert. Somit lassen sich durch moderne Methoden der Röntgenpulverdiffraktometrie, kombiniert mit Rasterelektronenmikroskopie (scanning electron microscopy, SEM) und energiedispersiver Röntgenspektroskopie (energy dispersive X-ray spectroscopy, EDX), mikrofokussierender Schwingungsspektroskopie und Modellversuchen ohne Einkristalle zuverlässige Aussagen treffen. Das illustrieren drei Korrosionsphänomene: glasinduzierte Metallkorrosion, Ausblühungen an kalkhaltigen Objekten und Pigmente.<h2>Glasinduzierte Metallkorrosion</h2>Da historische Gläser nicht vollkommen stabil sind, bilden sich durch Luftfeuchte basische Flüssigkeitsfilme, die aus dem Glas gelöste Alkalimetalle enthalten. Dies fördert die Korrosion von Metallen an der Metall-Glas-Kontaktfläche und führt zur glasinduzierten Metallkorrosion auf Museumsexponaten. So tritt etwa auf Kupferlegierungen mit Glaskontakt am häufigsten das Formiat Cu4Na4O(HCOO)8(H2O)4(OH)2 auf.2)Korrodieren Bleiweiß-Pigmente (Hydrocerrusit, Pb(OH)2·2PbCO3), Bleimetall oder bleihaltige Legierungen in einem alkalimetallhaltigem Milieu, bilden sich Alkalimetall-Blei(II)-Hydroxid-Carbonat-Phasen, meist mit Natrium- oder Kaliumionen. Ein Beispiel hierfür ist ein Bierkrug etwa aus dem Jahr 1800 aus der Sammlung der Veste Coburg, bei dem das maschenartige Netz aus Rissen und Sprüngen (Krakelee) des blauen Glases dessen Instabilität zeigt. An der stark korrodierten Halterung des Deckels aus einer Zinn-Blei-Legierung wuchern weiße Korrosionsprodukte (Abbildung 1 oben). Wie die Untersuchung mit XRPD zeigt, ist neben SnO und PbCO3 auch ein bisher schlecht charakterisiertes Kalium-Blei(II)-Carbonat-Hydroxid vorhanden. In einem Modellversuch ließ sich die Entstehung dieser Phase nachweisen, indem ein Bleiblech in einer zweimolaren Kaliumcarbonatlösung bei Raumtemperatur korrodierte (Abbildung 1 unten links, S. 1185). Für eine eingehende Charakterisierung synthetisierten wir das Korrosionsprodukt phasenrein durch hydrothermale Umwandlung von festem PbCO3 in gelöstes K2CO3 (Abbildung 1 unten mittig und rechts). Element- und thermische Analyse lieferten die Zusammensetzung KOH · 2PbCO3, was auch die Strukturaufklärung aus den XRPD-Daten bestätigt.3)<figure><img src="https://media.graphcms.com/7ogacwjkR8iYq8aflqPc"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Links oben: Bierkrug (zirka 1800) aus der Sammlung der Veste Coburg; rechts oben: zersetzte Glasoberfläche in Kontakt mit der stark korrodierten Deckelhalterung (Sn-Pb-Legierung); unten v. l.: im Modellversuch korrodiertes Bleiblech, synthetisierte Korrosionsphase K(OH) · 2 PbCO3, Kristallite von K(OH) · 2 PbCO3.</figcaption></figure>
Die Kristallstrukturlösung macht eine Beziehung zwischen den Strukturen Pb(OH)2 · 2 PbCO3 und K(OH) · 2 PbCO3 sichtbar (Abbildung 2): In beiden Strukturen befinden sich Pb(OH)(CO3)6/9[CO3]3/9–- und Pb(OH)1/2(CO3)6/9[CO3]3/90,5–-Schichten. Bei der reinen Bleiverbindung sind die Schichten separiert und in einem ABC-Stapelmuster gepackt, wogegen bei der Kaliumverbindung Hydroxidionen die AA-gepackten Schichten verbrücken. Im Schichtzwischenraum sind je nach Größe der Lücke geordnete oder positionsfehlgeordnete Kationen eingelagert. Somit gehören beide Verbindungen zu einer übergeordneten Strukturfamilie mit der Formel Mn+(OH)n · 2 PbCO3(n = 1, 2). Neben den Metallen M = Pb, Na, K3–4) werden auch Ionen wie Ca und Cu5) in den Schichtzwischenraum eingelagert, wie Untersuchungen an Mineralen wie Surit (Schichtsilikat der Zusammensetzung Pb2Ca(Al,Mg)2(Si,Al)4O10(OH)2(CO3,OH)3 · 0.5 H2O) zeigen.<figure><img src="https://media.graphcms.com/FrkG05qWT22dodjM0sgU"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Vergleich zwischen den Kristallstrukturen von Hydrocerussit (Pb(OH)2 · 2 PbCO3) und (K(OH) · 2 PbCO3).</figcaption></figure>
