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<h2>Kunststoffe – eine Industrie im Umbruch</h2>Die weltweite Kunststoffproduktion wuchs im Jahr 2014 von 299 auf 311 Mio. t (+4 % gegenüber 2013) und hat damit erstmals 300 Mio. t überschritten. Davon entfielen 59 Mio. t auf Europa, was einem leichten Anstieg gegenüber dem Vorjahr entspricht (+1 %). Etwa ein Fünftel der Kunststoffe werden in Europa erzeugt, das damit zweitgrößter Produktionsstandort ist, hinter China mit zirka 26 % und knapp vor den Nafta-Ländern (etwa 19 %).<figure><img src="https://media.graphcms.com/sifyVTEqQVMgsmeFEkEm"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Weltweite (blau) und europäische (EU28 plus Norwegen und Schweiz, orange) Kunststoffproduktion der Jahre 2004 bis 2014 in Mio. Tonnen – inklusive Thermoplaste, Polyurethane und andere Duroplaste sowie Leime, Harze, Lacke und Beschichtungen. Nicht enthalten sind PET-, PA-, PP- und Polyacrylfasern. Quelle: Plasticseurope (PEMRG) / Consultic</figcaption></figure>
Zwei Drittel der europäischen Nachfrage von fast 49 Mio. t konzentrieren sich auf fünf Länder: Deutschland (zirka 25 %), Italien (14 %), Frankreich (10 %), Großbritannien (8 %) und Spanien (7 %).Die Verpackungsindustrie ist mit fast 40 % die wichtigste Abnehmerbranche in Europa, gefolgt vom Baugewerbe (zirka 20 %), Automobilbau (9 %), Elektro- und Elektronikindustrie (6 %) sowie Landwirtschaft (3 %). Die übrigen mehr als 22 % gehen in viele kleine Segmente, jedes für sich höchstens 1 bis 2 % groß.Die Kunststoffindustrie als Branche mit einem reifen Produktlebenszyklus befindet sich seit Jahren in einem massiven Umbruch und ist dabei, sich an künftigen Anforderungen auszurichten.Bereits im dritten Quartal 2014 verfiel der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar (USD). Dieser Trend setzte sich ins Jahr 2015 fort, und der Eurokurs fiel am 5. Januar 2015 im US-Handel unter 1,19 USD, den tiefsten Stand seit fast neun Jahren bis dato.Im Verlauf des Jahres 2015 sank der Preis für Rohöl. Eine wesentliche Ursache dafür war, dass die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) ihre Fördermenge trotz relativ schwacher Nachfrage nicht drosselte. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent lag in den letzten Tagen des Jahres 2015 bei etwa 36 USD. Damit war Rohöl so preiswert wie seit vielen Jahren nicht mehr.Die Wirtschaft in den USA wuchs im Jahr 2015 mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von etwa 2,5 % und war damit ein wichtiger Treiber der Weltwirtschaft. Der unter anderem durch den Schiefergasboom getriebene Aufschwung ergreift dort zunehmend die Kunststoffindustrie, erste Investitionsmaßnahmen sind erkennbar. Die oft propagierten günstigen Rohstoffe sind aber noch nicht in nennenswerten Mengen im Markt vorhanden. Diverse Großprojekte auf Basis von Schiefergas befinden sich jedoch im Bau und sollen in den kommenden Jahren anlaufen.Die chinesische Kunststoffindustrie wuchs langsamer als zuvor, auch das BIP reduzierte sich auf einen Wert unterhalb von 7 %. Der Außenhandel verlor, die Wettbewerbsfähigkeit für einfache Produkte sinkt. Grund für die Verlangsamung des Exportwachstums in den vergangenen Jahren war unter anderem die Aufwertung des Renminbi. Der chinesische Preisvorteil auf dem Weltmarkt sank. Deutlich steigend ist aber die lokale Nachfrage nach Materialien höherwertiger Qualität, vor allem im Automobilsektor, in der Elektro- und Elektronikindustrie sowie der Medizintechnikbranche.Darüber hinaus steckten Brasilien (BIP von –3,5 %) und Russland (BIP von –3,0 %) in der Rezession. In beiden Ländern sank auch die Industrieproduktion. Der niedrige Ölpreis und Sanktionen für eine geschwächte russische Wirtschaft bremsten zudem die wirtschaftliche Entwicklung im gesamten osteuropäischen Raum.Nach einem nahezu zwanzig Jahre anhaltenden massiven Kapazitätsaufbau in den arabischen Golfstaaten (GCC) im Bereich der Petrochemie sowie einer nachgelagerten Polymerkette (vor allem Polyolefine) spürt die Branche, dass der Investitionsboom abgenommen hat. Neue Großprojekte sind nicht absehbar. Nahezu vollständig auf den Export ausgerichtete Produktionsanlagen sind nicht mehr zeitgemäß. Neue Kapazitäten entstehen in der Region des Verbrauchs, hauptsächlich in China. Weitere Treiber für diese Entwicklung sind die rückläufigen Erträge aus dem Ölgeschäft sowie die Schiefergasförderung in den USA.Durch die veränderten Rahmenbedingungen und regionalen Marktverschiebungen, schwerpunktmäßig nach Asien, ist auch weiterhin ein globaler Trend zur Konsolidierung und Umgestaltung der Produzentenlandschaft wahrnehmbar. Kurz vor Jahresende wurde die Megafusion der beiden Chemiekonzerne Dupont und Dow Chemical bekannt. Die Transaktion soll als Aufspaltung in drei neue Unternehmen erfolgen – mit einem kombinierten Pro-Forma-Umsatz von zirka 80 Mrd. Euro und einer Marktkapitalisierung von fast 120 Mrd. Euro. Weitere Kooperationen, Fusionen sowie Geschäftsübernahmen sind in der Branche somit absehbar.Ebenfalls noch kurz vor Jahresende hat die EU-Kommission am 2. Dezember 2015 nach monatelangem Ringen ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Kreislaufwirtschaft verabschiedet. Das Paket soll die globale Wettbewerbsfähigkeit steigern, den Übergang Europas zu einer Kreislaufwirtschaft fördern, nachhaltiges Wirtschaftswachstum begünstigen und neue Arbeitsplätze schaffen. Ein wesentliches Ziel ist es, insbesondere den Kreislauf der Produktlebenszyklen durch mehr Recycling und Wiederverwendung zu schließen. Was diese Vorhaben für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kunststoffindustrie bedeuten, bleibt abzuwarten.Kunststoffe sind und bleiben die Werkstoffe des 21. Jahrhunderts. Mehr noch, die Kunststoffindustrie ist wesentlicher Innovationstreiber vieler Branchen. Aus diesem Grund blickt die Branche gespannt und optimistisch in das Jahr 2016.Frank Schnieders ist Chairman der Plasticseurope Market Research Group in Brüssel und Manager bei Covestro in Leverkusen. Er ist seit über 25 Jahren in der chemischen Industrie beschäftigt und Fachmann für Polymermarktforschung und -Statistik. <a href="mailto:frank.schnieders@covestro.com">frank.schnieders@covestro.com</a><div><img src="https://media.graphcms.com/0caT8dLCQluNfz96lmIi">

