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Am 10. Mai starb Hanns-Peter Boehm, Professor f&uuml;r anorganische Chemie. Er hat Graphen nicht nur entdeckt, sondern diese Entdeckung sogar geplant.
Hanns-Peter Boehm wurde am 9. Januar 1928 in Paris geboren. Im Wintersemester 1946/47 begann er, an der Phil.-Theolog. Hochschule in Regensburg Chemie zu studieren. Im Jahr 1950 legte er die Diplompr&uuml;fung an der Ludwig-Maximilians-Universit&auml;t in M&uuml;nchen ab. Er folgte seinem Lehrer und sp&auml;teren Doktorvater Ulrich Hofmann an die Technische Hochschule in Darmstadt, wo er promoviert wurde und sich im Jahr 1959 mit der Arbeit &bdquo;Oberfl&auml;chenchemie und Adsorption an Kohlenstoff und SiO2&ldquo; habilitierte. Im Jahr darauf wechselte er mit Hofmann an die Universit&auml;t Heidelberg.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/m3ZxnJZiQWBFD0IRxTcQ" />
Im Jahr 1970 wurde Boehm als ordentlicher Professor und Mitvorstand des Instituts f&uuml;r Anorganische Chemie (gemeinsam mit Wei&szlig;, Beck und N&ouml;th) an die Ludwig-Maximilians-Universit&auml;t M&uuml;nchen berufen. &Uuml;ber seinen Doktorvater bestand eine lange Beziehung zu M&uuml;nchen, weil dieser Sohn des a.o. Professors K. A. Hofmann bei Adolf von Baeyer war. In den Jahren 1987 bis 1989 war Boehm Dekan der Fakult&auml;t f&uuml;r Chemie und Pharmazie der LMU. Im Jahr 1994 wurde er emeritiert.
Hanns-Peter Boehm ist der Pionier in der Chemie des Kohlenstoffs. Er war international hoch anerkannt f&uuml;r die Chemie an Oberfl&auml;chen von Festk&ouml;rpern, besonders von Graphit, und Kohlenstoffverbindungen wie Ru&szlig;, Aktivkohle und Diamant sowie von SiO2. Er hat mit chemischen Methoden funktionelle Gruppen an den Oberfl&auml;chen von Graphit, Diamant und Metalloxiden nachgewiesen. Zudem hat er sich erfolgreich mit der Struktur und den Eigenschaften von Graphitoxid, von Graphit-Intercalationsverbindungen sowie mit der Katalyse an aktivierten Kohlenstoffen befasst. Wie sehr seine grundlegenden und bahnbrechenden Arbeiten bei Kollegen angesehen sind, zeigt sich daran, dass seine &Uuml;bersichtsartikel bis zu 1400 Mal zitiert wurden.
Aktuell sind heute folgende Entdeckungen Hanns-Peter Boehms: die erstmalige Beobachtung von Carbon Nano Tubes und die Entdeckung monoatomarer Kohlenstoffschichten. Bereits im Jahr 1962 synthetisierte er dieses neuartige Material, das heute Graphen genannt wird, durch Reduktion von Graphitoxid. Und er bestimmte dessen Schichtdicke zu 0,46 nm, ein Wert, der der heute bekannten Schichtdicke von Graphen (0,36 nm) &auml;hnelt. Graphen ist nach dessen rationeller Synthese durch Andre Greim und Konstantin Novoselov, die mit dem Nobelpreis belohnt wurden, wegen seiner ungew&ouml;hnlichen elektronischen Eigenschaften ein interessanter, viel beforschter Stoff geworden. Die originellen fr&uuml;hen Arbeiten Boehms fanden damals keine Beachtung (etwa &bdquo;Graphen &ndash; wie eine Laborkuriosit&auml;t pl&ouml;tzlich &auml;u&szlig;erst interessant wurde&ldquo;, Angew. Chem. 2010, 122, 9520; Angew. Chem. Int. Ed. 2010, 49, 9132). Aber Hanns-Peter Boehm geb&uuml;hrt die Ehre: Er ist der Entdecker von Graphen, und er hatte diese Entdeckung sogar geplant.
