Wissenschaft + Forschung

Die Erfahrungen bei der Entwicklung mehrerer Covidimpfstoffe könnten schon bald beim Bekämpfen der Malaria nützlich sein.Mehr als fünf Millionen Menschen sind in den letzten drei Jahren an Covid-19 gestorben. Viele fielen indirekt der Pandemie zum Opfer, etwa weil sie Vorsorgeuntersuchungen oder Behandlungen gegen andere tödliche Krankheiten aufschieben mussten. In Afrika hatte der Kampf gegen Malaria unter den Pandemiemaßnahmen zu leiden.Bereits vor der Pandemie stoppte der seit der Jahrtausendwende gemachte Fortschritt bei der Malariabekämpfung. Kampagnen mit insektizidbehandelten <link href="#nadc20234133612-fig-0001">Bettnetzen und Behandlung mit Kombinationspräparaten mit Artemisinin stießen an ihre Grenzen und lösten zudem Ausweichverhalten bei Moskitos und Resistenzen beim Erreger aus.<figure xml:id="nadc20234133612-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/0RMcW7lGRzWEc9MED8hb"><figcaption><label>Abb.1: </label>Netze sollen vor Moskitos schützen. Foto: panyawat / Adobe Stock</figcaption></figure></figure>Im ersten <link href="#nadc20234133612-fig-0002">Pandemiejahr stieg dann die Zahl der Todesfälle durch Malaria von 568 000 im Vorjahr auf 619 000. Zum Glück zeigt der neueste Malariabericht der Weltgesundheitsorganisation WHO vom letzten Dezember, dass der Trend im Jahr 2021 gebremst werden konnte und die Zahl mit 625 000 annähernd konstant blieb.<figure xml:id="nadc20234133612-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/2A03kEL8SQeXYUglRvnx"><figcaption><label>Abb.2: </label>Vision: Roboter impft Stechmücke. In Wirklichkeit arbeitet die Forschung an Malaria-Impfstoffen für Menschen. Bild: Omurali Toichiev / Adobe Stock</figcaption></figure></figure>Nun besteht die Hoffnung, dass das Bemühen der WHO, die Ausbreitung der Malaria zu unterdrücken und zurückzudrängen, nach Überwindung der Pandemie erneut Fortschritte machen könnte. Dabei sind die ungewöhnlich schnell erzielten Erfolge bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus nützlich.1)<h2 type="main">Malaria-mRNA-Impfstoffe</h2>Gegen Malaria ist bisher nur ein Impfstoff im Einsatz, nämlich RTS,S (Handelsname: Mosquirix), den die WHO im Oktober 2021 zum Schutz von Kindern in Malaria-gefährdeten Gegenden empfohlen hatte. Der vom englischen Pharmaunternehmen GSK hergestellte Impfstoff ist ein Proteinkonstrukt aus Komponenten des Malariaerregers Plasmodium falciparum und des Hepatitis-B-Virus, die zu virusartigen Partikeln zusammenlagern. Die Impfung erfordert drei Injektionen in den ersten beiden Lebensjahren und schützt auch dann nur in bescheidenem Umfang, indem sie die Zahl der schweren Erkrankungen um etwa ein Drittel reduziert. Nach 18 Monaten macht sich das Abklingen der Wirkung bemerkbar, der Schutz lässt sich durch eine vierte Dosis verlängern.Dieser Impfstoff rettet zweifellos Kinderleben, was in den Statistiken für dieses Jahr zu erkennen ist.2) Seine begrenzte Wirksamkeit ist nicht ideal, und er eignet sich nicht dazu, die Plage auszurotten.Bisher machte die Entwicklung von Malariaimpfungen nur mühsam und langsam Fortschritte, aber durch die Covidforschung könnte es bald weitere Optionen geben. Die Mainzer Firma Biontech, die mit ihrem mRNA-Impfstoff gegen Covid Geschichte schrieb, hat im Dezember 2022 einen klinischen Test für einen Malaria-Impfstoff auf mRNA-Basis angekündigt. Der erste <link href="#nadc20234133612-fig-0002">Impfstoffkandidat wird in den USA an 60 gesunden