<h2>Ausblühungen an kalkhaltigen Objekten</h2>Weiße, nadelförmige Ausblühungskristalle auf kalkhaltigen Objekten, auch bekannt als Bynes‘ Krankheit, sind ein Problem für Museen und Sammlungen, das bereits Ende des 19. Jahrhunderts bekannt war.6) Bisher wurden drei Ausblühungsprodukte identifiziert und charakterisiert:7) Calclacit (Ca(CH3COO)Cl · 5 H2O), Ca2(CH3COO)3NO3 · 2 H2O (ohne Trivialnamen) und Thecotrichit Ca3(CH3COO)3Cl(NO3)2 · 6 H2O, dessen Struktur aus XRPD-Daten ermittelt wurde.Nach unseren Untersuchungen korrigierten wir die bisher verwendete Summenformel von Thecotrichit, die ein Wassermolekül mehr enthielt. Als Quelle der Acetationen stellten sich Essigsäure und Acetaldehyd aus Holzmöbeln heraus. Durch die bis Ende der 1970er Jahre gängige Praxis, ausgegrabene Keramik mit Salz- oder Salpetersäure zu säubern, wurden zudem Chlorid- oder Nitrationen eingetragen.8)Die Untersuchung von Ausblühungsprodukten (Abbildung 3, oben) auf einer kalkversinterten Kupferschale aus Anatolien, einer attischen Amphore und Weinkrügen von etwa 500 v. Chr. aus drei unterschiedlichen Museen förderte eine weitere, bisher unbekannte Phase zutage. Diese unterscheidet sich zwar nicht sichtbar von den bereits bekannten Ausblühungsprodukten (Abbildung 3 mittig und unten), ist jedoch im Diffraktogramm vollkommen verschieden.9)<figure><img src="https://media.graphcms.com/4BjZiEUhR2Btwf3vcz1A"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Oben: Weinkrug, zirka 500 v. Chr., aus der Prinz-von-Canino-Sammlung im Nationalmuseum Leiden; Mitte links: mikroskopische Aufnahme der Ausblühungskristalle; Mitte rechts und unten: REM-Aufnahmen der Ausblühungsprodukte.</figcaption></figure>
Um die genaue Zusammensetzung der Ausblühungsphase zu ermitteln, waren mehrere Methoden erforderlich. µ-Ramanspektroskopie lieferte charakteristische Banden von Acetat-, Formiat- und Nitrationen sowie von Hydratwassermolekülen. EDX-Analysen schlossen Chlorid, Sulfat und andere Metallkationen als Calcium aus. Eine chromatographische Untersuchung ergab für Acetat, Formiat und Nitrat ein molares Verhältnis von zirka 1:1:1,5. Schließlich ließ sich aus der mit XRPD ermittelten Kristallstruktur eine Phasenstöchiometrie von Ca2(CH3COO)(HCOO)(NO3)2 · 4 H2O ableiten, was Thermoanalysen bestätigten.Die Kristallstrukturen aller bekannten natürlichen und künstlichen Ausblühungsphasen ähneln sich.7,9) Calcium ist in diesen Verbindungen immer achtfach koordiniert, und zwar in Form von einfach überkappten pentagonalen Bipyramiden. Hierbei sind jeweils vier von acht Koordinationsstellen durch zwei monodentat und ein bidentat haftendes Carboxylation besetzt, wodurch sich eindimensionale Calciumcarboxylatketten bilden (Abbildung 4, S. 1188). Auf den übrigen Koordinationsstellen befinden sich Hydratwassermoleküle, Acetat- oder Nitrationen, wobei die letzten beiden bewirken, dass sich die Carboxylatketten untereinander vernetzen (Abbildung 4, unten). Zudem können sich im Zwischenraum der Ketten, wie bei Calclacit oder Thecotrichit, Hydratwassermoleküle oder Chloridionen einlagern. Diese Variabilität in der Koordinationssphäre des Kations und die Möglichkeit, Teilchen außerhalb der Koordinationssphäre einzulagern, lassen vermuten, dass weit mehr Ausblühungsphasen existieren als die vier bisher bekannten.<figure><img src="https://media.graphcms.com/hznkLFKvQ7SLmVPizrpQ"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Calcium-Carboxylat-Polymerketten als charakteristisches Motiv in den Kristallstrukturen der Ausblühungsphasen auf kalkhaltigen Objekten.7,9) (Petrol: C, hellgrau: Ca, dunkelgrau: H, blau: N, rot: O, grün: OHydrat)</figcaption></figure>
