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Meinungsbeitrag

Moleküle im Weltraum

Nachrichten aus der Chemie, Mai 2023, Seite 3, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Mehr als 280 Moleküle wurden bisher im interstellaren Raum beobachtet. Beispielsweise finden wir lange, ungesättigte Kohlenstoffketten, die auf der Erde nicht stabil wären, aber auch gesättigte Moleküle wie Dimethylether sowie kleine Zucker. Diese Verbindungen können Heteroatome enthalten, aber auch reine Kohlenwasserstoffverbindungen sein. Welche Arten von Molekülen in welchen Bereichen des Universums detektiert werden, gibt Auskunft über die dort herrschenden chemischen Prozesse und beleuchten eine Chemie unter extremen Bedingungen.

Astrochemie ist stark interdisziplinär geprägt – im Zusammenspiel aus astronomischen Beobachtungen, Laborexperimenten und theoretischen Beschreibungen werden astrochemische Fragen beantwortet. Laborexperimente liefern Moleküldaten, um neue Moleküle in den astronomischen Beobachtungen zu finden, quantenchemische Rechnungen unterstützen die Laborexperimente und komplexe theoretische Simulationen berechnen Reaktionsnetzwerke und sagen wichtige astrochemische Spezies und Prozesse voraus. Man kann Astrochemie nicht studieren; in der GDCh gibt es auch keine offizielle Fachcommunity, in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) sind die Astrochemiker in der Molekülphysik verortet. Radioastronomen haben üblicherweise Astronomie, Physik oder Chemie studiert, die Laborexperimentatoren Physik oder Chemie. Durch die Zusammenarbeit bekommen auch die im Labor Tätigen einen Einblick in radioastronomische Beobachtungen; man kann auch als Experimentatorin oder Experimentator Beobachtungszeit beantragen und dann selbst Daten auswerten. Und so verläuft der typische Weg in die Astrochemie: Wenn es am Forschungsstandort astrochemisch arbeitende Gruppen gibt, rutscht man einfach rein.

In den letzten Jahren hat sich die Geschwindigkeit, mit der neue Verbindungen nachgewiesen werden, rasant erhöht. Viele neue Molekülklassen mit zunehmender Komplexität wurden detektiert — kürzlich mit 2-Methyloxiran das erste chirale Molekül. Dies ist insbesondere für Untersuchungen zum Ursprungs des Lebens von Interesse. Experimente mit zirkular polarisiertem Licht, welches ebenfalls im Weltall vorkommt, versuchen eine mögliche Entstehung eines Enantiomerenüberschusses nachzuweisen, dies wäre eine Brücke zur Entstehung der Homochiralität des Lebens.

Die Detektion zunehmend komplexer Moleküle motiviert uns, Chemie anders zu denken. Astrochemie ist Chemie unter extremen Bedingungen. In Molekülwolken im interstellaren Raum mit Temperaturen unter 100 K dürfen Reaktionen nicht durch hohe Barrieren gehindert sein oder müssen katalytisch unterstützt ablaufen. Als Konsequenz spielen Gasphasenreaktionen zwischen Ionen und neutralen Reaktionspartnern eine große Rolle. Durch die geringen Dichten in diesen Umgebungen treffen sich die Reaktionspartner allerdings nur selten; als Daumenregel kann man einen reaktiven Stoß alle zwei Wochen annehmen. Daher fehlte lange eine entscheidende Komponente, um die Entstehung komplexer Moleküle im Weltall zu verstehen, solange nur Gasphasenreaktionen berücksichtigt wurden. Heute weiß man, dass ein wichtiger Teil der Chemie auf kleinen Eis- und Staubpartikeln stattfindet. Photochemische Reaktionen, initiiert durch Sternenlicht, spielen auch eine bedeutende Rolle.

Neuartige Teleskope wie das Atacama Large (Sub-)Millimeter array (Alma) im Radiofrequenzbereich, in dem Rotationsübergänge der Moleküle detektiert werden, sowie das erst kürzlich in Betrieb genommene James Webb Space Telescope (JWST), welches vorwiegend im Infraroten arbeitet, versprechen einen Schatz an neuen Moleküldaten – ein hervorragendes Anwendungsfeld für Chemikerinnen und Chemiker verschiedenster Fachrichtungen.

Prof. Dr. Melanie Schnell, Universität Kiel, Forschungsgruppenleiterin am Deutschen Elektronen-Synchrotron Desyhttps://media.graphassets.com/81bDwzwITMy41RWZnQs6

LeitartikelSchlaglichtthema: Chemie im Weltraum

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