Boehm wurde mit dem Georg Shakel Award der American Chemical Society und der Medaille 1&egrave;re Classe de la Soci&eacute;t&eacute; Industr&eacute;elle de Mulhause ausgezeichnet und zum (lifetime) Fellow der American Carbon Society gew&auml;hlt. Er war viele Jahre Herausgeber der Zeitschrift Carbon und Mitglied in internationalen Gremien. Einer seiner besonders erfolgreichen akademischen Sch&uuml;ler ist Robert Schl&ouml;gl (Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft Berlin).
Das Institut f&uuml;r Anorganische Chemie der LMU befand sich immer in besonders guter Obhut und Verfassung, wenn der &uuml;beraus gewissenhafte Boehm gesch&auml;ftsf&uuml;hrender Vorstand war. Er war ein idealer Kollege, immer freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Noch dazu war er pers&ouml;nlich bescheiden, und mit ihm lie&szlig; sich in harmonischer Atmosph&auml;re hervorragend zusammenarbeiten. Die Kollegen werden dem hervorragenden Wissenschaftler und gesch&auml;tzten Hochschullehrer Hanns-Peter Boehm ein ehrendes Andenken bewahren.
Wolfgang Beck, M&uuml;nchen

Nachruf

Hanns‐Peter Boehm (1928 – 2022)

Am 10. Mai starb Hanns-Peter Boehm, Professor für anorganische Chemie. Er hat Graphen nicht nur entdeckt, sondern diese Entdeckung sogar geplant. Hanns-Peter Boehm wurde am 9. Januar 1928 in Paris geboren. Im Wintersemester 1946/47 begann er, an der Phil.-Theolog. Hochschule in Regensburg Chemie...

§ Die „Korrespondenz“ veröffentlicht Briefe an die Redaktion. Gedruckt und online steht sie allen Lesern der Nachrichten aus der Chemie offen. Bitte senden Sie Ihre Zuschrift mit einem Umfang von maximal 1500 Zeichen als E-Mail an: <a href="mailto:nachrichten@gdch.de">nachrichten@gdch.de</a>. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.<h2 type="main">Und ewig grüßt der Wasserstoff</h2>Im Septemberheft der Nachrichten aus der Chemie [Nachr. Chem. 2022, 70(9)] geht es an mehreren Stellen um Wasserstoff. Schon vor 50 Jahren wähnte Bockris „Wasserstoff und nicht Elektrizität“ als Energiemedium, basierend auf billiger Kernkraft [Nachr. Chem. 2022, 70(9), 7). Auf Seite 45 ist dann das gutbekannte Schema der Wunderwelt „Wasserstoffwirtschaft“ zu bestaunen. In „Wasserstoff – Ein Energiemittel?“ [Nachr. Chem. 2022, 70(9), 48] belächeln Ausfelder und Förster eine Aussage in einem gleichnamigen Nachrichten-Beitrag aus dem Jahre 1991: „Eine Wasserstoffwelt wird es nicht geben.“ Für mich waren diese Texte ein Déjà-Vu. Als ehemaliger Akteur auf etlichen Bühnen, in denen es um Chemie und Energie ging, habe ich eine kritische Sicht auf die Wasserstoffszene entwickelt. Drum rate ich dazu, Günter Beckmanns Diktum von 1991 ernst zu nehmen. Ist die Hydrogen Economy eine Fata-Morgana?Wasserstoff ist zweifellos ein Multitalent. Daraus haben die Trittbrettfahrer der Energiewende eine eierlegende Wollmilchsau gemacht – nach dem Motto: „Kinder, macht Euch keine Sorgen, wir forschen erfolgreich an den Problemen, die Ihr ohne uns nicht hättet.