Gesellschaft Deutscher Chemiker

Meinungsbeitrag

Internationale Kooperationen in der Chemie

Nachrichten aus der Chemie, Januar 2025, Seite 3, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Ein Leitartikel von Johanna Kowol-Santen

Wissenschaft lebt von internationaler Zusammenarbeit – dies hat die chemische Grundlagenforschung bereits seit langem verinnerlicht. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat es sich zur Satzungsaufgabe gemacht, die internationale Zusammenarbeit überall dort zu unterstützen, wo es die Forschung selbst verlangt. Die Wissenschaft kennt zwar keine Ländergrenzen, finanziert wird sie aber bis heute größtenteils über die nationalen Förderorganisationen. Dies gilt insbesondere für Projekte mit relativ wenigen beteiligten Forschenden, wie es häufig in der Chemie der Fall ist. Traditionell halten sich nationale Organisationen damit zurück, Forschende im Ausland zu fördern, und die Finanzierung bi- und multilateraler Projekte bleibt aus administrativen Gründen schwierig.

Die Chemie, ihre nationalen und internationalen Fachgesellschaften und die Förderorganisationen, stellen sich dieser Herausforderung schon seit mehr als zwei Jahrzehnten – immer wieder auch als Vorreiter, wie unlängst in einer bilateralen Kooperation mit Singapur: Beim Angewandte-Symposium Singapur Anfang Dezember unterzeichneten sowohl GDCh und SNIC (Singapore National Institute of Chemistry) als auch die DFG und A*Star (Agency for Science, Technology and Research) ein Memorandum of Understanding; die Ausschreibung bilateraler Forschungsprojekte in der Chemie für das Jahr 2025 ist geplant.

In der internationalen Forschungsförderung gibt es bewährte Mechanismen. So war es die Chemie, die im Jahr 2004 eines der ersten ERA-NET-Programme der Europäischen Kommission eingeworben hat. ERA-Chemistry zielte darauf ab, die Kohärenz und Koordination von Forschungsprogrammen und -projekten in Europa zu verbessern. Mehrere Ausschreibungen in der Chemie – sowohl thematische als auch themenoffene – mündeten in der gemeinsamen Förderung bi- und multilateraler europäischer Forschungsprojekte. Mit dem gleichen Ziel und ähnlicher Umsetzung gründete die Iupac im Jahr 2007 das Committee on Chemistry Research Funding (CCRF), ein global agierendes Netzwerk, dem neben Organisationen zahlreicher europäischer Staaten auch Forschungsförderer aus den USA, Japan, Brasilien oder China angehörten.

Die National Natural Science Foundation of China (NSFC), ein Mitglied darin, war und ist ein wichtiger Partner der DFG. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen für deutsch-chinesische Kooperationen in den vergangenen Jahren verändert. Nicht nur die rechtlichen Neuregelungen, sondern auch die aktuellen geopolitischen Entwicklungen erfordern eine reflektierte Abwägung. So gilt es, dem zu erwartenden Erkenntnisgewinn die Risiken gegenüberzustellen, etwa beim Dual Use Research of Concern. Doch gerade unter verschärften geopolitischen Rahmenbedingungen führen internationale Kooperationen zu mehr als nur zu wissenschaftlicher Erkenntnis. Gemeinsame Projekte schaffen langfristige wechselseitige Bindungen zwischen Menschen und zwischen Institutionen. Es sind die sozialen Verflechtungen, die Sympathien und Loyalitäten zwischen Partnern, die in schwierigen Zeiten Brücken bauen.

Es gibt keine einfachen Antworten auf die Frage, wie es sich in einem grob abgesteckten Bereich aus rechtlichen Risiken und ethischen Grenzen, aber eben mit Blick auf die Vorzüge internationaler Kooperationen und der Aussicht auf Spitzenforschung navigieren lässt. Die DFG verzichtet bewusst darauf, generelle rote Linien hinsichtlich bestimmter Länder, Partnerinstitutionen oder Forschungsthemen zu ziehen, denn die in Deutschland grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes Gut. Es gilt, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen, und dies bedeutet ein hohes Maß an Verantwortung für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ihre Institutionen.

Dr. Johanna Kowol-Santenhttps://media.graphassets.com/ymmiDKkETFClnruQeccb

leitet die Gruppe Physik und Chemie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)

Leitartikel

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