Freiwilligen auf Verträglichkeit getestet. Weitere Impfstoffkandidaten, die verschiedene Kombinationen von Antigenen nutzen, sollen folgen. Gleichzeitig entwickelt Biontech die Ressourcen, um Impfstoffe, sobald sie zugelassen sind, in Afrika produzieren zu können. Dabei sollen mobile Labore auf Grundlage von Schiffscontainern helfen, die Biontainer.Die Arbeitsgruppe von Nirbhay Kumar an der George Washington University in Washington, USA, entwickelt ebenfalls mRNA-Impfstoffe gegen Malaria. Diese haben sich vor kurzem in Tierversuchen als wirksam erwiesen.3)<h2 type="main">Impfverstärker und Nanokapseln</h2>Der Impfstoffhersteller Novavax nutzt die Erfahrungen aus der Coronapandemie auf andere Weise. Die Firma hat ihr Adjuvans, das sich in <link href="#nadc20234133612-fig-0001">Covidimpfstoffen bewährt hat, mit einem neuen Malaria-Impfstoff namens R21 kombiniert, der an der Universität Oxford entwickelt wurde. Dieser Proteinimpfstoff ahmt ein Oberflächenprotein des Erregers nach. In einem klinischen Test der Phase 2 zeigte die Kombination R21/Matrix M die bisher höchste Effizienz bei einem Malariaimpstoff mit 77 Prozent. Weitere klinische Tests laufen.Weitere nützliche Nebenwirkungen bei Malaria erhofft man sich von einem Coronaimpstoff, den Merel Smit und Kolleg:innnen an der Radboud Universität, Niederlande, zusammen mit der dänischen Firma Adaptvac entwickelt haben.4) Dieser beruht auf Virus-ähnlichen Nanokapseln, die je nach Bedarf mit den Antigenen des jeweils zu bekämpfenden Krankheitserregers beschichtet werden können. Die Forscher:innen berichteten vor Kurzem über die Ergebnisse einer klinischen Studie der Phase 1. Sie arbeiten außerdem an der Entwicklung eines Malariaimpfstoffs auf derselben Grundlage, der im kommenden Jahr getestet werden soll.Ein weiterer Impfstoffkandidat beruht auf inaktivierten Sporozoiten, also jenem Stadium im Lebenszyklus der Plasmodien, der sich in Moskitos entwickelt und dann Menschen infiziert, wenn sie gestochen werden. Die Firma Sanaria in Rockville, Maryland, USA, hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sie Sporozoite in Zellkulturen ohne Moskitos und Tiere in beliebigen Mengen herstellen kann.5)Mit dem so hergestellten Impfstoff hat die Gruppe von Matthew Laurens an der University of Maryland eine Wirksamkeit von 46 Prozent nachgewiesen, die 18 Monate anhielt.6) Die Untersuchung wurde mit Erwachsenen durchgeführt, die Wirksamkeit bei Kindern, die von der Krankheit am stärksten betroffen sind, bleibt nachzuweisen.<h2 type="main">Chinin und Forschung bleiben</h2>Abgesehen von der Impfstoffentwicklung gibt es auch in anderen Bereichen der Malariaforschung neue Impulse. Diese betreffen den historisch ersten Wirkstoff Chinin, der heute unter bestimmten Umständen immer noch zum Einsatz kommt, und immer noch aus der Rinde des Cinchona-Baums stammt. Die pharmakologische Wirkung dieser Rinde war bereits bei den Ureinwohnern Perus bekannt.Wegen seiner komplexen Struktur mit vier asymmetrischen Zentren ist Chinin extrem schwierig zu synthetisieren. Takahiro Terunuma und Yujiro Hayashi von der japanischen Tohoku Universität haben das Verfahren etwas vereinfacht.7) Ihre Synthese besteht aus fünf Eintopfreaktionen, mit einer Gesamtausbeute von 14 Prozent. Kommerziell produzieren lässt sich das Chinin so nicht, aber es besteht die Hoffnung, dass die Synthese Wege zu neuen Derivaten eröffnet, die als Medikamente nützlich werden könnten.Als Option, eine schwere Erkrankung