“Grüner Wasserstoff ist ein sehr teures Multitalent, man muss es sparsam und mit Bedacht einsetzen, damit alle davon profitieren und nicht nur die Wohlhabenden. Gemäß Ausfelder und Förster basiert das Konzept des grünen Wasserstoffs ausschließlich auf der Nutzung erneuerbarer Energien. Das schließt logischerweise die gesamte Infrastruktur mit ein: von der Stromerzeugung und -verteilung, den H2-Herstellprozess (Elektrolyse), die Speicherung und den Transport von Wasserstoff. Dass diese Basis aus Beton und Stahl gewaltig ist und eigene – zeitlich vorgelagerte – Investitionen in weitere klimaneutrale Energieprojekte erfordert, sei nur am Rande erwähnt. Aber sowohl Photovoltaik, Windkraft und Batterien mussten sich ähnlichen Kriterien immer stellen. Das Ganze wird teuer, auch wenn sich unter optimistischen Annahmen über Skaleneffekte und globale Partnerschaften vieles in ferner Zukunft etwas günstiger darstellen könnte. Man sollte aber nicht übertreiben. Beispiel: Werden unsere überseeischen Partner einer deutschen Business-as-usual-Kultur zeitlich und finanziell Vorfahrt einräumen? Schließlich haben auch sie ihre Klimaziele.Der Umstellung unserer fossilen Welt auf eine Wasserstoffwelt, in der das Füllhorn unserer Güter letztlich unverändert bleibt, werden auch durch die vielfältigen Wirkungsgradketten enge Grenzen gesetzt. Das scheinen die Autoren auszublenden, obwohl sich auch daraus gewaltige finanzielle und technische Konsequenzen ableiten. Für die Petrochemie stellt sich dazu noch eine Grundsatzfrage: Welche Kohlenstoffquelle wird die Partnerin des grünen Wasserstoffs sein, wenn es klimaneutral und biodiversitätskonform zugehen soll? Bleibt unser Bedarf so hoch wie heute, werden gewaltige Mengen an atmosphärischem CO2 benötigt – mit einem beachtlichen Apparate- und Energieaufwand.Das Ganze sei politisch gewollt, betonen die Autoren. Ein Zirkelschluss, denn zunächst hängt „die Politik“ vom Input der Forschungs- und Wissenschaftslobby ab. Wenn die „Wasserstoffwelt“ Vorfahrt erhält, wer hat das Nachsehen?<list><listitem>Beim Thema Stromspeicher konkurriert Wasserstoff zum Beispiel mit Batterien. Zumindest, wenn es um schnelle Reaktion und einige Tage des Pufferns geht, wäre es töricht, die Chance deutlich effizienterer Techniken nicht zu nutzen.</listitem><listitem>Beim Thema Strom geht es um zeitliche Prioritäten. Solange Deutschland schnell seinen Strombedarf erneuerbar gestalten und Strom auch für Wärme, Mobilität und Prozesstechnik einsetzen will, müsste Wasserstoff eigentlich zurücktreten.</listitem><listitem>Wasserstoff als Stoff: In den zwei Jahrzehnten, die uns allenfalls noch bleiben, sollte es vorrangig um eine ganz andere stoffliche Frage gehen: Wir gehen wir mit unseren Materialien klug und sparsam um? Wann kommt der viel beschworene Einstieg in eine nachhaltige Entwicklung mit einer Kreislaufwirtschaft? Auch hier: Vorfahrt für eine Methanol-Economy oder für E-Fuel-Anlagen wäre vertanes F+E-Potenzial. Ein kluger Einsatz von grünem Wasserstoff könnte allenfalls beim Ammoniak oder in der Eisenherstellung beginnen.</listitem><listitem>Das Nachsehen bei einer unbedacht eingeführten Wasserstoffwelt hätte bald die dann steuerpflichtige Jugend. Denn es kann ja nicht sein, dass die Umstellung auf eine teure Basis den Warenkorb für einen Großteil unserer Gesellschaft nicht mehr bezahlbar macht. Es müsste ein ganzer Kranz von Förderungen um den Wasserstoff geflochten werden, der das heutige Subventionsunwesen sicher in den Schatten stellt. Merkwürdig: Wir haben gelernt, dass Technik zwar ein steter Quell von Verbesserungen sein kann, dass die Erfolge aber durch den Rebound-Effekt neutralisiert werden. In der Rolle der Erzieherin oder Gouvernante, die unsere Konsumgesellschaft sanft in Richtung Klimaneutralität, Nachhaltigkeit und Artenschutz bewegt, muss Technik versagen. Deshalb wird es auch keine grüne Welt des Wasserstoffs geben. Falls wir die „Zeitenwende“ auch als generelle Wende unseres Wirtschaftens nutzen, dann wäre Wasserstoff darin zwar kein Heilsbringer aber – begrenzt – ein durchaus wichtiger Baustein.