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Kunststoffe ‐ eine Industrie im Umbruch

Kunststoffe – eine Industrie im UmbruchDie weltweite Kunststoffproduktion wuchs im Jahr 2014 von 299 auf 311 Mio. t (+4 % gegenüber 2013) und hat damit erstmals 300 Mio. t überschritten. Davon entfielen 59 Mio. t auf Europa, was einem leichten Anstieg gegenüber dem Vorjahr entspricht (+1 %). Etwa...

&Uuml;ber das gesamte Jahr verteilt publiziert die Redaktion der Nachrichten aus der Chemie Trendberichte &uuml;ber alle chemischen Disziplinen hinweg.

Trendberichte

<h2>Polymere Komposite auf dem Weg zur Serienreife</h2>Faserverstärkte Kunststoffe (FVK) nutzt die Luftfahrtindustrie seit Jahren im großen Maßstab. Das Prädikat „großserientauglich“ wird aber gemeinhin mit der Serien-PKW-Fertigung verbunden. Carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) in den Elektro- und Hybridautos BMW i3 beziehungsweise BMW i8 galten für FVK als erster Schritt in Richtung Großserie. Seit BMW bekannt machte, auch den neuen 7er mit Carbon in der Fahrgastzelle zu bauen, scheint der Durchbruch geschafft. Die Fahrgastzelle enthält einen Metall-CFK-Mix, diese Konstruktion nennt sich Hybridbauweise (Abbildung 1). Im Vergleich zum 2015er-Modell wird der neue 7er damit 130 kg leichter.1) Auch Volkswagen verfolgt in der öffentlich-privaten Partnerschaft „Open Hybrid Labfactory“ diesen Ansatz.<figure><img src="https://media.graphcms.com/pc9Hn2SQFqqNJx3mg7mC"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Abb. 1. BMW Efficient Lightweight.2)</figcaption></figure>
Die schnelle Entwicklung von FVK hin zur Serienreife für die Automobilindustrie lässt sich nicht nur in diesen Endanwendungen erkennen. Auch die FVK-herstellende Industrie ist in Bewegung. Viele Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen (merger and acquisitions, M+A) zeigen dies. Die meisten der zirka 30 M+A-Aktivitäten bezogen sich auf Automobil und Luftfahrt. Hier lassen Composite ein großes Marktwachstum und eine attraktive Marktgröße erwarten.3)Neben den Wachstumszahlen von jährlich 5 bis 10 % lockt die Möglichkeit, in Non-commodity-Märkten verhältnismäßig hohe Margen durchzusetzen und sich von Wettbewerbern inhaltlich abzugrenzen. So sind es oftmals große Chemiekonzerne, die sich vertikal integrieren. Die FVK-Industrie besteht aus vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diese Hidden Champions haben Verfahren entwickelt, die ihre Serientauglichkeit bereits bewiesen haben und nun relativ problemlos in Konzerne zu integrieren sind.3)Die wahrscheinlich größte Akquisition im Jahr 2015 war der Kauf des amerikanischen Carbonfaser- und Composite-Herstellers Cytec Industries durch den belgischen Chemiekonzern Solvay [Nachr. Chem. 2016, 64, 31]. Diese Akquisition weist zudem die zuvor genannten Charakteristika einer aktuell typischen M+A-Aktivität bei Compositen auf. Für Solvay-Chef Jean-Pierre Clamadieu ist der Cytec-Kauf das Bekenntnis, den Automobil- und Luftfahrtsektor mit leichten und effizienteren Materialien beliefern zu wollen.4)Ein weiteres Beispiel einer Konsolidierung liefert Covestro, ehemals Bayer Materialscience, mit dem Kauf des fränkischen Unternehmens Thermoplast Composite, einem Spezialisten für thermoplastische Faserverbundwerkstoffe. Das Unternehmen will Verbundwerkstoffe auf Basis von endlosfaserverstärkten thermoplastischen Materialien (Composites) anbieten. Das ist eine neue Klasse von Materialien, die besonders dünn und leicht sind. Außerdem sind sie in Vielem existierenden Lösungen etwa auf Basis von Aluminium überlegen.Markus Steilemann, im Covestro-Vorstand für Innovation verantwortlich und ehemaliger Leiter der Geschäftseinheit Polycarbonat sieht „erheblichen Bedarf und große Wachstumschancen für Verbundwerkstoffe auf Basis von thermoplastischen Kunststoffen wie Polycarbonat“. Er sagt: „Indem wir in die Entwicklung und Produktion von entsprechenden Composites eintreten, wollen wir zu den Treibern in der Industrie gehören. Hier erwarten wir vor allem in der IT-Industrie, im Automobil- und Transportsektor sowie im Konsumgüterbereich vielversprechende Perspektiven und damit eine weitere Stärkung unserer Positionen.