abzuwenden, gilt die Behandlung mit monoklonalen Antikörpern. Kirsten Lyke von der University of Maryland und Kolleg:innen haben berichtet, dass eine geringe Konzentration eines bestimmten Antikörpers ausreichte, um den Ausbruch der Krankheit bei drei von sieben Versuchspersonen zu verhindern.8)<link href="#nadc20234133612-fig-0003">Wennein Patient bereits an der Malaria erkrankt ist, kann ein pharmakologischer Eingriff verhindern, dass die Erreger wieder auf Moskitos und dann auf weitere Menschen übergehen. Die Arbeitsgruppe von Jake Baum am Imperial College in London hat eine Wirkstoffgruppe aus der Familie der Sulfonamide identifiziert, welche die Übertragung vom Menschen auf die Mücke verhindern können. Im neuesten Beitrag aus dieser Forschung zeigt die Gruppe das Zielmolekül in den Plasmodien, das diesen Effekt vermittelt.9) Allerdings ist die Wirksamkeit auf ein Zeitfenster von sechs Minuten zu Beginn des Reifungsprozesses der Keimzellen des Erregers beschränkt. Um eine Übertragung dauerhaft zu verhindern, müssten die Kranken also einen konstanten Pegel des Medikaments bewahren. Es wäre womöglich einfacher, wenn man mit dem Wirkstoff dann doch direkt die Mücken attackieren würde – auch in dieser Richtung wird in London geforscht.<figure xml:id="nadc20234133612-fig-0003"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/YnsVo7YQTf6w8VPYFvho"><figcaption><label>Abb.3: </label>Ein Malaria-Schnelltest per Antigennachweis läuft mit Blut statt mit Sekret wie bei Corona. Foto: Walter / Adobe Stock</figcaption></figure></figure>Alles in allem lässt sich auf dem Gebiet der <link href="#nadc20234133612-fig-0003">Malariaforschung nach Jahren der Stagnation und dem Rückschlag durch die Coronapandemie ein neuer Aufbruch verspüren. Mit all den neuen Impfstoffen und Behandlungsoptionen sollte es möglich sein, Malaria weiter zurückzudrängen.Der promovierte Chemiker Michael Groß ist freier Wissenschaftsjournalist im englischen Oxford. <a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a><ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20234133612-bibl-0001" style="numbered"><li xml:id="nadc20234133612-bib-0001">1 M. Groß, Nachr. Chem. 2021, 69(1), 50</li><li xml:id="nadc20234133612-bib-0002">2 <a href="https://nation.africa/kenya/health/who-" target="_blank">nation.africa/kenya/health/who-</a> announces-drop-in-malaria-infections- deaths-after-vaccine-rollout-4156990</li><li xml:id="nadc20234133612-bib-0003">3 C. T. H. Hayashi, Y. Cao, L. C. Clark et al., NPJ Vaccines 2022, 7, 155</li><li xml:id="nadc20234133612-bib-0004">4 M. J. Smit, A. F. Sander, M. B. P. A. Ariaans, et al., Lancet Microbe 2023, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1016/S2666–5247(22)00337–8">10.1016/S2666–5247(22)00337–8</accessionid></li><li xml:id="nadc20234133612-bib-0005">5 A. G. Eappen, T. Li, M. Marquette et al., Nature 2022, 612, 534</li><li xml:id="nadc20234133612-bib-0006">6 S. B. Sirima, A. Ouédraogo, A. B. Tiono et al., Sci. Translat. Med. 2022, 14, 3776</li><li xml:id="nadc20234133612-bib-0007">7 T. Terunuma, Y. Hayashi, Nat. Commun. 2022, 13, 7503</li><li xml:id="nadc20234133612-bib-0008">8 K. E. Lyke, A. A Berry, K. Mason, et al. Lancet Inf. Dis. 2023, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1016/S1473–3099(22)00793–9)">10.1016/S1473–3099(22)00793–9)</accessionid></li><li xml:id="nadc20234133612-bib-0009">9 S. Yahiya, C. N. Saunders, S. Hassan et al. Dis. Model. Mech. 2023, 16, dmm049950</li></ul>