</listitem><listitem>Die Jüngeren unter uns werden sicher schmunzeln, wenn in dreißig Jahren weitere H2-Artikel in den Nachrichten die Sicht von heute beleuchten. Hoffentlich ist bis dahin das Kind nicht in den Brunnen gefallen.</listitem></list>Hermann Pütter<h2 type="main">Total neutral</h2>Es fällt auf, dass in den Artikeln zu Wasserstoff im Septemberheft der Nachrichten aus der Chemie [Nachr. Chem. 2022, 70(9)] mal wieder munter die Begriffe durcheinander gewürfelt wurden. Deshalb mal nachfolgend eine wissenschaftliche Herleitung für die Wortbedeutung.CO2-neutral: CO2(Ausstoß) + CO2(Abbau/Verbrauch/Bindung) = 0Klimaneutral: THG(Ausstoß) + THG(Abbau/Verbrauch/Bindung) = 0THG = Treibhausgase (alle IR-aktiven Moleküle)Es gibt Fälle, in denen CO2-neutral auch klimaneutral ist, aber meistens nicht. Kohlenstoffneutralität ist keine sinnvolle Begriffskonstruktion. Wer die Begriffe vermischt, betreibt zudem meist Greenwashing, völlig unabhängig davon, ob absichtlich oder nicht.Ulrich Scharfenort<h2 type="main">Wasserstoff wie nutzen?</h2>Im Beitrag „In Japan und in Deutschland“ [Nachr. Chem. 2022, 70(9), 44] wird unter „Fukushima: ein Wasserstoffstandort in Japan“ mitgeteilt, dass im japanischen Wasserstoffforschungsareal FH2R von einer 20-MW-Photovoltaikanlage Elektroenergie an einen 10-MW-Elektrolyseur geliefert wird.Dieser Elektrolyseur liefert Wasserstoff. Es wird beschrieben, dass aus diesem Wasserstoff wieder Elektroenergie für 150 Haushalte in einer benachbarten Ortschaft und 560 Brennstoffzellenfahrzeuge gewonnen wird. Die Ortschaften sind vermutlich von der Photovoltaik(PV)-Anlage energetisch über das Elektronetz zu erreichen. Wie kommt der Wasserstoff zu seinen Kunden?Sinnvoller ist eine direkte Verwendung der Elektroenergie aus der PV-Anlage zur Versorgung der Haushalte mit Elektroenergie und dem Laden von BEV. In der im Beitrag beschrieben Reihenfolge der Gewinnung von PV-Elektroenergie und deren Umwandlungen treten zu hohe Wirkungsgradverluste auf. Erzeugte Elektroenergie sollte vorrangig auch als Elektroenergie verbraucht werden, ohne den Zwischenschritt Wasserstoff.Im gleichem Beitrag wird unter „Wasserstoff in Leuna“ berichtet, dass in einem Elektrolyseur Wasserstoff erzeugt wird, der zur Hydrierung von industriellem CO2 aus der Raffinerie verwendet wird. Das ist zukunftsweisend. Der dann folgende Ausblick auf die Gewinnung von CO2 extrem niedriger Konzentration aus der Umgebungsluft führt in eine sehr ferne und nicht notwendige Zukunft. Dieser Prozess ist, wie erwähnt, aufwendig. Er ist auch nicht notwendig. Denn industrielles CO2 sollte einerseits als Kohlenstoff-Träger auch nach den Erfahrungen dieses Jahres weiter verfügbar bleiben und andererseits zunehmend durch die Umsetzung mit Wasserstoff der Emission in die Atmosphäre entzogen werden. Für die Kunststoffproduktion von 20 Millionen Jahrestonnen