<h2>Korrosionsprodukte als Pigmente</h2>Seit der Antike korrodieren Künstler Metalle auch zielgerichtet, um Farbpigmente herzustellen. Eine der ältesten künstlichen Pigmentgruppen wird unter dem Begriff Verdigris zusammengefasst, abgeleitet von Vert-de-Grèce (griechisches Grün). Im Deutschen sind die kupferbasierten Grün- und Blaupigmente unter anderem als Grünspane bekannt. Künstler und Handwerker, zum Beispiel auch alte Meister wie Raffael (Abbildung 5, links), verwendeten diese Pigmente, bis günstigere organische Farbstoffe aufkamen.10) Hergestellt wurden Grünspane, indem Kupferbleche mit Essigsäure bedampft wurden (Abbildung 5, rechts oben) oder durch die chemische Umwandlung von Kupfermineralen.11)<figure><img src="https://media.graphcms.com/5o0BiwtLTpWMKEeMx9fN"><figcaption><label>Abb. 5: </label>Links: „Der gekreuzigte Jesus, die Jungfrau Maria, Heilige und Engel” (Raffael, 1502/1503), National Gallery London, bei dem nachweislich Grünspanpigmente verwendet wurden. Oben rechts: historisches Pigmentgefäß, „Aerugo“ = Kupferrost, „viride aeris“ = Küpfergrün. Unten rechts: Cu(CH3COO)2 · 2Cu(OH)2 (1–2–0-Phase), synthetisiertes Blaupigment.</figcaption></figure>
Die Grünspane werden grob in neutrale und basische Grünspane unterteilt. Die neutralen Grünspane beruhen meist auf Kupfer(II)-Acetat-Monohydrat; zu den basischen gehören Kupfer(II)-Acetate, die gemäß ihrer Zusammensetzung x Cu(CH3COO)2·y Cu(OH)2· z H2O unterschieden und als x-y-z-Phasen benannt werden.Bei Versuchen, antike und mittelalterliche Herstellungsmethoden nachzuvollziehen, ließen sich sechs verschiedene basische Kupferacetatphasen identifizieren: 2–1–5-, 1–1–5-, 1–2–0-, 1–4–3-, 1–3–2- und die 1–3–0-Phase.11–12) Von diesen wurde bisher nur die Struktur der 1–3–2-Phase charakterisiert,13) da sich die in der Literatur angegebenen Synthesevorschriften entweder nicht reproduzieren lassen oder zu mehrphasigen Gemischen führen.Bei Untersuchungen ließ sich die intermediär auftretende, metastabile 1–3–2-Phase in heißer, konzentrierter Kupfer(II)-acetat-Lösung vollständig in einen blauen Feststoff umwandeln (Abbildung 5, rechts unten). Diesen identifizierten Element- und Thermoanalyse als 1–2–0-Phase.14) Die UV/Vis-spektroskopischen Eigenschaften dieser Phase ähneln denen bekannter Blaupigmente wie Azurit oder Ägyptischem Blau.15)Da die quaderförmigen Kristallite (Abbildung 6, links oben) zu klein für eine Einkristallstrukturanalyse waren, wurde die Kristallstruktur aus Synchrotron-XRPD-Daten ermittelt. Die Kupferionen sind quadratisch planar koordiniert (Abbildung 6, Mitte), wobei jeweils zwei kantenverknüpfte CuO4-Einheiten Dimere bilden, die über eckenverknüpfte CuO4-Einheiten zu Schichten verbunden sind. Dieses Strukturmotiv ist bisher einzigartig.<figure><img src="https://media.graphcms.com/hHWz9AMZTwGkUh4DOvZw"><figcaption><label>Abb. 6: </label>Links oben: REM-Aufnahme von Cu(CH3COO)2 · 2 Cu(OH)2 (1–2–0-Phase) (rot: O(OH–), grün: O(Acetat), petrol: C), Mitte: Kupferkoordination; links und rechts: Motive in der Kristallstruktur.</figcaption></figure>
<h2>Quergelesen</h2>Auf Gläsern bilden sich durch Luftfeuchtigkeit oft basische Flüssigkeitsfilme, die aus dem Glas gelöste Alkalimetalle enthalten. Diese Filme lassen die Metalle an Metall-Glaskontaktflächen korrodieren.Kalkhaltige Objekte reagieren häufig mit der Essigsäure oder dem Acetaldehyd aus Holzmöbeln. Eine Folge sind weiße, nadelförmige Ausblühungen.Röntgenpulverdiffraktometrie, kombiniert mit Rasterelektronenmikroskopie und energiedispersiver Röntgenspektroskopie, mikrofokussierender Schwingungsspektroskopie und Modellversuche zeigen, wie sich Feststoffe abhängig von Zeit, Temperatur und Luftfeuchte verhalten.Phasenreine Verbindungen herzustellen und mit nicht charakterisierten Korrosionsprodukten zu vergleichen, hilft, Korrosionsprozesse nicht nur zu verfolgen, sondern auch zu vermeiden und Objekte schonend zu restaurieren.