Blickpunkt Biowissenschaften

Malaria und Coviderkenntnisse

Die Erfahrungen bei der Entwicklung mehrerer Covidimpfstoffe könnten schon bald beim Bekämpfen der Malaria nützlich sein.Mehr als fünf Millionen Menschen sind in den letzten drei Jahren an Covid-19 gestorben. Viele fielen indirekt der Pandemie zum Opfer, etwa weil sie Vorsorgeuntersuchungen oder...

Phosphatdiabetes ergründet | Bildgebende Massenspektrometrie (MSI) hat den veränderten Metabolismus bei der Knochenkrankheit X-chromosomale Hypophosphatämie (XLH) beleuchtet. Bei XLH ist das Phosphatgleichgewicht des Körpers gestört und die Knochen weniger mineralisiert, woraus Knochenbrüche und Zahnerkrankungen folgen. Wie Forscher:innen vom Helmholtz-Zentrum München an Knochen von erkrankten Mäusen zeigten, sind bei XLH unter anderem der Pentosephosphat-, Purin-, Pyrimidin- und Phospholipid-Stoffwechsel gestört. Außerdem sind mehrere biochemische Reaktionswege hochreguliert. Dadurch bildet sich vermehrt Pyrophosphat, das verhindert, dass Knochengewebe mineralisiert. LBBotenstoffe aus Fettgewebe beeinflussen Bauchspeicheldrüse | Fettzellen geben bestimmte Lipidmembranpartikel, die extrazellulären Vesikel, ins Blut ab, welche die Bauchspeicheldrüse stimulieren, Insulin auszuschütten. Dies zeigt nun ein deutsches Forscherteam. Wie viel Insulin freigesetzt wird, hängt von der Herkunft der Fettzellen ab: Stammen sie aus gesundem Fettgewebe, also dem Normalgewichtiger, verändert sich die Insulinausschüttung kaum. Stammen die Zellen dagegen aus krankhaftem Fett, erhöhen sie die Insulinfreisetzung stark.Dies erklärt, woher die Bauchspeicheldrüse in einem frühen Diabetes-Typ-2-Stadium weiß, wie viel Insulin sie bereitstellen muss. ELHemmstoff gegen Grippe | Ein Inhibitor der Methyltransferase MTr1 verhindert, dass sich Influenzaviren vermehren. MTr1 versieht körpereigene mRNA mit einer Nukleosid-Kappe, sodass sie nicht vom Immunsystem angegriffen wird. Influenzaviren übertragen diese Kappe jedoch auf ihre eigene RNA, um ebenfalls der Immunreaktion zu entgehen. Wird MTr1 gehemmt, stehen dem Virus keine Kappen zur Verfügung. Der MTr1-Inhibitor Trifluoromethyl-Tubercidin (TFMT) hemmt die Vervielfältigung von Viren in menschlichen Lungengewebepräparaten und Mäusen. TFMT und das Grippemedikament Oseltamivir verstärken sich gegenseitig. LB<ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20234136320-bibl-0001" style="numbered"><li xml:id="nadc20234136320-bib-0001">1 JCI insight 2022, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1172/jci.insight.162138">10.1172/jci.insight.162138</accessionid></li><li xml:id="nadc20234136320-bib-0002">2 Nat. Commun. 2023, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1038/s41467-023-36148-1">10.1038/s41467-023-36148-1</accessionid></li><li xml:id="nadc20234136320-bib-0003">3 Science 2023, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1126/science.add0875">10.1126/science.add0875</accessionid></li></ul><ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20234136320-bibl-0002" style="numbered"><li xml:id="nadc20234136320-bib-0001">1 JCI insight 2022, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1172/jci.insight.162138">10.1172/jci.insight.162138</accessionid></li><li xml:id="nadc20234136320-bib-0002">2 Nat. Commun. 2023, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1038/s41467-023-36148-1">10.1038/s41467-023-36148-1</accessionid></li><li xml:id="nadc20234136320-bib-0003">3 Science 2023, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1126/science.add0875">10.1126/science.add0875</accessionid></li></ul><ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20234136320-bibl-0003" style="numbered"><li xml:id="nadc20234136320-bib-0001">1 JCI insight 2022, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1172/jci.insight.162138">10.1172/jci.insight.162138</accessionid></li><li xml:id="nadc20234136320-bib-0002">2 Nat. Commun. 2023, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1038/s41467-023-36148-1">10.1038/s41467-023-36148-1</accessionid></li><li xml:id="nadc20234136320-bib-0003">3 Science 2023, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1126/science.add0875">10.1126/science.add0875</accessionid></li></ul>

Blickpunkt Biowissenschaften

Malaria und Coviderkenntnisse

Überprüfung Ihres Anmeldestatus ...