in Deutschland werden zirka 15 Millionen Jahrestonnen Kohlenstoff benötigt. Das sind je nach angenommenem Kohlenstoffgehalt der Braunkohle etwa 10 bis 25 Prozent der gegenwärtigen Braunkohleförderung, also ein Bedarf an industriellem CO2 in Höhe von zirka 55 Millionen Jahrestonnen für eine erdöl- und erdgasfreie Kunststoffproduktion. Im Ergebnis liefern die Kohlekraftwerke Elektroenergie und industrielles CO2, das durch Reaktion mit Wasserstoff in Werkstoffen gebunden wird.Thomas Schöneburg <a href="mailto:info@werkstoffsysteme.de">info@werkstoffsysteme.de</a><h2 type="main">More than just pharmaceutical drug development</h2>The title of the article „The rise, fall, and revival of combinatorial chemistry” [Nachr. Chem. 2022, 70(9), 70] would need some more precision to reflect the content by e.g. extension with „…from a pharmaceutical drug development perspective”. The pharma industry entered the field only around 1990 when first reports appeared which applied the concepts of combichem to small molecule scaffold assembly. But already a decade before, the essential concepts were developed exploiting Merrified‘s solid phase synthesis both in oligonucleotide and peptide chemistry. Combichem provided a range of simple manual to fully automated methods for fast and cost-effective production of hundreds to millions of sequence variants, so-called libraries, of these biomolecules. Access to these tremendously fertilized biochemistry and molecular biology research by allowing the study down to the atomic resolution of e.g. protein structure/function-relations via oligonucleotide directed mutagenesis and gene-synthesis, immunological antigen recognition, enzyme substrate recognition, protein-protein-interaction and many more. The hype on accelerated discovery of new pharmaceutical drug candidates by combinatorial methods initiated vast investments in industry, but as any hype it could not fulfil what pharma expected from it. However, combichem had a lasting impact on research in general, even beyond the biosciences.Finally, by highlighting one particular method, the article raises again the highly emotional debate on the origin of combinatorial chemistry. I would like to draw the attention of the readers to a perspectives article „Parallel personal comments on classical papers in combinatorial chemistry” by Michal Leb (J. Comb. Chem. 1999, 1, 3–24) for a more comprehensive and fair insight into the contributions of involved researchers.Ronald Frank, Berlin <a href="https://www.eu-openscreen.eu" target="_blank">www.eu-openscreen.eu</a><h2 type="main">Gegen eine undifferenzierte Ausgrenzung russischer Wissenschaftler</h2>Angesichts Putins verbrecherischen Angriffskriegs auf die Ukraine haben die deutschen Wissenschaftsorganisationen DFG, DAAD und VW-Stiftung, jegliche Projektförderung zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und Russland ausgesetzt. Ebenso sollen keine gemeinsamen Veranstaltungen durchgeführt, und neue Kooperationsprojekte nicht initiiert werden. Obwohl zum Beispiel die DFG erklärt hat, sich der einschneidenden Auswirkungen dieser Maßnahmen bewusst zu sein und die Folgen für die Wissenschaft zutiefst zu bedauern, sollte die Wirkung dieser Erklärungen auf russische Wissenschaftler nochmal überdacht werden. Dass sie Putin und seine