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Karriere in der Stahlindustrie
"Große Industrieanlagen haben mich immer schon fasziniert"
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Der Physikochemiker Matthias Krüger hat sich den Berufseinstieg in die Verfahrenstechnik zugetraut. Heute trägt er dazu bei, den CO2-Fußabdruck von Stahlwerken zu verringern.
Das Stahlwerk von Thyssenkrupp Steel Europe in Duisburg produziert jährlich rund 11 Millionen Tonnen Stahl. Als Folge entweichen jedes Jahr etwa 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus den Schornsteinen – so viel, wie ganz Berlin emittiert. Die Industrie verursacht in Deutschland etwa ein Viertel der Treibhausgasemissionen, die Stahlindustrie ist der größte Verursacher. Matthias Krüger arbeitet daran, dass das nicht so bleibt.
„Arbeit macht mir Spaß, wenn ich weiß, dass sie etwas bewirken kann.“ sagt er, „auch wenn nicht alles sofort funktioniert.“ Er arbeitet in der zentralen Forschung von Thyssenkrupp Uhde in Dortmund. Dort entwickelt er Prozesse und ist daran beteiligt, das Carbon2Chem-Verfahren zu entwerfen. Es isoliert aus den Hüttengasen Kohlendioxid, bereitet es auf und setzt es unter anderem zu Methanol um. Auf dem Werksgelände in Duisburg betreibt das Unternehmen inzwischen Laboranlagen und eine Pilotanlage [Nachr. Chem. 2022, 70(11), 49].
„Einfach versuchen“
Matthias Krüger hat an der Uni Bochum Chemie studiert. Ursprünglich habe er sich mehr für Biochemie interessiert, „aber im Laufe der Studiums erschien mir die physikalische Seite immer interessanter.“ Er baute auf einer Hilfskraftstelle an der Uni Versuche für das physikalisch-chemische Praktikum auf und programmierte Laborsteuerungen. Das machte ihm so viel Spaß, dass er sich für die physikalische Chemie entschied: Bei Martina Havenith-Newen forschte er über Terahertz-Spektroskopie an ionischen Flüssigkeiten. Nach der Promotion arbeitete er noch ein Jahr bei der Koordinationsstelle Applied Competence Cluster (ACC) Terahertz, die Havenith-Newen an der Universität aufgebaut hatte.
Als Kind des Ruhrgebiets habe er eine gewisse Nähe zur Industriekultur, stellt Krüger fest, „Große Anlagen haben mich schon immer fasziniert.“ So kam er auf die Idee, sich neben den üblichen Chemieunternehmen Thyssenkrupp Uhde anzusehen, als er im Jahr 2011 eine Stelle suchte. Erleichtert hat ihm, dass der Konzern auf seiner Homepage die Möglichkeit anbot, sich initiativ zu bewerben. „Bei Stellenausschreibungen hatte ich das Gefühl, dass meine Kompetenzen nie hunderprozentig passten.“
Bei Thyssenkrupp fiel seine Bewerbung zwischen all denen von Ingenieuren auf, und er wurde eingeladen. Inzwischen weiß er: Es gibt bei Qualifikationen und Aufgaben viele Überschneidungen zwischen Ingenieuren und Chemikern. Daher lohne es sich für Chemiker, auch untypische Stellen in Betracht zu ziehen. „Einfach mal versuchen,“ rät Krüger.
Wasserstoff und Dampfreformer
Bei Thyssenkrupp Uhde, eine Anlagenbautocher der Unternehmensgruppe, fing er in dem Bereich an, der Anlagen für die Düngemittelsynthese und Dampfreformer für die Wasserstofferzeugung baut, im Unternehmen als „Hydrogen & Nitrates“ bezeichnet. Seine Schwerpunkte waren Wasserstoff- und Methanolanlagen. Er plante, erstellte Fließbilder, stellte die Prozessdaten für die Ausrüstungen zusammen, spezifizierte Pumpen, Kompressoren und Reaktoren, erstellte Angebote, machte Studien und verfahrenstechnische Simulationen, schätzte die Kosten, sorgte für eine konsistente Dokumentation. Die Kunden waren Chemieunternehmen weltweit. Die Anlagen entstanden vor allem an den Rohstoffquellen, also im Mittleren und Nahen Osten, in Nordafrika und in den USA. Für die Errichtung einer Salpetersäureproduktion verbrachte Matthias Krüger mehrere Monate auf der Baustelle in Vietnam. Eine Produktionsanlage für Chemiegrundstoffe hält in der Regel mehrere Jahrzehnte.