<h2>Vitakasten</h2>Sebastian Bette, Jahrgang 1986, studierte Chemie an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte dort über Kristallstrukturen, Phasenbildung und Löslichkeit basischer Nickel(II)- und Magnesiumchloride. Seit 2017 ist er Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart und beschäftigt sich mit Charakterisierung, Synthese und Strukturaufklärung von Korrosionsprodukten und stapelfehlerbehafteten Verbindungen. <email><a href="mailto:S.Bette@fkf.mpg.de">S.Bette@fkf.mpg.de</a></email><div><img src="https://media.graphcms.com/v2ucyQm2Qqd9EMglMFC4">

</div>Robert E. Dinnebier, Jahrgang 1964, studierte Mineralogie und Kristallographie an der Universität Heidelberg und promovierte dort über computergesteuerte Auswertung von Pulverbeugungsaufnahmen. Nach einem Postdocaufenthalt am Brookhaven National Laboratory habilitierte er im Fach Kristallographie an der Universität Bayreuth. Seit 2001 leitet er die wissenschaftliche Einrichtung Röntgenbeugung am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung. Seit 2007 ist er zudem außerplanmäßiger Professor und Honorarprofessor in Stuttgart beziehungsweise Tübingen.<div><img src="https://media.graphcms.com/NfblGuoS4jxnZ00Y2NUA">

</div>Gerhard Eggert, Jahrgang 1955, studierte in Bonn Chemie und promovierte dort 1986 bei Joachim Heitbaum in Elektrochemie. Von 1985 bis 1998 leitete er die Abteilung Restaurierung des Rheinischen Landesmuseums Bonn. Anschließend übernahm er den Lehrstuhl für Objektrestaurierung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Er forscht zu Herstellung, Zerfall und Konservierung anorganischer Artefakte.<div><img src="https://media.graphcms.com/2EpBzcBhR1WjCr4Nl4V2">

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<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 L. T. Gibson, C. M. Watt, Corros. Sci. 2010, 52, 172–178.</li><li>
2 R. E. Dinnebier, T. Runčevski, A. Fischer et al., Inorg. Chem. 2015, 54, 2638–2642.</li><li>
3 S. Bette, G. Eggert, A. Fischer et al., Inorg. Chem. 2017, 56, 5762–5770.</li><li>
4 a) P. Martinetto, M. Anne, E. Dooryhée et al., Acta Cryst. C 2002, 58, i82-i84; b) S. V. Krivovichev, P. C. Burns, Mineral. Mag. 2000, 64, 1077–1087.</li><li>
5 M. Uehara, A. Yamazaki, S. Tsutsumi, Am. Mineral. 1997, 82, 416–422.</li><li>
6 L. F. G. Byne, Journal of Conchology 1899, 9, 172–178.</li><li>
7 a) G. Giuseppetti, C. Tadini, L. Ungaretti, Period. Mineral. 1972, 41, 9–21; b) B. G. Cooksey, L. T. Gibson, A. R. Kennedy et al., Acta Cryst. C 1999, 55, 324–326; c) N. Wahlberg, T. Runčevski, R. E. Dinnebier et al., Cryst. Growth Des. 2015, 15, 2795–2800.</li><li>
8 A. Boccia Paterakis, M. Steiger, Stud. Conserv. 2015, 60, 172–184.</li><li>
9 S. Bette, G. Eggert, A. Fischer et al., unveröffentlicht.</li><li>
10 A. Roy, M. Spring, C. Plazzotta, National Gallery Technical Bulletin 2004, 25, 4–35.</li><li>
11 D. A. Scott, Y. Taniguchi, E. Koseto, Rev. Conserv. 2001, 2, 73–91.</li><li>
12 a) J. Gauthier, Rev. gen. sci. pures et appl. et Bull. assoc. franc. avance. sci. 1959, 66, 67–78; b) F. Schweizer, B. Muehlethaler, Farbe Lack 1968, 74, 1159–1173; c) G. Rahn-Koltermann, D. H. Buss, R. Fuchs et al., Z. Naturforsch., B. 1991, 46; d) N. Masciocchi, E. Corradi, A. Sironi et al., J. Solid State Chem. 1997, 131, 252–262.</li><li>
13 S. Švarcová, M. Klementová, P. Bezdička et al., Cryst. Res. Technol. 2011, 46, 1051–1057.</li><li>
14 S. Bette, R. K. Kremer, G. Eggert et al., Inorg. Chem. 2017, doi: <ext-link ext-link-type="doi">10.1039/C7DT03288A</ext-link>.</li><li>
15 M. Aceto, A. Agostino, G. Fenoglio et al., Anal. Methods 2014, 6, 1488.</li></ul>

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