Gefolgschaft beeindrucken, das ist noch unwahrscheinlicher als bisher die Wirkung wirtschaftlicher Sanktionen. Bemerkenswerterweise hat sich die Präsidentin des Europäischen Forschungsrats ERC, Maria Leptin im Interview mit den Nachrichten aus der Chemie [Nachr. Chem. 2022, 70(9), 8] anders als die DFG etc. gegen eine grundsätzliche Ablehnung von Kooperationen mit russischen Wissenschaftlern ausgesprochen.Dass russische Wissenschaftler Einfluss auf die Politik des Kremls nehmen, ist angesichts der persönlichen Gefahren für jeden Protestierenden mehr als unrealistisch, und tatsächlich kaum zumutbar. Darüber hinaus kann man nicht voraussetzen, dass die Mehrheit der russischen Bevölkerung und auch der Wissenschaftler Putins Politik grundsätzlich ablehnt. Wirklich dagegen spricht nicht, dass sich über 7000 russische Wissenschaftler:innen in einem offenen Brief gegen den Krieg in der Ukraine gestellt hatten – es muss offen bleiben, wieweit sie die Mehrheit repräsentieren. Durch meine wissenschaftlichen Arbeiten hatte ich über Jahrzehnte persönlichen Kontakt mit vielen russischen Kollegen: Die Mehrzahl von ihnen standen eher nicht grundsätzlich gegen Putin, und empfanden etwa die Ausweitung der Nato oder die jetzt erstmals seit 1945 erfolgte Stationierung deutscher Soldaten an Russlands Grenzen als Unrecht.Die oft mühsam aufgebauten Brücken zu russischen Wissenschaftler:innen abrupt abzubrechen wird Putins Krieg nicht beenden, bedeutet aber eine schwere Hypothek für die Zukunft der wissenschaftlichen Zusammenarbeit unsrer Länder. Meine Erfahrung mit vielen russischen Kollegen, oft Stipendiaten zum Beispiel der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, hat gezeigt, dass sie ebenso wie wir durch unsre Kooperationen viel gewinnen konnten. Man sollte von Fall zu Fall entscheiden, ob eine Kooperation weiterhin wünschenswert ist – diese wird vor allem in Bereich der Grundlagenforschung auf naturwissenschaftlichem Gebiet dann möglich sein, wenn sie nicht auf militärische Anwendungen zielt. Das Land nicht nur von Tolstoy und Tschaikowsky, auch das von Landau und Mendelejew muss uns verbunden bleiben, besonders nach den in Russland unvergessenen deutschen Verbrechen der NS-Zeit. Russische Wissenschaftler haben es nicht verdient, Opfer der Putinschen Politik zu werden.Hans-Jörg Schneider<h2 type="main">Rudolf Steiner: Begründer einer Pseudowissenschaft</h2>Mit Schaudern habe ich bei der Auflösung des Elementrätsels [Nachr. Chem. 2022, 70(9), 115] ein Zitat vom „Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner“ zum Thema Antimon gelesen. Die Anthroposophie war und ist eine esoterische, wissenschaftsfeindliche Weltanschauung und wurde als solche auch von ihrem Gründer angelegt. Anthroposophische „Überzeugungen“ und Produkte sind überall zu finden, meist ohne dass sich Zitierende und Konsumenten über die Hintergründe im Klaren sind. Dadurch entsteht eine Normalisierung und die verbreitete Ansicht, dass es sich bei der Anthroposophie um eine Art Wissenschaft handele.Spätestens seit der Verbreitung der „Querdenker“ – die eine große Schnittmenge mit Anthroposophen haben! – muss man als Wissenschaftler jeder Verharmlosung von Wissenschaftsfeindlichkeit entschieden entgegen treten.Susanne Rehn-Taube

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