“5)Thermoplastische Kompositbauteile sind gut verformbar (Abbildung 2). Bei Erwärmung über die Glasübergangstemperatur hinaus lassen sich die Materialien in nahezu jede Form verarbeiten. Wie in der Metallindustrie, die Bleche in komplexe Formen presst, könnten mit thermoplastischen Kompositplatten vielfältige Industrien mit standardisierten Materialien beliefert werden. So kann auch der Sprung in die kostengetriebene Automobilindustrie gelingen.<figure><img src="https://media.graphcms.com/SZncotFNRe668kgPPy61"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Abb. 2. Produkte aus thermoplastischen Kompositen.6)</figcaption></figure>
Wie in anderen Bereichen der chemischen Industrie erfährt das Thema Nachhaltigkeit wachsende Aufmerksamkeit. So setzt der Automobilbau Naturfasern und deren Faserverbundwerkstoffe ein. Auch Recycling von Verbundmaterialien gewinnt an Bedeutung: Materialbedingt weisen thermoplastische FVK ein höheres Recyclingpotenzial auf, da sie sich schmelzen und compoundieren lassen. Jedoch zeigt das Beispiel des Unternehmens Connora, das ein rezyklierbares Epoxidharz entwickelt hat, dass auch bei Duromeren Potenziale vorhanden sind. Hierfür hat Connora eine neue Klasse von Vernetzungsmitteln entwickelt. Diese Polyaminoacetal-basierten Moleküle, die Teil der Epoxidstruktur werden, lassen sich mit Säuren aufbrechen.7)Christian Wilms promovierte im Jahr 2009 in Maschinenbau (Kunststofftechnik) an der RWTH Aachen. Bis Oktober 2015 war er Innovation Manager Composites bei Covestro Deutschland und ist nun verantwortlich für Prozessentwicklung Composites im Geschäftsbereich Polycarbonate bei Covestro.<div><img src="https://media.graphcms.com/YoLn35nSThGZwERQiCp5">

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<ul><h2>Literatur und Quellen</h2><li>
1 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.compositesworld.com/blog/post/" target="_blank">www.compositesworld.com/blog/post/</a> carbon-fiber-migrating-into-other-vehicles</ext-link></li><li>
2 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.bmw.de/de/topics/faszination-bmw/" target="_blank">www.bmw.de/de/topics/faszination-bmw/</a> efficientdynamics-2015/efficient- lightweight.html</ext-link></li><li>
3 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.lucintel.com/reports/composites_" target="_blank">www.lucintel.com/reports/composites_</a> market_report.aspx</ext-link></li><li>
4 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.icis.com/resources/news/2015/07/" target="_blank">www.icis.com/resources/news/2015/07/</a> 29/9907627/cytec-deal-is-solvay-s-big- entry-into-auto-aerospace-ceo/</ext-link></li><li>
5 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.presse.bayer.de/baynews/baynews" target="_blank">www.presse.bayer.de/baynews/baynews</a>. nsf/id/Bayer-MaterialScience-erwirbt- Spezialisten-fuer-Verbundwerkstoffe?</ext-link></li><li>
6 Thermoplast Composite, Markt Bibart.</li><li>
7 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://cen.acs.org/articles/93/i43/" target="_blank">http://cen.acs.org/articles/93/i43/</a> Connora-Technologies.html</ext-link></li></ul>

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