Noch vor zehn Jahren setzten Chemieunternehmen fast ausschließlich Erdöl und Erdgas als Rohstoffe ein. „Heute verändern sich die Rohstoffe zunehmend“, berichtet Krüger. Anlagen, die heute geplant und errichtet werden, sollen mit erneuerbaren Rohstoffen und Energie aus regenerativen Quellen laufen, oder das entstehende Kohlendioxid soll abgeschieden werden.
Service für die Zukunft
Seit dem Jahr 2017 arbeitet Matthias Krüger in der zentralen Forschung von Thyssenkrupp Uhde, dem Bereich „Technology, Innovation & Sustainability“.
Die zentrale Forschung in dem Konzern befasst sich mit übergeordneten Themen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte: Die Mitarbeitenden – etwa ein Drittel Chemiker und zwei Drittel Chemieingenieure – suchen nach neuen Anwendungsfeldern oder entwickeln Techniken, die auf nachwachsenden Rohstoffen beruhen und Energie aus erneuerbaren Quellen nutzen sollen. Dabei geht es um Themen, die mehrere Fachbereiche gleichzeitig betreffen und für die die einzelnen Fachbereiche im Projektalltag kaum Zeit finden.
Bei dieser Arbeit hat er weitere Prozesstechniken kennengelernt, darunter Gasreinigung, Erzeugung und Zersetzung von Ammoniak, CO2-Wäschen und Biomasse-Vergaser. Im Wesentlichen ist er der Methanolsynthese treu geblieben und versucht, die Verfahren weniger umweltschädlich zu gestalten.
Er prüft, ob neu entwickelte Prozesse marktreif sind und wie groß der Markt dafür ist. Bei der Prozessentwicklung hat er die Freiheit, sich grundlegende Fragen zu stellen. „Das ist sehr abwechslungsreich.“
Neue Prozesse erfinden
Ein Ziel der Arbeit in der zentralen Forschung sei es, die Prozesse moderner zu machen, berichtet Matthias Krüger. „Wir wollen Anlagen entwickeln, die nicht nur technisch funktionieren und ökonomisch arbeiten, sondern die auch ökologisch nachhaltiger sind.“ Ein Projekt ist daher Carbon2Chem. Das Verfahren soll nicht nur die Prozessgase aus Stahlwerken verwerten, die Ergebnisse sollen auch auf die Zement- und Kalkindustrie sowie auf Müllverbrennungsanlagen übertragen werden. „Das sind für die CO2-Emissionen relevante Sektoren“, sagt Krüger.
Zum Carbon2Chem-Projekt gehören ein Technikum in Duisburg mit fünf Laboren und einer Demonstrationsanlage, eine Gasreinigung, die unter anderem über 20 bis 30 Meter hohe CO2-Kolonnen verfügt, sowie eine Wasserelektrolyseanlage, alles auf insgesamt 3700 Quadratmetern Fläche. Etwa alle drei bis vier Wochen fährt Krüger ins Technikum zur Methanol-Laboranlage, ein Kollege ist permanent vor Ort und betreut diese.
Nicht alle Ideen kann Matthias Krüger umsetzen, und nicht alle angefangenen Projekte werden erfolgreich zu Ende gebracht. „Manchmal kommt der Punkt, an dem es heißt: Es lohnt sich nicht“, berichtet er. Das sei zwar enttäuschend, aber normal. Manchmal kann er ein Projekt, das irgendwo auf der Welt vor Jahren stoppte, wieder aufnehmen, etwa weil die Rahmenbedingungen sich verändert haben. „Das ist dann ein schönes Erfolgserlebnis.“
Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski traf Matthias Krüger auf der Bunsen-Tagung in Berlin, wo er in einem Vortrag das Carbon2Chem-Projekt präsentierte.
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